B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2005; 21(2): 80-83
DOI: 10.1055/s-2005-836460
Forum Gesundheitspolitik

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Status körperorientierter Therapien in einer gewandelten Suchtkrankenbehandlung

T. Klein1
  • 1Fachklinik Eschenburg · Eschenburg
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Publication Date:
19 April 2005 (online)

Einleitung

Will man den gegenwärtigen Status körperorientierter Therapieverfahren in der Suchtrehabilitation verdeutlichen, so ist man gezwungen, die Suchtrehabilitation per se in den letzten 20 Jahren in ihrer Entwicklung zu dokumentieren. Daher wird versucht werden, diese dynamische Entwicklung zu reflektieren sowie immer wieder die Implikationen auf körperorientierte Therapien herauszuarbeiten. Diese Vorgehensweise beinhaltet auch eine kritische Auseinandersetzung mit denen, die einerseits die Qualitätsdiskussion der Therapie begonnen haben, um andererseits die Rahmenbedingungen für eine qualifizierte Behandlung negativ zu beeinflussen. In einer Reihe von Kongressen wurden die damit verbundenen Fragestellungen und Veränderungen mit ihren Vor- und Nachteilen kritisch diskutiert; die in der Literatur angegebenen Kongressbände des Fachverbands Sucht e. V. bilden hier die Grundlage meiner Überlegungen.

„Als die Sucht 1968 sozialrechtlich als chronische, primär-psychische Störung mit Krankheitswert anerkannt wurde, verlagerte sich ihr Behandlungsschwerpunkt in Richtung der bis dahin weitgehend vernachlässigten und nur unsystematisch zur Anwendung gekommenen Psychotherapie” [6]. Was Ralf Schneider hier beschreibt, ist der Übergang einer aus der Tradition von Heimen stammenden Suchtkrankenarbeit, die mehr der Versorgung und Behütung bzw. der „Erziehung” von offensichtlich gescheiterten Existenzen und ihrer Unterbringung diente, hin zu einer von Psychologen konzeptionierten, auf die spezifischen Bedingungen von Suchtkranken abgestimmten psychotherapeutischen Therapie.

So lagen zu diesem Zeitpunkt die Therapiezeiten obligatorisch für alkohol- und medikamentenabhängige Frauen und Männer bei 6 Monaten, wobei sogar noch Spielräume für Verlängerungen vorhanden waren; drogenabhängige Patienten hatten sogar Therapiezeiten von einem Jahr und mehr zur Verfügung. Bildete in der „vor 68er-Zeit” die Arbeits- und Beschäftigungstherapie den zentralen Bestandteil, so rückte nun die psychotherapeutische Einzel- und Gruppenbehandlung auf der Gesprächsebene immer mehr in den Mittelpunkt.

Schaut man zielgerichtet nach den Anfängen der körperorientierten Therapie, so galt zwar aus den Erkenntnissen der Geschichte der Leibesübungen, dass die körperliche Ertüchtigung den Patienten nicht schaden könne, doch gab es keine auf die Besonderheiten von Suchtkranken konzeptionierte Sporttherapie respektive Körperarbeit. Dem an der Fachklinik Furth im Wald arbeitenden Phil Geyer und anderen ist es zu verdanken, dass erste gezielte Schritte in Richtung einer fundierten Konzeption, ursprünglich durch Bestandsaufnahme vieler und eher autodidaktisch erarbeiteter Ansätze, in einer Fortbildung, in Workshops zusammengefasst und dann weiter entwickelt wurden. Jährliche Fortbildungen und regionale Arbeitsgruppen in ganz Deutschland sammelten die unterschiedlichen Erfahrungen, die aus dem gesamten Arbeitsfeld der Therapie mit psychisch Kranken bis zu diesem Zeitpunkt entstanden waren. Wissenschaftliche Untersuchungen und Ansätze, wie z. B. von Hubertus Deimel in der Arbeit mit depressiven und schizophrenen Patienten, begleiteten die praktischen Ansätze und bewiesen, dass ein auf den therapeutischen Ansatz einer Klinik abgestimmtes sporttherapeutisches Angebot eine sehr sinnvolle Ergänzung sein konnte.

Lagen die ursprünglichen Ansätze eher im Bereich einer pädagogisch orientierten Herangehensweise, die z. B. über Sportspiele den Erlebenshorizont jedes Einzelnen zu erweitern suchten, so rückte mit zunehmender Differenzierung die Möglichkeit der Verbesserung der Selbstwahrnehmung und der Befindlichkeitsveränderung durch nicht-psychotrope Substanzen in den Vordergrund.

Zeitgleich wurden die unterschiedlichsten körperpsychotherapeutischen Herangehensweisen der westlichen Hemisphäre mit Therapien wie Bioenergetik, Rolfing, Gestalttherapie und Konzentrativer Bewegungstherapie auf ihre Möglichkeiten des Einsatzes in der Behandlung mit suchtkranken Menschen untersucht. Außerdem wurden auch die ursprünglich aus dem östlichen Einflussbereich stammenden meditativen Elemente des Tai-Chi, Qi Gong sowie der unterschiedlichsten meditativen Ansätze integriert. Zaghaft entstanden nicht nur einmal jährlich stattfindende Workshops, sondern ganze Weiterbildungscurricula, wie z. B. von Gerhard Fries, der diese zum Teil unterschiedlichen Ansätze in ihren Möglichkeiten einer sinnvoll integrierten körperlichen Therapieform theoretisch und praktisch interessierten Therapeuten vermittelte.

Literatur

  • 1 Fachverband Sucht e. V. (Hrsg) .Therapieziele im Wandel. Neuland, Geesthacht 1994
  • 2 Fachverband Sucht e. V. (Hrsg) .Das „Beste” für den Suchtkranken. Neuland, Geesthacht 1997
  • 3 Fachverband Sucht e. V. (Hrsg) .Rehabilitation Suchtkranker - mehr als Psychotherapie!. Neuland, Geesthacht 2001
  • 4 Fachverband Sucht e. V. (Hrsg) .Die Zukunft der Suchtbehandlung - Trends und Prognosen. Neuland, Geesthacht 2002
  • 5 Geyer P. Sporttherapie in der Suchtbehandlung. In: Fachverband Sucht e. V. (Hrsg). Therapieziele im Wandel. Neuland, Geesthacht 1994; 319-326
  • 6 Schneider R. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. In: Fachverband Sucht e. V. (Hrsg). Rehabilitation Suchtkranker - mehr als Psychotherapie! Neuland, Geesthacht 2001; 87-100

Korrespondenzadresse

Dr. Thomas Klein

Fachklinik Eschenburg

An der Hardt 1-3

35713 Eschenburg

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