Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2005; 10: 52-58
DOI: 10.1055/s-2005-858416
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bedeutung von Health Technology Assessment bei Bewertungs- und Erstattungsentscheidungen in Deutschland heute und morgen

Relevance of Health Technology Assessment for Benefit Decisions in Germany Now and in the FutureR. Busse1
  • 1Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Institut für Gesundheitswissenschaften, Fakultät VIII (Wirtschaft und Management) der Technischen Universität Berlin
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Publication Date:
16 August 2005 (online)

Zusammenfassung

Health Technology Assessment (HTA) wurde in Deutschland 1995 entdeckt, als das Bundesministerium für Gesundheit eine internationale Bestandsaufnahme zu diesem Thema in Auftrag gab. 2000 wurde die Deutsche Agentur für Health Technology Assessment (DAHTA) gegründet mit dem gesetzlichen Auftrag, ein Informationssystem im Bereich HTA zu entwickeln. Seit 2004 existiert das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit ähnlichem Auftrag. Zwischen 1991 und 2003 hat der Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen (BÄK) etwa 50 Entscheidungen zu Leistungen im ambulanten Sektor getroffen. Vor 1997 hatte das HTA nur einen geringen Einfluss auf solche Entscheidungen, danach stieg der Einfluss an. Arzneimittel wurden in Deutschland bisher weitgehend vom HTA ausgespart, da es kein Verfahren zur Erstattungsfähigkeit gibt. In den Ausschüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dem Nachfolgegremium des BÄK, werden drei verschiedene Vorgehensweisen angewendet, um Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu evaluieren: die BUB-Richtlinie von 1997, die zahnmedizinische NUB-Richtlinie von 1999 und die „Richtlinie nach § 137c” für den stationären Bereich. Als Evidenz werden Studien herangezogen, deren Validität nach den Evidenzstufen der evidenzbasierten Medizin beurteilt wird. Bei den 50 Entscheidungen zum Leistungskatalog im ambulanten Sektor zwischen 1991 und 2001 wurde der Kostennutzen nur in zwei Fällen explizit mit abgehandelt. Für die zukünftige Entwicklung des HTA in Deutschland sind mehr Rigidität, Flexibilität und innovatives Verhalten zu fordern. Die Einsicht in die Notwendigkeit der Evaluation muss bei den Entscheidungsträgern gefestigt werden, denn immer noch gelangen viele Leistungen unevaluiert in den Leistungskatalog (z. B. über EBM 2000plus, OPS-Katalog, Weiterbildungsordnung). Die Evaluationsrichtlinien müssen vereinheitlicht und danach strenger angewendet werden. Mehr Flexibilität ist bei der Beurteilung der Evidenz geboten: Die alte Pyramide der Evidenzstufen wird derzeit durch neue Instrumente flankiert und teilweise ersetzt, in denen neben dem Studiendesign u. a. auch die Qualität der Studiendurchführung berücksichtigt wird. Mehr Flexibilität ist auch bei den Entscheidungen selbst erforderlich: Neben reinen Ja-/Nein-Entscheidungen zum Leistungskatalog sollten in Zukunft Zwischenstufen möglich sein. In einem umfassenden, innovativen Konzept des HTA sind nicht nur Sicherheit und Wirksamkeit, sondern auch soziale, ethische, organisatorische und ökonomische Implikationen neuer Health Technologies zu beachten.

Abstract

In Germany, health technology assessment (HTA) was discovered in 1995 when the Federal Ministry of Health commissioned a state-of-the-art review. In 2000, the German Agency for HTA was founded with the objective to develop a HTA information system. Since 2004, the new Institute for Quality and Efficiency in Health Care has even broader tasks. Between 1991 and 2003, the Federal Committee of Physicians and Sickness Funds made 50 decisions regarding the inclusion of technologies in the benefit catalogue for ambulatory care. Before 1997, HTA played a negligible role but then its role increased. Costs were considered explicitly only twice. Pharmaceuticals were not assessed. The committee's successor, the Federal Joint Committee, still uses three different evaluation procedures for ambulatory care, dental care and inpatient care respectively. Evidence is mainly based on studies, ranked according to criteria of evidence-based medicine. In future, HTA needs to become more rigid, more flexible and more innovative. The acceptance of the necessity of assessments has to grow among decision-makers as new technologies still get unevaluated into the benefit catalogue, and the evaluation procedures need to be standardised. The reliance on study designs needs to be lessened, e.g. to include the quality of study execution, the number of studies, their consistency and effect size into account. Besides Yes/No-decisions, intermediate categories are necessary, e.g. the limitation of technologies to particular centres or the inclusion of all patients into registers. Besides evaluating effectiveness, attention needs to be given to social, ethical, organisational and economic implications of a technology.

Literatur

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Prof. Dr. Reinhard Busse MPH FFPH

Technische Universität Berlin

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10623 Berlin

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