Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(1/02): B 58
DOI: 10.1055/s-2005-864663
Praxismanagement

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Neue Chance oder „heiße Luft”?

Hausarzt-VerträgeKlaus Schmidt
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Publication Date:
24 February 2005 (online)

In den letzten Wochen des Jahres 2004 sind mehrere Verträge zur hausarzt-zentrierten Versorgung abgeschlossen worden, auf Landes- und auf Bundesebene. Während die Verfechter von neuen Chancen für die Zukunft schwärmen, sprechen Kritiker von „heißer Luft”.

Hausarzt-Vertrag unter Ausschluss der KV

Das größte Aufsehen hat Mitte Dezember der Vertragsabschluss zwischen dem Deutschen Hausärzteverband und der Barmer Ersatzkasse unter Einschluss der Apothekerschaft (ABDA) erregt: Erstmals hat damit ein Berufsverband ohne Beteiligung einer Kassenärztlichen Vereinigung einen bundesweiten Hausarzt-Vertrag auf der Basis von § 140 a (integrierte Versorgung) abgeschlossen. Ab 1. März dieses Jahres können sich Hausärzte und Versicherte zur Teilnahme an diesem Vertrag einschreiben.

Teilnahmebedingungen für den Hausarzt

Der Vorsitzende des Hausärzteverbands, der Bremer Allgemeinarzt Ulrich Weigeldt, hat sich bewusst für den § 140 entschieden, weil er im Gegensatz zu § 73b über die Hausarzt-zentrierte Versorgung praktisch frei von allen Hürden ist. Im § 73b SGB V wird eine besondere Qualifikation der Hausärzte verlangt, wobei deren Definition unklar ist. Auch gibt es für Hausärzte, selbst wenn sie eine besondere Qualifikation vorweisen können, keine Garantie, dass sie dem Vertrag auch beitreten können. Das entscheidet allein die Krankenkasse. Und es gibt das Problem der Bereinigung der Gesamtvergütung um die Leistungen, die von teilnehmenden Ärzten erbracht werden. Das alles kann man sich bei Integrationsverträgen nach § 140 ersparen. Ganz ohne Bedingungen ist die Teilnahme für die Hausärzte zwar nicht, aber sie sind leicht zu erfüllen: Der Arzt muss über eine Praxis-EDV samt Praxis-Software verfügen und sich verpflichten, regelmäßig an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen sowie Leitlinien zu Diagnostik und Therapie zu beachten.

Zusatzeinkommen für den Hausarzt

Sobald sich ein Patient bei seinem Hausarzt als Teilnehmer einträgt, fließt für diesen zusätzliches Geld: 35 Euro für die Eingangsuntersuchung, dazu einmalig 20 Euro für die Koordinationsfunktion des Hausarztes. Außerdem zahlt die BEK in jedem Quartal 5 Euro extra pro eingeschriebenem Patient. In jedem Jahr können die eingeschriebenen BEK-Patienten bei ihrem Hausarzt einen Check-up machen lassen, der mit 55 Euro vergütet wird. Weigeldt rechnet mit einem fünften Quartalsumsatz jährlich als Zusatzeinkommen für die Ärzte. Abgerechnet wird über die Datenstelle der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft, einer Genossenschaft des Deutschen Hausärzteverbands.

Vertrag löst nicht überall Begeisterung aus

Dass dieser Vertrag nicht überall auf Begeisterung stößt, hat Initiator Weigeldt im Dezember bei den Wahlen zum Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu spüren bekommen. Mit nur 25 Stimmen - bei 21 Gegenstimmen und 14 Enthaltungen - wurde er als Hausarzt-Vertreter zum Zweiten KBV-Vorsitzenden gewählt -, eine Quittung für seine Vertragspolitik an der KV vorbei. Der Facharzt-Kandidat Dr. Andreas Köhler kam dagegen mit 59 von 60 Stimmen ins Ziel. Weigeldt hat bereits angekündigt, dass er in Kürze vom Amt des Bundesvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbands zurücktreten wird.

Der Bundesvorsitzende des NAV-Virchowbunds, Dr. Maximilian Zollner, bezeichnet den Vertrag mit der Barmer als „den größten Bluff” des Jahres. „Summa summarum ist das nichts als heiße Luft”, kommentierte der Allgemeinarzt aus Friedrichshafen. Der Patient gebe für einen billigen Köder von drei Praxisgebühren seine freie Arztwahl auf und habe keinerlei erkennbaren Vorteil daraus. Der Hausarzt verkaufe sich für eine kümmerliche Prämie an eine Kassenmedizin, bei der die Ökonomie über Ethik und soziale Verantwortung bestimme.

Hausarzt verkauft sich an Kassenmedizin

Ähnlich lautet die Kritik aus Nordwürttemberg, wo die KV im Dezember mit der Gmünder Ersatzkasse (GEK) einen Vertrag zur Hausarzt-zentrierten Versorgung nach § 73b vereinbart hat, dem sich auch die Deutsche Angestellten-Krankenkasse und die Techniker-Krankenkasse angeschlossen haben. Der damalige KV-Chef Dr. Werner Baumgärtner ist stolz darauf, dass hier die Fachärzte nicht ausgeschlossen werden. Es handle sich nicht um ein klassisches Primärarztsystem, sondern der Patient habe nach wie vor die Möglichkeit, direkt seinen Facharzt aufzusuchen. Vor einer Überweisung ins Krankenhaus ist immer die Zweitmeinung eines Facharztes einzuholen, der prüft, ob die fachärztliche Versorgung auch ambulant möglich ist.

Dagegen hält Baumgärtner, Vorsitzender des Medi-Verbunds in Baden-Württemberg, wenig von den Hausarztmodellen der AOK in Mannheim und Südbaden. Sie sind in seinen Augen nichts als Rosinenpickerei, da die Teilnehmerzahl auf 100 Ärzte beschränkt ist.

Klaus Schmidt

Planegg

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