Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(7/08): B 339
DOI: 10.1055/s-2004-834462
Editorial

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EBM 2000 Plus: Gebührentechnischer Durchbruch für niedergelassene Ärzte oder neue Facette eines Dauerdilemmas?

Peter Knuth
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Publication Date:
23 September 2004 (online)

Dass die grundsätzliche Konstruktion der Vergütung der Leistungen von niedergelassenen Ärzten seit Jahrzehnten Mängel und Inbalancen beinhaltet, ist hinreichend bekannt. Durch die Deckelung der Gesundheitsausgaben mit der Anbindung an die Grundlohnsummenentwicklung sind die Gesundheitsausgaben ohne Rücksicht auf Morbiditätsstrukturen in der Bevölkerung und die Entwicklung des medizinischen Fortschritts untrennbar mit dem wirtschaftlichen Wohl des Landes verbunden. Dass diese wirtschaftliche Entwicklung schon seit einigen Jahren und auch in die Zukunft hinein keinen Anlass zum Optimismus gibt, ist nicht zu übersehen. In dieser Situation muss die Selbstverwaltung der Kassenärzte versuchen, den Mangel zu verwalten. So werden bereits heute 20 % der ärztlichen Leistungen nicht mehr vergütet. Der für die Vergütungssteuerung für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen maßgebliche Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) ist teilweise grotesk verzerrt durch Honorarverteilungsmaßstäbe unterschiedlichster Art auf der Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder.

Diese gesamten Verwerfungen soll nun der EBM 2000 Plus auflösen. Ziel des neuen Vergütungssystems ist die Schaffung von Transparenz durch die Kalkulation von Euro-Preisen je ärztlicher Leistung auf robuster betriebswirtschaftlicher Datengrundlage, wobei in diese Kalkulation der Arztlohn und die angemessene Vergütung des unternehmerischen Risikos des niedergelassenen Arztes als freier Unternehmer sowie die Praxiskosten eingehen. Im EBM 2000 Plus soll es möglich sein, Morbidität und Innovation darzustellen, sodass eine Basis gegeben ist, das Morbiditätsrisiko endlich wieder dahin zu verlagern, wo es hingehört, nämlich zu den Krankenkassen. Krankenkassen sind nach dem Solidarprinzip organisierte Versicherer der gesundheitlichen Risiken ihrer Versicherungsnehmer. Innerärztlich soll der EBM 2000 Plus sektorübergreifend eine einheitliche Vergütungslogik darstellen. Fernerhin bedurfte es eines neuen einheitlichen Bewertungsmaßstabes, um neue - gesetzlich vorgesehene - Vergütungsformen, wie Regelleistungsvolumina oder auch die Kostenerstattung abzubilden. Der EBM 2000 Plus wird vermehrt Einzelleistungen zu Komplexen und Pauschalen zusammenfassen. Leistungen, welche ausschließlich dem hausärztlichen oder fachärztlichen Vergütungsbereich zuzuordnen sind, werden definiert.

Durch die Regelleistungsvolumina wird auf gesetzlicher Grundlage ab 01.01.2006 ein Mechanismus in Gang gesetzt, der die einzelnen Arztgruppen über Patientenzahlen und Morbiditätsstrukturen besser differenzieren kann. Durch das rigide Abstaffelungsprinzip bei Überschreiten einer bestimmten - für den Arzt individuell kalkulierten - Leistungsmenge wird ein starker ökonomischer Impuls gesetzt, nur soviel Leistungsmenge zu erbringen, wie auch von den Krankenkassen bezahlt wird. Es wird dann Sache der Gesundheitspolitik sein, den Zusammenhang zwischen zur Verfügung gestellter Geldmenge und dem Umfang medizinischer Leistungen und gegebenenfalls dem Verweigern (müssen) medizinischer Leistungen zu erklären.

Der EBM 2000 Plus sollte seine Chance bekommen, die unhaltbare Vergütungssituation in der Medizin zu verbessern. Ob dies gelingt, wird in hohem Umfang davon abhängig sein, dass sich Ärzte nicht mehr im Hamsterrad bewegen und die unsinnige Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen ärztlichen Fachgruppen minimiert wird.

Wie heißt es doch so schön in der Fußballwelt: „Schau'n wir mal!”

Prof. Dr. med. Peter Knuth

Wiesbaden

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