Der Klinikarzt 2003; 32(6): 196-201
DOI: 10.1055/s-2003-40298
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Gefahr für Reisende und medizinisches Personal? - Virale hämorrhagische Fieber

Hazard for Travellers or Health Personnel - Viral Hemorrhagic FeversG. Dobler1
  • 1Abteilung für Infektionshygiene, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Klinikum rechts der Isar, München (Abteilungsleiter: Prof. Dr. I. Braveny)
Further Information
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Anschrift des Verfassers

Dr. Gerhard Dobler

Abteilung für Infektionshygiene

Klinikum rechts der Isar der TU München

Trogerstraße 32

81675 München

Publication History

Publication Date:
30 June 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Virale hämorrhagische Fieber (VHF) sind eine Bezeichnung für mindestens 17 verschiedene, durch Viren verursachte Krankheiten, die als gemeinsame klinische Charakteristika Fieber und eine pathologische Blutungsneigung aufweisen. Sie können schwer, teilweise mit einer hohen Letalität verlaufen. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt überwiegend durch Tiere (natürliche Vektoren oder natürliche Tierreservoire). Virale hämorrhagische Fieber sind also an die geografische Ausbreitung dieser tierischen Vektoren gebunden. Für einige Formen ist aber auch eine Übertragung auf medizinisches Personal (nosokomiale Übertragung) belegt. Der zunehmende Fernreisetourismus in immer entlegenere Regionen unserer Erde führt auch „normale Bürger” - zwar relativ selten, jedoch immer wieder - mit diesen Infektionen in Kontakt. Damit nimmt die Bedeutung der viralen hämorrhagischen Fieber als Differenzialdiagnose des fieberhaften Infekts nach einem Aufenthalt in den Tropen zu. Um die Gefahr einer nosokomialen Übertragung zu minimieren, ist es wichtig, die Diagnose rasch zu sichern oder auszuschließen, um gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen einleiten zu können.

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Summary

Viral hemorrhagic fevers (VHFs) is a clinical entity for at least 17 different infectious diseases. All of them are caused by viruses which are primarily transmitted to humans by animals (as vectors or as reservoir). However for some VHFs human-to-human transmission in hospitals (nosocomial transmission) is documented. Clinical characteristics of VHFs are high fever and various degrees of hemorrhages. Some of the VHFs are feared due to their high lethality rates. The geographical distribution of VHFs is restricted to the distribution of their animal reservoirs and vectors. However increasing rates of traveling in more distant areas of the world increases the risk of VHFs in travellers. Therefore VHFs play an increasing role in differential diagnosis of fever in the returning traveller. A fast confirmation or exclusion of the diagnosis „VHF” is important to implement adequate precautions for treatment of patients with VHFs.

Virale hämorrhagische Fieber (VHF) sind als Infektionen definiert, die durch Viren aus ganz unterschiedlichen Virusfamilien verursacht werden und beim Menschen eine fieberhafte Symptomatik mit pathologischer Blutungsneigung verursachen. Ein Teil dieser Erkrankungen ist mit einer hohen Letalität assoziiert. Zudem können einige virale hämorrhagische Fieber im Krankenhaus auf medizinisches Personal oder von Patient zu Patient übertragen werden (nosokomiale Infektion). Die potenziell hohe Letalitätsrate und die Gefahr nosokomialer Infektionen bedingt zum einen häufig irrationale Verhaltensweisen des medizinischen Personals oder auch der Gesundheitsbehörden. Andererseits werden solche Infektionen aufgrund ihrer Seltenheit oft nicht in die Differenzialdiagnose fieberhafter Infektionen nach einer Reise in die Tropen einbezogen. Unter Umständen können sie aber doch zu großen medizinischen Problemen führen.

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Ätiologie

Momentan unterscheiden wir mindestens 17 verschiedene virale hämorrhagische Fieber - verursacht von Viren aus vier verschiedenen Virusfamilien [Tab. 1]. Alle Erreger werden, soweit die primäre Übertragung bekannt ist, durch Tiere übertragen. Theoretisch besteht auf allen fünf Kontinenten die Möglichkeit einer Infektion - mit einer Ausnahme: In Australien trat das Dengue-Fieber bisher nicht in seiner hämorrhagischen Form auf.

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Pathogenese

Die pathologische Blutungsneigung kann ganz unterschiedliche Ursachen aufweisen. Jedes virale hämorrhagische Fieber verursacht damit diese pathologische Blutungsneigung über einen anderen pathogenetischen Grundmechanismus:

  • vaskuläre Schädigung durch direkte virale Schädigung, pathologische Komplement-Aktivierung, Zytokin-Ausschüttung oder Immunkomplex-Ablagerung

  • pathologische Gerinnung durch Thrombozytenzahl oder -funktion, gestörte Produktion von Gerinnungsfaktoren oder disseminierte intravaskuläre Gerinnung (DIC)

  • unkontrollierte Virusvermehrung durch eine virusinduzierte Immundysfunktion

  • Endorgan-Insuffizienz durch direkte virusbedingte Zytopathogenität oder entzündliche Immunantwort.

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Ökologie

Alle bisher identifizierten viralen hämorrhagischen Fieber werden primär durch tierische Vektoren übertragen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei Arthropoden (Gliederfüßer) oder Nagetiere. Für das Marburg- und das Ebola-Virus jedoch ist ausschließlich der Kontakt mit infizierten Großprimaten (Schimpansen, Gorillas) als primärer Übertragungsweg auf den Menschen bekannt. Auch für diese beiden VHF-Formen wird aufgrund des epidemiologischen Auftretens (epidemisches Auftreten während/kurz nach der Regenzeit) ein Vektor vermutet.

Für das Sabia-Virus wurde bisher nur eine natürliche Infektion dokumentiert, es wird allerdings in Analogie zu anderen Arenaviren ein Nagetier-Reservoir angenommen. Eine Übertragung von virämischen natürlichen Wirtstieren (Großsäugetieren) auf den Menschen wurde sowohl für das Kongo-Krim-Fieber als auch das Rift-Valley-Fieber beobachtet. Unter besonderen Umständen ist eine Infektion mit dem Omsk-hämorrhagischen Fieber auch über kontaminiertes Wasser aus mit Nagetieren infestierten Süßgewässern möglich. Die Vektoren, die ein virales hämorrhagisches Fieber übertragen können, sind in [Tabelle 2] zusammengestellt.

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Geografische Verbreitung

Die natürliche geografische Verbreitung der verschiedenen viralen hämorrhagischen Fieber hängt von der Verbreitung der natürlichen Überträger, der natürlichen Wirtstiere und den klimatischen und ökologischen Bedingungen für eine effektive Übertragung ab [Tab. 3]. Durch die immer größere Mobilität von (infizierten) Menschen, den ständig wachsenden weltweiten Handel von Nutztieren und den ungewollten Transport von mit Viren infizierten Vektoren (insbesondere Stechmücken) können die viralen hämorrhagischen Fieber auch in Regionen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets verschleppt werden, dort auftreten und gegebenenfalls übertragen werden.

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Epidemiologisches Auftreten und Häufigkeit

Abhängig von den Überträgern und vom Übertragungsweg können virale hämorrhagische Fieber sporadisch, endemisch oder epidemisch auftreten [Tab. 4]. Das Wissen darum und um die Häufigkeit der einzelnen VHF-Formen ist wichtig, um die Bedeutung einer potenziellen Erkrankung in der Reisemedizin und eines etwaigen nosokomialen Infektionsrisikos abschätzen zu können.

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Diagnostik

Die Diagnostik der viralen hämorrhagischen Fieber setzt einen anamnestischen Verdacht voraus. Mit Ausnahme der meistens mild verlaufenden westeuropäischen Form des hämorrhagischen Fiebers mit renalem Syndrom (Nephropathia epidemica) wird die Erkrankung ausschließlich im Ausland erworben. Daher ist eine sorgfältig erhobene Reiseanamnese (bzw. eine Anamnese über den Kontakt mit Patienten aus entsprechenden Ländern innerhalb der jeweiligen Inkubationszeit) besonders wichtig, denn oft ist so ein Großteil der viralen hämorrhagischen Fieber auszuschließen.

Aufgrund der häufig uncharakteristischen Symptomatik ist eine Unterscheidung einzelner viraler hämorrhagischer Fieber durch klinische Charakteristika meist nicht möglich. Die endgültige Differenzierung erfolgt also durch den Nachweis des Erregers bzw. seiner Bestandteile oder durch den Nachweis spezifischer Antikörper. Heute werden dazu im Allgemeinen molekularbiologische Techniken genutzt.

Sehr spezifisch und sensitiv weist beispielsweise die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) die virale Nukleinsäure des Erregers nach. In den ersten Tagen der Erkrankung sind die Erreger meist noch im Körper vorhanden - mithilfe der PCR ist damit eine Diagnose in der Akutphase möglich. Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens ist die relative Schnelligkeit, mit der meist innerhalb von 24 Stunden eine Diagnose gestellt werden kann. Trotzdem wird auf die Isolierung des Erregers im Normalfall nicht verzichtet, die mittels Zellkultur oder Tierversuch erfolgt und mehrere Tage bis Wochen in Anspruch nimmt. Diese Arbeit mit lebenden Erregern erfordert immer die Arbeit in entsprechenden Sicherheitslaboratorien, während nach der Extraktion der Nukleinsäure das Material unter normalen Laborbedingungen gehandhabt werden kann.

Eine weitere diagnostische Alternative, der Nachweis von virusspezifischen Antikörpern, wird in der Praxis nur noch selten als alleiniges Verfahren durchgeführt. Denn Antikörper entstehen erst im Verlauf der Erkrankung, ihr Nachweis ist in der Akutphase daher kaum möglich. Meist erfolgt der Antikörper-Nachweis durch den spezifischen Nachweis von IgM-Antikörpern oder durch den Anstieg von IgG-Antikörpern in zwei zeitlich getrennt voneinander abgenommenen Blutproben. Damit eignen sich diese Methoden mehr zur Bestätigung der Diagnose als zur Akutdiagnostik.

Zur Diagnose und insbesondere zur Handhabung entsprechender Materialien sind hohe Labor-Sicherheitsstandards notwendig. Diese Hochsicherheits-Laboratorien stehen augenblicklich in Deutschland am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenkrankheiten in Hamburg und am Institut für Virologie der Universität Marburg zur Verfügung. In jedem Fall muss vor der Versendung von Material zur Untersuchung das entsprechende Laboratorium telefonisch kontaktiert und vorab informiert werden. Auch eine Absprache über die Art und den Transport des Materials ist dadurch möglich und sinnvoll.

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Differenzialdiagnose

Einige in den Tropen und auch in gemäßigten Zonen vorkommende Erkrankungen spielen eine wichtige Rolle in der Differenzialdiagnose viraler hämorrhagischer Fieber. An erster Stelle steht dabei sicherlich die Malaria, die grundsätzlich ausgeschlossen werden sollte, wenn nach einem Aufenthalt in den Tropen ein fieberhafter Infekt auftritt. Die größte Bedeutung unter den bakteriellen Infektionen kommt insbesondere der Meningokokken-Sepsis, der Pestseptikämie, anderen Sepsisformen, der Leptospirose, Rickettsiosen, hämorrhagischen Formen der Rückfallfieber, dem Typhus und möglicherweise auch der bakteriellen Ruhr (insbesondere durch Shigella dysenteriae) zu.

Neben exanthematisch verlaufenden Virusinfektionen (unter anderem Masern, Chikungunya Fieber, Coxsackie-Virus-Infektionen) können vor allem virale Hepatitiden eine wichtige Differenzialdiagnose sein. Auch das Reye-Syndrom und medikamentöse Vergiftungen können ein klinisches Bild mit pathologischer Blutungsneigung verursachen.

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Klinische Symptomatik

Die Infektion mit Erregern viraler hämorrhagischer Fieber führt nicht zwangsläufig zu einer schweren, tödlich verlaufenden Infektion. Vielmehr ist die gesamte Spanne von Krankheitsverläufen zu beobachten. Blutungskomplikationen treten zum Beispiel beim Gelbfieber schätzungsweise bei nur 10-20 % der Infektionen auf. Noch geringer ist dieser Anteil vermutlich beim Lassa-Fieber in West-Afrika (1-5 %). Dagegen gibt es bisher nur wenige Berichte über subklinisch oder unspezifisch verlaufende Infektionen mit Ebola- oder Marburg-Fieber.

Virale hämorrhagische Fieber weisen häufig einen biphasischen Verlauf auf. Die Symptomatik beginnt üblicherweise nach einer Inkubationszeit von 3-14 Tagen, für einzelne Erkrankungen kann die Inkubationszeit aber bis zu 21 Tage betragen. Meist äußert sich die Erkrankung dann als unspezifischer Infekt mit plötzlich auftretendem hohen Fieber, Kopfschmerzen, Myalgien, allgemeinem Krankheitsgefühl, Konjunktivitis und gegebenenfalls einem Exanthem oder einem Erythem der Haut. Die Patienten fühlen sich sehr krank. Diese Phase dauert meist einige Tage an. Anschließend bessert sich die Symptomatik für kurze Zeit oder geht direkt in den hämorrhagischen Status über. Allerdings sei nochmals erwähnt, dass meist nur ein Teil der Infektionen in dieses schwere Erkrankungsstadium münden.

Die Symptomatik des Status hämorrhagicus hängt unter anderem von der Pathogenese der Blutung ab. Störungen der Thrombozytenfunktion oder -bildung führen zu petechialen Hautblutungen, Störungen der Gefäßpermeabilität dagegen verursachen das so genannte Plasma-Leakage-Syndrom mit massiven Gewebsödemen und möglichen großflächigen Hautblutungen (Ecchymosen). Ist die Blutgerinnung gestört, können prolongierte Nasenblutungen oder Nachbluten aus Punktionsstellen auftreten. Auch Blutungen in Organsysteme (Gastrointestinaltrakt: Meläna, Hämatemesis; Urogenitaltrakt: Hämaturie; Respirationstrakt: Bluthusten, Lungenödem) sind häufig nachzuweisen. Je schwerer solche Blutungen sind, desto leichter können sie in ein Kreislaufversagen oder einen Kreislaufschock mit nachfolgendem Multiorganversagen münden.

Neben dieser spezifischen Blutungs-Symptomatik sind in unterschiedlichem Maße auch noch andere Organsysteme betroffen. Ein häufiges Begleitsymptom ist die Beteiligung der Leber mit akuter Hepatitis bis hin zum fulminant auftretenden Leberversagen. Ebenfalls häufig betroffen sind die Nieren mit einer akuten Niereninsuffizienz. Außerdem wird immer wieder eine Beteiligung des zentralen Nerven- systems (Enzephalitis, Enzephalopathie durch metabolische Entgleisung, Hirnblutungen) beschrieben.

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Therapie und Prophylaxe

Die schweren Krankheitsbilder mit teilweise hoher Letalität der viralen hämorrhagischen Fieber, die sich zum Teil sogar epidemisch ausbreiten und nosokomial übertragen werden, machen diese Infektionen seit langem zu herausragenden Kandidaten zur Entwicklung von antiviralen Therapiestrategien und von Impfstoffen. Alle bekannten Erreger viraler hämorrhagischer Fieber zählen zu den RNA-Viren, die bisher nur schwer durch antivirale Substanzen therapierbar sind. Das teilweise nur sporadische Auftreten und die dadurch bedingte geringe Zahl von Infektionen macht die kommerzielle Entwicklung von Impfstoffen aus wirtschaftlichen Aspekten für die meisten dieser Infektionen wenig interessant. Die Möglichkeiten der Therapie und Prophylaxe der viralen hämorrhagischen Fieber fasst die [Tabelle 5] zusammen.

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Risiko nosokomialer Infektionen

Gefürchtet sind virale hämorrhagische Fieber auch wegen ihrer Fähigkeit, innerhalb der Krankenhäuser andere Patienten oder medizinisches Personal infizieren zu können. Allerdings wird die Infektiosität der Erkrankungen meist überschätzt, denn nur ein Teil der viralen hämorrhagischen Fieber kann überhaupt nosokomial übertragen werden. So gibt es für keine der durch Flaviviren hervorgerufenen VHF-Infektionen einen Hinweis auf eine nosokomiale Übertragung (Ausnahme: akzidentelle Inokulation von virushaltigem Material im Labor).

Ähnliches gilt auch für das hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom und die Nephropathia epidemica - auch in diesen Fällen wurden bislang keine nosokomialen Infektionen beobachtet. Möglich scheint eine nosokomiale Übertragung für das Rift-Valley-Fieber aufgrund der hohen Erregermengen in Blut und Körpersekreten (bis 109 Viren/ml), bislang ist eine solche allerdings nicht dokumentiert.

Anders verhalten sich Infektionen mit Filoviren, Arenaviren (insbesondere Lassa-Fieber) und das Krim-Kongo-Fieber. Für diese zuletzt aufgeführten viralen hämorrhagischen Fieber ist eine nosokomiale Infektion durch den Kontakt mit virushaltigen Körpersekreten und -exkreten eindeutig belegt. Schon der alleinige Hautkontakt scheint auszureichen, um sich mit einem Ebola-Fieber zu infizieren (Begräbnisriten in Afrika). Konsequent angewandte, strikte Barriere-Maßnahmen bei der medizinischen Versorgung der Patienten können dies jedoch verhindern.

Für das Lassa-Fieber ist auch die aerogene Übertragung dokumentiert. Insbesondere in der Anfangsphase der Infektion vermehrt sich das Virus im Respirationstrakt stark und der Patient hustet große Mengen des Virus aus. Bis zu einer Entfernung von 1-1,5 Meter können diese relativ großen Tröpfchen effektiv übertragen werden. Für andere virale hämorrhagische Fieber ist dieser Übertragungsweg beim Menschen bisher nicht dokumentiert. Allerdings sind auch in den Lungen von Patienten mit Ebola-Fieber große Virusmengen nachzuweisen. Ob diese nach dem Abhusten zu einer Infektion führen können, ist jedoch nicht klar. Falls überhaupt, scheint dies für eine Verbreitung des Ebola-Fiebers nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Allerdings ist für den Ebola-Virus-Subtyp Reston (vermutlich nicht humanpathogen) eine aerogene Übertragung bei Primaten belegt.

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Reisemedizinische Bedeutung

Virale hämorrhagische Fieber spielen insbesondere als Differenzialdiagnose von fieberhaften, aus den Tropen importierten Allgemeininfekten eine Rolle. Die Zahl der tatsächlich bei Reisenden diagnostizierten Infektionen ist bisher gering. Als häufigste VHF-Form wurde bei Reisenden bisher Gelbfieber diagnostiziert. So wurden in den Jahren von 1950 bis 2002 insgesamt 13 Gelbfieber-Fälle bei ausschließlich ungeimpften Reisenden bekannt.

Mittlerweise hat das Dengue-Fieber den Status der am häufigsten diagnostizierten viralen Tropenkrankheit bei Reisenden. Daten über das Auftreten von hämorrhagischen Verlaufsformen gibt es bislang noch nicht, nach Angaben von Tropenmedizinern scheinen die schweren Verlaufsformen jedoch zuzunehmen. In den letzten Jahren wurden vereinzelt auch Lassa-Fieber-Fälle in den Industriestaaten diagnostiziert - unter anderem in England, Deutschland und in den Niederlanden (vier Fälle im Jahr 2000, ein Fall 2002). Hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom wurden vereinzelt aus dem Balkan importiert, auch hier gibt es allerdings keine exakten Daten.

Ein Ebola-Fieber wurde bei Reisenden bislang noch nicht festgestellt. Allerdings wurde die Infektion bei einer italienischen Krankenschwester und bei einer schweizerischen Primatenforscherin diagnostiziert, die mit der Verdachtsdiagnose „Gelbfieber” von der Elfenbeinküste in ein schweizerisches Tropeninstitut ausgeflogen wurde. Das Marburg-Fieber wurde einmal durch einen Reisenden von Zimbabwe nach Südafrika gebracht. Dort infizierte sich eine Krankenschwester am Indexfall. Weiter wurde ein Fall eines Marburg-Fiebers bei einem schwedischen Touristen bekannt, der daran auch verstorben ist.

Für alle übrigen viralen hämorrhagischen Fieber gibt es bisher keine gut dokumentierten Erkrankungsfälle bei Reisenden. Allerdings sollten diese bei unklaren fieberhaften Erkrankungen grundsätzlich in die Differenzialdiagnose einbezogen werden - insbesondere, wenn weitere Risikofaktoren (z.B. Kontakt mit Nagetieren, mit Primaten, mit erkrankten Patienten, eine Exposition mit Stechmücken oder mit Jagd- oder Nutztieren) in der Anamnese vorhanden sind. Damit bleiben virale hämorrhagische Fieber immer aktuell, und vor allem durch die zunehmende Reisetätigkeit werden sie in Zukunft noch an medizinischer Bedeutung gewinnen.

Tab. 1 Ätiologie der viralen hämorrhagischen Fieber

Virusfamilie

Virus

hämorrhagische Fieber

Flaviviridae

Dengue-Virus Typ 1-4

Dengue-hämorrhagisches Fieber

 

Gelbfieber-Virus

Gelbfieber

 

Kyasanur-Forest-Virus

Kyasanur-Forest-Fieber

 

Alkhurma-Virus

arabisch-hämorrhagisches Fieber

 

Omsk-hämorrhagisches-Fieber-Virus

Omsk-hämorrhagisches Fieber

Bunyaviridae

Rift-Valley-Virus

Rift-Valley-Fieber

 

Krim-Kongo-Virus

Krim-Kongo-Fieber

 

Puumala-Virus

Nephropathia epidemica

 

Hantaan-Virus

hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom

Arenaviridae

Junin-Virus

argentinisch-hämorrhagisches Fieber

 

Machupo-Virus

bolivianisch-hämorrhagisches Fieber

 

Guanarito-Virus

venezuelanisch-hämorrhagisches Fieber

 

Sabia-Virus

brasilianisch-hämorrhagisches Fieber

 

Whitewater-Arroyo-Virus

nordamerikanisch-hämorrhagisches Fieber

 

Lassa-Virus

Lassa-Fieber

Filoviridae

Ebola-Virus

Ebola-Fieber

 

Marburg-Virus

Marburg-Fieber

Tab. 2 Infektionsvektoren für virale hämorrhagische Fieber

Stechmücken

Gelbfieber

Dengue-hämorrhagisches Fieber

Rift-Valley-Fieber

Zecken

Kyasanur-Forest-Krankheit

Omsk-hämorrhagisches Fieber

Krim-Kongo-Fieber

arabisch-hämorrhagisches Fieber

Nagetiere

Lassa-Fieber

argentinisch-hämorrhagisches Fieber

bolivianisch-hämorrhagisches Fieber

venezuelanisch-hämorrhagisches Fieber

brasilianisch-hämorrhagisches Fieber (?)

nordamerikanisch-hämorrhagisches Fieber

Nephropathia epidemica

hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom

Omsk-hämorrhagisches Fieber

Großsäugetiere

Kongo-Krim-Fieber

Rift-Valley-Fieber

Primaten

Ebola-Fieber

Marburg-Fieber

Tab. 3 Weltweite Verbreitung der VHF-Formen

Gelbfieber

Afrika und Südamerika zwischen dem 15. Breitengrad nördlicher und südlicher Breite

Dengue-Fieber

Tropen und Subtropen Asiens, Mittel-, Südamerikas, Afrikas, Nord-Australien

Rift-Valley-Fieber

Afrika südlich der Sahara, Ägypten, Jemen, Saudi-Arabien

Kongo-Krim-Fieber

Afrika südlich der Sahara, Ägypten, Südosteuropa, Vorderasien, westliches Indien, südliches Kasachstan, westliches China

Kyasanur-Wald-Krankheit

Bundesstaat Karnataka, Westküste Indiens

Omsk- hämorrhagisches Fieber

Distrikte von Omsk, Tyumen, Novosibirsk und Kurgan; evtl. westliches Sibirien

arabisch- hämorrhagisches Fieber

arabische Halbinsel

argentinisch- hämorrhagisches Fieber

Zentral-Argentinien

bolivianisch- hämorrhagisches Fieber

Beni-Region, Nordost-Bolivien

venezuelanisch- hämorrhagisches Fieber

nordzentrale Region Venezuelas

brasilianisch- hämorrhagisches Fieber

Region Sao Paulo

nordamerikanisch-hämorrhagisches Fieber

Kalifornien

Lassa-Fieber

Westafrika (Nigeria, Guinea, Liberia, Sierra Leone, Mali, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Senegal)

Nephropathia epidemica

Europa (außer: Iberische Halbinsel), Russland westlich des Urals

hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom

Ostchina, Nordkorea, Südkorea, Südostrussland, Balkanregion

Ebola-Fieber

Demokratische Republik Kongo, Sudan, Uganda, Zaire, Gabun, Elfenbeinküste, Liberia

Marburg-Fieber

Zentralafrika (Kenia, Demokratische Republik Kongo), Zimbabwe (?)

Tab. 4 Epidemiologische Auftretensform und Häufigkeit viraler hämorrhagischer Fieber

 

Form des Auftretens

Zahl der Infektionen

Gelbfieber

epidemisch > endemisch

> 200000 pro Jahr, davon > 95 % in Afrika

Dengue-Fieber

epidemisch, endemisch

etwa 50 Millionen, davon bis zu 500000 hämorrhagische Verlaufsformen

Rift-Valley-Fieber

epidemisch

Epidemien alle vier bis sechs Jahre mit bis zu 1000 Erkrankungen

Kongo-Krim-Fieber

sporadisch, mikroepidemisch

Einzelfälle im Rahmen natürlicher Übertragung; unter ungünstigen ökologischen Bedingungen mehrere hundert Infektionen; durch nosokomiale Übertragung bis zu 20 Infektionen

Kyasanur-Wald-Krankheit

mikroepidemisch

jährliche Ausbrüche mit bis zu mehreren hundert Erkrankungsfällen

Omsk-hämorrhagisches Fieber

sporadisch

vereinzelt

arabisch- hämorrhagisches Fieber

sporadisch, mikroepidemisch

bisher Einzelfälle

argentinisch- hämorrhagisches Fieber

sporadisch, mikroepidemisch

seit Einführung einer Impfung 50-100 Fälle pro Jahr

bolivianisch- hämorrhagisches Fieber

sporadisch

unregelmäßige Mikroepidemien mit 10-30 Erkrankungen

venezuelanisch- hämorrhagisches Fieber

mikroepidemisch

unregelmäßige Epidemien mit 20-100 Erkrankungen

brasilianisch- hämorrhagisches Fieber

sporadisch

bisher drei Fälle, davon zwei Laborinfektionen

nordamerikanisch-hämorrhagisches Fieber

sporadisch

bisher drei Erkrankungen

Lassa-Fieber

endemisch > epidemisch

jährlich vermutlich mehr als 10000 Infektionen

Nephropathia epidemica

sporadisch > mikroepidemisch

jährlich vermutlich mehr als 10000 Infektionen

hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom

endemisch > epidemisch

jährlich mehrere zehntausend Erkrankungsfälle

Ebola-Fieber

mikroepidemisch

seit 1976 mindestens 14 Ausbrüche mit mehr als 1500 Erkrankungen

Marburg-Fieber

mikroepidemisch

seit 1967 mindestens fünf Ausbrüche mit insgesamt mehr als 120 Erkrankungen

Tab. 5 Therapeutische und prophylaktische Möglichkeiten bei viralen hämorrhagischen Fiebern

 

Therapie

Immunprophylaxe

Gelbfieber

supportiv

attenuierter Lebendimpfstoff aus bebrüteten Hühnereiern

Dengue-Fieber

supportiv

experimenteller tetravalenter Impfstoff in klinischer Entwicklung

Rift-Valley-Fieber

Ribavirin (an wenigen Fällen getestet; Wirksamkeit bisher nicht abschließend geklärt)

inaktivierter Impfstoff aus Zellkultur in USA verfügbar; attenuierter Lebendimpfstoff aus Zellkultur in klinischer Entwicklung

Kongo-Krim-Fieber

Ribavirin intravenös oder oral

inaktivierter Impfstoff aus Mäusehirn in Bulgarien (Wirksamkeit unklar)

Kyasanur-Wald-Krankheit

supportiv

formalin-inaktivierter Impfstoff aus Zellkultur in Indien

Omsk-hämorrhagisches Fieber

supportiv

FSME-Impfung (?)

arabisch- hämorrhagisches Fieber

supportiv

nein (Kyasanur-Forest-Virus-Impfstoff ?)

argentinisch- hämorrhagisches Fieber

Ribavirin; antikörperhaltiges Konvaleszenten-Plasma

attenuierter Lebendimpfstoff in Argentinien

bolivianisch- hämorrhagisches Fieber

Ribavirin (bisher keine ausreichende Erfahrung); evtl. antikörperhaltiges Konvaleszenten-Plasma

Junin-Virus-Impfstoff schützt vor Infektion

venezuelanisch-hämorrhagisches Fieber

Ribavirin (bisher keine ausreichende Erfahrung); evtl. antikörperhaltiges Konvaleszenten-Plasma

nein; Junin-Virus-Impfstoff schützt nicht vor Infektion

brasilianisch- hämorrhagisches Fieber

Ribavirin (bisher keine ausreichende Erfahrung); evtl. antikörperhaltiges Konvaleszenten-Plasma

nein

nordamerikanisch-hämorrhagisches Fieber

?

nein

Lassa-Fieber

Ribavirin

nein; experimentelle Impfstoffe in Entwicklung

Nephropathia epidemica

Ribavirin (?); Therapie nur selten notwendig

nein

hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom

Ribavirin

experimentelle Impfung; in China formalininaktivierter Impfstoff aus Mäusehirn

Ebola-Fieber

supportiv

nein

Marburg-Fieber

supportiv

nein

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Anschrift des Verfassers

Dr. Gerhard Dobler

Abteilung für Infektionshygiene

Klinikum rechts der Isar der TU München

Trogerstraße 32

81675 München

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Dr. Gerhard Dobler

Abteilung für Infektionshygiene

Klinikum rechts der Isar der TU München

Trogerstraße 32

81675 München