intensiv 2003; 11(4): 159
DOI: 10.1055/s-2003-41247
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Liebe Leserinnen und Leser,

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Publication Date:
15 August 2003 (online)

in diesem Heft erwarten Sie zwei Beiträge zum Thema „Intensivmedizin heute und morgen”, die zum 50-jährigen Jubiläum der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin verfasst worden sind. Gerade für die „Jüngeren” in unserem Beruf, die sich mit Gegenwart und Zukunft der Intensivmedizin beschäftigen, kann es durchaus von Nutzen sein, auch einmal einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Entwicklungen werden transparent, Selbstverständlichkeiten erscheinen in einem anderen Licht.

Die heutige pflegerische und medizinische Versorgung schwerstkranker Patienten blickt auf eine Entwicklung zurück, die ihren Ursprung bereits im 19. Jahrhundert fand. Florence Nightingale legte während des Krimkrieges 1853-1857 schwer verletzte Soldaten in einem Areal zusammen, um sie besser beobachten und betreuen zu können. Somit geht sie in die Geschichte ein als erste Architektin einer Intensivstation (Lawin 1993).

Es verwundert schon sehr, wenn aus der Feder eines Mediziners eine Krankenschwester als Begründerin von Intensiveinheiten gesehen wird. Es macht aber einen Aspekt sehr deutlich: Die Intensivmedizin, wie wir sie heute kennen, wäre ohne die parallel stattfindende Entwicklung der Pflege - speziell der Intensivpflege - nicht denkbar. Natürlich orientierten sich die Intensivpflegenden in ihren Tätigkeiten mit Beginn der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts an der damals gültigen Definition der Intensivbehandlung und somit auch an dem medizinischen Paradigma.

Lawin u. Opderbecke formulierten es 1981 so:

„Vertiefte Erkenntnisse über pathophysiologische Abläufe, die Anwendung einer gezielten intensiven Therapie und die Entwicklung differenzierter technischer Geräte ermöglichen es heutzutage, Krankheitsbilder erfolgreich zu behandeln, die früher als hoffnungslos und keiner Therapie mehr zugänglich angesehen werden mußten. Die systematische Anwendung dieser vielfältigen neuen therapeutischen Möglichkeiten bei lebensbedrohlichen Situationen umschließt den Begriff der Intensivbehandlung. Intensivbehandlung bedeutet: Anwendung aller therapeutischen Möglichkeiten zum temporären Ersatz gestörter oder ausgefallener vitaler Organfunktionen bei gleichzeitiger Behandlung des diese Störung verursachenden Grundleidens.”

Die beiden Pioniere der Intensivmedizin in Deutschland betonten aber auch schon damals die verantwortliche Tätigkeit von Intensivpflegenden bei der individuellen Überwachung der Patienten. Vernachlässigt und wenig berücksichtigt zur damaligen Zeit wurde im Aufgabenfeld der Intensivpflege das Eingehen auf psychosoziale Bedürfnisse des Patienten. Die Intensivpflege richtete sich sehr einseitig auf die technisch-naturwissenschaftlichen Aspekte der Medizin aus mit einer Betonung der vordringlich technischen Überwachungs- und Assistenzaufgaben.

Doch wenn man sich beispielhaft die damalige Situation von Beatmungspatienten vergegenwärtigt, ist dies durchaus nachzuvollziehen. Patienten wurden ans Bett „gefesselt”, damit sie die aggressiven Beatmungsmethoden überhaupt ertrugen: Sedierung bis zur tiefen Bewusstlosigkeit, Relaxation, dass sich kein Patient mehr rühren konnte. Ein sich Einlassen auf die individuellen Gefühle und Sorgen des Schwerstkranken schien in dieser Situation kaum angebracht gewesen zu sein.

Heute sind wir daran interessiert, bedingt durch die Weiterentwicklung der Beatmungstechnologie, wache, kooperative Patienten zu haben. Sie dürfen mitatmen und beteiligen sich aktiv, was neue Anforderungen an uns Pflegende gestellt hat, stellt und weiterhin stellen wird.

Gerade in der Betreuung von atemunterstützten Patienten ist ein umfassendes medizinisches und pflegerisches Fachwissen unabdingbar. Wir unterstützen den Patienten sowohl auf somatischer als auch auf psychosozialer Ebene. Erfahrungswissen und pflegerische Intuition sind besonders in der Weaning-Phase gefordert, um zu einem insgesamt positiven Behandlungsergebnis zu gelangen. Inwieweit Ahnung und Intuition - und dies speziell in der Intensivpflege - pflegerische Qualität sichern können, wird in unserem zweiten Schwerpunktthema von H. Friesacher aufgegriffen.

Liebe Leserinnen und Leser, wir hoffen, dass auch die anderen Beiträge in diesem Heft Ihr Interesse finden und Sie mit der intensiv weiterhin relaxed durch den heißen Sommer kommen.

Die Herausgeber

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