intensiv 2005; 13(4): 155-163
DOI: 10.1055/s-2005-858383
Intensivpflege

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Infusionsfilter: Gibt es neue wissenschaftliche Hinweise zu ihrem Nutzen?

Hardy-Thorsten Panknin1
  • 1Berlin
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Publication Date:
28 July 2005 (online)

Aus der Erwachsenenmedizin ist bekannt, dass bei Intensivpatienten täglich bis zu 10 Millionen kleinster Partikel während der intravenösen Infusionstherapie infundiert werden. Bei den > 2 µm großen Partikeln handelt es sich um Plastik-Abschilferungen aus Ampullen, Infusionsflaschen oder Einmalspritzen, Glasfragmente aus Bruchhals-Ampullen sowie kleinste Salz- oder Medikamentenausfällungen aufgrund von Inkompatibilitäten verschiedener infundierter Medikamente.

Infusionen zur parenteralen Anwendung enthalten kleinste, unlösliche Partikel in der Größe von unter 1 µm bis hin zu 100 µm. Erst ab etwa einer Größe von 100 µm kann man die Partikel optisch als Trübung wahrnehmen, sofern sie in großer Zahl vorhanden sind. Die Partikel sind unterschiedlicher Herkunft: Zum einen entstehen sie bei der industriellen Fertigung von parenteralen Lösungen, wenn beispielsweise aus Glas- oder Plastikampullen Einzelsubstanzen entnommen und in Trägerlösungen injiziert werden. Kleinste Glaspartikel oder Bestandteile der Gummisepten der Injektionsflaschen können auf diese Weise in das Großgebinde injiziert werden. Zum anderen können aber auch bei der Herstellung von Mischinfusionen im Krankenhaus ungelöste Stoffe aus pulverförmigen oder lyophilisierten Medikamenten sowie - bei mangelnder Hygiene - bakterielle Infektionserreger oder Pilze in das Endbehältnis gelangen. Eine weitere Ursache von Partikeln sind schließlich physikalisch-chemische Inkompatibilitäten zwischen verschiedenen parenteralen Arzneimitteln, die zur Ausfällung von unlöslichen Bestandteilen führen.

Infusionslösungen, die im Endbehältnis sterilisiert werden, können darüber hinaus abgetötete Mikroorganismen enthalten. Infundierte Partikel werden bei Kindern und Erwachsenen zunächst in der Lungenstrombahn abgefangen. Entzündungsreaktionen in der Lunge mit konsekutiver Verschlechterung der Beatmungs- und Kreislaufverhältnisse können die Folge sein. Bei einem Neugeborenen wurde in einem Einzelfall auch eine tödliche Darmnekrose durch eingeschwemmte Partikel aus einer Plastikspritze beschrieben.

Werden Partikel im Rahmen der Infusionstherapie in den Patienten infundiert, so können diese folgende negative Wirkmechanismen im Körper des Patienten entfalten:

direkte Gefäßembolisierung, Aktivierung von Thrombozyten und Leukozyten, Störung Mikrozirkulation, Traumatisierung der Gefäße, Phlebitis.

Zur Vermeidung der Einschwemmung von Partikeln empfehlen verschiedene Experten, so genannte Infusionsfilter oder In-Iine-Filter möglichst patientennah in den Infusionsweg einzubauen. Die In-Iine-Filter haben Filtermembranen, welche die Partikel wirksam abfangen können. Hinsichtlich ihrer Effektivität bestehen keine Zweifel. Wenn sie dennoch in vielen Kliniken nicht eingesetzt werden, so hat dies einen Hauptgrund: Infusionsfilter kommen vor allem aufgrund fehlender positiver Empfehlungen in den aktuellen Guidelines (RKI, CDC) zur Prävention katheterassoziierter Infektionen häufig nicht zum Einsatz, da bisher mit keiner Studie gezeigt werden konnte, dass durch den Einsatz von Infusionsfiltern kathterassoziierte Infektionen gesenkt werden konnten. Derzeit gibt es allenfalls Daten, die bei Verwendung von Infusionsfiltern im Zusammenhang mit Venenverweilkanülen belegen, dass seltener eine Phlebitis auftritt und die Kanülen damit länger genutzt werden können. In diesem Zusammenhang ist die Verwendung von Infusionsfiltern auch nachgewiesenermaßen kosteneffektiv.

Professor Dr. Patrick A. Ball, klinischer Pharmakologe aus Auckland, Neuseeland, plädiert aufgrund neuer Daten bzw. Hinweise für den Filtereinsatz [1], besonders bei längerfristiger intravenöser Therapie. Er führt hierfür eine Reihe von experimentellen und klinischen Daten an, die in den letzten Jahren publiziert wurden:

Tierexperimente haben gezeigt, dass in den Kreislauf infundierte Partikel einer Größe von 10 - 12 µm in der Lungenstrombahn abgefangen werden, kleinere Partikel von 3 - 6 µm dagegen in der Milz und den hepatischen Lymphknoten, noch kleinere von ca. 1 µm Größe in der Leber. Dort können diese Bestandteile jahrelang liegen bleiben und schließlich eine Organfibrose, gekennzeichnet durch Vernarbungen, auslösen. Klinische Erfahrungen bei Patienten, denen zur therapeutischen Verklebung der Pleurablätter Talk in den Pleuraraum injiziert wurde, zeigten, dass es bei 9 % zum Atemnotsyndrom (adult respiratory distress syndrome = ARDS) kam, weil die Partikel ungewollt ins Lungengewebe gelangten. Andere tierexperimentelle und klinische Daten zeigten, dass bei einer therapeutischen Injektion von Polymethylmethacrylat in Wirbelkörper (zur Stabilisierung und Wiederaufrichtung von frakturierten Wirbelkörpern) ein Anstieg der Herzfrequenz und des zentralen Venendrucks auftrat. Echokardiographische Untersuchungen im Tiermodell zeigten, dass während der Injektion in den Wirbelkörper gewissermaßen ein „Meteoritenschauer” im rechten Herzen zu beobachten war. Die Partikel wurden von dort ins Lungengefäßbett weitergeleitet und verstopften vermutlich die Lungenkapillaren. Bei verstorbenen i. v.-Drogenabhängigen konnten bei der Sektion immer wieder schwere Organschäden (Lungenfibrose, vakuoläre Degeneration der Nieren, Leberschäden) aufgrund diffus im Gewebe eingelagerter Partikel nachgewiesen werden.

Diese Beobachtungen sprechen in der Tat dafür, Filter in den Infusionsweg zwischenzuschalten. Besonders relevant wird dies bei Patienten, die sehr langfristig eine i. v.-Therapie erhalten, z. B. im Rahmen einer jahrelangen parenteralen Ernährung oder monatelangen Chemotherapie.

Zu diesem Zweck stehen Filter mit einer Porengröße von 0,2 μm zur Verfügung. Es handelt sich um Filter, die Mikroorganismen, Luftbläschen, Partikel und bei einigen Filtern auch Endotoxine zurückhalten. Für Fette gibt es spezielle Fettfilter mit einer Porengröße von 1,2 µm. Blut und Blutderivate können über keinen Filter gegeben werden. Die Platzierung der Filter erfolgt so patientennah wie möglich, idealerweise zwischen Infusionssystem und Konus des Venenkatheters. Bolusgaben von Medikamenten sollten immer auch über den Infusionsfilter gegeben werden, damit ein Zuspritzen zwischen Filter und Patient vermieden wird. Dabei ist darauf zu achten, dass vor und nach der Bolusgabe der Filter mit ca. 2 ml NaCI-Lösung gespült wird, wodurch Inkompatibilitäten vermieden werden. Obwohl keine randomisierten Studien existieren, die einen klinischen Vorteil des Filtereinsatzes in der Intensivtherapie belegen, sprechen die genannten experimentellen Beobachtungen dafür, dass dieser wesentliche Vorteile für den Patienten haben kann. Vermieden werden besonders akute und chronische Rechtsherzbelastungen durch Einschwemmung von Partikeln in die Lungenstrombahn. Ein infektionspräventiver Effekt steht dagegen nicht im Vordergrund.

Obwohl in vitro gezeigt wurde, dass die Filter Mikroorganismen und Partikel zuverlässig zurückhalten, gibt es wenige klinische Studien, die einen effektiven klinischen Vorteil belegen. Immer wieder wird daher argumentiert, dass die zusätzlichen Kosten, die durch eine routinemäßige Verwendung derartiger Filter entstehen, sich letztlich nicht in einem „Benefit” für den Patienten niederschlagen. Wie ausreichend bekannt ist, sind nosokomiale venenkatheterassoziierte Infektionen verantwortlich für Morbidität und späte Mortalität, besonders auf neonatologischen und anderen Intensivpflegestationen. Die Anzahl der Neonaten, die sich eine klinikakquirierte Infektion zuziehen, ist ansteigend. Als Gründe hierfür werden die besseren Überlebenschancen von VLBWI ( = very Iow birth weight infant), die damit erhöhte Sepsisinzidenz, der dadurch zugleich assoziierte verlängerte Aufenthalt der Neonten auf diesen Abteilungen sowie die mit der Lebenserhaltung verbundenen erforderlichen diagnostischen und therapeutischen invasiv medikotechnischen Interventionen, wodurch zusätzliche Eintrittspforten für Mikroorganismen geschaffen werden, genannt.

Eine kürzlich erschienene randomisierte Studie aus einer neonatologischen Intensivstation der Isola-Kliniken in Zwolle in den Niederlanden von van Lingen [2] untersuchte den Effekt der Filter bei 88 Kindern (76 Frühgeborenen und 12 Reifgeborenen), bei denen eine Intensivbehandlung mit Infusionstherapie erforderlich war, im Hinblick auf klinische Endpunkte.

Verwendet wurde der ELD96-Filter (Hersteller: Pall Europe, Portsmouth, England). Als Zielgrößen wurden dokumentiert:

Bakteriämie (positive Blutkultur), laborbestätigte Sepsis (definiert als Fieber, laborchemische Entzündungszeichen und positive Blutkultur), klinische Sepsis (wie oben, aber negative Blutkultur), Phlebitis, Extravasate, Thrombosen, nekrotisierende Enterokolitis (NEC).

Von den eingeschlossenen 88 Kindern wurden 44 in die „Filtergruppe” und 44 in die Kontrollgruppe randomisiert. Bei den Kindern in der Kontrollgruppe wurde das Infusionssystem täglich gewechselt, bei denen in der Filtergruppe, wie vom Hersteller empfohlen, nur alle 4 Tage. Bluttransfusionen und Fettinfusionen liefen in der Filtergruppe in den Dreiwegehahn vor dem Filter (vgl. Abb. [2]).

Die demografischen Charakteristika der Patienten sind in Tab. [1] zusammengefasst.

Abb. 1 Ergebnisse der Studie.

Abb. 2 Typische Position der In-Iine-Filter zwischen Infusionssystem und Dreiwegehahn. Vor dem Filter (d. h. patientenseitig) läuft eine Fettlösung in den Venenkatheter (Pfeil).

Es ist deutlich, dass eine Reihe von Komplikationen in der Filtergruppe seltener auftrat. Für die Einzelereignisse ergab sich allerdings aufgrund der kleinen Fallzahl keine statistische Signifikanz. Betrachtete man alle Komplikationen zusammen, so traten 21 Komplikationsereignisse in der Kontrollgruppe, jedoch nur 8 in der Filtergruppe auf. Die hieraus errechnete Risikoreduktion durch den Filter betrug 62 % (p < 0,05 = signifikant).

Tab. 1 Demografische Daten Filtergruppe (n = 44) Kontrollgruppe (n = 44) Frühgeborene 39 37 Reifgeborene 5 7 mittleres Gestationsalter (Wochen) mit Streuung 30,8 (27,3 - 42,3) 30,5(26,3 - 41,3) mittleres Geburtsgewicht (g) mit Streuung 1 395 (585 - 4 100) 1 402 (620 - 3 980) Anzahl beatmeter Kinder 34 38 verstorben 0 4* * Die Todesursachen dieser Kinder waren: nekrotisierende Enterokolitis (n=1), Lungenblutung (n=1), schwere intrazerebrale Blutung (n=1) und Kreislaufversagen (n=1). Ein Zusammenhang mit der Infusionstherapie bestand vermutlich nicht.

Die mittleren Kosten für die Einmalmaterialien im Rahmen der Infusionstherapie (Systeme, Dreiwegehähne, Verschlussstopfen) betrugen 23,92 € in der Filtergruppe und 31,28 € in der Kontrollgruppe - die Infusionstherapie mit Filter war also im Endeffekt auch preiswerter. Hierbei wurden die Kosten für die alle 4 Tage gewechselten Filter (8 € pro Stück) bereits berücksichtigt.

Die Studie zeigte insgesamt eine Tendenz zu geringeren Komplikationsraten in der Filtergruppe, wenn auch für die wichtigste Zielgröße (klinische und laborbestätigte Sepsis) aufgrund der kleinen Fallzahlen kein signifikanter Unterschied erreicht wurde. Als relativ hohe Kosten schlugen in der Kontrollgruppe die Kosten für den täglichen Wechsel der Infusionssysteme zu Buche. Ein solcher täglicher Wechsel ist jedoch nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts nicht erforderlich, vielmehr reicht es aus, die Systeme (auch ohne Filter) nur alle 3 Tage zu wechseln. Ein Kostenvorteil ergibt sich somit für die Filter nicht, vielmehr wird die Infusionstherapie realistisch betrachtet geringfügig teurer. Dafür wird jedoch eine zusätzliche Sicherheit für den Patienten erreicht. Dass offensichtlich bei einer „normalen” Infusionstherapie durchaus häufig sogar lebende Mikroorganismen in den Kreislauf eingeschwemmt werden, zeigten die Rückspülproben der in der Studie verwendeten Filter: In 15 von 109 Filtern war die „stromaufwärts” (d. h. zur Infusionsleitung) gerichtete Seite der Filter mikrobiologisch kontaminiert; überwiegend wurden hierbei Staphylokokken und Enterokokken angezüchtet. Das Vorkommen derartiger Erreger in den Infusionssystemen ist vermutlich eine Folge von Hygienefehlern, z. B. unterlassene Händedesinfektion bei der Öffnung von Dreiwegehähnen.

Literatur

  • 1 Ball P A. Intravenous in-line filters: filtering the evidence.  Current Opinion in Clinical Nutrition and Metabolie Care. 2003;  6 319-325
  • 2 van Lingen R A, Baerts W, Marquering A C. et al . The use of in-line intravenous filters in sick newborn children.  Acta Paediatr. 2004;  93 658-662
  • 3 Cant A J, Lenney W, Kirkham N. Plastic material from a syringe causing fatal bowel necrosis in a neonate.  Br Med J. 1988;  296 968-969
  • 4 Mahieu L M, Buitenweg P H, Beutels P. et al . Additional hospital stay and charges due to hospital-acquired infections in a neonatal intensive care unit.  Journal Hospital Infection. 2001;  47 223-229

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