Einleitung
Einleitung
Das Auftreten einer Strahlenpneumonitis nach Bestrahlungstherapie bei Mammakarzinom
ist allgemein bekannt. Hier gibt es meist einen klaren zeitlichen Zusammenhang von
Bestrahlung und dem Auftreten von flächigen Lungeninfiltraten. Eine BOOP dagegen tritt
bei den unterschiedlichsten Grunderkrankungen - auch nach einer Strahlentherapie eines
Tumorleidens - als Komplikation auf. Beim Fehlen einer Grunderkrankung wird heute
der Terminus COP (cryptogenic organizing pneumonia) gewählt.
Das Auftreten einer BOOP nach einer Strahlentherapie wegen eines Mammakarzinoms ist
eine sehr seltene Komplikation dieser Therapie [1 ]. Unsere Publikation soll auf diesen Zusammenhang aufmerksam machen, da sicher nicht
nur international die diagnostischen Verschleppungszeiten beachtlich sind.
Die „klassische” Strahlenpneumonitis tritt bei Patientinnen auf, die aufgrund pulmonaler
oder nicht-pulmonaler maligner Erkrankungen bestrahlt wurden [2 ]
[3 ]. Die meisten radiologischen Veränderungen werden im Gebiet der bestrahlten Lungenregion
beobachtet. Es werden jedoch auch immer wieder Infiltrationen auf der nicht-bestrahlten
Lunge beobachtet [4 ].
Bei Untersuchungen mit der bronchoalveolären Lavage (BAL) bei bestrahlten Patientinnen
konnten lymphozytäre Alveolitiden auch in der unbestrahlten Lunge diagnostiziert werden
[5 ]
[6 ], obwohl seitens der Strahlentherapie-Planung versucht wird die „gesunde Seite” zu
schonen. Tangentiale Strahlenwirkungen geringen Umfangs werden aber immer die nicht-affektierte
Seite erreichen. Die Art des Lungenparenchymschadens - akut/chronisch - ist von mehreren
Einflussgrößen abhängig. Zu nennen sind Strahlengesamtdosis, Einzeldosengröße, Applikationsintervalle,
Strahlenart und Größe des Lungenvolumens, das in das Strahlenfeld einbezogen werden
muss. Das Krankheitsbild der Strahlenpneumonitis umfasst: die akute Pneumonie mit
exsudativer Phase, gefolgt von einer organisierenden Phase mit Akkumulation von Entzündungszellen
im Lungeninterstitium, meist neutrophiler Granulozyten. Die chronische Strahlenpneumonie
ist durch progredienten fibrotischen Umbau geprägt.
Während die Strahlenpneumonitis eine bekannte Komplikation darstellt, bedeuten wechselnde
- auch in der nicht bestrahlten Lungenregion auftretende Infiltrate - diagnostische
Probleme [1 ]. Transbronchiale Biopsien aus diesen Infiltraten ergeben histologische Bilder einer
BOOP-Reaktion mit Granulationsgewebspfröpfen und proliferierten Fibroblasten in einem
polysaccharidreichen Stroma im Gebiet der terminalen Bronchioli und der Alveolen.
Eine milde begleitende lymphozytäre Alveolitis, selten auch Eosinophilie wird beobachtet
[7 ].
Histologische Befunde mit hyalinen Membranen, Riesenzellen, Thromben und vaskulitischen
Veränderungen, wie sie bei der Strahlenpneumonie entstehen, treten bei der BOOP nach
Radiatio nicht auf.
Fallbericht
Fallbericht
Anamnese
Bei einer 60-jährigen Patientin wurde zwei Jahre zuvor ein invasives Karzinom am Übergang
unterer innerer/unterer äußerer Quadrant der linken Mamma brusterhaltend reseziert.
Nach adjuvanter Chemotherapie (6 Zyklen CMF) erfolgte die konsolidierende Strahlenbehandlung
zunächst der gesamten linken Mamma mit 4 MeV Photonen bis 50 Gy sowie anschließender
Dosisaufsättigung der ehemaligen Tumorregion mit 10 MeV Elektronen bis 10 Gy. Drei
Monate später klagte die Patientin langsam zunehmend über Dyspnoe und vermehrte Müdigkeit.
Die daraufhin veranlasste Röntgen-Thorax-Aufnahme (Abb. [1a ]) zeigte eine ausgedehnte fleckige Verschattung betont in Projektion auf die Lingula
mit positivem Luftbronchogramm bei unauffälliger Darstellung der Pleura. Unter der
Diagnose einer Strahlenpneumonitis erfolgte eine Prednisolontherapie über 6 Monate.
Im Verlauf kam es sowohl klinisch als auch radiologisch zu einer vorübergehenden Besserung.
Zum Ende der ausschleichenden Therapie traten dann erneut die Beschwerden auf, radiologisch
wurde ein neues Infiltrat, jetzt im rechten Oberlappen erfasst (Abb. [1b ]). Unter Gabe von 25 mg Prednisolon über ca. 4 Monate langsam ausschleichend waren
Beschwerden und Infiltrat wieder rückläufig. Wiederum ein Monat später ergab sich
eine neue Infiltration in einem anderen Segment des rechten Oberlappens und wiederum
zwei Monate später im rechten Unterlappen (Abb. [1c ]). Bei der nun veranlassten Krankenhausaufnahme beklagte die Patientin allgemeine
Abgeschlagenheit, Dyspnoe und unproduktiven Husten.
Abb. 1 a - c Wechselnde Lungeninfiltrate im Verlauf der strahleninduzierten BOOP.
Aktuelle Befunde
Die körperliche Untersuchung ergab eine Klopfschallverkürzung sowie inspiratorisches
Knisterrasseln rechts basal bei vesikulärem Atemgeräusch, im Routinelabor eine BSG-Beschleunigung
auf 61 mm/Std. sowie leicht erhöhte Leberparameter. Radiologisch zeigte sich ein flaues
Restinfiltrat in Projektion auf den rechten Oberlappen sowie ein Unterlappeninfiltrat
der gleichen Seite. Entsprechend wiesen computertomographisch die Segmente 7, 8 und
9 rechts eine ausgedehnte alveoläre Konsolidierung mit positivem Bronchopneumogramm
und umgebender milchglasartiger Trübung auf (Abb. [2 ]). In Segment 1 rechts fand sich eine keilförmige, peripher breitbasig aufsitzende
Verdichtungszone. Vereinzelt erkannte man kleinste Bronchiektasen. Die Lungenfunktionsparameter
lagen im Referenzbereich. Die Diffusionskapazität war mittelgradig eingeschränkt.
Bronchoskopisch ergab sich zunächst kein Befund von Krankheitswert, lediglich bei
der bronchoalveolären Lavage ließen sich bis zur letzten Portion Sekretausgüsse aspirieren.
Das Zellbild wies eine nur leichtgradige Lymphozytose (18 %) bei sehr niedriger Gesamtzellzahl
auf.
Abb 2 Computertomographie: Alveoläre Konsolidierung des rechten Lungenunterlappens vor Therapie.
Die transbronchiale Zangenbiopsie aus dem rechten Unterlappen erfasste mikroskopisch
Bronchusschleimhaut, äußere Bronchuswandanteile sowie alveoläres Parenchym. Die alveoläre
Architektur war erhalten. In einzelnen Alveolen fanden sich als Zeichen der Mangelbelüftung
reichlich Schaumzellen (Abb. [3 ]). Intraluminal zeigten sich wiederholt zellreiche, zum Teil auch verzweigte Bindegewebspfröpfe
(Abb. [4 ]), welche z. T. den hier luminal verbreiterten Septen anhingen und z. T. von Epithel
bedeckt waren, so dass hier in der Gesamtschau das Bild einer BOOP bestand. Die Patientin
wurde mit einer Prednisolontagesdosis von 40 mg entlassen. Aufgrund des bisherigen
Verlaufes wurde die Dosis nur langsam auf zuletzt 5 mg reduziert. Ein Auslassversuch
steht aus. Seit nunmehr 1 œ Jahren bestehen Rezidivfreiheit und Wohlbefinden.
Abb 3 Alveole mit Schaumzellen als Zeichen einer Mangelbelüftung, HE-Färbung 100-fach.
Abb 4 Alveole mit zellreichem Bindegewebspfropf, HE-Färbung 100-fach.
Diskussion
Diskussion
Der Mechanismus der Entstehung einer BOOP-Reaktion nach Strahlentherapie von Mamma-Tumoren
ist nicht vollends geklärt. Die Entstehung einer diffusen lymphozytären Alveolitis
ist sicher nicht der einzige Weg. Allerdings erklärt die bereits oben erwähnte prospektive
Studie von Martin und Mitarb. [6 ], bei der Patientinnen mit Mammakarzinom vor und zweimal nach ihrer Bestrahlung lavagiert
wurden, die Beidseitigkeit der Befunde. Bei 22 von 26 Patientinnen konnte eine Alveolitis
gefunden werden, allerdings entwickelten nur 8 (31 %) radiologische Infiltrate 15
- 90 Tage nach Beendigung der Strahlentherapie.
Die BAL-Befunde sprechen für ein so genanntes priming der Lymphozyten durch die Radiatio.
Dass nur ein kleiner Teil der bestrahlten Patientinnen - trotz gleichen Strahlendosen
- eine BOOP entwickelt, lässt auf einen individuellen Transkriptions- oder Zytokin-Polymorphismus
[8 ] schließen, der eine derartig gesteigerte Susceptibilität hervorrufen kann [7 ].
Bei unserer Patientin ging der Strahlentherapie eine Chemotherapie mit Cyclophosphamid,
Methotrexat und 5- Fluorouracil voraus. Grundsätzlich ist auch eine Chemotherapie
bei Patientinnen mit Mammakarzinom in der Lage eine BOOP-Reaktion hervorzurufen. Bei
einer Nachuntersuchung von 157 nachbestrahlten Patientinnen in Japan fand sich jedoch
kein Unterschied in der Häufigkeit der BOOP-Entwicklung nach Tamoxifen und/oder Chemotherapie
[9 ]. Diese spezielle Strahlenkomplikation ist sicherlich zu selten - in dieser Arbeit
mit 2,5 % beziffert - um Hinweise auf die anzunehmende zusätzliche Sensibilisierung
durch die Chemotherapie zu geben.
Das Auftreten von Lungeninfiltraten - gerade auch ihr Vorhandensein in der unbestrahlten
Lunge - führt oft zu diagnostischen Fehlschlüssen mit der Folge längerer erfolgloser
antibiotischer Behandlungen.
Die klinische Symptomatologie der Patientinnen ist uneinheitlich. Falls Fieber auftritt
wird in aller Regel an eine infektiöse Ursache gedacht. Meist besteht eine erhebliche
allgemeine Mattigkeit und Kraftlosigkeit [10 ].
In der Literatur wird die diagnostische Latenz zwischen ersten klaren Symptomen und
der finalen Diagnose im Mittel auf 13 - 14 Wochen beziffert [10 ]
. Der längste uns bekannte Beobachtungszeitraum ging über nahezu 10 Jahre. Eine unserer
weiteren Patientinnen wurde 1983 operiert und nachbestrahlt. 1984 erfolgte eine Kortisontherapie
bei Strahlenpneumonitis. Im Anschluss daran kam es zu Phasen mit Verschlechterung
des Allgemeinzustands ohne Fieber mit dann röntgenologisch mehrfach nachgewiesenen
Infiltraten. Wiederholt wurden wegen des fehlenden Ansprechens auf die Antibiotikagabe
Pilzpneumonien diskutiert. Die Diagnose wurde erst im Februar 2003 mittels transbronchialer
Lungenbiopsie gesichert.
Neben den Patientinnen mit Mammakarzinom sahen wir in den letzten Monaten BOOP-Komplikationen
nach adjuvanter Radiatio bei Schilddrüsen- sowie bei Bronchialkarzinomen. Sowohl der
klinische Verlauf als auch das computertomographische Bild war z. T. so typisch, dass
auf die diagnostische Sicherung mittels Lungenbiopsie verzichtet werden konnte.
Die Therapie umfasst Kortison in einer Dosierung zwischen 20 - 50 mg/d. Die Dosisreduktion
kann nach 14 Tagen erfolgen, wenn klinisch und radiologisch eine Besserung zu erzielen
war. Die weitere Dosierung sollte dem klinischen Befund und den Röntgenbefunden angepasst
werden. Eine Mindestbehandlungszeit von 6 Monaten in Anlehnung an die Behandlungsstrategien
anderer BOOP-Fälle darf möglichst nicht unterschritten werden. Rezidive sind beschrieben
und in erster Linie, wie der oben geschilderte Fall zeigt, zu kurzen Therapiezeiten
zuzuschreiben. Wir behandelten unsere Patientinnen über mindestens 9 - 12 Monate.
Dabei kam es meist bereits nach wenigen Tagen zu einer deutlichen klinischen Besserung.
Rezidive wurden in der bisherigen Beobachtungszeit von 24 Monaten nicht beobachtet.