Physiologie und Pathophysiologie der Ernährung bei COPD
Physiologie und Pathophysiologie der Ernährung bei COPD
Annemie Schols, Abteilung Pneumologie der Universität Maastricht
Die COPD ist charakterisiert durch eine Flusslimitierung infolge von Atemwegsobstruktion,
Entzündung, strukturellen Veränderungen des Lungengewebes und mukoziliärer Dysfunktion.
In den letzten Jahren trat die systemische Komponente dieser Erkrankung zunehmend
in den Vordergrund. Zu den sekundären Effekten der COPD zählen die Mitbeteiligung
von Muskulatur, Skelettsystem und Kreislauf.
Welche Gründe sprechen für eine ernährungsmedizinische Intervention bei COPD? In großen
epidemiologischen Studien fand man einen klaren Zusammenhang zwischen dem Ernährungszustand
und dem Überleben von COPD-Patienten. Bei Untergewicht war die mittlere Überlebenszeit
reduziert [1 ]. Umgekehrt fand man nach klinischen Interventionen, mit denen das Gewicht verbessert
wurde, ein verlängertes Überleben. Auch die Hospitalisierungsrate wird durch den Ernährungszustand
beeinflusst. Patienten mit Gewichtsverlust während eines stationären Aufenthaltes
mussten danach signifikant häufiger erneut in die Klinik aufgenommen werden [2 ].
In Maastricht betrachtet man die COPD schon längere Zeit als systemische Erkrankung.
Dementsprechend ist das Management nicht auf die Lunge beschränkt. Ziel der Behandlung
ist die generelle Verbesserung der Gesundheit, nicht nur die Steigerung der Lungenfunktion.
Die körperliche Belastbarkeit eines Patienten wird sowohl durch das Ausmaß der Lungenerkrankung
bestimmt als auch durch die Funktion der Skelettmuskulatur. Letztere kann man auf
verschiedene Weise erfassen. Man kann die Muskelmasse bestimmen, morphometrische Messungen
aus Muskelbiopsien vornehmen oder den Stoffwechsel der Muskulatur analysieren. Zur
Bestimmung der Muskelmasse stehen verschiedene nicht-invasive Verfahren zur Verfügung:
die Ganzkörpermessung mit DEXA, die bioelektrische Impedanz-Analyse und das regionale
MRT.
Im MRT war die Muskelfläche am Oberschenkel bei Gesunden größer als bei COPD-Patienten
[3 ]. Patienten mit mittelgradiger bis schwerer COPD (jedoch nicht solche mit leichter
COPD) hatten eine um 25 % reduzierte Muskelmasse, wenn man die bioelektrische Impedanz-Analyse
verwendete [4 ]. Außerdem korrelierte die nicht-invasive Bestimmung der fettfreien Körpermasse gut
mit dem Muskelfaserquerschnitt aus Muskelbiopsien [5 ].
Muskelbiopsien erlauben nicht nur Aussagen über die Muskelmasse, sondern man kann
die einzelnen Typen von Muskelfasern voneinander unterscheiden. Die Typ-I-Fasern werden
bei aeroben Belastungen genutzt, Typ IIx-Fasern eher bei anaerober Belastung (Abb.
[1 ]). Die Muskelatrophie bei COPD betrifft überwiegend die IIx-Fasern [5 ]. Außerdem ist die oxidative Kapazität der Muskulatur reduziert [6 ]. Bereits in Ruhe findet man erhöhte Konzentrationen von Inosin-Monophosphat, IMP,
im Muskel. Unter Belastung werden die Energiespeicher schnell geleert. Zudem ist die
Erholung der Muskulatur der Patienten mit stark eingeschränkter Lungenfunktion verzögert.
Abb. 1 Typen von Muskelfasern (mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. Schols).
Die Situation bei COPD ist demnach charakterisiert durch einen Gewichtsverlust, eine
reduzierte Muskelmasse und durch intrinsische Veränderungen der Muskulatur. Therapeutische
Strategien müssen sich daher auf genau definierte Patientengruppen beziehen.
In Maastricht wurde ein komplexes Behandlungsprogramm für COPD entwickelt. In einem
Flussdiagramm können je nach Situation des Patienten die einzelnen Schritte abgelesen
werden (Abb. [2 ]). Die beiden wesentlichen Elemente sind Supplemente in Form von Trinknahrung sowie
Maßnahmen, die den Patienten körperlich aktiv halten.
Abb. 2 Diagnostik und Therapie bei COPD: Vorgehen der Arbeitsgruppe in Maastricht unter Berücksichtigung
von Ernährung und körperlichem Belastungstraining (mit freundlicher Genehmigung von
Frau Dr. Schols).
Gewichtsverlust ist bedingt durch ein Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und
Energieverbrauch. Personen mit COPD haben einen erhöhten Ruheenergieumsatz, der vor
allem durch die chronischen Entzündungsprozesse bedingt ist. Unabhängig davon stellte
man auch Veränderungen der belastungsinduzierten Thermogenese fest. COPD-Patienten
benötigen für dasselbe Ausmaß körperlicher Belastung mehr Energie als Gesunde. Hinsichtlich
der Lungemechanik besteht eine Hyperinflation, die sich besonders bei körperlicher
Belastung bemerkbar macht und in einem erhöhten Energieverbrauch für die Atemarbeit
resultiert. Doch nicht nur die Atemmuskulatur, sondern auch die übrige Skelettmuskulatur
ist bei COPD beeinträchtigt. So fand man eine reduzierte oxidative Kapazität der Beinmuskulatur,
die mit einer verminderten mechanischen Effizienz der Muskeln einherging [7 ].
Neue Ergebnisse zur Regulation des Energie-Stoffwechsels zeigen, dass eine wesentliche
Rolle das Uncoupling-Protein 3 spielt. Es beeinflusst die oxidative Phosphorylierung
und damit den Stoffwechsel der Fettsäuren. Fettsäuren sind ein wichtiger Energiespeicher
und können dementsprechend nur unzureichend genutzt werden, wenn - wie bei COPD -
das Uncoupling-Protein 3 reduziert ist [8 ].
Auf die veränderten metabolischen Bedingungen reagieren Skelettmuskulatur und Zwerchfell
unterschiedlich. Bei der Extremitätenmuskulatur kommt es zu einer Verschiebung von
Typ-I- zu Typ-IIx-Fasern mit dem Resultat einer reduzierten Ausdauer der Muskulatur.
Beim Zwerchfell nehmen IIx-Fasern ab und Typ-I-Fasern entsprechend zu, was die Kraft
des Zwerchfelles vermindert. Gehen durch Gewichtsverlust weitere IIx-Fasern verloren,
wirkt sich dies zusätzlich negativ auf die Muskelkraft aus.
Abb. 3 Erniedrigte Lungenfunktion und Mortalität in drei großen Studien: West Scotland [25 ], Buffalo Health [26 ] und Malmö [27 ]. Personen mit erniedrigter Lungenfunktion hatten ein erhöhtes Relatives Risiko (mit
freundlicher Genehmigung von PD Dr. Welte).
Welche Ergebnisse kann man mit Ernährungstherapie erzielen? Ältere Studien mit Interventionen
über nur zwei Wochen ergaben zwar Verbesserungen beim Körpergewicht und bei der Funktion
der Atemmuskulatur, jedoch nicht bei der Funktion der Extremitätenmuskulatur. Dies
konnte erst durch eine längere ernährungsmedizinische Betreuung erreicht werden. In
Maastricht führte man eine Studie über drei Monate durch und fand eine Zunahme der
fettfreien Körpermasse, der Funktion der Atem- und der Extremitätenmuskulatur, der
Belastbarkeit und der Lebensqualität. Diese günstigen Ergebnisse wurden mit Trinknahrung
erreicht, die die Patienten zwei- bis dreimal täglich in kleinen Portionen zu sich
nahmen. Es gab aber auch Patienten, die von dieser Maßnahme nicht profitierten. Hier
stellte sich heraus, dass sie die Supplemente anstelle von Mahlzeiten zu sich nahmen,
so dass die Energiezufuhr ungenügend war.
Wichtig ist, die ernährungsmedizinische Intervention mit einem Programm für körperliches
Training zu verbinden. Nur so kann erreicht werden, dass nicht nur die Muskelkraft,
sondern auch die Ausdauer verbessert wird. Die einfache Botschaft heißt also: mehr
essen und mehr Bewegung! Dies zeigte sich auch in einer Studie mit Patienten, die
zur Rehabilitation gekommen waren. Eine Verbesserung der fettfreien Körpermasse wurde
nur dann erreicht, wenn die Patienten zusätzlich zur Rehabilitation Trinknahrung erhielten
[9 ]. Schols warnte jedoch auch davor, unterernährte Patienten körperlich zu ausgiebig
zu trainieren, weil man damit eine katabole Reaktion induzieren kann.
Zu den Personen, die schlecht auf eine Ernährungstherapie ansprechen, gehören vor
allem Patienten mit Hinweisen auf eine systemische Entzündung. Dies zeigte eine Studie,
in der TNF-α-Konzentrationen untersucht wurden [10 ]. Wahrscheinlich wird der Appetit durch Entzündungsprozesse gedrosselt. Außerdem
erhöhen Entzündungsprozesse den Ruheenergieumsatz. Verzweigtkettige Aminosäuren spielen
wahrscheinlich auch eine Rolle. Wenn bei Entzündungsprozessen verstärkt Akute-Phase-Proteine
gebildet werden, ist die Proteinsynthese der Leber allgemein stimuliert. Die Aminosäuren
dazu kommen teilweise aus der Skelettmuskulatur und stehen dann dort nicht mehr für
die Proteinsynthese zur Verfügung. Tatsächlich fand man bei Emphysempatienten mit
reduzierter Muskelmasse eine reduzierte Proteinsynthese, jedoch keinen vermehrten
Muskelabbau [11 ].
Der Ernährungszustand kann auch mit Pharmaka wie anabolen Steroiden und Wachstumshormon
moduliert werden. In einer neuen Studie aus Maastricht wurden drei Gruppen von Patienten
gebildet: nur Rehabilitation, Rehabilitation plus Ernährung und Rehabilitation plus
Ernährung plus anaboles Steroid (Nandrolon). Die dritte Gruppe hatte die besten Ergebnisse
für Gewichtszunahme und Zunahme der fettfreien Körpermasse. Patienten, die auf anabole
Steroide ansprachen, hatten außerdem eine bessere Überlebenszeit als Non-Responder
[12 ]. In einem anderen Projekt verglich man Rehabilitation mit anabolen Steroiden (Creutzberg,
2003, in press). Die Symptome nahmen zwar ab und man fand auch Verbesserungen der
fettfreien Körpermasse, aber insgesamt hatten die anabolen Steroide keinen durchschlagenden
Effekt. Eine Ausnahme waren männliche Patienten, die gleichzeitige orale Kortikosteroide
erhielten. In dieser Gruppe verbesserten sich maximale körperliche Belastbarkeit und
maximaler Inspirationsdruck (Creutzberg 2003 in press). Womöglich heben anabole Steroide
die negativen Effekte oraler Kortikosteroide auf den Proteinabbau auf. Auch die klinische
Erfahrung zeigt, dass Patienten mit oraler Kortikosteroidtherapie häufig schlecht
auf eine Ernährungstherapie ansprechen. In einer neuen Studie hatten Patienten, die
täglich mehr als 5 mg Prednisolon-Äquivalent einnahmen, eine reduzierte Überlebenszeit,
auch wenn sie mit Patienten mit ähnlich reduzierter Lungenfunktion verglichen wurden
[13 ].
Wenn Muskelfasern atrophieren, ist die Balance zwischen Regeneration und Apoptose
nicht ausgeglichen. Bei COPD-Patienten mit reduzierter Muskelmasse fand man keinen
Hinweis auf eine verstärkte Apoptose [8 ]. Jedoch zeigte sich, dass die Typ-IIx-Fasern ihre metabolische Aktivität praktisch
eingestellt hatten [5 ]
[13 ]. Die Regeneration von Muskulatur wird durch so genannte Satellitenzellen, Myoblasten,
beeinflusst. Verstärkte Entzündung mit erhöhten Konzentrationen von TNF-α blockiert
die Aktivierung dieser Zellen. Daraus resultiert eine beeinträchtigte Differenzierung
in Muskelzellen.
Welche Herausforderungen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen für die Zukunft? Es
wird wichtig sein, die pathophysiologischen Abläufe zwischen Entzündung und Muskelstoffwechsel
genauer zu erforschen. Man versucht, regulatorische Moleküle zu identifizieren, die
man in klinischen Studien aus Muskelbiopsien messen kann. Lohnend wären auch Untersuchungen
zu speziellen Substanzen wie Kreatin, Aminosäuren, Antioxidantien und ω-3-Fettsäuren.
Ziel ernährungstherapeutischer Interventionen ist eine Verbesserung der Gesamtbelastbarkeit
und der allgemeinen gesundheitlichen Situation der Patienten.
Wertigkeit der Ernährung in nationalen und internationalen COPD-Leitlinien: Fakten
und Vergleich
Wertigkeit der Ernährung in nationalen und internationalen COPD-Leitlinien: Fakten
und Vergleich
J. Christian Virchow, Universität Rostock, und Harald Morr, Pneumologische Klinik
Waldhof Elgershausen, Greifenstein
Vorgenommen wurde ein Vergleich der britischen, der internationalen und der deutschen
Leitlinien [14 ]
[15 ]
[16 ]. In den britischen COPD-Leitlinien wird erwähnt, dass bei übergewichtigen Patienten
eine Gewichtsreduktion erfolgen sollte. Auf der anderen Seite wird beschrieben, dass
Malnutrition häufig ist und wesentlich zur Mortalität beiträgt. Hinweise auf kontrollierte
Studien zur Ernährungsthematik fehlen. In den internationalen GOLD-Richtlinien wird
dem Ernährungszustand eine wichtige Bedeutung beigemessen. Sowohl Über- als auch Untergewicht
werden als problematisch angesehen. Dazu liegen Daten der Evidenzgrade D bis B vor.
Bei bis zu 25 % der Patienten mit COPD im Stadium II bis IV findet man einen reduzierten
Bodymass-Index (BMI) und eine verminderte fettfreie Körpermasse. Der Umkehrschluss,
dass eine Erhöhung des BMI die Überlebenszeit verbessert, ist dagegen nicht ausreichend
dokumentiert. GOLD erwähnt auch, dass die Atemmuskel-Kapazität durch einen verbesserten
Ernährungszustand gesteigert werden kann. Zur Therapie der Unterernährung wird empfohlen,
viele kleine Mahlzeiten einzunehmen. Wichtig ist auch die Sanierung der Zähne und
die Berücksichtigung von Ko-Morbidität. Zur Supplementation in Verbindung mit körperlichem
Training wird keine Aussage gemacht. Anabole Steroide ohne Rehabilitation werden demgegenüber
als nicht effektiv angesehen.
In den Leitlinien der deutschen Atemwegsliga finden sich viele Parallelen zu den Aussagen
bei GOLD. Kritik verdient das Thema Kostaufbau, das unzureichend beschrieben wird.
Wann genau welches Supplement gegeben werden soll, und wie die Zusammensetzung der
Zusatznahrung bezogen auf Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett sein soll, wird nicht erklärt.
Insofern seien diese Aussagen für die klinische Praxis nicht besonders hilfreich.
Wie „gewichtig” sind COPD-Patienten - epidemiologische Daten
Wie „gewichtig” sind COPD-Patienten - epidemiologische Daten
Dennis Nowak, Universität München
Nowak beschäftigte sich zunächst mit der Frage, ob Untergewicht ein Risikofaktor für
COPD ist. Dazu berichtete er von der longitudinalen Studie zum Altern aus Baltimore
[17 ]. Bei Personen, die initial keine COPD hatten, fand man über eine 10-jährige Beobachtungszeit
ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko für eine COPD, wenn der Studienteilnehmer zu den
33 % leichtesten Personen gehört hat. Dies galt auch nach Adjustierung von Rauchen
und anderen relevanten Risikofaktoren. Die US-amerikanische NHANES I-Studie verfolgte
mehr als 5000 Erwachsene über 22 Jahre und dokumentierte 1301 Todesfälle. Man fand
eine eindeutige Beziehung zwischen Untergewicht, gemessen an einem BMI unter 18,5
kg/m2 , und der prozentualen Häufigkeit einer COPD. Dies galt über alle Schweregrade [13 ]
[18 ]. Auch die Sterblichkeit an COPD war bei unterernährten Personen größer. Eine bevölkerungsbezogene
Stichprobe wird in der NHANES-III-Studie nachverfolgt [19 ]. Dabei handelt es sich um mehr als 18 000 Personen mit einer Beobachtungszeit von
mehr als 20 Jahren. Hier fand man das geringste Risiko für Asthma oder Wheezing bei
Personen mit einem BMI zwischen 18,5 und 24,9 kg/m2 . Demgegenüber war die Odds Ratio mit 1,5 deutlich höher, wenn der BMI über 30 kg/m2 lag. Über mögliche Ursachen kann man nur spekulieren. Zum erhöhten Risiko bei übergewichtigen
Menschen könnte beitragen, dass eine Adipositas mit wenig Bewegung assoziiert ist.
Dies könnte die Innenraumexposition verstärken. Auch eine Refluxkrankheit kommt bei
Adipositas häufiger vor. Eine weitere longitudinale Studie zu obstruktiven Atemwegserkrankungen
kommt aus Tuscon, Arizona [20 ]. Das Risiko für ein Emphysem lag bei 2,97, wenn die Person einen BMI unter 18,5
kg/m2 hatte. Demgegenüber waren Bronchitiker eher übergewichtig mit einem BMI von 28 kg/m2 und mehr. Aussagen zum Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Langzeitsauerstofftherapie
macht die ANTADIR-Studie aus Frankreich [21 ]. Vor allem in der Altersgruppe 30 bis 39 Jahre war der BMI deutlich reduziert, wenn
Patienten eine Langzeitsauerstofftherapie erhielten. Demgegenüber war das Gewicht
bei über 60-jährigen eher im Normbereich. Eine Erklärung hierfür konnte sein, dass
die stark untergewichtigen jungen Menschen womöglich eine besonders schlechte Prognose
haben und das Seniorenalter gar nicht erreichen. Dieselbe Studie erlaubt auch Aussagen
zur Beziehung zwischen Lungenfunktionswerten und BMI. So war die Vitalkapazität bei
dickeren Patienten weniger stark reduziert. Bei den Blutgasen fand sich kein Einfluss
des Ernährungszustands auf die pO2 -Konzentrationen. Beim pCO2 gab es einen geringen Anstieg mit zunehmendem BMI. Dass der BMI nur ein relativ grober
Parameter ist, zeigte eine Untersuchung, in der man den Muskelquerschnitt am mittleren
Oberschenkel als Prädiktor der Mortalität bei COPD identifizierte [22 ]. In seiner Zusammenfassung schloss Nowak, dass niedriges Körpergewicht ein Risikofaktor
für COPD zu sein scheint. Untergewicht ist bei COPD häufig und stellt einen relevanten
und eigenständigen Risikofaktor für die Mortalität dar. Die Muskelmasse scheint ein
noch genauerer Prädiktor der Mortalität zu sein als der BMI.
Übergewicht und Ateminsuffizienz: Pathophysiologie und klinische Differenzialdiagnose
Übergewicht und Ateminsuffizienz: Pathophysiologie und klinische Differenzialdiagnose
Gerhard W. Sybrecht, Universitätsklinik Homburg
Übergewicht ist in Deutschland ein weitaus häufigeres Problem als Untergewicht. Nach
dem Gesundheitsbericht von 1998 haben nur etwa 2 % der Bevölkerung einen BMI unter
20 kg/m2 , hingegen 20 % einen BMI über 30 kg/m2 , also eine Adipositas [23 ]. Noch häufiger ist ein Übergewicht, also ein BMI über 25 kg/m2 : Jede 2. in Deutschland lebende Person fällt in diese Kategorie. In den letzten Jahren
stieg die Prävalenz der Adipositas deutlich an. Dies ist deshalb ein Problem, weil
Adipositas mit höherer Mortalität assoziiert ist. Schätzungen für das Jahr 2040 sagen
für die Bevölkerung der westlichen Industrienationen einen medianen BMI von 30 kg/m2 voraus, gegenwärtig liegt er bei 25 kg/m2 . Übergewicht und Adipositas haben erhebliche Auswirkungen auf die Atmung. Die Atemarbeit
steigt, und ein verminderter Atemantrieb kann zur Hypoventilation führen. Besonders
zu berücksichtigen ist das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom, OSAS. Betroffene Patienten
sind am Tag häufig hypoxisch, haben eine erniedrigte Einsekundenkapazität und eine
niedrige Vitalkapazität, und im CT findet man engere obere Atemwege. Häufig assoziiert
ist ein ausgeprägter Alkoholkonsum. Die Lungenmechanik ist charakterisiert durch eine
reduzierte Lungendehnbarkeit, und die Impedanz ist aufgrund der erhöhten Trägheit
der Brustwand verändert. Die respiratorische Muskulatur ermüdet früher, ihre Kraft
und Ausdauer ist reduziert. Zusätzlich beobachtet man eine verminderte Chemosensitivität
gegenüber Sauerstoff und CO2 .
Kachexie bei anderen Erkrankungen als COPD: Differenzialdiagnose
Kachexie bei anderen Erkrankungen als COPD: Differenzialdiagnose
Tobias Welte, Universitätsklinik Magdeburg
Die pulmonale Kachexie ist nicht auf die COPD beschränkt. Auch andere chronische Lungenkrankheiten
sind mit Untergewicht assoziiert, beispielsweise die Tuberkulose, die Mukoviszidose
oder das Cor pulmonale. Die Kachexie sollte daher als Systemerkrankung begriffen werden,
so Welte. Besonders wichtig sind die kardialen und die pulmonalen Erkrankungen, weil
sie absolute Volkskrankheiten sind: 25 bis 30 % der Gesamtbevölkerung haben entweder
eine COPD oder eine chronische kardiologische Erkrankung. Beide Erkrankungen beeinflussen
sich auch gegenseitig. Das kardiale Mortalitätsrisiko war bei verminderter Einsekundenkapazität
sowohl bei Männern als auch bei Frauen signifikant erhöht, wie die NYHANES-I-Studie
zeigen konnte [24 ]. Patienten nach aortokoronarer Bypassoperation hatten eine signifikant verkürzte
Überlebenszeit, wenn ihre FEV1 erniedrigt war. Auch in drei großen epidemiologischen Studien mit zusammen mehr als
20 000 Patienten fand sich ein klarer Zusammenhang zwischen erniedrigter Einsekundenkapazität,
erhöhter Gesamtmortalität und erhöhter Mortalität an koronarer Herzkrankheit [25 ]
[26 ]
[27 ] (Abb. [3 ]). Im SPRINT-Register wurden 5839 Patienten mit koronarer Herzkrankheit nachbeobachtet,
von denen 50 % bereits einen Myokardinfarkt hinter sich hatten [28 ]. Diejenigen Patienten, bei denen zusätzlich eine COPD vorlag, hatten eine erhöhte
Sterblichkeit. In der NHANES-III-Studie fand man eine enge Korrelation zwischen der
Schwere der COPD und dem Grad der kardialen Ischämie [29 ]. Außerdem gab es enge Korrelationen zu erhöhten CRP-Serumspiegeln und zu anderen
Entzündungsmarkern. Die höchste Rate an kardiovaskulären Komplikationen hatten Personen
mit erhöhtem CRP und erhöhtem LDL-Cholesterin. Im Zusammenspiel zwischen COPD und
koronarer Herzkrankheit scheint die systemische Entzündung eine entscheidende Rolle
zu spielen. Von inflammatorischen Veränderungen ist auch der Knochenstoffwechsel betroffen.
In umfangreichen Re-Analysen großer kardialer Studien hat man den Einfluss einer Gewichtsabnahme
von mindestens 7,5 % des Körpergewichts auf die Mortalität untersucht. Man fand ein
um 20 % besseres Überleben bei Personen, deren Gewicht stabil geblieben war [30 ]. Studien zur Wirkung von ACE-Hemmern ergaben ein verbessertes Überleben bei Patienten
ohne signifikanten Gewichtsverlust [31 ]. Unter Gabe von Betablockern war der Gewichtsverlust signifikant geringer als in
der Vergleichsgruppe, und möglicherweise ist darauf auch die bessere Prognose der
Patienten zurückzuführen.
Abb. 4 COPD-Mortalität in Abhängigkeit vom Body Mass Index: Ergebnisse der Copenhagen City
Heart Studie [1 ] (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Magnussen).
Die Differenzialdiagnose der Kachexie umfasst also pulmonale ebenso wie kardiale Ursachen.
Zusätzlich findet man Kachexie auch bei anderen chronischen Erkrankungen, beispielsweise
bei Niereninsuffizienz, bei Rheumatoidarthritis und teilweise auch bei Leberinsuffizienz.
Welte berichtete dann über neuere Aspekte zur Differenzialdiagnose Herz- bzw. Lungenerkrankung.
Ein aktueller Befund ist eine reduzierte Diffusionskapazität bei Herzinsuffizienz.
Ein anderer neuerer Aspekt ist der Nachweis einer diastolischen Funktionsstörung des
linken Ventrikels. Diese erkennt man, wenn man Mitral-Strömungsprofile misst. Auch
zu natriuretischen Peptiden gibt es neue Daten. Man unterscheidet zwei Gruppen, das
atriale natriuretische Peptid ANP, das vor allem im Vorhof nachgewiesen wird, sowie
das „Brain” natriuretische Peptid BNP, das im Ventrikel und im Gehirn zu finden ist.
Diese Peptide sind an der Ödembildung beteiligt.
Das BNP hat sich inzwischen als prognostischer Marker für die Überlebensrate von Patienten
mit chronischer Herzinsuffizienz erwiesen [32 ].
In seiner Zusammenfassung betonte Welte, dass eine neue Betrachtungsweise des Phänomens
Kachexie nötig ist. Es ist Ausdruck einer systemischen Erkrankung und repräsentiert
die gemeinsame Endstrecke chronischer Herz- und Lungenerkrankungen, wobei auch Binde-
und Stützgewebe beteiligt sind. Das gemeinsame zugrunde liegende Phänomen ist die
systemische Inflammation. Eine krankheitsspezifische Form von Kachexie gibt es nicht.
Lungenfunktion und Bodymass-Index (BMI)
Lungenfunktion und Bodymass-Index (BMI)
Helgo Magnussen, Krankenhaus Großhansdorf
Die Klassifikation von Unter-, Normal- und Übergewicht erfolgt anhand des BMI. Dieser
gilt dann als normal, wenn er zwischen 18,5 und 24 kg /m2 liegt. Niedrigere Werte werden als Untergewicht bezeichnet. Bei übergewichtigen Personen
unterscheidet man zwei Gruppen: die Adipositas bei Werten oberhalb von 30 kg/m2 und das Übergewicht mit einem BMI zwischen 25 und 29 kg /m2 . Magnussen forderte, dass eine Angabe zum BMI in jede Krankenakte gehört.
Lungenerkrankungen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Mortalität der Bevölkerung.
Dies zeigen auch aktuelle Daten aus der NHANES-I-Studie [18 ]. Dabei wurde deutlich, dass nicht nur obstruktive, sondern auch restriktive Lungenerkrankungen
mit einer signifikant größeren Sterberate assoziiert sind. Bei der chronisch obstruktiven
Lungenerkrankung hat der BMI einen starken Einfluss auf die Mortalität [1 ]
[16 ] (Abb. [4 ]). Bei untergewichtigen Patienten mit schwerer COPD ist das relative Sterberisiko
viermal höher als bei leichter COPD mit Normalgewicht [16 ]
[33 ]. In einer aktuellen Auswertung von Totenscheinen von Personen, die im Alter von
über 35 Jahren verstorben waren, hatten dreimal mehr Patienten mit COPD ein Untergewicht
als nicht-COPD-Patienten. Im Vergleich zum Rauchen hatte Untergewicht einen stärkeren
Einfluss auf das Sterberisiko.
Um Patienten mit COPD zu charakterisieren, eignet sich die Single Breath Diffusionskapazität.
Eine einfache Modellvorstellung geht davon aus, dass in den Alveolarraum eingetretenes
CO2 die Lungenbläschen sofort wieder verlässt und in die Kapillaren übertritt. Beim Lungenemphysem
ist die Diffusionskapazität stark reduziert, und bei körperlicher Belastung kommt
es zum Abfall des Sauerstoffpartialdrucks im Blut. Diese Diffusionsstörung ist im
Alveolarraum selbst lokalisiert. Histologisch findet man ausgeprägte Veränderungen
des Lungenparenchyms. Untersucht man das Wachstum von Lungenfibroblasten, so ist ihre
Wachstumsgeschwindigkeit beim Emphysem reduziert, d. h. die Fibroblasten benötigen
mehr Zeit, um ihre Zahl zu verdoppeln. Die Diffusionskapazität kann den Schweregrad
der systemischen Krankheitsmanifestation anzeigen, so Magnussen, und kann als Marker
für Veränderungen im Lungengerüst angesehen werden. In einem aktuellen Forschungsprojekt
sucht man nach Unterschieden zwischen Fibroblasten aus der Lunge und aus der Haut.
In einer Studie bei chronisch lungenkranken Patienten korrelierte der Transferfaktor
bei COPD signifikant linear mit der FEV1 und dem BMI. Bei interstitiellen Lungenerkrankungen fand man diese Beziehungen nicht.
In Großhansdorf analysierte man bei 70 schwerkranken Patienten mit hyperkapnischer
COPD die Beziehung zwischen Lungenfunktion und Ernährungszustand. Auch in diesem Kollektiv
fanden sich lineare Korrelationen des BMI mit der Vitalkapazität und mit der Einsekundenkapazität.
PCO2 und BMI korrelierten dagegen nicht miteinander. Unterschied man zwei Gruppen mit
unterschiedlichem Ernährungszustand (jeweils 35 Patienten mit einem BMI < 21 kg/m2 versus > 27 kg/m2 ), hatten Übergewichtige eine höhere mittlere Einsekundenkapazität. Todesfälle (n
= 5, 14 %) gab es ausschließlich bei Patienten mit einem BMI < 21 kg/m2 .
Therapie des übergewichtigen Patienten mit COPD
Therapie des übergewichtigen Patienten mit COPD
Detlev Kirsten und R.A. Jörres, B. Lehnigk, B. Schucher, Krankenhaus Großhansdorf
Vom klinischen Eindruck her ist Übergewicht bei der COPD häufiger mit der obstruktiven
Bronchitis assoziiert, während Untergewicht beim Lungenemphysem häufiger vorkommt.
Die Adipositas mit einem BMI > 30 kg/m2 ist bei COPD mit nur 2 bis 4 % eher selten. In einem Kollektiv von 111 männlichen
Patienten mit COPD lagen die häufigsten Werte für den BMI zwischen 22 und 24 kg/m2 . Vergleicht man den Ernährungszustand von Asthmatikern, Bronchitikern und Emphysematikern,
so ist ein BMI > 28 kg/m2 signifikant häufiger mit einer chronischen Bronchitis assoziiert [20 ]. Die Beziehung von Lungenfunktionswerten und Ernährungszustand ergibt eher überraschende
Befunde: Patienten mit BMI-Werten oberhalb von 26 kg/m2 haben im Mittel günstigere Werte bei Einsekundenkapazität, Vitalkapazität und intrathorakalem
Gasvolumen. Daraus ergibt sich die Frage, warum ein höheres Körpergewicht die COPD
günstig beeinflussen könnte. Von den mechanischen Auswirkungen müsste Übergewicht
eine Kompression der Lunge zufolge haben, die zu einer erniedrigten Vitalkapazität
und Einsekundenkapazität führen sollte. Überdies wird der Kollaps der Atemwege erleichtert
und ihre Instabilität gefördert. Auf der anderen Seite könnte Übergewicht zu einer
Reduktion der Lungenüberblähung führen und die Rarefizierung der Alveolen maskieren.
Zur Therapie von Übergewicht bei COPD sind drei Maßnahmen entscheidend: die Änderung
der Ernährungsgewohnheiten, eine entwässernde Therapie und eine regelmäßige körperliche
Belastung. Körperliches Training führt zu einem klaren Motivationsschub bei den Patienten,
wie eine Studie aus Großhansdorf zeigte. Trainierte Patienten konnten ihre Sechs-Minuten-Laufstrecke
deutlich steigern. Kirsten fasste zusammen, dass Übergewicht primär den Bronchitiker
betrifft, der gleichzeitig ein erhöhtes Risiko für eine koronare Herzkrankheit hat.
Die Behandlungschancen sind im Prinzip gut. Jedoch erscheint eine Gewichtsreduktion
nur sinnvoll bei extremem Übergewicht, da leichtes Übergewicht offensichtlich prognostisch
günstig ist.
Therapie des untergewichtigen COPD-Patienten
Therapie des untergewichtigen COPD-Patienten
Nahrungsersatz und Zusatzstoffe
Justus de Zeeuw, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
Bei der Entwicklung einer pulmonalen Kachexie sind verschiedene Vorgänge beteiligt.
Die Energiezufuhr ist unzureichend und der Energiebedarf erhöht. Hinzu kommt bei der
COPD die systemische Entzündung, die Gewebehypoxie und Medikamenteneffekte.
Eine Vielzahl von Nahrungszusätzen und -ergänzungen sind bei COPD untersucht worden.
Hinsichtlich der Akutwirkungen von Nahrungszufuhr hatten Studien aus den 80er-Jahren
ergeben, das nach kohlenhydrat- und energiereichen Mahlzeiten die 6-Minuten-Gehstrecke
geringer wurde. Nach fettreicher Nahrung zeigte sich dieser ungünstige Effekt weniger
ausgeprägt. Daher empfahl man, bei COPD fettreiche Nahrung zu bevorzugen. Ergebnisse
aktueller Arbeiten aus den letzten drei Jahren widersprechen diesem Vorgehen. So entwickelten
COPD-Patienten nach Aufnahme fettreicher Nahrung eine vermehrte Dyspnoe [34 ]. Die Magenpassage dauerte länger, und die Zwerchfellmotilität wurde eingeschränkt.
Außerdem erwiesen sich mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt als günstiger.
Die Zufuhr größerer Energiemengen innerhalb kurzer Zeit war belastend für die Patienten.
Auch der Peak flow stieg nach kohlenhydratreichen Zwischenmahlzeiten stärker an als
nach Mahlzeiten mit einem größeren Fettgehalt bei identischer Energiedichte.
Zum Nutzen einer zusätzlichen Gabe von Vitaminen fehlen wissenschaftliche Beweise.
Bei Gesunden fand man günstige Wirkungen von Vitamin C und auch von Magnesium auf
den Abfall der Einsekundenkapazität [35 ]. In einer Studie zur Vitamin-E-Supplementation war der stärkste Prädiktor für die
Lungenfunktion die Anzahl der „pack years”, während Vitamin E keinen Einfluss hatte
[36 ].
In der Diskussion erwähnte Dr. Schols, dass man darauf achten muss, wie die Energie
verabreicht wird. Optimal sind kleine Portionen kohlenhydratreicher Nahrung, beispielsweise
dreimal am Tag 250 Kilokalorien. Supplemente sollten besser nicht am Morgen zugeführt
werden, weil die Patienten dann weniger essen. Eine Ernährungstherapie sollte immer
mit körperlichem Training verbunden sein.
Medikamente, Hormone
Harald Morr, Pneumologische Klinik Waldhof Elgershausen, Greifenstein
Zur medikamentösen Therapie des Untergewichts bei COPD kommen Appetitstimulanzien,
Zytokin-Antagonisten und Anabolika infrage. In einer aktuellen vergleichenden Studie
mit Megestrolacetat, Dronabiol (einem synthetischen Cannabinoid) und Plazebo war der
Appetit unter Megestrol signifikant besser als unter Plazebo [37 ]. Das Körpergewicht besserte sich nach acht Wochen Megestrolacetat um 3,2 kg, unter
Plazebo jedoch nur um 0,7 kg. Keine Unterschiede zur Vergleichsgruppe gab es bei der
Spirometrie, beim maximalen inspiratorischen Druck und beim 6-Minuten-Gehtest.
Die Rationale für den Einsatz von Zytokin-Antagonisten bei COPD ist die Überlegung,
dass die Freisetzung von Neuropeptid Y und Zytokinen wie TNF-α metabolische und endokrine
Wirkungen hat. Sie beeinflussen den Energieverbrauch und den Glukose-, Eiweiß- und
Fettstoffwechsel und lösen systemische Wirkungen wie Anorexie oder Fieber aus. Beispiele
für Zytokin-Antagonisten sind Thalidomid, Pentoxifyllin, Omega-3-Fettsäuren und Anti-TNF-α-Antikörper.
Zu Thalidomid liegen keine Studien bei COPD vor. Das Medikament hat eine gewisse Renaissance
erlebt zur Steigerung des Körpergewichts bei HIV-positiven Patienten. Omega-3-Fettsäuren
könnten für die COPD interessant werden, jedoch fehlen auch hier wissenschaftliche
Daten. Mit Infliximab, einem Anti-TNF-α-Antikörper, werden zurzeit zwei Studien bei
COPD-Patienten durchgeführt.
Zur Wirkung von Anabolika bei COPD zeigte sich in einer Studie mit Wachstumshormon
nach drei Wochen ein Anstieg der fettfreien Körpermasse um 2,3 kg, jedoch hatte der
Effekt nach 2 Monaten wieder abgenommen [38 ]. Anabole Steroide wie Nandrolon stimulieren den Aufbau von Skelettmuskulatur und
die Synthese von Erythropoetin. Außerdem interagieren sie mit dem Glukokortikoid-Rezeptor
und haben dort einen neutralisierenden Effekt. Als unerwünschte Wirkungen der Behandlung
sind Ödeme, Thrombosen, Blutdruckanstieg und eine Virilisierung bekannt. In einer
Studie von Frau Schols zeigte sich nach achtwöchiger Behandlung mit Nandrolon, körperlichem
Training und einer Ernährungstherapie eine günstigere Entwicklung der prozentualen
fettfreien Körpermasse als unter Plazebo [39 ]. Andere Autoren berichteten von einem Anstieg des BMI, der fettarmen Körpermasse
und des mittleren Oberarm-Muskelumfangs [40 ]. Verbesserungen der Funktion ließen sich in einer Studie, die in 25 Arztpraxen durchgeführt
wurde, nicht zeigen, jedoch ein Gewichtsanstieg [41 ]. Ohne Ernährungstherapie und körperliches Training ist keine Wirkung von anabolen
Steroiden zu erwarten, so das Fazit von Morr.
In der Diskussion wurde auf die erhöhte kardiale Mortalität von Sportlern in der ehemaligen
DDR verwiesen, die anabole Steroide eingenommen haben. Ob dieses Risiko bei COPD ebenfalls
besteht, ist bisher nicht bekannt. Frau Schols erwähnte, dass geringere Dosen anaboler
Steroide günstiger sind als höhere. Eine Behandlungsdauer über mehr als acht Wochen
ist nicht erforderlich.
Stationäre Rehabilitation
Wolfgang Petro, Klinik Bad Reichenhall
Die Rehabilitation ist ein strukturübergreifender Dauerprozess, der sowohl ambulante
als auch stationäre Maßnahmen umfasst. In der Rehabilitation wird eine Vielzahl verschiedener
Leistungen erbracht wie Diätberatung, Supplementation mit Trinknahrung, Verhaltenstherapie
sowie Schulung und Training des Patienten. Bei der Anpassung der medikamentösen Therapie
ist es wichtig, potenzielle Nebenwirkungen von Medikamenten zu berücksichtigen wie
beispielsweise Muskelatrophie und Osteoporose nach systemischen Steroiden. Zur Bekämpfung
der Ursachen des Untergewichts gibt es mehrere sinnvolle Ansatzpunkte, vor allem hinsichtlich
der Fehl- und/oder Mangelernährung. Das Ernährungsprogramm in Bad Reichenhall umfasst
daher eine Kost, die reich ist an Vitamin C, D und E, viel Eiweiß und Fisch enthält
und genügende Mengen an Kalzium und Kalium vorsieht. Die Ernährungsberaterin geht
auf Probleme und Symptome des individuellen Patienten ein. Bei Appetitlosigkeit, schneller
Sättigung oder Dyspnoe werden konkrete Empfehlungen gegeben, wie das Essen so gestaltet
werden kann, dass möglichst wenig Beschwerden auftreten. Ein großer Vorteil der Rehabilitation
sei, dass man genügend Zeit für die Beratung des Patienten habe. Der multimodale Ansatz
bringe deutlich mehr Erfolg. Dazu gehört auch ein Schulungsmodul, das speziell für
die Ernährung bei COPD entwickelt wurde. Petro wies noch einmal auf Ergebnisse der
Arbeitsgruppe aus Maastricht hin, die mit Rehabilitation und Zusatznahrung eine bessere
Überlebensrate bei COPD-Patienten erreicht haben. Anabole Steroide werden in Bad Reichenhall
verordnet, wenn sie beim individuellen Patienten indiziert sind. Obwohl eine Metaanalyse
klare Hinweise auf die Wirksamkeit einer pulmonalen Rehabilitation mit Krankengymnastik,
Belastungstraining, Ergotherapie und Schulung ergeben hat, sei die Datenrate jedoch
noch immer nicht ausreichend. Insbesondere sei nicht bekannt, wie lange eine pulmonale
Rehabilitation durchgeführt werden muss, um nachhaltig erfolgreich zu sein.
Ambulante Rehabilitation
Rüdiger Sauer, Ulm
Bei der Entscheidung über eine Rehabilitation empfiehlt der Medizinische Dienst der
Krankenkassen häufig eine ambulante Rehabilitation. Jedoch wurden ambulante Programme
bisher nur in zwei Städten etabliert, in Hamburg und in Ulm. Der Referent berichtete
über das Ulmer Modell für ein optimiertes ambulantes Case-Management, OAC. Das ambulante
Rehabilitationsteam pflegt engen Kontakt zu stationären Reha-Einrichtungen und setzt
den dort erarbeiteten Maßnahmenplan um. Es besteht auch ein gegenseitiger Austausch
von Mitarbeitern, die gemeinsame Trägerschaft von Leistungen und Räumlichkeiten sowie
das gemeinsame Auftreten gegenüber Kostenträgern.
Der Verlauf der COPD ist charakterisiert durch eine Abwärtsspirale. Sie beginnt mit
einer reduzierten körperlichen Belastbarkeit und einer erhöhten Atemnot bei Belastung.
Spätestens dann ist eine Rehabilitation indiziert. Mit jedem Patienten wird ein individuelles
Ziel für die Behandlung vereinbart. Dabei bezieht man auch die Familienangehörigen
mit ein. Es wird ein Behandlungsplan erstellt, dessen Ergebnis im Verlauf mit regelmäßigen
Messungen von körperlicher Belastbarkeit, Lungenfunktion, Blutgasen und Lebensqualität
überprüft wird. Die Inhalte des OAC umfassen Krankheitsschulung, Atemtherapie, medizinisches
körperliches Training, Ernährungstherapie, soziale Beratung und natürlich die Tabakentwöhnung.
Ergänzende Maßnahmen sind Walking, gemeinsame Ausflüge, Beweglichkeitstraining und
individuelle Physiotherapie mit autogener Drainage, Klopf- und Lagerungsdrainage und
Muskelaufbautraining.
In der Diskussion wurde auch kurz vom Hamburger Modell berichtet. Es umfasst im Wesentlichen
die gleichen Maßnahmen wie bei einer stationären Rehabilitation. Die Patienten kommen
über insgesamt drei Wochen dreimal pro Woche zur Rehabilitation. Nach Abschluss dieses
Kurses führen mehr als 60 % der Patienten freiwillig das Programm ein- bis zweimal
pro Woche weiter.
Multizentrische Studie zur Erfassung des Faktors Ernährung bei COPD-Patienten
Multizentrische Studie zur Erfassung des Faktors Ernährung bei COPD-Patienten
Harald Morr, Pneumologische Klinik Waldhof Elgershausen, Greifenstein
Der Ernährungsstatus bei COPD-Patienten in Deutschland ist bislang epidemiologisch
nicht definiert. Angesichts der großen gesundheitspolitischen Bedeutung der COPD ist
deshalb eine multizentrische Studie geplant, die den Ist-Zustand auf möglichst einfache
und pragmatische Weise erfasst. Kliniken und pneumologische Praxen sollen über einen
Zeitraum von 12 Monaten Patienten mit COPD, Lungenemphysem und chronisch obstruktiver
Bronchitis rekrutieren. Dokumentiert werden sollen Appetit, Gewichtsverlauf der letzten
3 bis 12 Monate, Stoffwechselerkrankungen, gastroenterologische Erkrankungen, die
aktuelle medikamentöse Therapie und natürlich der Umfang des Inhalationsrauchens.
Gemessen werden sollen Gewicht und Körpergröße (errechnet wird daraus der BMI), die
Fettmasse mittels Hautfaltendicke an repräsentativen Körperstellen und die fettfreie
Körpermasse mittels bioelektrischer Impedanz. Lungenfunktionsdaten und die Bestimmung
der Muskelkraft mittels Handgriffstärke ergänzen die Befundbeschreibung des Patienten.
Das Studiendesign ist in der Entwicklung, Ernährungsexperten sollen miteingebunden
werden.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Untergewicht bei COPD-Patienten ist nicht primär ein Organproblem, sondern Zeichen
für eine systemische Störung. Muskulatur, Knochen und Stützgewebe sind in die Systemstörung
ebenso eingebunden wie die Atmungsorgane selbst. Eine zentrale pathophysiologische
Rolle spielt die Inflammation. Um den Ernährungszustand eines COPD-Patienten zu erfassen,
reicht es nicht aus, ihn zu wiegen. Die Empfehlungen zur COPD-Therapie müssen auf
Fragen der Ernährung sehr viel konkreter eingehen, als das jetzt der Fall ist. Unklar
ist bislang, ob man übergewichtigen COPD-Patienten angesichts ihrer offensichtlich
günstigeren Prognose tatsächlich zu einer Gewichtsreduktion raten sollte. In jedem
Fall notwendig ist die Beschreibung des untergewichtigen Patienten auch in bezug auf
seine Gewichtsentwicklung und Muskelmasse, um ihn mehr als Risikopatient mit eher
schlechterer Krankheitsprognose einschätzen zu können, und ihn einer konkreten Ernährungstherapie
mit muskulärem Trainingsprogramm zuzuführen.