Zusammenfassung
Anliegen: Mediale Repräsentationen von Psychiatrie geben die gesellschaftliche Wahrnehmung
von Psychiatrie(n) wieder. Sie sind gesellschafts- und gesundheitspolitisch einflussreich,
insofern die gesellschaftliche Wahrnehmung der Psychiatrie von den Medien bestimmt
wird, und die Medien Denkmögliches und Sagbares transportieren. Methode: In Anlehnung an ein diskursanalytisches Verfahren (M. Foucault) wird am konkreten
Beispiel von Frank Schmökel eine textnahe Analyse der Tagesberichterstattung durchgeführt.
Ergebnisse: Es wird gezeigt, mit welchen Mitteln in den Medien ein Bild von Frank Schmökel entworfen
wird, das nur noch wenig Verständnis für seine Person und seine Tat zulässt. Schmökel
ist einem Machtbereich ausgesetzt, der aus verschiedenen konkurrierenden Diskursen
erwächst. Die Kristallisation der beteiligten Diskurse (Psychiatrie, Recht, Öffentlichkeit)
in Macht zeigt neben wiederholter Stigmatisierung und Klischeebildung die Isolierung
des Individuums auf: Die Person Frank Schmökel wird zum isolierten Fall. Schlussfolgerungen: Bilder dieser Art werden rasch verallgemeinert und führen zu einem öffentlichen,
die Wirklichkeit verzerrenden Bild von Psychiatrie(n). Solcher Meinungstransport ist
gesellschaftspolitisch und gesundheitspolitisch ungemein einflussreich und hat Rückwirkungen
auf Recht und Politik.
Abstract
Objective: Representations of psychiatry in the media reflect the societal perception of psychiatries.
These representations are influential in terms of society and health politics in that
the societal perception of psychiatry is determined by the media, and the media convey
what is thinkable and sayable. Method: A formal textual analysis, employing a discoursive analytical method (M. Foucault),
will be carried out based on the concrete example of the daily coverage of the case
of Frank Schmökel. Results: It will be demonstrated that the means by which the media sketched an image of Frank
Schmökel left little understanding for the person and his action. Schmökel was exposed
to a sphere of control which arose from various competing discourses. The crystallization
of the participating discourses (psychiatry, law, publicity) in power shows, in addition
to repeated stigmatization and the generation of cliches, the isolation of the individual:
the person Frank Schmökel is made into an isolated case. Conclusions: Images of this type are quickly generalized and lead to a public image of psychiatry
(psychiatries) that distort reality. Such conveyance of opinion is amazingly influential
in terms of societal politics and health politics, and has repercussions in law and
politics.
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Email: Florian.steger@gesch.med.uni-erlangen.de