NOTARZT 2005; 21(4): 117-124
DOI: 10.1055/s-2004-834743
Originalia
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Krampfanfall als Notarztindikation: Befunde und Behandlungsstrategien

Epileptic Seizures as an Indication for Emergency Physicians: Clinical Findings and TherapyP.  Tonn1 , S.  Reuter1 , N.  Gerlach1 , B.  Friedrich1 , N.  Dahmen1
  • 1Notarztstandort Langen, Psych. Univ.-Klinik Mainz
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Publication Date:
25 July 2005 (online)

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Zusammenfassung

Indikation, Häufigkeit und Verlauf einer notärztlichen Versorgung bei Patienten mit zerebralem Krampfgeschehen sowie die Beurteilung der Notwendigkeit des Notarzteinsatzes werden beschrieben. Es wurden im Zeitraum 4/02 bis 3/03 insgesamt 157 Patienten mit der Notfalldiagnose zerebrales Krampfgeschehen notärztlich betreut. In der Studie wurden diagnostische Einschätzung, Alter, Geschlecht, Glasgow Coma Scale (GCS), Begleiterkrankung, Akuttherapie und die Entscheidung über den weiteren Verbleib des Patienten erhoben und ausgewertet. Von den 157 Patienten waren 107 Männer und 50 Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 44,7 Jahre (± 20,95 Jahre), der GCS lag im Median bei 13. Eine Medikation erfolgte bei 75 Patienten, bei 7 Patienten (4,4 %) musste eine Narkose und Beatmung zur Sicherung der Vitalfunktionen durchgeführt werden, bei 4 Patienten (2,5 %) entstanden durch den Anfall Frakturen, bei weiteren 2,5 % bestanden postiktal Paresen im Sinn einer Toddschen Lähmung. Die ätiologische Zuordnung war bei 36,1 % durch ein vorbestehendes Krampfleiden möglich, bei 18,3 % der Krampfanfälle wurde eine kausale Verbindung mit Alkohol- oder Drogenkonsum gesehen, bei 5,7 % bestand eine neurologische Vorerkrankung und bei 6,3 % der Patienten bestand ein Zusammenhang des Krampfanfalles mit einer internistischen Vorerkrankung. Diagnostisch unklar waren 14,6 % aller vom Notarzt gesehenen Krampfanfälle sowie abgesetzt als Erstmanifestationen beschriebene weitere 13,9 %, immerhin 1,9 % der Patienten zeigten einen Status epilepticus bei bekannter Epilepsie. Neben Benzodiazepinen (Diazepam, Midazolam und Rivotril, zusammen 64 %) wurden Neuroleptika (Haloperidal, Promethazin, zusammen 8 %) und Sedativa (Fentanyl, Hypnomidate, zusammen 13,3 %) eingesetzt. Eine klinische Vorstellung wurde bei 137 der Patienten durch den Notarzt veranlasst, nur 20 (12,7 %) wurden zu Hause belassen. Immerhin wurden fast 88 % der Patienten, dabei 71 von den nicht medikamentös behandelten Patienten (also 86,6 % dieser Gruppe), trotzdem in einer Klinik zur weiteren Diagnostik und Überwachung vorgestellt. Eine relevante und vorab zu treffende Unterscheidung in Bezug auf den Bedarf an notärztlichen Maßnahmen ergab sich aus dem Parameter Geschlecht (weibliche Patienten erhielten weniger medikamentöse Maßnahmen als männliche) und dem GCS. Nicht einmal jeder zweite Notarzteinsatz mit der Alarmmeldung „zerebrales Krampfereignis” hatte ein so ausgeprägtes klinisches Bild, dass eine ärztliche Versorgung nötig wurde. Die Notwendigkeit einer Notarztalarmierung ist daher nicht als Routine bei der Alarmmeldung „zerebrales Krampfereignis” zu sehen, sondern nur mit zusätzlich zu erfragenden Parametern (nach erster GCS-Einstufung durch Rettungsassistenten) zu begründen.

Abstract

To make a study about diagnosis and treatment of acute seizures and status epilepticus by emergency physicians. Retrospective chart analysis of the documentation of emergencies. 157 emergency calls were reported. Only 4 patients (2.5 %) have todd's paresis, other 4 (2.5 %) become fractures. The reports show 3 (1.9 %) patients with status epilepticus. But only GCS < 6 will be helpfull to identify patients with lifethreatening problems. The clinical approach was medication with benzodiacepines, antipsychotics or hypnotics to end up the seizure and reduce morbidity and mortality risks. 88 % of all the patients will be attended to an emergency or neurological department. More rational understanding the pathophysiology and mechanisms of epileptic seizures will be helpfull to reduce overexuberant approaches.

Literatur

Dr. med. Peter TonnNeurologe und Psychiater, Ärztlicher Leiter Notarztstandort Langen 

Psych. Univ.-Klinik Mainz

Untere Zahlbacher Straße 8

55131 Mainz

Email: tonn@neurologe-und-psychiater.de