Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(9): B 399
DOI: 10.1055/s-2004-837097
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Mehr Lebenszeit, mehr Lebensqualität - Vorsichtiger Optimismus in der Tumortherapie

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Publication Date:
22 December 2004 (online)

 
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Trotz spürbarer Fortschritte in der Diagnostik und in den Therapiekonzepten ist bei vielen Krebserkrankungen bislang eine wesentliche Verbesserung der Prognose ausgeblieben. Die auf der diesjährigen Tagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) Anfang Juni in Orlando (USA) und jetzt auch in Deutschland vorgestellten Ergebnisse neuer klinischer Studien können hier in einigen Bereichen aber vorsichtigen Optimismus vermitteln.

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Erlotinib kann Tumoren in der Lunge sogar verkleinern

In der BR.21-Studie vom National Cancer Institute Canada wurde beispielsweise dokumentiert, dass unter der Therapie mit dem vom Hause Hoffmann-La Roche entwickelten Tyrosinkinase-Hemmer Erlotinib (Tarceva®) - einem völlig neuen, gut verträglichen Wirkprinzip - das Überleben von Patienten mit Lungenkrebs verlängert werden kann. In der plazebokontrollierten, randomisierten Phase-III-Studie wurden 731 Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) im Stadium IIIB/IV, die bereits eine oder zwei Chemotherapien erhalten hatten, nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe erhielt, wie Prof. C. Manegold von der Thoraxklinik Heidelberg erläuterte, täglich eine Tablette Erlotinib (150 mg), die andere Plazebo. Entscheidendes Studienziel (primärer Endpunkt) war der Vergleich der beiden Gruppen hinsichtlich der Überlebenszeit unter der Therapie mit Erlotinib. Außerdem wurden tumorbedingte Symptome, die progressionsfreie Überlebenszeit, Ansprechraten und die Verträglichkeit untersucht (sekundäre Endpunkte).

Die Ergebnisse wurden von den Experten als "ermutigend" bezeichnet. So hatte sich in der Auswertung ergeben, dass die Überlebenszeit unter Plazebo im Median 4,7 Monate betrug, wohingegen sie bei Patienten unter der Therapie mit Erlotinib 6,7 Monate erreichte. Dies entspricht einem statistisch hochsignifikanten Unterschied von 43%. Mehr noch: Nach 12 Monaten lebten noch 31% der Patienten aus der Erlotinib-Gruppe (Plazebo = 22%). Beeindruckend ist auch die Feststellung, dass 9% der Studienteilnehmer an der BR.21-Studie unter der Tarceva®-Behandlung eine Voll- oder Teilremission erreichten, unter Plazebo waren das jedoch nur weniger als 1%.

Aufgrund der guten Verträglichkeit des Wirkstoffes Erlotinib wurde die Überlebenszeitverlängerung ohne Einbußen an der Lebensqualität erreicht. Manegold resümierte: "Erlotinib wirkt nicht nur krankheitsstabilisierend und lebensverlängernd, sondern kann Tumoren auch verkleinern. "Untersucht werden muss jetzt noch, welche Patienten am besten auf das Medikament ansprechen und ob eine Kombination mit Chemotherapeutika möglich ist und sogar die Wirkung noch verstärken könnte.

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Längeres krankheitsfreies Überleben nach Operation durch Capecitabin

Eine ebenso optimistische Bewertung messen die Experten den Ergebnissen der weltweit durchgeführten X-ACT-Studie (Xeloda Adjuvant Colon Cancer Therapy) zu. Untersucht wurde dabei primär die Zeitspanne des krankheitsfreien Überlebens nach erfolgter Operation, wobei die Gleichwertigkeit des Therapieeffektes von Capecitabin (Xeloda®) mit dem etablierten Behandlungsschema der Mayo-Klinik (5-FU/FA) bei Patienten mit Darmkrebs im Stadium III besondere Beachtung fand. Die Behandlung wurde in dieser Studie über 24 Wochen durchgeführt. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 3,8 Jahren lebten noch 64,2% der Patienten aus der Xeloda®-Gruppe und 60,6% aus der Vergleichsgruppe ohne erneute Krankheitszeichen (ITT-Analyse).

Damit hat sich gezeigt, dass Capecitabin dem Mayo-Klinik-Schema ebenbürtig ist und tendenziell sogar als überlegen bezeichnet werden kann. Eindeutig war dies hinsichtlich des sekundären Endpunktes "Rezidiv-freies Überleben", denn hier wurde unter Xeloda® im Unterschied zur Vergleichsgruppe ein signifikantes Ergebnis erreicht. Auch beim "3 Jahres-Gesamtüberleben" zeigte sich mit 81,3% : 77,6% tendenziell eine Überlegenheit von Capecitabin (p=0706, 95%-Konfidenzintervall). Die orale Applikationsmöglichkeit ist ein zusätzliches Plus für die Anwendung dieses Medikaments in der adjuvanten Therapie des Kolonkarzinoms.

Hilmar Bierl, Berlin

Quelle: Fachpressekonferenz "Aktuelles vom ASCO: Innovative Wirkstoffe eröffnen neue Dimensionen in der Krebstherapie", Juni 2004 in Frankfurt, Veranstalter: Hoffmann-La Roche AG, Grenzach-Wyhlen.