Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(5): B 271
DOI: 10.1055/s-2004-829829
Praxismanagement

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Einführung in verlangsamter Gangart

GesundheitskarteKlaus Schmidt1
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Publication Date:
29 June 2004 (online)

Das GMG geht noch optimistisch von der flächendeckenden Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zum 1. Januar 2006 aus. Doch der von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt angedachte Zeitplan war wohl zu ehrgeizig, wird mittlerweile von den zuständigen Fachbeamten ihres Hauses eingeräumt.

Prof. Otto Rienhoff, Göttingen, der schon seit vielen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) an Kartenprojekten arbeitet, geht davon aus, dass es noch gut zehn Jahre dauern wird, bis die geplanten Funktionen der Karte vollständig angewendet werden können.

Pilotprojekte zunächst in einigen Modellregionen

Nach den Worten von Dr. Stefan Bales, im BMGS zuständig für das Kartenprojekt, wird es zunächst in einigen Modellregionen Pilotprojekte geben. Zu Anfang wird die elektronische Gesundheitskarte auch nur die Nutzung des Pflichtteils erlauben. Dazu zählen die Versicherungsangaben einschließlich Angaben zum Zuzahlungsstatus, die Berechtigung, im europäischen Ausland behandelt zu werden (Ersatz des E-111-Formulars) sowie die papierlose Übertragung eines Rezepts, das eRezept. Alle weiteren Funktionen, vor allem der umfangreiche freiwillige Teil mit den medizinischen Angaben, sollen schrittweise im Laufe der folgenden Jahre hinzukommen. Dazu zählen vor allem die Dokumentation der eingenommenen Arzneimittel, die Notfallinformationen (z.B. Blutgruppe, chronische Organleiden, Allergien, Herzkrankheit, Dialyse, Asthma), zusätzliche Gesundheitsinformationen (z.B. aktuelle Diagnosen, Operationen, Impfungen und Röntgenuntersuchungen), die Möglichkeit zur Aufnahme von elektronischen Mitteilungen wie den Arztbrief, die Ermöglichung einer so genannten Patientenquittung, welche den Patienten über die vom Arzt erbrachten Leistungen und deren vorläufige Kosten informiert, und schließlich eigene, von den Patienten selbst zur Verfügung gestellte Daten (zum Beispiel Verlaufsprotokolle eines Diabetikers, Hinweis auf Patientenverfügungen). Die hierfür notwendigen Daten werden entweder auf der Karte selbst gespeichert (z.B. Notfallinformationen) oder auf Servern (z.B. die Arzneimitteldokumentation oder die Patientenakte), wobei der Zugriff dann über elektronische Verweise auf der Karte erfolgt.

Finanzierung noch ungeklärt

Ungeklärt ist noch die Finanzierung des ganzen Projekts. Bales räumte ein, dass die Ärzte für die Anschaffung und Umrüstung ihrer Praxis-EDV samt Zubehör mehr investieren müssen, als sie von der Karte letztlich profitieren. Alle Kosten-Nutzen-Analysen zeigen, dass sich die Einführung der Karte allein schon durch das elektronische Rezept rechnet - allerdings in erster Linie für die Krankenkassen.

Zur Unterstützung des Projekts wurde vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung nach einer europaweiten Ausschreibung ein Projektkonsortium bestehend aus den Firmen IBM Deutschland GmbH, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO), der SAP Deutschland AG & Co KG, der InterComponentWare AG und der ORGA Kartensysteme GmbH beauftragt. Anfang September 2003 fand im Beisein von Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder das Kickoff-Meeting für das Projekt „bIT4Health” (bessere IT für bessere Gesundheit) statt.

Probleme mit dem Datenschutz scheinen weitgehend ausgeräumt zu sein. In Wiesbaden lobt Dr. Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, dass die Datenschützer von Anfang an in das Projekt mit einbezogen worden sind und dass die Freiwilligkeit für den Patienten in den Vordergrund gestellt worden ist. Die Zeit sei jetzt reif für eine medizinische Telematik-Struktur. Ihm ist klar, dass die Ärzte Angst haben vor dem Gläsernen Arzt. Die Angst vor dem Gläsernen Patienten nannte er dagegen irrational. Der Patient bleibe Herr seiner Daten. Das ist alles in dem neuen § 291a SGB V geregelt.

Probleme mit dem Datenschutz weitgehend ausgeräumt

Die Gesundheitsdaten bleiben grundsätzlich unter der Kontrolle des Patienten. Der Zugriff ist nur Ärzten, Zahnärzten, Apothekern und sonstigen Erbringern ärztlich verordneter Leistungen in Verbindung mit einem elektronischen Berufsausweis (Health Professional Card) erlaubt. Die Patienten können entscheiden, welche Gesundheitsdaten aufgenommen oder gelöscht werden, ob und welche Daten sie einem Leistungserbringer zugänglich machen, und sie haben das Recht, die über sie gespeicherten Daten vollständig zu lesen - das können sie z.B. in der Arztpraxis oder in der Apotheke tun.

Weiterer rechtlicher Schutz für die Versicherten wurde dadurch geschaffen, dass die Zugriffe protokolliert werden und für die Karte sowohl ein Verwendungsverbot wie ein Beschlagnahmeschutz in das Gesetz aufgenommen worden sind.

Für die Ärzte bietet die voll funktionsfähige elektronische Gesundheitskarte den Vorteil einer Rationalisierung der Praxisabläufe sowie der Vermeidung von Medienbrüchen. Die Verbesserung der Kommunikation sieht das Ministerium als wichtige Voraussetzung für die integrierte Versorgung an. Die elektronische Patientenakte wird es erleichtern, in Netzwerken oder zwischen niedergelassenem Arzt und Krankenhaus Daten auszutauschen bzw. einzusehen und auch eine schnelle Bildübermittlung zu realisieren.

Klaus Schmidt

Planegg

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