Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(11): B 547
DOI: 10.1055/s-2004-837118
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Handgriff gegen vasovagale Synkopen - Ohnmachtsattacken mit Anspannen der Muskulatur verhindern

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Publikationsdatum:
22. Dezember 2004 (online)

 
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Viel trinken und mehr Sport treiben. Das war lange die klassische Empfehlung, um vasovagalen Synkopen vorzubeugen. Die Erfolge waren jedoch oft bescheiden, und die Ohnmachtsattacken traten weiter auf. Deutlich wirksamer soll das "Tilt Training" sein, das ein spezielles "Aufrecht-Steh-Training" darstellt und in letzter Zeit immer wieder empfohlen wird. Allerdings ist das Verfahren sehr zeitaufwendig. Bis zu einer Stunde pro Tag müssen Betroffene für die Übungseinheiten aufwenden. Als Alternative empfehlen daher italienische Ärzte um Michele Brignole vom Arrhythmologie-Zentrum in Lavagna eine neue Methode, bei der Betroffene die drohende Bewusstlosigkeit mit Muskelkontraktionen der Arme verhindern.

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Muskelkontraktion beendet fast 100% der Vorboten-Stadien

Wählen können die ohnmachtsgefährdeten Patienten zwischen zwei verschiedenen Manövern. Bei der ersten Methode greifen die Hände wie in Abbildung 1 ineinander. Anschließend werden die Arme, die sich etwa auf Brusthöhe vor dem Körper befinden, kräftig auseinander gezogen, ohne dass der Handgriff gelöst wird. Bei der zweiten Methode wird ein etwa fünf Zentimeter dicker Gummiball mit der dominanten Hand zusammengedrückt. Beide Manöver sollen mit maximaler Kraft erfolgen und zwar so lange, bis die Vorboten-Symptome (u.a. Sehstörungen, Übelkeit) verschwinden.

In einer früheren Arbeit hatte die Arbeitsgruppe mit Kipptisch-Experimenten bereits gezeigt, dass diese Art der Muskelkontraktionen den Blutdruck-Abfall bei einer drohenden Synkope wirkungsvoll verhindern können und so die Bewusstlosigkeit abwenden. In einer weiteren Studie wurde die Tauglichkeit der Methode nun auch im Alltag unter Beweis gestellt. Dabei ließen sich mit den Handgriffen in einer durchschnittlich 14-monatigen Beobachtungszeit bei 29 Studienteilnehmern insgesamt 98,1% von 260 Episoden einer drohenden Synkope beenden, ohne dass eine Bewusstlosigkeit auftrat. Lediglich fünf Mal (1,9%) folgte dem Vorstadium ein Ohnmachtszustand. Vier dieser fünf Attacken waren so schnell abgelaufen, dass die Patienten nicht mehr in der Lage waren, die zuvor gelernten Handgriffe anzuwenden. Und in einem Fall war es trotz der Muskelkontraktion zur Synkope gekommen.

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Schlechtere Erfolgsquote bei Betroffenen über 65 Jahren

Entscheidend für die Gesamtbewertung des Verfahrens ist allerdings nicht nur die Zahl der gestoppten Vorstadien. Wichtig ist auch die Frage, wie viele Patienten mit der Methode tatsächlich synkopenfrei werden: Für die unter 65-jährigen Studienteilnehmer errechnete die italienische Arbeitsgruppe, dass mit der neuen Technik nur noch 5% der Patienten innerhalb eines Jahres eine Synkope erlitten. Zwar gab es in der Studie keine Plazebogruppe, aber ohne Schutzmaßnahmen wären deutlich höhere Rückfallquoten zu erwarten gewesen, wie das Forscherteam mit Verweis auf diverse Literaturstellen anmerkt. Demzufolge lassen sich pro Jahr normalerweise bei 24 bis 46% der Synkopen-Patienten neue Ohnmachtsattacken beobachten.

Deutlich schlechter war die Erfolgsquote allerdings bei den über 65-jährigen Studienteilnehmern, für die sich mit der neuen Technik eine 1-Jahres-Rezidivrate von 44% ergab. Warum die Manöver im fortgeschrittenen Lebensalter nur geringe Erfolgsaussichten hatten, ist unklar. Möglicherweise setzen ältere Menschen zu wenig Kraft ein, oder es wird auf die Vorboten nicht schnell genug reagiert. Ein weiterer Grund könnten zusätzliche autonome Störungen wie zum Beispiel orthostatische oder postprandiale Hypotensionen sein, die im höheren Lebensalter oft gleichzeitig vorliegen, so die Überlegungen der italienischen Forschergruppe, die das Verfahren daher vor allem für Betroffene unter 65 Jahren als hilfreich ansieht.

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Die Hände greifen auf Brusthöhe ineinander. Anschließend werden die Arme mit maximaler Kraft auseinander gezogen, ohne dass der Handgriff gelöst wird. Das Manöver erfolgt so lange, bis die Vorboten verschwinden.

Dr. Karl Eberius, Heidelberg

Quelle: Croci F et al. Efficacy and feasibility of isometric arm counter-pressure manoeuvres to abort impending vasovagal syncope during real life. Europace 2004; 6: 287-291

 
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Die Hände greifen auf Brusthöhe ineinander. Anschließend werden die Arme mit maximaler Kraft auseinander gezogen, ohne dass der Handgriff gelöst wird. Das Manöver erfolgt so lange, bis die Vorboten verschwinden.