TumorDiagnostik & Therapie 2004; 25(4): 174-176
DOI: 10.1055/s-2004-813471
Symposium Report

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) - medikamentöse Behandlung mit Imatinib und Therapieüberwachung

Gastrointestinal Stromal Tumors (GIST) - Systemic Treatment with Imatinib and Treatment MonitoringJ. Schütte, S. Bauer
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 August 2004 (online)

Zusammenfassung

Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) stellen eine Subentität gastrointestinaler Weichteiltumoren/-sarkome dar, die in der Vergangenheit überwiegend als Leiomyosarkome (Leiomyome oder Leiomyoblastome) des Gastrointestinaltrakts bezeichnet und klinisch durch eine hohe Refraktärität gegenüber konventionellen Zytostatika gekennzeichnet waren [1] [2] [3]. Als Meilenstein in der Weiterentwicklung der Behandlung dieser Tumoren gilt die Beobachtung von Hirota et al. [4] aus dem Jahr 1998, dass sich bei der überwiegenden Mehrzahl der GIST eine Expression und eine Mutation der Rezeptortyrosinkinase c-KIT (CD117) nachweisen lassen. Nachdem der Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib (STI571), der gegen die Tyrosinkinasen c-KIT, PDGFR, ABL (ABL-BCR) und FLK2 gerichtet ist, erstmals Ende der 90er-Jahre erfolgreich zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML) eingesetzt war, wurde die Behandlung mit Imatinib bereits 2000/2001 als Therapie der Wahl von GIST etabliert. In frühen Phase-I/II-Studien wurde rasch erkannt, dass Imatinib (Glivec®) in einem bis dahin unbekannt hohen Prozentsatz zu einer Tumorrückbildung oder zu einer Größenstabilisierung von GIST führen kann. Die Wirksamkeit von Imatinib bei GIST gilt seither als Paradigma für die Aktivität selektiver Tyrosinkinaseinhibitoren bei soliden Tumoren [5] [6].

In Phase-II und -III-Studien, in die mehr als 1 700 Patienten eingeschlossen wurden, zeigte sich, dass mit einer Therapie mit Imatinib (Standarddosis 400 mg/Tag) partielle Remissionsraten (n. RECIST) von etwa 45 - 55 % und eine Tumorgrößenstabilisierung bei ca. 30 - 35 % der Patienten erreichbar sind. Eine primäre Tumorprogression findet sich bei nur 10 - 15 % der Patienten. Die Ansprechwahrscheinlichkeit korreliert dabei maßgeblich mit der Lokalisation der c-kit-Mutation. Mutationen in Exon 11 des c-kit-Gens, die bei ca. 2/3 der GIST-Patienten auftreten, sind mit einer Ansprechwahrscheinlichkeit von ca. 80 - 85 % und Mutationen in Exon 9, die bei knapp 20 % der Patienten beobachtet werden, mit einer Remissionswahrscheinlichkeit von ca. 50 % assoziiert. Bei dem eher seltenen c-kit-Wildtyp ergibt sich nach bisherigen Daten eine Wahrscheinlichkeit von ca. 30 - 35 %, eine Tumorstabilisierung („no change”) zu erreichen. Patienten, deren Tumoren immunhistochemisch keine Expression von c-KIT aufweisen, zeigen zu etwa einem Drittel (ca. 5 %) eine Mutation des PDGF-Rezeptors. Diese Tumoren scheinen nach bisherigen Daten ebenfalls eine Remissionswahrscheinlichkeit > 50 % aufzuweisen. Entsprechend der Korrelation von Mutationsstatus und Remissionschance ist auch die Zeitdauer der Tumorremission bzw. die Zeitdauer bis zur Tumorprogression (TTP) mit dem Mutationsstatus assoziiert. So beträgt die TTP bei Patienten mit Exon-11-Mutation ca. 690 Tage (˜ 2 Jahre), bei Patienten mit Exon-9-Mutation ca. 180 Tage (˜ 6 Monate) und bei Patienten mit Wildtyp-KIT ca. 90 Tage (˜ 3 Monate). Die bisherigen Ergebnisse der Phase II/III-Studien zeigen, dass die 2-Jahres-Überlebensrate (2-JÜR) der mit Imatinib behandelten Patienten mit irresektablem/metastasiertem GIST bei ca. 80 % liegt. Demgegenüber betrug die 2-JÜR bei Patienten, die mit konventioneller Chemotherapie behandelt wurden, nur ca. 20 - 25 %, wodurch die klinische Aktivität von Imatinib - im bisher retrospektiven Vergleich - eindrucksvoll belegt ist [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14].

Inzwischen wurden einige Mechanismen identifiziert, die an der sekundären Resistenz von Imatinib beteiligt sind. Hierzu zählen funktionelle Resistenzen ohne Neumutationen von c-kit, Neumutationen oder Amplifikationen von c-kit oder die Aktivierung anderer Kinasen. Während bei Imatinib-resistenten Patienten derzeit vorrangig alternative Kinaseinhibitoren - allein oder in Kombination mit Imatinib - geprüft werden, kann eine Dosiserhöhung von Imatinib von 400 mg/Tag auf 800 mg/Tag bei etwa 30 - 35 % der „resistenten” Patienten zu einer Größenreduktion oder Tumorgrößenstabilisierung für einen Zeitraum von durchschnittlich 4 Monaten führen [11] [13] [15] [16] [17].

Neuere Studienergebnisse zeigen darüber hinaus, dass die Behandlung mit Imatinib kontinuierlich erfolgen sollte. In dem Bemühen, eine durch Dauertherapie mit Imatinib möglicherweise induzierte Resistenz durch eine passagere Therapiepause zu vermeiden, fand sich bei Patienten mit Tumoransprechen auf Imatinib, bei denen die Imatinib-Therapie ausgesetzt wurde, nach einer Zeitdauer von nur 3 Monaten eine Progressionsrate von ca. 20 %. Diese und die in weiteren Studien gemachte Beobachtung, dass pathologisch komplette Remissionen (pCR) nur selten nachzuweisen sind, legen nahe, eine einmal begonnene Imatinib-Therapie (einschließlich einer Dosiseskalation auf 800 mg/Tag) bis zur nachgewiesenen Tumorprogression kontinuierlich fortzusetzen. Eine Besonderheit der Resistenzen gegenüber Imatinib ist, dass diese häufig nur klonal auftreten; d. h. dass nur Einzelherde eine Resistenz bzw. eine Größenzunahme aufweisen können, während andere Metastasen eine weitere Größenregredienz oder -stabilität aufweisen. Unter Beibehaltung der Imatinib-Therapie sollten diese Einzelherde - falls möglich - lokal angegangen werden, beispielsweise durch Operation oder alternative lokaltherapeutische Verfahren (RFA etc.) [18].

Nebenwirkungen der Imatinib-Therapie treten häufig auf, sind jedoch meist moderat (Grad 1 oder 2 nach WHO oder NCI-CTC). Am häufigsten werden Ödeme, Muskel-/Gelenkbeschwerden oder Diarrhön berichtet. Grad 3-4-Toxizitäten werden nur bei bis zu 5 % der Patienten beobachtet. Selten treten Blutungen auf, die in Einzelfällen jedoch auch einen letalen Ausgang nehmen können. Hämatologische Nebenwirkungen finden sich - verglichen mit CML-Patienten - eher selten [6] [10] [12] [13] [17].

Weitgehend ungeklärt ist bisher, ob sich durch Imatinib eine sekundäre Resektabilität erzielen lässt und wann der optimale Zeitpunkt für eine sekundäre Operation ist. Bisher gibt es zu diesen Fragestellungen jedoch nur sehr wenige, retrospektive Daten. Diese legen nahe, eine Resektion so früh wie möglich, d. h. vor einer potenziellen sekundären Tumorprogression, vorzunehmen. Gleichfalls deuten die bisherigen Beobachtungen darauf hin, dass sich eine sekundäre Resektabilität bei bis zu 20 % der Patienten mit primär irresektablem/metastasiertem GIST erzielen lässt. Dabei sollte die Operation in spezialisierten und in der Leberchirurgie erfahrenen Zentren erfolgen [19] [20].

Unklar ist bislang auch, ob eine adjuvante Therapie mit Imatinib die Prognose derjenigen Patienten verbessern kann, die ein hohes Rückfallrisiko nach Operation des Primärtumors aufweisen. Hierzu wird derzeit in Deutschland - in Kooperation mit der Scandinavian Sarcoma Group (SSG) - eine adjuvante Therapiestudie bei (Hochrisiko-)Patienten durchgeführt, die eine > 50 %ige (bis ca. 90 %ige) statistische Wahrscheinlichkeit aufweisen, innerhalb von 30 Monaten (Median) an den Folgen ihrer Tumorerkrankung zu versterben. Für Patienten mit intermediärem Risiko (entsprechend der NCI-Konsensusdefinition 2002) wird in Kürze eine EORTC-Studie verfügbar sein, in der Imatinib mit einer zunächst therapiefreien Nachsorge verglichen wird [21] [22].

Die Therapieüberwachung bei den mit Imatinib behandelten GIST-Patienten stellt neue Anforderungen an die behandelnden Ärzte und Radiologen. Ein mit der PET-Untersuchung erkennbares biochemisches Ansprechen lässt sich oft bereits nach wenigen Tagen einer Imatinib-Therapie verzeichnen, während objektive Remissionen entsprechend den RECIST (oder WHO-)Kriterien oft erst nach mehreren Monaten erkennbar werden. Inzwischen liegen erste Ergebnisse vergleichender Untersuchungen vor, die zeigen, dass die Sensitivität von CT und PET für die Diagnostik vergleichbar ist. Das biochemische Therapieansprechen, das eng mit dem progressionsfreien Überleben verknüpft ist, korreliert mit in der CT erkennbaren Größenreduktion > 10 % und/oder einer Dichteabnahme (HU) von > 15 - 25 %. Bei fehlender PET-Verfügbarkeit sind die beiden letztgenannten Kriterien daher gute Indikatoren für ein Ansprechen der Imatinib-Therapie [23].

Die Forschungsbemühungen der kommenden Jahre werden sich darauf konzentrieren, nachgeordnete Signaltransduktionswege, die auch an Resistenzmechanismen beteiligt sind, als mögliche medikamentöse Angriffspunkte für primäre Kombinationstherapien mit Imatinib oder für Sekundärtherapien nach Imatinib-Versagen zu identifizieren. Die strukturelle Charakterisierung der Bindungsdomäne für ATP bzw. Imatinib kann möglicherweise dazu beitragen, Moleküle mit noch weiter verbesserter Affinität zu entwickeln. Von hoher klinischer Relevanz sind zunächst die Studien zur adjuvanten Therapie mit Imatinib.

Literatur

  • 1 DeMatteo R P, Heinrich M C, El R ifai WM. et al . Clinical management of gastrointestinal stromal tumors: before and after STI-571.  Hum Pathol. 2002;  33 466-477
  • 2 DeMatteo R P, Lewis J J, Leung D. et al . Two hundred gastrointestinal stromal tumors: recurrence patterns and prognostic factors for survival.  Ann Surg. 2000;  231 51-58
  • 3 Ng E H, Pollock R E, Munsell M F. et al . Prognostic factors influencing survival in gastrointestinal leiomyosarcomas. Implications for surgical management and staging.  Ann Surg. 1992;  215 68-77
  • 4 Hirota S, Isozaki K, Moriyama Y. et al . (1998) Gain-of-function mutations of c-kit in human gastrointestinal stromal tumors.  Science. 1998;  279 577-580
  • 5 Joensuu H, Roberts P J, Sarlomo-Rikala M. et al . Effect of the tyrosine kinase inhibitor STI571 in a patient with a metastatic gastrointestinal stromal tumor.  N Engl J Med. 2001;  344 1052-1056
  • 6 Demetri G D, Von Mehren M, Blanke C D. et al . Efficacy and safety of imatinib mesylate in advanced gastrointestinal stromal tumors.  N Engl J Med. 2002;  347 472-480
  • 7 Rankin C, Von Mehren B, Blanke C. et al . Dose effect of imatinib (IM) in patients (pts) with metastatic GIST - Phase III Sarcoma Group Study S0033.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2004;  23: abstr. 9005
  • 8 Heinrich M C, Corless C L, Demetri G D. et al . Kinase mutations and imatinib response in patients with metastatic gastrointestinal stromal tumor.  J Clin Oncol. 2003;  21 4342-4349
  • 9 Blanke C D, Joensuu H, Demetri G. et al . Long-term follow up of advanced gastrointestinal stromal tumor (GIST) patients treated with imatinib mesylate.  Proc Am Soc Clin Oncol, GI Cancer Symposium. 2004; 
  • 10 Verweij J, van Oosterom A, Blay J Y. et al . Imatinib mesylate (STI-571 Glivec, Gleevec) is an active agent for gastrointestinal stromal tumours, but does not yield responses in other soft-tissue sarcomas that are unselected for a molecular target. Results from an EORTC Soft Tissue and Bone Sarcoma Group phase II study.  Eur J Cancer. 2003;  39 2006-2011
  • 11 Rankin C, Von Mehren B, Blanke C. et al . Dose effect of imatinib (IM) in patients (pts) with metastatic GIST - Phase III Sarcoma Group Study S0033.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2004;  23: abstr. 9005
  • 12 Benjamin R S, Rankin C, Fletcher C. et al . Phase III dose-randomized study of imatinib mesylate (STI571) for GIST: Intergroup S0033 early results.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2003;  22: abstr. 3271
  • 13 Verweij J, Casali P G, Zalcberg J. et al . Early efficacy comparison of two doses of imatinib for the treatment of advanced gastro-intestinal stromal tumors (GIST): Interim results of a randomized phase III trial from the EORTC-STBSG, ISG and AGITG.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2003;  22: abstr. 3272
  • 14 Bauer S, Corless C L, Heinrich M C. et al . Response to imatinib mesylate of a gastrointestinal stromal tumor with very low expression of KIT.  Cancer Chemother Pharmacol. 2003;  51 261-265
  • 15 Fletcher J A, Corless C L, Dimitrijevic S. et al . Mechanisms of resistance to imatinib mesylate (IM) in advanced gastrointestinal stromal tumor (GIST).  Proc Am Soc Clin Oncol. 2003;  22: abstr. 3275
  • 16 Desai J, Shankar S, Skubitz K M. et al . Clonal evolution of resistance to imatinib (IM) in patients (pts) with gastrointestinal stromal tumor (GIST): Molecular and radiologic evaluation of new lesions.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2004;  23: abstr. 3010
  • 17 Casali P G, Verweij J, Zalchberg J. et al . Phase III dose-randomized study of imatinib mesylate (STI571) for GIST: Intergroup S0033 early results. Imatinib (Glivec) 400 vs 800 mg daily in patients with gastrointestinal stromal tumors (GIST): a randomized phase III trial from the EORTC Soft Tissue and Bone Sarcoma Group, the Italian Sarcoma Group (ISG), and the Australasian Gastro-Intestinal Trials Group (AGITG). A toxicity report.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2002;  21: abstr. 1650
  • 18 Blay J Y, Berthaud P, Perol D. et al . Continuous vs intermittent imatinib treatment in advanced GIST after one year: A prospective randomized phase III trial of the French Sarcoma Group.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2004;  23: abstr. 9006
  • 19 Bauer S, Hartmann J T, Lang H. et al . Imatinib may enable complete resection in previously unresectable or metastatic GIST.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2004;  23 9023
  • 20 Scaife C L, Hunt K K, Patel S R. et al . Is there a role for surgery in patients with „unresectable” cKIT + gastrointestinal stromal tumors treated with imatinib mesylate?.  Am J Surg. 2003;  186 665-669
  • 21 Buemming P, Meis-Kindblom J M, Kindblom L G. et al . Is there an indication for adjuvant treatment with imatinib mesylate in patients with aggressive gastrointestinal stromal tumors (GISTs)?.  Proc Am Soc Clin Oncol. 2003;  22 abstr 3289
  • 22 Fletcher C D, Berman J J, Corless C. et al . Diagnosis of gastrointestinal stromal tumors: A consensus approach.  Hum Pathol. 2002;  33 459-465
  • 23 Antoch G, Kanja J, Bauer S. et al . Comparison of PET, CT, and dual-modality PET/CT imaging for monitoring of imatinib (STI571) therapy in patients with gastrointestinal stromal tumors.  J Nucl Med. 2004;  45 357-365

Prof. Dr. J. Schütte

Klinik für Onkologie/Hämatologie, Interdisziplinäres Onkologisches Zentrum (IOZ), Marien Hospital Düsseldorf

Rochusstr. 2

40479 Düsseldorf

Phone: 02 11/44 00-25 01

Fax: 02 11/44 00-22 10

Email: jochen.schuette@uni-essen.de

    >