NOTARZT 2005; 21(3): 101-103
DOI: 10.1055/s-2004-834760
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Heimtückisches Mittel

F.  Martens1
  • 1Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publication Date:
23 May 2005 (online)

Fall 1

Mit dem Stichwort „plötzliche Bewusstlosigkeit” wird die Notärztin in ein Hochhaus alarmiert. Ein jüngerer Mann erwartet sie und bringt sie zur Einsatzstelle, einer Wohnung in der 12. Etage des Hauses. Unterwegs berichtet er von einem etwa 12 Stunden zurückliegenden Streit mit seiner Freundin. Da diese auf seine wiederholten Telefonanrufe nicht reagiert habe, sei er in ihre Wohnung gefahren und habe sie dort neben dem Sofa auf dem Boden liegend ohne Bewusstsein vorgefunden und daher sofort die Feuerwehr alarmiert. In der geschmackvoll eingerichteten Wohnung haben die zuvor eingetroffenen Rettungsassistenten eine ca. 30-jährige Frau in stabile Seitenlage verbracht und bestimmen gerade deren Blutzucker. Die Vitalwerte Atmung, Puls, Blutdruck und die pulsoxymetrische Sättigung seien normal gewesen - allerdings habe die Patientin auch auf Schmerzreize nicht reagiert.

Die körperliche Untersuchung der Patientin nach Zurückdrehen in Rückenlage zeigt eine komatöse Frau ohne Reaktion auf Schmerzreize. Die Pupillen sind beidseits weit mit noch erhaltener Lichtreaktion, beide Konjunktiven sind injiziert. Die Lungen sind beiderseits belüftet ohne Rasselgeräusche, der Blutdruck wird mit 100/65 mm Hg bestimmt, die Herzfrequenz ist mit 115/min leicht erhöht. Auffällig ist eine gerötete Haut; die daraufhin gemessene Axillartemperatur beträgt 38,2° Celsius.

Unter dem Verdacht einer möglichen Vergiftung wegen des vorausgegangenen Streits durchsucht das Rettungspersonal die Wohnung und entdeckt im Mülleimer eines kleinen Büros geleerte Schachteln und Blisterfolien eines paracetamolhaltigen Präparates.

Zwischenzeitlich wird die Patientin nach Legen einer Verweilkanüle ohne weitere Sedierung orotracheal intubiert und anschließend beatmet in ein nahe gelegenes Krankenhaus transportiert.

Im Blut finden sich keinerlei Enzündungszeichen, allerdings eine Ethanolkonzentration von 3,5 g/l und eine Paracetamolkonzentration von 110 mg/l. In den Folgestunden erwacht die Patientin aus ihrer Alkoholvergiftung und kann wieder extubiert werden. Unter Antidotgabe kommt es im weiteren Verlauf zu keiner relevanten Leberschädigung.

Literatur

  • 1 Sporer K A, Khayam-Bashi H. Acetaminophen and Salicylate Serum Levels in Patients With Suicidal Ingestion or Altered Mental Status.  Am J Emerg Med. 1996;  14 (5) 443-446
  • 2 Kostrubsky V E. et al . Role of CYP3A in Ethanol-mediated increases in acetaminophen hepatotoxicity.  Toxicol Appl Pharmacol. 1997;  143 (2) 315-323
  • 3 Ellenhorn M J, Barceloux D G. Medical toxicology. New York, Amsterdam, London; Elsevier 1988
  • 4 Smilkstein M J. et al . Acetaminophen overdose: A 48-hour intravenous N-acetylcysteine treatment protocol.  Ann Emerg Med. 1991;  20 1058-1063
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  • 8 Schmidt L E, Dalhoff K. Serum phosphate is an early predictor of outcome in severe acetaminophen-induced hepatotoxicity.  Hepatology. 2002;  36 (3) 659-665

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité -Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum · Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: frank.martens@charite.de

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