Einleitung
Einleitung
Nach dem 2. Weltkrieg hat die koronare Herzkrankheit (KHK, Herzinfarkt) in den westlichen
Ländern epidemische Ausmaße angenommen. In den USA und anderen westlichen Ländern
wie z. B. Australien und Kanada wurde der Höhepunkt der Epidemie 1968 erreicht. 1978
fand in Bethesda bei Washington eine Konferenz der National Institutes of Health unter
dem Titel „The Decline in Coronary Heart Disease Mortality” statt [1]. Bei dieser Konferenz sollte geklärt werden, welche Faktoren für den Rückgang der
KHK-Epidemie verantwortlich gemacht werden konnten. Waren es die präventivmedizinischen
Strategien und Programme, oder konnte man den Rückgang der altersspezifischen Mortalitätsraten
an KHK auf Verbesserungen der Behandlung von KHK-Patienten zurückführen? (Abb. [1]) Es ging also um die Frage, ob der Rückgang der Herzinfarktmortalität durch einen
Rückgang der Inzidenz (Neuerkrankungsziffer) oder durch eine Verminderung der Letalität
(Sterblichkeit nach Eintreten des Infarktes) oder durch beide zu erklären war. Aufgrund
der mangelhaften Datenlage im Jahr 1978 konnte man diese eminent wichtige Frage damals
nicht beantworten. Zudem wurde von einigen Experten bezweifelt, ob die Qualität der
offiziellen Mortalitätsdaten zur Messung der Trends kardiovaskulärer Erkrankungen
ausreichen würde. Vor der Erklärung der Trends musste deshalb zunächst einmal die
Validität der kardiovaskulären Mortalitätsdaten geklärt werden.
Methodik
Methodik
Das MONICA-Projekt der Weltgesundheitsorganisation (MONICA = Monitoring Trends and
Determinants in Cardiovascular Disease) griff diese Frage auf und wurde als weltweites
Monitoring-Projekt für die Validierung der offiziellen Mortalitätsdaten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
und für die Erfassung von Trends und Determinanten der Herz-Kreislauf-Mortalität und
-Morbidität konzipiert und von Mitte der 80er- bis Mitte der 90er-Jahre in 38 Populationen
(Altersgruppe 35 - 64 Jahre) in 21 Ländern der Erde durchgeführt [2]. Die 38 Populationen verteilten sich auf Europa, Asien, Australien, Neuseeland und
Nordamerika. Wegen der hohen Ansprüche an die Datenqualität konnten leider keine MONICA-Zentren
in Südamerika, Afrika oder Indien eingerichtet werden. Insgesamt standen in den 38
Populationen über 13 Millionen Menschen über 10 Jahre unter Beobachtung. 166 000 Herzinfarktpatienten
wurden registriert, und über 300 000 Menschen wurden auf Stichprobenbasis auf ihr
kardiovaskuläres Risikofaktorenprofil hin untersucht. Deutschland war mit den Regionen
Augsburg, Bremen, Chemnitz, Erfurt und Zwickau an diesem weltweit größten medizinischen
Forschungsprojekt beteiligt [2].
Abb. 1 Können wir die Faktoren identifizieren, die für den Rückgang der Mortalität an koronarer
Herzkrankheit (KHK) verantwortlich sind? KHK-Mortalitätsrate in Abhängigkeit von primärer
Prävention und/oder verbesserter medizinischer Versorgung [1].
Die MONICA-Weltkarte (Abb. [2]) zeigt die Verteilung der MONICA-Zentren von Auckland/Neuseeland bis Stanford in
Kalifornien, wobei deutlich wird, dass sich der Schwerpunkt der MONICA-Zentren in
Europa befindet (Abb. [3]). Die für das internationale MONICA-Projekt notwendigen Daten wurden in den 38 genau
definierten Populationen an Personen der Altersgruppe 25 - 64 erhoben. Vier Gruppen
von Daten sind zu unterscheiden:
Abb. 2 Weltkarte der außereuropäischen WHO-MONICA-Zentren.
Abb. 3 Europäische WHO-MONICA-Zentren.
-
demografische Daten und Mortalitätsdaten pro Jahr,
-
Daten aus drei Querschnittsstudien,
-
Inzidenzraten für Herzinfarkt und Schlaganfall (Registerdaten)
-
und Daten über die medizinische Versorgung.
Die demografischen Daten sind für die Berechnung von Inzidenz-, Prävalenz- und Mortalitätsraten
unentbehrlich, weil sie bei der Berechnung dieser Raten die Bezugshäufigkeit, also
den Nenner bilden.
Für die drei Querschnittsstudien wurden voneinander unabhängige Zufallsstichproben
am Anfang, in der Mitte und am Ende der 10-Jahres-Periode gezogen. Mit diesen Daten
waren Schätzungen des kardiovaskulären Risikofaktorenprofils und seiner Veränderungen
über 10 Jahre möglich. Die bevölkerungsbasierten Herzinfarkt-Registerdaten ließen
Aussagen über den Verlauf der Mortalität, der Inzidenz und der Letalität an KHK zu.
Die Daten über die medizinische Versorgung erlaubten Aussagen über deren Einfluss
auf Mortalität und Letalität an kardiovaskulären Krankheiten. Das für alle MONICA-Zentren
geltende Studiendesign geht aus Abb. [4] (MONICA Augsburg) hervor.
Abb. 4 Studiendesign und Zeitplan (MONICA Augsburg als Beispiel).
Um sicherzustellen, dass in jedem einzelnen MONICA-Zentrum die Trends der koronaren
Mortalität und Morbidität und die Trends der klassischen Risikofaktoren (Rauchen,
Hypertonie, Hypercholesterinämie) mit genügender Genauigkeit gemessen werden konnten,
wurden Stichprobenberechnungen mit verschiedenen Annahmen durchgeführt [2]. Man kam überein, dass in jedem einzelnen MONICA-Zentrum mindestens 200 tödliche
KHK-Ereignisse pro Jahr bei Männern in der Altersgruppe 25 - 64 auftreten müssten,
um genügend genaue Trendanalysen pro Zentrum vornehmen zu können. Die Stichprobenberechnungen
für die einzelnen Querschnittsstudien zur Erfassung der kardiovaskulären Risikofaktoren
ergaben, dass für jede 10-Jahres-Altersgruppe und getrennt für jedes Geschlecht je
200 Personen ausgewählt werden mussten. Dies ergab für Männer und Frauen der Altersgruppe
25 - 64 Jahre insgesamt 1600 Personen [2]. Die meisten MONICA-Zentren wählten aber für ihre repräsentativen Querschnittsstudien
weit größere Stichproben aus.
Da das MONICA-Projekt in 38 Zentren weltweit durchgeführt wurde, war die Standardisierung
der Datenerhebung - innerhalb eines Zentrums und zwischen den Zentren - und die Beibehaltung
einer hohen Datenqualität in allen Zentren über mindestens 10 Jahre eine große organisatorische
Herausforderung [2]. Um eine hohe Datenqualität zu gewährleisten, wurden Qualitätszentren für Lipidbestimmungen,
für EKG-Kodierungen und für Herzinfarktdiagnostik aufgebaut. Die Qualitätszentren
zusammen mit einem Koordinationszentrum und einem Datenzentrum führten die Hauptaktivitäten
des Gesamtprojektes durch. Sie arbeiteten über mehr als 10 Jahre unter Aufsicht des
MONICA-Parlamentes (38 Mitglieder) und des von ihm gewählten Leitbüros (Steering Committees
- 6 Mitglieder). Die Organisationsstruktur des gesamten MONICA-Projektes geht aus
Abb. [5] hervor [2].
Abb. 5 Das MONICA-Projekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO); Organisationsstruktur [2].
Die wichtigste Arbeit fiel zweifellos jedem einzelnen MONICA-Zentrum zu, welches die
Daten im jeweiligen Studiengebiet erhob und lokal auswertete. Dem MONICA-Datenzentrum
in Helsinki kam die Aufgabe zu, die Daten aller 38 Zentren gemeinsam zu analysieren
und aufgrund der gepoolten Daten aller Zentren die Trends der kardiovaskulären Mortalität
und Morbidität mithilfe der Veränderung der klassischen Risikofaktoren und den Veränderungen
der Akutversorgung zu erklären.
Ergebnisse
Ergebnisse
Die Validierung der offiziellen Mortalitätsdaten zeigte, dass in den verschiedenen
MONICA-Zentren unterschiedliche Kodierungen für KHK vorgenommen wurden. Deshalb sind
die offiziellen Mortalitätsdaten für KHK für internationale Vergleiche nur bedingt
geeignet [3]. Für Trendanalysen pro Land eignen sich aber die offiziellen KHK-Mortalitätsdaten
in vielen Ländern. In den westlichen Ländern, in denen die Herzinfarktmortalität um
2 bis 3 % jährlich zurückgegangen war [3], d. h. also in 10 Jahren um 20 bis 30 %, konnten zwei Drittel des Rückganges auf
eine Verminderung der Inzidenz und ein Drittel auf eine Verminderung der Letalität
zurückgeführt werden [3]
[4].
Bei der Konzeption des MONICA-Projektes Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre des
vergangenen Jahrhunderts hatte man angenommen, dass ein Rückgang der Inzidenz auf
eine Verminderung der klassischen Risikofaktoren Rauchen, hohe Cholesterinspiegel
und hohe Blutdruckwerte zurückzuführen sei, während die Letalität, d. h. die Sterblichkeit
nach Herzinfarkt, oder positiv ausgedrückt die Überlebenswahrscheinlichkeit nach Infarkt
in engem Zusammenhang mit den Fortschritten der medizinischen Akutversorgung stehen
sollte.
Die in der Lancet-Ausgabe vom Mai 1999 [3] veröffentlichten Daten können so interpretiert werden, dass präventivmedizinische
Maßnahmen am Rückgang der altersspezifischen Herzinfarktmortalität mit etwa zwei Dritteln
und die Verbesserung der Akutversorgung mit einem Drittel beteiligt sind. Noch vor
Beginn des neuen Millenniums konnte also die 1978 in Bethesda formulierte Frage nach
der Bedeutung der Prävention bzw. der Akutversorgung für den Rückgang der KHK-Mortalität
mit Daten des internationalen MONICA-Projektes beantwortet werden [3]
[4] (Abb. [6]).
Am 26. Februar 2000 sind zwei weitere Artikel im Lancet mit Schlussergebnissen des
weltweiten Projektes erschienen [6]
[7]. Sie gehen spezifischer auf die Bedeutung der Veränderungen der klassischen Risikofaktoren
auf die KHK-Ereignisrate und der akuten Koronarversorgung auf Morbidität, Mortalität
und Letalität an KHK ein.
Bei den untersuchten Risikofaktoren handelt es sich um Zigarettenrauchen, Blutdruck,
Cholesterin und Körpergewicht. Bei der Untersuchung der Behandlung ging es um evidenzbasierte
Verfahren, wie Medikation mit Aspirin, Betablockern, ACE-Inhibitoren, Bypass-Operation/Balondilatation
und Thrombolyse. Von den genannten Risikofaktoren und Therapieverfahren wissen wir
seit geraumer Zeit aus epidemiologischen Kohortenstudien und aus randomisierten kontrollierten
Studien (Clinical Trials), dass sie für Erkrankungsrisiko und Überleben nach Infarkt
beim einzelnen Patienten von großer Bedeutung sind. Die große Herausforderung für
das WHO-MONICA-Projekt bestand darin herauszufinden, welchen Einfluss die Veränderungen
der Risikofaktoren und die Veränderungen der Therapieverfahren auf die Trends der
Herzinfarktraten in ganzen Populationen hatten. Es ist offensichtlich, dass diese
Frage für Medizin und Gesundheitspolitik von großer Bedeutung ist [5].
Ergebnisse hinsichtlich Risikofaktoren
Ergebnisse hinsichtlich Risikofaktoren
Bei den Männern nahmen die Risikofaktoren Zigarettenrauchen, hoher Blutdruck und hohe
Cholesterinspiegel zumindest in den MONICA-Zentren in westlichen Ländern ab, während
bei Frauen das Rauchen in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Trends aufwies.
Dagegen nahm das Gewicht bei Männern und Frauen in den meisten MONICA-Regionen zu
[5]
[6].
Wenn man die Daten aller Populationen betrachtet, sieht man, dass der größte Beitrag
zum Rückgang der altersspezifischen Herzinfarktmortalität bei Männern, wie er in nahezu
allen westlichen Ländern beobachtet wurde, vom Rückgang des Rauchens herrührt, während
entsprechende Veränderungen der Herzinfarktmortalität bei Frauen stärker auf fallende
Blutdruckwerte bzw. bessere Behandlung des Blutdrucks zurückzuführen sind. Die Beziehungen
zwischen dem Rückgang der Herzinfarktraten und den Veränderungen der klassischen Risikofaktoren
waren nicht so stark, wie man das von individuellen epidemiologischen Kohortenstudien
und den Clinical Trials her erwartet hätte. Die Beziehungen waren bei Männern stärker
als bei Frauen, und sie wurden verstärkt, wenn eine Latenzzeitperiode zwischen Risikofaktorenveränderung
und Auftreten von Herzinfarkt in die Analysen eingeführt wurde [6].
Tab. [1] zeigt für Männer der Altersgruppe 35 - 64 Jahre, dass durch die Risikofaktorenveränderungen
rund 46 % der KHK-Variabilität erklärt werden können (multiple Regressionsberechnung).
Dieses Ergebnis kontrastiert mit Aussagen aus prospektiven Kohortenstudien, aus denen
hervorgeht, dass mit den drei klassischen Risikofaktoren etwa 80 % der KHK-Variabilität
erklärt werden können [7]. Die große Diskrepanz zwischen beiden Aussagen kann wie folgt erklärt werden: Bei
der vorliegenden MONICA-Datenanalyse bewegen wir uns auf ökologischer bzw. Aggregatdatenebene.
Auf dieser Ebene müssen wir mit einer Reihe von Fehlermöglichkeiten rechnen, die fast
alle zu einer Abschwächung der Korrelation zwischen klassischen Risikofaktoren und
KHK-Ereignisrate führen. Weiterhin sollten wir auch beachten, dass die Aussage, dass
mit den drei klassischen Risikofaktoren etwa 80 % der KHK-Variabilität erklärt werden
können, erst dann gilt, wenn in den prospektiven Kohortenstudien an Individuen für
den „Regression Dilution Bias” korrigiert wird [7]. Ohne Korrektur für den „Regression Dilution Bias” können etwa 65 % der KHK-Variabilität
mit den klassischen Risikofaktoren erklärt werden [8].
Tab. 1 Regression der zeitlichen Trends der KHK-Ereignisraten gemäß Trends der einzelnen
Risikofaktoren bei 35- bis 64-jährigen Männern [6]. KHK = koronare Herzkrankheit, SBD = systolischer Blutdruck, BMI = Body Mass Index,
Gesamt-Chol. = Gesamtcholesterin
|
Erklärende Variable |
Männer |
KHK- Ereignisse |
|
Koeffizient (95 % KI) |
Prozent der erklärten Variabilität |
KHK- Ereignisse |
|
|
|
Zeitversetzte Registrierung |
|
|
|
|
Einfache Regression[1]
|
Rauchen (%) |
0,019 |
(0,00 bis 0,04) |
20 |
|
SBD (mm Hg) |
0,008 |
(- 0,01 bis 0,03) |
6 |
|
Gesamt-Chol. (mmol/L) |
0,22 |
(- 0,04 bis 0,48) |
19 |
|
BMI (kg/m2) |
- 0,23 |
(- 0,39 bis - 0,07 |
36 |
Multiple Regression[1]
|
Rauchen (%) |
0,009 |
(- 0,01 bis 0,03) |
46 |
|
SBD (mm Hg) |
0,007 |
(- 0,02 bis 0,03) |
|
|
Gesamt-Chol. (mmol/L) |
0,19 |
(- 0,05 bis 0,42) |
|
|
BMI (kg/m2) |
- 0,19 |
(- 0,35 bis - 0,02) |
|
1Gewichtet nach Qualitäts-Score [6].
|
Insgesamt unterstützt dieser Teil der MONICA-Aggregatdatenanalyse die Vorstellung
von der Bedeutung der klassischen Risikofaktoren für das Auftreten der KHK. Es wird
aus den Analysen aber auch deutlich, dass die relativ schwachen Korrelationen zwischen
Veränderungen der klassischen Risikofaktoren und Veränderungen der KHK-Ereignisrate
zum einen auf Schwierigkeiten bei der Messung der Risikofaktoren und der KHK-Ereignisse
in diesem weltweiten Projekt zurückzuführen sind, zum anderen aber auch darauf, dass
neben den klassischen Risikofaktoren natürlich auch Lebensstilfaktoren, wie körperliche
Aktivität, Ernährungsweise, psychosoziale Faktoren und soziale Bedingungen für das
Auftreten von Herzinfarkten von Bedeutung sind.
Ergebnisse hinsichtlich Behandlung
Ergebnisse hinsichtlich Behandlung
In den meisten MONICA-Populationen wurden im Beobachtungszeitraum von 10 Jahren starke
Veränderungen bei den evidenzbasierten Therapieverfahren gesehen. Besonders dramatisch
war die Zunahme der Behandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern (Aspirin). Bei
der Veränderung der Behandlung war auch ein starker Ost-West-Gradient zu beobachten,
der mit entsprechendem Rückgang der KHK-Mortalität und -Morbidität im Westen und Stagnation
bzw. Zunahme der KHK-Mortalität und -Morbidität in Osteuropa und besonders in Russland
einherging. Wir sehen also eine starke Beziehung zwischen der Intensivierung der evidenzbasierten
Therapie und dem Rückgang von KHK-Mortalität, -Morbidität und -Letalität [9].
Insgesamt kann man aus der gepoolten MONICA-Datenanalyse folgende Schlussfolgerungen
für die Bevölkerung ziehen: Es lohnt sich, die klassischen Risikofaktoren Rauchen,
hoher Blutdruck und hohes Cholesterin zu behandeln und zu kontrollieren, damit ein(e)
Mann/Frau erst gar keine KHK entwickelt. Wer an KHK leidet oder ein hohes Risiko für
KHK hat, sollte sich einer Behandlung mit den genannten evidenzbasierten Therapieverfahren
unterziehen.
Ausblick
Ausblick
In Deutschland hat die koronare Herzkrankheit mit rund 300 000 tödlichen und nichttödlichen
Fällen im Jahr weiterhin epidemischen Charakter. Der primären und sekundären Prävention
kommt deshalb größte Bedeutung zu. Für Deutschland wird dies besonders gut durch die
MONICA-Daten der Region Augsburg belegt [10]:
-
30 % der Herzinfarktpatienten dieser Region sterben, bevor sie das Krankenhaus erreichen
und moderne Therapieverfahren in Anspruch nehmen können.
-
Wenn man die Sterblichkeit an Herzinfarkt (Erst- und Reinfarkt) insgesamt betrachtet,
d. h. die Sterblichkeit vor Krankenhausaufnahme und im Krankenhaus zusammen analysiert,
kommt man auf den überraschend hohen Wert von 50 % [11].
-
Die Sterblichkeit bei Reinfarkt ist doppelt so hoch wie bei Erstinfarkt. Dies spricht
besonders stark für die Notwendigkeit der Verbesserung der sekundären Prävention [11].
-
Von allen Patienten, die an Herzinfarkt versterben, versterben etwa ⅔ außerhalb des
Krankenhauses. An dieser Relation hat sich in den letzten 20 Jahren, trotz dramatischer
Veränderungen der medizinischen Versorgung, wenig geändert [11] (Abb. [7]).
Aus den bisherigen Ausführungen sollte nicht der vorschnelle Schluss gezogen werden,
dass sich das internationale MONICA-Projekt in den hier beschriebenen Hauptaussagen
erschöpft. Die größte Bedeutung des WHO-MONICA-Projektes liegt vielmehr darin begründet,
dass es vor mehr als 20 Jahren gelungen ist, ein weltweites Netzwerk von Herz-Kreislauf-Epidemiologen
zu etablieren und Datenbasen zu schaffen, die neben der regionalen und nationalen
Bedeutung auch weltweite Vergleiche zulassen. Das WHO-MONICA-Projekt hat deshalb über
die so genannten ökologischen Analysen hinaus dazu beigetragen, dass in vielen Regionen
der Welt die Grundlagen für Herz-Kreislauf-Epidemiologie und -Prävention gelegt werden
konnten. In vielen MONICA-Zentren sind auf diese Weise auch klassische Kohortenstudien
entstanden, die auf vielen Gebieten der Herz-Kreislauf-Forschung wichtige und innovative
Beiträge geleistet haben und zum besseren Verständnis der Ätiologie dieser Krankheitsgruppe
beigetragen haben. Für die Region Augsburg sind Beiträge zu folgenden Gebieten besonders
erwähnenswert: Ätiologie der Herzinsuffizienz, Ernährung und KHK, Alkohol und KHK,
die Bedeutung von Fibrinogen, C-reaktivem Protein und Blutviskosität für KHK und die
besondere Bedeutung von Diabetes und Hypertonie für die Herz-Kreislauf-Mortalität
und -Morbidität. Darüber hinaus werden die Datenbasen des MONICA-Projektes Augsburg
sowohl für Fragen der genetischen Epidemiologie wie auch der Versorgungsforschung
genutzt.
Neben der Sieben-Länder-Studie und der Framingham-Studie kommt dem WHO-MONICA-Projekt
die größte Bedeutung für die Weiterentwicklung der Herz-Kreislauf-Epidemiologie und
-Prävention in der Welt zu [5]. In Deutschland hat das MONICA-Projekt Augsburg in den 80er- und 90er-Jahren sehr
wesentlich zum Aufbau und zur Etablierung einer international konkurrenzfähigen Herz-Kreislauf-Epidemiologie
beigetragen. Allein aus dem MONICA-Projekt Augsburg sind über 200 Artikel in hochkarätigen
wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert worden.
Abb. 6 Veränderungen der KHK-Mortalitätsraten (nach MONICA-Kriterien) stratifiziert nach
Veränderungen der KHK-Ereignisraten und nach Veränderungen der KHK-Letalität (case
fatality) [3]
[5].
Abb. 7 Prozentuale Verteilung der innerhalb von 28 Tagen tödlich verlaufenden KHK-Ereignisse
nach Zeitpunkt des Todes: prähospital, für hospitalisierte Patienten innerhalb von
24 Stunden nach Beginn von Symptomen bzw. 24 Stunden bis 28 Tage nach Beginn von Symptomen
- Altersgruppe 35 - 64 Jahre [11].