Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(10): B 455
DOI: 10.1055/s-2004-860911
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Schlaganfallforschung - Ein Protein soll graue Zellen retten

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Publication Date:
17 December 2004 (online)

 
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Axaron Bioscience AG entwickelt Therapien zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Schlaganfall oder Parkinson. Dazu setzt das Biotechnologie-Unternehmen auf ein weltweites Netzwerk von ZNS-Experten und die eigene integrierte Technologieplattform zur funktionellen Genom- und Proteomanalyse. Anlässlich des Starts der Phase II der klinischen Entwicklung des Schlaganfall-Wirkstoffs AX200 folgten Vertreter von Politik, Verbänden und Forschung einer Einladung zu einem Pressegespräch unter der Schirmherrschaft der Vorsitzenden der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, Dr. Brigitte Mohn.

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Neue Therapiemöglichkeiten bei Schlaganfall

Hoffnungsträger für das Heidelberger Unternehmen ist das körpereigene Protein AX200. Dieses Protein soll das Absterben von Gehirnzellen nach einer Schädigung stoppen und die Regenerierung des Gewebes fördern. Ziel dabei ist, die positiven Effekte des Proteins auch dann nutzen zu können, wenn dieses nicht natürlicherweise aktiviert wird.

Das körpereigene Protein wurde von den Forschern entdeckt, als sie die biochemischen Reaktionen von Nervenzellen während eines Schlaganfalls untersuchten. Dabei sind sie auf ein körpereigenes System gestoßen, das unser Gehirn bei einem Schlaganfall schützt. Das Protein AX200 ist nach Angaben von Dr. Alfred Bach, Vorstand der Axaron Bioscience AG, ein Bestandteil dieses natürlichen Schutzsystems im Gehirn, das therapeutisch durch exogenes AX200 verstärkt werden soll.

AX200 kommt nach Erkenntnissen der Forscher in unterschiedlichen Situationen zum Einsatz. Im Falle eines Schlaganfalls wird seine Konzentration im unmittelbaren Infarktbereich um den Faktor 100 erhöht - und verhindert auf diese Weise eine Apoptose.

Die Rettung von Gehirnzellen und eine raschere Erneuerung des Gewebes könnten dazu beitragen, Spätfolgen - wie Lähmungen oder Behinderungen - zu minimieren. Bislang bleibt den Medizinern nach einem Schlaganfall meist nur, den Gefäßverschluss zu beseitigen und so die Wiederdurchblutung des Gehirns zu gewährleisten. Eine Neubildung von Nervenzellen könnte in Zukunft vielen Patienten ein besseres Leben nach dem Schlaganfall ermöglichen. Es wird zu untersuchen sein, ob mehr Gewebe gerettet werden kann, wenn das Protein beispielsweise frühzeitig injiziert wird.

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Den Zelltod aufhalten

Schlaganfall stellt in den Industrieländern die dritthäufigste Todesursache und die häufigste Ursache für Behinderungen dar. Ungefähr ein Viertel aller Schlaganfallopfer stirbt innerhalb eines Jahres, nahezu 50% aller Betroffenen behalten mehr oder weniger starke Schäden zurück und lediglich ein Viertel kommt im Wesentlichen ohne Einschränkungen davon.

Jeder Schlaganfall ist unterschiedlich. In zirka 80% der Fälle liegt ein Durchblutungsmangel des Gehirns vor, der Ischämische Insult. Intrazerebrale Blutungen stellen mit 15% die zweithäufigste Ursache für einen Schlaganfall, relativ selten sind Subarachnoidalblutungen mit zirka 5 bis 10%.

Beim Ischämischen Insult kommt es in Folge der Gefäßverengung in einer Hirnarterie zu einer Minderdurchblutung des Gehirns. Die resultierende Gewebsschädigung ist dann von der Dauer und dem Ausmaß der Durchblutungsminderung abhängig. Der Infarktkern wächst dabei auf Kosten der Penumbra, immer mehr Hirngewebe geht irreversibel verloren. "Der Zelltod läuft wie eine langsame Lawine durch das Gehirn", so Bach.

Deshalb könnte AX200 auch noch helfen, wenn es mehrere Stunden nach dem eigentlichen Schlaganfall gegeben wird. Dabei blockiert das Molekül in den Zellen gleich mehrere Signalübertragungswege, die zum Zelltod führen. Zugleich setzt es Signalkaskaden in Gang, die das Wachstum neuer Nervenzellen anregen. Sie können möglicherweise Funktionen des abgestorbenen Gewebes übernehmen. Im Tierversuch konnte AX200 die Größe des vom Schlaganfall betroffenen Hirnareals deutlich verringern.

Sollte in den kommenden Monaten die Wirksamkeit von AX200 bei Schlaganfall belegt werden, stehen weitere Optionen an. So wird zu prüfen sein, ob die Substanz auch bei Kopfverletzungen oder anderen mit Gewebsverlust einhergehenden Krankheiten helfen könnte - so etwa bei Morbus Parkinson oder Multipler Sklerose.

Daniel Bomar, Linkenheim-Hochstetten

Quelle: "Schlaganfall als gesellschaftspolitische Herausforderung - Forschung, Fakten, Analysen", Axaron Pressetag, Juli 2004 in Heidelberg.

 
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