Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(1/02): B 55
DOI: 10.1055/s-2005-864661
Praxismanagement
Klaus Schmidt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Integrierte VersorgungKlaus Schmidt
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Publication Date:
24 February 2005 (online)

Gut 70 % der eingereichten Anträge für Verträge zur Integrierten Versorgung nach § 140 a SGB V sind „alter Wein in neuen Schläuchen”, sagte der Vorsitzende der AOK Rheinland, Wilfried Jacobs, auf der Medica 2004 in Düsseldorf.

Meist handelt es sich um eine Umetikettierung älterer Verträge, getragen von dem Wunschdenken, wenigstens etwas von dem für die 1 %ige Anschubfinanzierung abgezogenen Geld aus der Gesamtvergütung wieder zurück zu holen. Die Mehrzahl der abgeschlossenen I.V.-Verträge hat die Hüft- und Kniegelenkendoprothetik zum Gegenstand. Einen breit angelegten flächendeckenden Vertrag zur Hausarzt-zentrierten Versorgung hat der Deutsche Hausärzteverband mit der Barmer Ersatzkasse und den Apothekern (ABDA) jetzt ausgehandelt. Er soll mit Beginn des nächsten Jahres anlaufen. Die Hausärzte, die sich einschreiben wollen, müssen über ein Praxis-Software-Programm verfügen und sich zur Fortbildung und Teilnahme an Qualitätszirkeln verpflichten.

Über Netz-Leitlinien werden Qualitäts-Standards aufgestellt

Eine Anzahl von Primär-Krankenkassen hat sich auf eine gemeinsame Philosophie zur Integrationsversorgung verständigt, berichtete der AOK-Vorsitzende in Düsseldorf. Sie wollen den Fokus auf chronisch oder schwer kranke Patienten richten und darauf achten, dass die Nutzenstiftung für die Patienten eindeutig ist. I.V.-Netze müssen unbedingt professionell gemanagt werden, und in ihrem Zentrum sollte ein Krankenhaus stehen, betonte Jacobs. Über Netz-Leitlinien werden Qualitäts-Standards aufgestellt. Besonders wichtig ist für die Kassen auch ein bürokratiearmes Dokumentationsverfahren.

Als sinnvolle Beispiele für Handlungsfelder nannte Jacobs I.V.-Projekte wie „Der multimorbide Patient in der hausärztlichen Praxis”, „Der Patient mit schwerer Erkrankung” und „Der chronisch oder schwer erkrankte Patient an besonderen Orten (stationäre Pflegeeinrichtung)”. Schlaganfall, Krebs, Herzinfarkt/ Herzinsuffizienz oder Depressionen sind einige der Krankheitsbilder, die sich aus seiner Sicht für eine integrierte Versorgung eignen.

Anschubfinanzierung vergütet nur wirklich neue und zusätzliche Leistungen

An einem I.V.-Netz beteiligen sich neben dem Krankenhaus als Kern niedergelassene Haus- und Fachärzte, ambulante und stationäre Reha-Einrichtungen, Pflegeeinrichtungen, Hilfsmittel-Lieferanten, Apotheken und Selbsthilfe-Organisationen. Die bisherigen Vergütungswege sollen nach dem Willen der Kassen vorerst nicht verändert werden; EBM-Leistungen werden weiterhin über die KV abgerechnet. Aus dem 1 %-Topf der Anschubfinanzierung will die AOK nur wirklich neue und zusätzliche Leistungen finanzieren, zum Beispiel zusätzlichen medizinischen beziehungsweise technischen Aufwand, höheren Beratungs- und Betreuungsbedarf, neue Techniken, besondere Behandlungsmethoden und Dokumentationsaufwand.

Bis Ende März 2005 will die AOK etwa 25 I.V.-Netze im Rheinland installiert haben. Die Verhandlungen in ausgewählten Pilotregionen sind bereits angelaufen. Die AOK hat zu diesem Zweck einen eigenen neuen Geschäftsbereich „Integrierte Versorgung” eingerichtet. Die KV Nordrhein ist über alle Aktivitäten kontinuierlich informiert worden, bestätigte Jacobs. „Wo alle Beteiligten es für sinnvoll halten, die KV einzubeziehen, geschieht das auch”, versicherte er.

Externes Netzwerkmanagement als neutraler Dienstleister

Ein externes Netzwerkmanagement, das zum 1. November 2004 an den Start gegangen ist, fungiert als neutraler Dienstleister für die Netze, begleitet sie betriebswirtschaftlich, bildet Netzstrukturen, baut ein einheitliches Controlling auf, schließt Zielvereinbarungen, organisiert ein einheitliches Konzept für Informationstechnologie und Datenfluss und implantiert Bonus- und Prämienregelungen. Jacobs hofft, dass sich die Netze ab 2007 selbst tragen, wenn die Anschubfinanzierung ausläuft.

Die Integrierte Versorgung ist für den Vorsitzenden der KV Nordhrein, Dr. Leonhard Hansen, ein Versuchsfeld für die Vertrags- und Versorgungslandschaft der Zukunft. Derzeit sieht er einen Flickenteppich vor sich: Es gebe Verträge für einzelne Versicherte und nur wenige Verträge für mehr als 1000 Versicherte.

Flächendeckende Versorgung darf nicht gefährdet werden

Für den KV-Chef ist es entscheidend, dass durch die Einzelverträge die flächendeckende Versorgung nicht gefährdet wird und die Finanzierung der Kassenärztlichen Vereinigungen gesichert bleibt. Die KV sei daher entschlossen, sich als Begleiter für I.V.-Verträge über ihre Tochter „KV Consult” anzudienen.

Diese möchte künftig stärker an dem I.V.-Geschäft partizipieren, bestätigte ihr Geschäftsführer Frank Bausch. Mit der Techniker Krankenkasse ist die KV Consult derzeit im Gespräch über einen Flächenvertrag. Die Krankenkasse würde am liebsten die Abrechnung über die KV-Tochter laufen lassen anstatt über Einzelverträge mit den Ärzten.

Klaus Schmidt

Planegg

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