Zusammenfassung
Health Technology Assessment (HTA) wurde in Deutschland 1995 entdeckt, als das Bundesministerium
für Gesundheit eine internationale Bestandsaufnahme zu diesem Thema in Auftrag gab.
2000 wurde die Deutsche Agentur für Health Technology Assessment (DAHTA) gegründet
mit dem gesetzlichen Auftrag, ein Informationssystem im Bereich HTA zu entwickeln.
Seit 2004 existiert das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
(IQWiG) mit ähnlichem Auftrag. Zwischen 1991 und 2003 hat der Bundesausschuss für
Ärzte und Krankenkassen (BÄK) etwa 50 Entscheidungen zu Leistungen im ambulanten Sektor
getroffen. Vor 1997 hatte das HTA nur einen geringen Einfluss auf solche Entscheidungen,
danach stieg der Einfluss an. Arzneimittel wurden in Deutschland bisher weitgehend
vom HTA ausgespart, da es kein Verfahren zur Erstattungsfähigkeit gibt. In den Ausschüssen
des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dem Nachfolgegremium des BÄK, werden drei
verschiedene Vorgehensweisen angewendet, um Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
zu evaluieren: die BUB-Richtlinie von 1997, die zahnmedizinische NUB-Richtlinie von
1999 und die „Richtlinie nach § 137c” für den stationären Bereich. Als Evidenz werden
Studien herangezogen, deren Validität nach den Evidenzstufen der evidenzbasierten
Medizin beurteilt wird. Bei den 50 Entscheidungen zum Leistungskatalog im ambulanten
Sektor zwischen 1991 und 2001 wurde der Kostennutzen nur in zwei Fällen explizit mit
abgehandelt. Für die zukünftige Entwicklung des HTA in Deutschland sind mehr Rigidität,
Flexibilität und innovatives Verhalten zu fordern. Die Einsicht in die Notwendigkeit
der Evaluation muss bei den Entscheidungsträgern gefestigt werden, denn immer noch
gelangen viele Leistungen unevaluiert in den Leistungskatalog (z. B. über EBM 2000plus,
OPS-Katalog, Weiterbildungsordnung). Die Evaluationsrichtlinien müssen vereinheitlicht
und danach strenger angewendet werden. Mehr Flexibilität ist bei der Beurteilung der
Evidenz geboten: Die alte Pyramide der Evidenzstufen wird derzeit durch neue Instrumente
flankiert und teilweise ersetzt, in denen neben dem Studiendesign u. a. auch die Qualität
der Studiendurchführung berücksichtigt wird. Mehr Flexibilität ist auch bei den Entscheidungen
selbst erforderlich: Neben reinen Ja-/Nein-Entscheidungen zum Leistungskatalog sollten
in Zukunft Zwischenstufen möglich sein. In einem umfassenden, innovativen Konzept
des HTA sind nicht nur Sicherheit und Wirksamkeit, sondern auch soziale, ethische,
organisatorische und ökonomische Implikationen neuer Health Technologies zu beachten.
Abstract
In Germany, health technology assessment (HTA) was discovered in 1995 when the Federal
Ministry of Health commissioned a state-of-the-art review. In 2000, the German Agency
for HTA was founded with the objective to develop a HTA information system. Since
2004, the new Institute for Quality and Efficiency in Health Care has even broader
tasks. Between 1991 and 2003, the Federal Committee of Physicians and Sickness Funds
made 50 decisions regarding the inclusion of technologies in the benefit catalogue
for ambulatory care. Before 1997, HTA played a negligible role but then its role increased.
Costs were considered explicitly only twice. Pharmaceuticals were not assessed. The
committee's successor, the Federal Joint Committee, still uses three different evaluation
procedures for ambulatory care, dental care and inpatient care respectively. Evidence
is mainly based on studies, ranked according to criteria of evidence-based medicine.
In future, HTA needs to become more rigid, more flexible and more innovative. The
acceptance of the necessity of assessments has to grow among decision-makers as new
technologies still get unevaluated into the benefit catalogue, and the evaluation
procedures need to be standardised. The reliance on study designs needs to be lessened,
e.g. to include the quality of study execution, the number of studies, their consistency
and effect size into account. Besides Yes/No-decisions, intermediate categories are
necessary, e.g. the limitation of technologies to particular centres or the inclusion
of all patients into registers. Besides evaluating effectiveness, attention needs
to be given to social, ethical, organisational and economic implications of a technology.
Schlüsselwörter
Health Technology Assessment - Evaluation - GKV - Leistungskatalog
Key words
Health Technology Assessment - evaluation - statutory health insurance - benefit basket
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Nomos
Prof. Dr. Reinhard Busse MPH FFPH
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