Krankenhauspsychiatrie 2005; 16(2): 69-74
DOI: 10.1055/s-2004-830214
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ein Patientenjahrgang einer geschlossenen kinder- und jugendpsychiatrischen Akutstation

A Patients' Age Group in a Closed Adolescents' Psychiatric WardU.  Rüth1 , F.  Beer1 , F.  J.  Freisleder1
  • 1Heckscher-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Bezirks Oberbayern in München
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Publication Date:
16 June 2005 (online)

Zusammenfassung

Zielsetzung: Quantitative Beschreibung des Patientenkollektivs einer geschlossenen jugendpsychiatrischen Akutstation. Methode: Die quantitativen Daten eines Patientenjahrgangs (2003) der geschlossenen jugendpsychiatrischen Akutstation der eigenen Klinik wurden analysiert. Ergebnisse: Bei 308 Behandlungsepisoden erfolgte die Aufnahme in 78,2 % primär unter dem Rechtsgrund des § 1631 b BGB, in 18,2 % nach Bayerischem Unterbringungsgesetz. 25 % der Patienten blieben maximal 3 Tage, weitere 43,8 % zwischen 4 - 14 Tagen bei einem Median der Aufenthaltsdauer von 8 Tagen und einer Gesamtdurchschnittsverweildauer von 13,4 Tagen. Es zeigte sich ein weitreichendes Diagnosenspektrum mit kriseninterventorischen und therapeutischen Behandlungen und entsprechenden Unterschieden der Durchschnittsverweildauer je nach Diagnosen (F43.0/43.2: 8 Tage; F32/33: 19 Tage; F20: 33 Tage). Primär nach dem Unterbringungsgesetz zugewiesene Patienten wurden signifikant nicht auf eine Station im Hause weiterverlegt (p < 0,005), waren signifikant eher männlich (p < 0,005) und blieben signifikant häufiger maximal 6 Tage auf Station (p < 0,005). Aufnahmen erfolgten überwiegend von zu Hause (56,8 %) oder aus Jugendhilfeeinrichtungen (20,1 %), sowie aus medizinischen Kliniken (13,6 %). Entlassungen führten nach Hause (40,9 %), in Maßnahmen der Jugendhilfe (19,8 %) oder auf eine andere Station der eigenen Klinik (32,3 %). Schlussfolgerungen: Die geschlossene Akutstation wird für Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Diagnosen genutzt. Die Aufnahme- und Unterbringungsvoraussetzungen werden diskutiert.

Abstract

Objectives: Quantitative data from a closed adolescent ward are presented. Method: Data from 308 treatment episodes in 2003 in the locked ward of Heckscher-Clinic for Child and Adolescent Psychiatry and Psychotherapy were examined. Results: Among 308 treatment episodes legal concession based on § 1631 b BGB German law in 78.2 %, 18.2 % were admitted according to “Bayerisches Unterbringungsgesetz”. In 25 % treatment lasted up to 3 days or less, 43.8 % stayed from 4 up to 14 days. The average length of stay was 13.4 days, with a median at 8 days. Diagnoses were widespread between crisis intervention and intensive long-term treatment, the average length of stay varied according to the diagnosis (F43.0/43.2: 8 days; F32/33: 19 days; F20: 33 days). Patients admitted by police intervention (Bay. Unterbringungsgesetz) were primarily not transferred to another ward of the clinic (p < 0.005), were primarily male (p < 0.005) and stayed less than 7 days more often (p < 0.005). Patients were admitted from at home (56.8 %) or from youth welfare institutions (20.1 %) and medical hospitals (13.6 %). Discharge was to the family (40.9 %), youth welfare institutions (19.8 %) and to another ward of the clinic (32.3 %). Conclusions: The closed ward in child and adolescent psychiatric treatment is used for patients of most widespread diagnoses. Prior conditions for admission and for legal concessions are discussed.

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Fachbereichsoberarzt Dr. med. Ulrich  Rüth

Heckscher-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Bezirks Oberbayern in München

Deisenhofener Straße 28

81539 München ·

Email: ulrich.rueth@heckscher-klinik.de

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