Aktuelle Neurologie 2005; 32: 61-65
DOI: 10.1055/s-2004-834695
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Perspektiven der Apomorphintherapie

Perspectives of Apomorphine TherapyD.  Dressler1
  • 1Klinik für Neurologie, Universität Rostock
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Publication Date:
26 April 2005 (online)

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Zusammenfassung

Apomorphin ist ein seit langem bekannter hoch potenter D2-, D3- und D4-Dopaminrezeptoragonist, der sich besonders durch eine zusätzliche D1-Dopaminrezeptorwirkung auszeichnet und in der Medizin vielfältige Anwendung gefunden hat. Wegen einer weitestgehenden Inaktivierung bei der Leberpassage wird Apomorphin in der Regel subkutan angewendet. Nach raschem Wirkungseintritt ist die Wirkungsdauer auf etwa eine Stunde begrenzt. Eine Metaanalyse zeigt, dass durch eine intermittierende subkutane Apomorphingabe (intermittierende Apomorphintherapie) die tägliche Dauer unvorhersehbarer kurz anhaltender Off-Phasen um 48,8 ± 8,7 % reduziert werden kann. Durch eine kontinuierliche subkutane Apomorphingabe (kontinuierliche Apomorphintherapie) während der Wachphase lässt sich die tägliche Dauer der Off-Phasen um 64,8 ± 13,5 % und die zusätzlich notwendige Levodopadosis um 30,3 ± 31,1 % reduzieren. Bei Ganztagesgabe wird die tägliche Dauer der Off-Phasen um 63,5 ± 19,1 % und die zusätzliche Levodopadosis um 65,5 ± 21,9 % reduziert. Auch bei langjähriger Anwendung zeigen sich keine wesentlichen Wirkungsverluste der Apomorphintherapie. Mit der Umgehung des Systems der Dopaminaufnahme, -speicherung und -freisetzung verfügt Apomorphin über hochinteressante pharmakologische Eigenschaften, die besonders beim fortgeschrittenen Morbus Parkinson therapierelevant sein können. Ob mit anderen Applikationswegen noch günstigere Ergebnisse und geringere lokale Nebenwirkungen zu erzielen sind, muss noch erforscht werden. Insbesondere die möglichen neuroprotektiven Effekte bedürfen einer weiteren Abklärung. Fibrosen des Retroperitoneums oder des Endokards sind bislang nicht berichtet worden und markieren einen Vorteil gegenüber vielen Dopaminrezeptoragonisten. Bei geringerer halluzinogener Potenz als Levodopa und andere Dopaminrezeptoragonisten und bei möglichen intrinsischen antipsychotischen Eigenschaften bietet eine kontinuierliche Apomorphintherapie die Möglichkeit, eine konventionelle Antiparkinsonmedikation noch zu intensivieren. Die hohe Konstanz der Wirkung am Dopaminrezeptor scheint der Entstehung von Dyskinesien entgegenzuwirken und bereits entstandene Dyskinesien zu mildern. Eine Darstellung von Tagesprofilen ist technisch möglich, wurde jedoch bislang wissenschaftlich noch nicht ausreichend exploriert. Einzig die kontinuierliche Apomorphintherapie bietet die Möglichkeit, gänzlich auf zusätzliche Levodopagaben zu verzichten. Damit kann eine vollständige therapeutische Abkoppelung vom System der Dopaminaufnahme, -speicherung und -freisetzung erreicht werden. Damit könnte die kontinuierliche Apomorphintherapie auch Vorteile gegenüber der Tiefen Hirnstimulation aufweisen, die sich in ersten eigenen Erfahrungen zu bestätigen scheinen.

Abstract

Apomorphine has long been used in many medical specialties. It is a highly potent D2-, D3- and D4-dopamine receptor agonist with a particularly high D1-dopamine receptor agonist affinity. Due to its almost complete inactivation during liver passage it is usually applied subcutaneously. After rapid onset its effect is waning after about one hour. A meta analysis indicates that intermittend subcutaneous apomorphine applications (intermittend apomorphine therapy) can reduce the daily duration of unpredictable off-phases by 48.8 ± 8.7 %. For this an average of 3.7 ± 1.1 times 2.9 ± 0.8 mg apomorphine has to be applied per day. Continuous subcutaneous apomorphine application (continuous apomorphine therapy) during the wake phase reduces the duration of daily off-phases by 64.8 ± 13.5 % and the additional levodopa dose by 30.3 ± 31.1 %. 24-hour application reduces the daily duration of off-phases by 63.5 ± 19.1 % and the additional levodopa dose by 65.5 ± 21.9 %. Even after prolonged treatment times no significant loss of efficacy occurs. By avoiding enteral dopamine resorption, praesynaptic dopamine storage and dopamine secretion mechanisms apomorphine has highly interesting pharmacological properties particularly for therapy of advanced idiopathic Parkinson's disease. Whether different routes of administration could produce better therapeutic results and decreased local side effects needs to be studied. Particularly the potential neuroprotective properties need to be investigated. Retroperitoneal and endocardial fibrosis has not been detected so far and mark an advantage over other dopamine receptor agonists. Lower hallucinogenic potential than levodopa and other dopamine receptor agonists together with potential intrinsic antipsychotic properties allow intensification of conventional antiparkinsonian therapy. Highly constant dopamine receptor activity seems to reduce occurrence of levodopa-induced dyskinesias as well as existing dyskinesias. Generation of daily application profiles is possible, but has not been explored so far. Only continuous apomorphine therapy allows complete avoidance of additional levodopa application. With this enteral dopamine resorption, praesynaptic dopamine storage and dopamine secretion mechanisms can be by-passed entirely. Therefore, continuous apomorphine therapy could have advantages over deep brain stimulation. Initial own experience seems to support this assumption.

Literatur

Priv.-Doz. Dr. med. Dirk Dressler

Klinik für Neurologie · Universität Rostock

Gehlsheimer Straße 20

18147 Rostock

Email: dirk.dressler@med.uni-rostock.de