Einführung
Einführung
Die Hautklinik Dresden-Friedrichstadt blickt auf eine 130-jährige, wechselvolle Geschichte
zurück. Nach heutigem Kenntnisstand darf die Hautklinik des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt
als älteste städtische Hautklinik Deutschlands gelten.
Die frühen Jahre als „Äußere Abteilung”
Die frühen Jahre als „Äußere Abteilung”
Im Jahre 1874 wurde sie als II. Äußere Abteilung, die „Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten
sowie kleine Chirurgie” gegründet und verfügte über 71 Betten. Ihre Wurzeln entstammten
einer „Unterabteilung für syphilitische Frauen” der Äußeren (Chirurgischen) Abteilung
des Krankenhauses. Dies belegt auch ein Exlibris, welches die Bände des „Archiv für
Dermatologie und Syphilis” in der Bibliothek der Hautklinik ziert (Abb. [1]). Zugleich zeigt dieses historische Kleinod, dass die Probleme des Erhalts des Bibliotheksbestandes
keine „Erfindung” des 21. Jahrhunderts sind.
Von 1874 bis 1901 war Julius Otto Martini (1829 - 1909) leitender Oberarzt dieser
Abteilung. Er hatte maßgeblichen Anteil daran, dass die Stadt dem Krankenhaus im Jahre
1888 das Gebäude der ehemaligen 3. Bezirksschule auf der Bräuergasse zur Verfügung
stellte und somit eine Erweiterung der Kapazität der II. Äußeren Abteilung auf 140
Betten möglich wurde. Martini hatte nach dem Abitur an der Landes- und Fürstenschule
Grimma in Leipzig Medizin studiert. Im Anschluss war er mehrere Jahre als Arzt in
Sächsischen Regimentern tätig und arbeitete als praktischer Arzt, ehe er 1866 Anstellung
im Städtischen Krankenhaus Friedrichstadt erhielt. Viele Jahre war er Mitarbeiter
von „Schmidts Jahrbüchern der in- und ausländischen Medizin” [1]. In seinem Werk bemühte er sich um systematische Darstellung von Hautkrankheiten
und ihrer möglichen Therapien. Ein zweites Aufgabengebiet, die Behandlung der Geschlechtskrankheiten,
führte ihn mit dem späteren Urologen Felix Martin Oberländer (1850 - 1915) zusammen,
der mit Maximilian Nitze (1848 - 1906) das erste Zystoskop entwickelte.
Abb. 1 Exlibris der Bibliothek der Äußeren Abteilung am Krankenhaus Friedrichstadt.
Johannes Werther (1865 - 1936) hatte in Dresden sein Abitur abgelegt, in Leipzig Medizin
studiert und an der II. Äußeren Abteilung des Stadtkrankenhauses Dresden-Friedrichstadt
und der Charité-Hautklinik seine Fachausbildung absolviert. Unter seinem Direktorat
ab 1901 erhielt die II. Äußere Abteilung ein Labor-, ein Mikroskopier-, ein Fotografier-
und ein Untersuchungs- sowie ein Operationszimmer. 1907 konnten ein Röntgengerät und
eine Quarzlampe angeschafft werden, womit die dermatologische Strahlentherapie aufgenommen
werden konnte. Werthers Arbeitsgebiete umfassten die Geschlechtskrankheiten, den Lupus
vulgaris und die bullösen Dermatosen sowie in den späten Arbeitsjahren die psychogenen
Hautkrankheiten. Er gilt als der Erstbeschreiber des Naevus syringadenomatosus papilliferus
im deutschsprachigen Raum [2].
Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern nahm Werther wesentlichen Anteil an der Gestaltung
der Fortbildungsabende im „Verein Dresdner Dermatologen und Urologen”. Einen bleibenden
Beitrag für die ärztliche Ausbildung schuf er durch die 1903 begonnene Anlage der
„Wachsbildersammlung der Äußeren Abteilung des Stadtkrankenhauses Dresden-Friedrichstadt”
(Abb. [2]). Diese Moulagen waren die zeitgemäß modernste und ausdrucksstärkste Form der Befunddokumentation.
Die Sammlung wurde im Wesentlichen bis zum Jahre 1930 erweitert, im Anschluss nur
noch gepflegt. Sie überstand den II. Weltkrieg ohne größeren Schaden, wurde allerdings
in den Nachkriegswirren fast vollständig zerstört.
Abb. 2 Titelblatt des Kataloges zur Moulagensammlung.
Im Jahre 1925 wurde Werther und seinem niedergelassenen Kollegen Eugen Galewsky (1864
- 1935) die Ehre zuteil, den 14. Kongress der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft
auszurichten.
Hans Martenstein und die Gründung einer selbstständigen Hautklinik
Hans Martenstein und die Gründung einer selbstständigen Hautklinik
Im Jahre 1930 übernahm Hans Martenstein (1892 - 1945) die Nachfolge. Martenstein hatte
in Leipzig studiert. Seine dermatologische Ausbildung genoss er an der Breslauer Universität,
die dank Albert Neisser (1855 - 1916), Joseph Jadassohn (1863 - 1936) und Heinrich
Adolf Gottron (1890 - 1974) eine der weltweit führenden Dermatologenschulen ihrer
Zeit verkörperte [3]. Hier entstand auch sein wissenschaftliches Hauptwerk, welches drei Forschungsgebiete
umfasste: die Strahlenbiologie und -therapie, die Behandlung des Lupus erythematodes
und die Hauttuberkulose. Aufgrund seiner herausragenden Reputation wurde er unter
anderem von Bruno Bloch (1878 - 1933) und Josef Jadassohn für die Nachfolge von Georg
Arndt (1874 - 1929) an der Charité-Hautklinik favorisiert. Dennoch erfolgte keine
Berufung [4].
Diese wissenschaftliche Produktivität konnte Martenstein in seinen Friedrichstädter
Jahren als Direktor der Hautklinik und stellvertretender Chefarzt des Klinikums nicht
fortsetzen. Aus der II. Äußeren Abteilung entstand unter seiner Leitung die selbstständige
Hautklinik. Martenstein beeinflusste maßgeblich die umfassenden Umbauarbeiten im Krankenhausgelände,
nach deren Beendigung die Hautklinik mit zwei Stationen in die erste Etage des „alten
Hauses” umziehen konnte. Damit entstand 1937 eine geschlossene dermatologische Klinik,
die über 255 Betten verfügte (Abb. [3]) und zu den modernsten Hautkliniken in Deutschland zählte. Bemerkenswert ist, dass
Martenstein einer der wenigen Chefärzte dermatologischer Kliniken war, die nicht der
NSDAP angehörten [5].
Abb. 3 Krankenzimmer 1938.
Nachkriegsjahre
Nachkriegsjahre
Nach Martensteins Freitod im Mai 1945 stand die Klinik jeweils für kurze Zeit unter
Leitung von Karl Linser (1895 - 1976), Rolf Bettermann (geb. 1917) und Roderich Helmke
(1906 - 1980). 1947 wurde die zu dieser Zeit 300 Betten umfassende Klinik aufgegliedert.
Die Geschlechtskranken wurden zunächst in das Infektionskrankenhaus Dresden-Trachau,
1949 in das Krankenhaus Bodelschwinghstraße ausgelagert. Damit war im „alten Haus”
genügend Raum für die am Krankenhaus neu zu errichtende Poliklinik entstanden.
Im Januar 1950 wurde Heinz Hering (1913 - 1998) Chefarzt der Friedrichstädter Hautklinik.
Er setzte seine Kraft für eine Rekonstruktion des L-Hauses ein, nach deren Abschluss
die Hautklinik 1959 mit 150 Betten in dieses Haus einziehen konnte (Abb. [4]). Daneben verfügte die Klinik über 30 venerologische Betten, die in einem separat
gelegenen Flachbau untergebracht waren. 1961 wurde die Bettenzahl auf insgesamt 150
reduziert. Hering hatte in Jena, Breslau, Bonn und Leipzig Medizin studiert und sowohl
sein Medizinalpraktikum als auch seine Fachausbildung bei Martenstein absolviert.
Nachdem er einige Jahre als niedergelassener Dermatologe tätig gewesen war und durch
Leitung mehrerer Behelfskrankenhäuser einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
nach dem II. Weltkrieg geleistet hatte, lagen seine Arbeitsschwerpunkte in den Klinikjahren
auf den Gebieten der dermatologischen Röntgentherapie, der Allergologie, der Hauttuberkulose,
der Arbeitsdermatologie und Phlebologie. Große Verdienste erwarb er sich um die Einführung
und Verbreitung der von Paul Linser (1871 - 1963) inaugurierten Varizenverödung. Die
Klinik war seinerzeit ein Verbrennungszentrum, was sich auch in den wissenschaftlichen
Publikationen Herings niederschlägt [6]. Ende der sechziger Jahre begann Volker Tempel (geb. 1939), eine dermatochirurgische
Abteilung aufzubauen.
Abb. 4 Die Hautklinik 1938 (A-Haus, oben) und heute (L-Haus; unten).
Nach 24-jährigem Wirken schied Hering im März 1974 aus der Klinik aus, die in den
folgenden zwei Jahren kommissarisch von Gerhard Goßrau (geb. 1934) geleitet wurde.
Goßraus Schwerpunkt war die Photodermatologie, der er sich auch nach Ausscheiden aus
dem Krankenhaus weiter widmete.
Claus Seebacher - ein Vierteljahrhundert Dermatologie in Friedrichstadt
Claus Seebacher - ein Vierteljahrhundert Dermatologie in Friedrichstadt
Im April 1976 wurde Claus Seebacher (geb. 1935) zum Chefarzt der Hautklinik ernannt.
Er setzte sich mit aller Kraft für eine Generalrekonstruktion der Hautklinik im Haus
L mit Einbau von Sanitärzellen ein. Nach reichlich drei Jahren Bauzeit zog die Klinik
im Januar 1991 mit 102 Betten aus dem interimsmäßig bewohnten I-Haus ins L-Haus zurück.
Unter Seebacher wurde in der Hautklinik eine leistungsfähige Abteilung Mykologie aufgebaut.
Zu diesem Arbeitsschwerpunkt erschienen zahlreiche Publikationen in wissenschaftlichen
Journalen, vor allem in den Mykosen/Mycoses. In gemeinsamer Herausgeberschaft mit
Renate Blaschke-Hellmessen ist 1990 das Standardwerk „Mykosen: Epidemiologie - Diagnostik
- Therapie” entstanden [7]. Im Vorwort heißt es: „Bei der Darstellung der Stofffülle war davon auszugehen,
dass die Medizinische Mykologie ein interdisziplinäres Fach ist.” Die Bezüge zu anderen
Disziplinen, sei es die HNO-Heilkunde, die Innere Medizin, die Gynäkologie, die Arbeitsmedizin
und Pharmakologie, wurden von Seebacher bewusst gesucht und ausgebaut. Er hat als
Leiter der Subkommission Mykologie der Leitlinienkommission der Deutschen Dermatologischen
Gesellschaft Entscheidendes zur Qualitätssicherung in der Mykologie beigetragen. Das
hat sich auch in federführender Formulierung von aktuellen Leitlinien in der klinischen
Mykologie niedergeschlagen [8].
Die Klinik entwickelte sich zu einem Zentrum der Melanombehandlung, welches auch über
Stadt- und Landesgrenzen hinaus Beachtung fand. Arbeitsschwerpunkt waren u. a. die
Untersuchung zum Zusammenhang von Immunität und Krankheitsprognose, die in mehreren
internationalen Publikationen zusammengefasst wurde [9]. Seebacher kam bei Bearbeitung großer Datenmengen sein frühzeitiges Interesse an
der elektronischen Datenverarbeitung zugute. Dies hat auch zum wohl umfangreichsten
Melanomregister in der ehemaligen DDR geführt.
Seebacher nahm die Tradition der regelmäßigen Friedrichstädter Patientendemonstrationen,
die seit Untergang des „Vereins Dresdner Dermatologen” nur diskontinuierlich stattgefunden
hatten, wieder auf und setzte die Fortbildungsveranstaltung ab 1977 jährlich unter
dem Titel „Dresdner Dermatologische Demonstration” fort. Diese Tradition wird weitergeführt.
Nach der politischen Wende 1989 gelang es Seebacher und seinen Mitarbeitern, die Leistungsfähigkeit
der Klinik auszubauen und neue Diagnostik- und Therapieverfahren einzuführen. Im Jahre
2001 ist Claus Seebacher in den verdienten Unruhestand eingetreten, aus welchem er
sich weiterhin aktiv an der inhaltlichen Gestaltung der Dermatologie (so z. B. in
der Leitlinien-Kommission) und der Berufspolitik in der Sächsischen Landesärztekammer
beteiligt.
Unter Seebacher hatte sich Erich Köstler (geb. 1943) habilitiert, dessen Schwerpunkt
neben der Dermatochirurgie und Phlebologie auch die kutanen Porphyrien waren und sind.
Durch seine gemeinsam mit Internisten und Labormedizinern durchgeführten Arbeiten
gelang es neben neuen Erkenntnissen in der Hepato-Morphologie nachzuweisen, dass Therapieversager
der niedrig-dosierten Chloroquinbehandlung der Porphyria cutanea tarda auf homozygote
Mutationen des Gens C282Y zurückzuführen sind. Für diese Untergruppe stellt die auf
Ippen zurückgehende Aderlasstherapie die Methode der Wahl dar [10]. Köstler wurde 2004 zum apl. Professor an der Technischen Universität Dresden ernannt.
Neue Herausforderungen
Neue Herausforderungen
Uwe Wollina (geb. 1956) wurde 2001 zum Chefarzt der traditionsreichen Hautklinik in
Dresden-Friedrichstadt berufen. Sein Studium und die dermatologische Ausbildung absolvierte
er an der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit Habilitation 1988. Nach der Maueröffnung
wurde ihm in den Jahren 1990 - 1992 durch ein DAAD-Austauschstipendium und die Ippen-Stiftung
ein Forschungsaufenthalt an der von Professor G.-K. Steigleder geführten Universitäts-Hautklinik
Köln in der Arbeitsgruppe von Professor G. Mahrle ermöglicht. Weitere Forschungsaufenthalte
und Kooperationen konnten infolge mit den Universitäten Palermo, Rio de Janeiro und
Passo Fundo realisiert werden. In den Jahren 1992 bis 1997 war er Kommissarischer
Direktor der Universitäts-Hautklinik Jena.
Eine besondere Prüfung stellte die Flutkatastrophe 2002 für das gesamte Krankenhaus
dar [11]. Innerhalb eines Tages mussten fast 900 Patienten evakuiert und medizinisch versorgt
werden (Abb. [5]). Der großen Einsatzbereitschaft des Personals wie auch der vielen Helfer von Feuerwehr,
THW u. a. m. war es zu verdanken, dass innerhalb kurzer Zeit die Beseitigung von Schäden
aufgenommen und die Krankenversorgung wieder realisiert werden konnte.
Abb. 5 Evakuierung des Krankenhauses während der Dresdner Jahrhundertflut.
Aktuelle Arbeitsschwerpunkte der Klinik sind die Dermato-Onkologie, die komplexe Behandlung
chronischer Wunden, die Laser- und Ästhetische Dermatologie sowie Arbeitsdermatologie.
In den letzten Jahren wurden die baulichen Erneuerungen des Hauses fortgeführt und
erweitert. Es konnten das Spektrum der operativen Eingriffe vergrößert, die onkologische
Therapie intensiviert, die Tagesklinik und das Laserzentrum eröffnet werden. DRG-Einführung,
Qualitätsmanagement und Telemedizin sind auch am städtischen Krankenhaus allgegenwärtig.
Kooperationen zu anderen Kliniken und Abteilungen des Krankenhauses wie auch der Region
sowie die Pflege der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Hautärzten sind eine solide
Grundlage für die Fortentwicklung der klinischen Dermatologie in schwieriger Zeit.
Bemühungen um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit haben in der Initiierung des
Internationalen Dermatologie-Symposiums Dresden-Prag-Wroclaw gemündet.
Nachgedanke
Nachgedanke
Dieses Krankenhaus ist gewiss einmalig in seiner Verbindung von Tradition und Fortschritt,
von Krankenhausbetrieb und Kultur. Eines der Kulturprojekte der nahen Zukunft ist
die Rettung eines der schönsten Barockbrunnen Deutschlands, des Neptunbrunnens auf
dem Krankenhausgelände (Abb. [6]).
Abb. 6 Nile, Teil des barocken Neptunbrunnens.