Psychiatr Prax 2003; 30(7): 367-371
DOI: 10.1055/s-2003-43244
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Darstellung der Depression in deutschen Tageszeitungen

Eine TrendanalyseThe Presentation of Depression in German Daily NewspapersA Trend AnalysisMichael  Kroll1 , Sandra  Dietrich1 , Matthias  C.  Angermeyer1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Universität Leipzig
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Publication Date:
30 October 2003 (online)

Zusammenfassung

Anliegen: Der Wissensstand der deutschen Bevölkerung bezüglich depressiver Störungen hat sich aktuellen Untersuchungsergebnissen zufolge in den letzten Jahren verbessert. Es stellt sich die Frage, inwieweit Printmedien zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Methode: In drei deutschen Tageszeitungen - Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und Bild Zeitung (BZ) - wurden die jeweiligen Ausgaben der Quartalsanfangsmonate der Jahre 1990 und 2000 ausgewertet. Es wurden alle Artikel berücksichtigt, die mithilfe des Suchworts *depress* identifiziert werden konnten. Mit Ausnahme des Jahrgangs 2000 der SZ und FAZ, der auf CD-ROM gespeichert vorliegt, wurden Volltextanalysen durchgeführt. Mithilfe eines eigens für die Studie entwickelten Kodiersystems erfolgte eine quantitative Inhaltsanalyse, bei der sowohl formale als auch inhaltliche Gesichtspunkte berücksichtigt wurden. Ergebnisse: Ein besseres Krankheitsverständnis ist mithilfe der drei untersuchten Tageszeitungen nicht einmal ansatzweise zu erlangen. Der Vergleich der beiden Jahre zeigt bei keiner der untersuchten Zeitungen eine Entwicklung hin zu einer aus psychiatrischer Sicht adäquateren Darstellung. Werden Krankheitsaspekte thematisiert, so handelt es sich meist um Mutmaßungen zu ätiologischen Faktoren. Selten publizierte Fachbeiträge berichten, für den Laien eher verwirrend, meist über aus dem Zusammenhang gerissene Einzelheiten. Der Begriff „Depression” wird häufig metaphorisch genutzt. In den wenigen Beschreibungen depressiv Erkrankter dominieren negative Aspekte. Schlussfolgerung: Das Bild der Depression als eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung kann durch die Lektüre der untersuchten Zeitungen kaum entstehen. Die Verbesserung des Wissensstandes des Laienpublikums bezüglich depressiver Störungen kann nicht auf eine adäquatere Darstellung in den untersuchten Tageszeitungen zurückgeführt werden.

Abstract

Objective: According to results of the latest research, the state of knowledge of the German population regarding depressive disorders has improved during the last years. The question arises to what extent the print media have contributed to this development. Method: All editions of three German dailies - Sueddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) and Bild Zeitung (BZ) - published in the first months of each quarter in 1990 and 2000 were analysed. All articles that were identified using the search key *depress* were included. A full text search was carried out, except for the editions of SZ and FAZ from the year 2000 which are available on CD-ROM. Using a coding system specifically designed for this study, a quantitative content analysis was carried out taking into consideration both formal and contents-related aspects. Results: None of the three newspapers investigated helps to promote better understanding of depressive disorders. A comparison between 1990 and 2000 shows that there has been no development towards a more adequate representation of depression in any of the dailies examined. When aspects of the illness are mentioned it is mostly in the form of speculations over etiological factors. Rarely published articles that are rather confusing for lay people mostly report details taken out of their context. The term „depression” is often used metaphorically. Among the few descriptions of people with depression, negative aspects prevail. Conclusion: The image of depression as a serious mental illness can hardly be developed by reading the newspapers investigated. The improvement in lay people’s state of knowledge cannot be attributed to a more adequate representation of depression in the daily newspapers examined.

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Michael Kroll

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie · Universität Leipzig

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