Einleitung
Beim Menschen ist die Bedeutung des Haarkleides weit über seine ursprüngliche Funktion,
nämlich Schutz vor Kälte und UV-Strahlung, hinausgewachsen. Das Kopfhaar ist ein wichtiger
Bestandteil des äußeren Erscheinungsbildes, das Attraktivität, Vitalität und Jugendlichkeit
vermitteln soll und auf dessen Pflege daher häufig viel Zeit und Mühe verwendet wird.
Dementsprechend bedeuten Probleme an Haar und Kopfhaut für zahlreiche Personen einen
enormen Leidensdruck. Erste Ansprechpartner für Betroffene sind in der Regel Frisör,
Drogist und/oder Apotheker (Abb. [1]); erst danach wird bei ausbleibender Besserung der Dermatologe aufgesucht. Er sollte
daher in der Lage sein, die verschiedenen Haarerkrankungen und kosmetischen Haarprobleme
differenzialdiagnostisch zu unterscheiden und die geeignete Behandlung einzuleiten.
Daher sollte die kosmetische Industrie Dermatologen umfassend über ihre Produkte informieren,
sodass diese ihre Patienten gezielt beraten können.
Abb. 1 Ein Drittel aller Betroffenen mit Haarproblemen konsultiert in erster Linie den Frisör.
Diagnostik bei Störungen von Haar und Kopfhaut
Viele Haarprobleme lassen sich diagnostisch bereits durch eine genaue Anamnese mit
gezielten Fragen zu Haarpflegeprodukten einordnen. Daran schließt sich die klinische
Untersuchung mit Inspektion des Kapillitiums an [1]. Haarschaftsveränderungen sind in der Regel mikroskopisch mittels der Trichoscan-Methode
rasch zu erkennen. Die Videodermoskopie erlaubt darüber hinaus auch die Speicherung
der erhobenen Befunde.
Haarschaftanomalien
Haarprobleme sind häufig durch mangelhafte oder fehlerhafte Pflege des Kopfhaares
bedingt. So lässt sich eine erhöhte Brüchigkeit der Haare, u. U. sogar eine Alopezie
nicht selten auf aggressive Substanzen zurückführen, die bei Dauerwellen eingesetzt
werden. Gelegentlich wird der Dermatologe mit grün schimmerndem Haar konfrontiert,
das durch zu häufiges Färben verursacht wird. Diese Farbveränderung wird durch das
in Färbeprodukten vorhandene Kupfer ausgelöst. Bei Frauen mit ohnehin dünnem und geschädigtem
Haar kann das Kopfhaar nach langer Bettruhe, z. B. infolge einer Operation, in der
Nackenregion verfilzen. Dieser Schaden ist jedoch rasch reversibel, sobald die andauernde
Reibung von Kopfhaut und Haar gegen die Unterlage beendet wird.
Eine Trichonodosis, d. h. Ein- und Mehrfachverknotungen des Haarschaftes, kann sich
bei stark gewelltem Haar, zu starkem Kämmen oder Toupieren oder auch nach langer Windexposition
ausbilden [2]. Im Knotenbereich kann das Haar stark brüchig werden. Die Patienten sollten darauf
hingewiesen werden, zu ruppige haarkosmetische Maßnahmen zukünftig zu unterlassen,
um derartige Schäden zu vermeiden.
Zahlreiche Frauen klagen über Haarschäden, die sich bei genauerer Befragung auf äußere
Einflüsse wie Baden in Meerwasser oder exzessive Anwendung von Haarkosmetika erklären
lassen. Hierzu gehört zuvorderst die Trichorrhexis nodosa, die durch Defekte der Kutikula
oder der interzellulären Zementsubstanz bedingt ist und mit einer erhöhten Schaftfragilität
einhergeht [3]. Die Betroffenen klagen über trockenes, glanzloses und stumpf aussehendes Haar.
Makroskopisch fallen weißliche Knötchen im Bereich der Haarschäfte auf. Wesentlich
häufiger als die angeborenen Formen der Trichorrhexis nodosa (z. B. mit mentaler Retardierung
und Argininsuccinylazidurie) sind erworbene Formen durch kontinuierliche Haarschädigung,
z. B. nach ständigem Flechten der Haare oder durch intensive Sonneneinwirkung.
Ebenfalls durch mechanische oder chemische Traumatisierung bedingt ist die Trichoptilosis
(Haarspliss). Als Folge der zu intensiven Haarkosmetik spalten sich die meist langen
Haare am distalen Ende pinselförmig auf. Eine spezifische Therapie gibt es weder bei
Trichorrhexis nodosa noch bei Trichoptilosis. Wichtigste Maßnahme ist der schonende
Umgang mit dem Kopfhaar unter Verzicht aggressiver haarkosmetischer Eingriffe wie
Toupieren, Dauerwellen oder Färben.
Beim Luftblasenhaar handelt es sich um eine Anomalie des Haarschafts, die durch lichtmikroskopisch
sichtbare, scharf abgegrenzte, unregelmäßig große Hohlkugeln im Haar charakterisiert
ist. Diese Hohlräume sind Lufteinschlüsse, die durch zu heißes Föhnen verursacht wurden.
Die Behandlung ist simpel: Bei sanftem Trocknen der Haare verschwinden diese Anomalien
völlig.
Alopezien
Bei etwa jedem zweiten Mann lichtet sich im Laufe seines Lebens das Haupthaar. Diese
androgenetische Alopezie ist erblich bedingt und keine Krankheit [4]
[5]. Auch 30 bis 50 % aller Frauen neigen zu einer androgenetischen Alopezie, die sich
nach der Menopause aufgrund der hormonellen Umstellung beschleunigen kann. Ein mikroskopisch
gut erkennbares Charakteristikum bei der androgenetischen Alopezie sind peripiläre
Verdickungen um die Haarfollikel, die mit dem Ausmaß der perifollikulären Entzündung
korrelieren. Laut Untersuchungen der L’Oréal-Forschung sind diese Veränderungen als
ungünstiger prognostischer Marker bei der androgenetischen Alopezie einzuschätzen
[6]. Therapeutische Ansätze beim Haarausfall werden im anschließenden Beitrag dieses
Supplements detailliert vorgestellt.
Anomalien der Kopfhaut
Eines der häufigsten Kopfhautprobleme ist die Schuppenbildung, von der rund 45 % aller
Personen, junge Männer sogar bis zu 50 %, betroffen sind. Sehr oft klagen Personen
mit Schuppenbildung gleichzeitig über eine juckende Kopfhaut.
Die Frage, ob eine starke Schuppenbildung durch eine Psoriasis oder eine seborrhoische
Dermatitis bedingt ist, lässt sich zuverlässig durch die mikroskopische Untersuchung
der Kopfhaut beantworten. Bereits bei 20-facher Vergrößerung fallen in der Kopfhaut
vaskuläre Veränderungen auf: Charakteristisch für die Psoriasis sind knäuelförmige
Kapillarschleifen, die sowohl in den Kopfhautregionen ohne als auch mit Schuppenbildung
lokalisiert sind (Abb. [2]). Diese Kapillarknäuel fehlen bei der seborrhoischen Dermatitis völlig. Hier finden
sich vielmehr typischerweise Teleangiektasien als vaskuläre Anomalien.
Abb. 2 Knäuelartige Kapillarschleifen in der Kopfhaut bei Psoriasis vulgaris [2].
Farbveränderungen der Kopfhaut bei Frauen sind häufig und werden in der Regel durch
unprofessionelles Färben der Haare verursacht: Wird das Färbeprodukt nach der Anwendung
nicht sorgfältig ausgespült, kann die Pigmentierung über mehrere Wochen lang in der
Kopfhaut verbleiben. Den Patientinnen sollte daher geraten werden, ihre Haare nach
dem Färbevorgang mehrfach gründlich zu waschen, um derartige Veränderungen in der
Zukunft auszuschließen. Ob die Pigmentablagerung in der Kopfhaut auch eine Rolle beim
Haarausfall spielt, ist bislang ungeklärt.