In der öffentlichen Diskussion über die Struktur unseres Gesundheitssystems wird neben
anderem auch dessen Unausgewogenheit bemängelt. Hieraus hat sich der Vorwurf abgeleitet,
psychosoziale Aspekte des Kranksein würden zuwenig berücksichtigt, bei der Behandlung
oftmals ausgeklammert und somit Folgeschäden hervorgerufen [5 ]. Im Gutachten des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen wird sowohl auf einer
übermäßige medizinische (somatische) Versorgung als auch auf Defizite in der psychosozialen
Betreuung hingewiesen [12 ].
Insbesondere die vom Rat befragten Betroffenen-Organisationen beklagten, dass von
den Leistungserbringern die psychosoziale Belastung durch eine chronische Krankheit
häufig unterschätzt werde. Darüber hinaus fühlten sich viele chronisch Kranke und
ihre Angehörigen mit der belastenden Diagnose allein gelassen [12 ].
Andererseits bringen zunehmende diagnostische Möglichkeiten und Screeningprogramme
- unter Einschluss des „falsch positiven Testergebnis-Problems - nicht nur Vorteile
mit sich, sondern auch Belastungen für Patienten und Familienangehörige [11 ]
[18 ]. Das Erfordernis, bei einem Herzgeräusch eine Abklärungsdiagnostik einzuleiten,
ruft bei einem erheblichen Anteil aller Patienten persistierende Ängste hervor [10 ], selbst wenn ein Kardiologe dem Patienten einen Normalbefund (alles in Ordnung)
mitgeteilt hat. Der Hausarzt steht zunehmend vor dem Dilemma, ob, was und wie er Befunde
und Diagnosen dem Patienten mitteilt [1 ]
[2 ]
[4 ]
[7 ]
[8 ]
[19 ]. Schließlich besteht auch für miteinbezogene Spezialisten das Problem, ob sie dem
Patienten etwas sagen oder auf den Hausarzt verweisen sollen [21 ].
Im Rahmen der Psychosomatischen Grundversorgung (PSGV) kann der Haus- und Familienarzt
der „somatischen Fixierung des Gesundheitssystems” [12 ] entgegenwirken. Die unterstützende Gesprächstherapie zielt nicht auf eine Persönlichkeitsänderung
ab, sondern dient der Bewältigung von Krisen und akuten oder chronischen Krankheits-
und Konfliktsituationen [14 ].
Von 1995-1997 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ein multizentrisches
Verbundprojekt gefördert, in dem die Psychosomatische Grundversorgung als Thema einer
systematischen Qualitätsförderung bearbeitet wurde [5 ]
[6 ]
[16 ]. Insgesamt nahmen an diesem multizentrischen Verbundprojekt acht Abteilungen für
Psychosomatik, (Kinder-) Psychiatrie teil (Freiburg: Wirsching, Göttingen: Cierpka,
Höger, Leipzig: Geyer, Marburg: Schüffel, Hamburg: Richter, Berlin: Deter), welche
von der Abteilung Allgemeinmedizin Göttingen (Sandholzer) koordiniert wurde. Neben
der Beschreibung von besonderen inhaltlichen Schwerpunkten spielte auch die Erarbeitung
spezifischer Methoden zur Evaluation (23) und Interventionen in der PSGV eine Rolle,
die gemeinsam mit Allgemein- und Kinderärzten entwickelt wurden [12 ].
Methodik
In einem Göttinger Qualitätszirkel mit familienmedizinischer Ausrichtung, unter Betreuung
eines Familientherapeuten (M.C.) und eines Allgemeinarztes (H.S.) wurde die Thematik
bearbeitet, ob und wie Patienten eine schwerwiegende Diagnose mitgeteilt werden sollte.
Während die Aufklärung des Patienten vor Eingriffen durch den Arzt (Risikoaufklärung)
in der medizinischen und juristischen Risikoaufklärung in der Literatur eingehend
diskutiert war, wurde in dem Qualitätszirkel ein Defizit im Bezug auf konkrete Empfehlungen
zur Diagnoseaufklärung festgestellt. Da es zu Beginn des Projekts kein ausreichend
empirisches abgesichertes Wissen in Form von randomisierten kontrollierten Studien
gab, wurden zur Entwicklung der Leitlinie qualitative Verfahren eingesetzt.
Basierend auf einer vorausgehenden intensiven Arbeit eines mit familienmedizinischen
Fallvorstellungen unter Verwendung von Genogrammen arbeitenden Qualitätszirkels [3 ]
[15 ] wurden zunächst die vorgestellten familienmedizinischen Kasuistiken qualitativ und
interpretativ ausgewertet. Gesichtspunkt der Auswertung war sowohl die Extraktion
übergeordneter Problembereiche als auch die Ableitung geeigneter Handlungsweisen zur
Diagnoseeröffnung. Anschließend wurden in einer weiteren Sitzung die Qualitätszirkelteilnehmer
gebeten, über Arzt-Patienten-Kontakte mit Diagnoseneröffnungen zu „erzählen”, wobei
Problemdefinition und Lösungsmöglichkeiten im Zentrum des Interesses standen (Fallvignettenmethode,
narrative Medizin [9 ]
[12 ]
[13 ]
[22 ]. Hierbei wurden sowohl das Vorgehen des Arztes wie auch die Reaktionen des Patienten
erzählt. Der Moderator hielt die bevorzugten Vorgehensweisen in dem Protokoll fest,
d.h. bemühte sich um eine wortgetreue Niederschrift der Arztberichte. Dies wurde fortgesetzt
bis das Thema erschöpfend behandelt war (Sättigung der thematischen Bandbreite). Hieraus
wurde ein Leitlinienentwurf bis zur nächsten Sitzung erarbeitet.
Anschließend wurde das Vorgehen bei der Eröffnung schwerwiegender Diagnosen anhand
dieses Entwurfs diskutiert. Danach wurden die provisorisch formulierten Empfehlungen
überarbeitet und im Konsens verabschiedet.
Die nachfolgende Evaluation zielte darauf ab, zu einer unabhängigen Einschätzung der
Nützlichkeit dieses Gesprächsleitfadens in der Praxis zu kommen und dessen Wert für
die ärztliche Weiter- und Fortbildung auszuloten. Die Handlungsleitlinie wurde an
60 niedergelassene Ärzte aus Nord-Württemberg und 19 Weiterbildungsassistenten ausgegeben.
Insgesamt wurden 39 Fragebögen zur Bewertung zurückgegeben, davon 18 von Weiterbildungsassistenten
und 21 von niedergelassenen Ärzten.
Ergebnisse
Ergebnisse
Aus den vorausgehenden familienmedizinischen Fallvorstellungen wurden rasch vier inhaltliche
Bereiche (1. Zielgruppendefinition, 2. Diagnostik, 3. Vorgehen, 4. Koordination) für
die Leitlinie zusammengestellt, die später um zwei weitere (Beispiele und sonstiges:
EBM, ICD-10) ergänzt wurden. Die Leitlinie gliedert sich in folgende Teile:
Definition unterschiedlicher Zielgruppen
Beschreibung und Klassifizierung der häufigsten Beratungsgründe:
Fragen des Patienten oder der Angehörigen in Zusammenhang mit Beschwerden, diagnostischen
oder therapeutischen Maßnahmen
Abgeschlossene Stufendiagnostik mit Bestätigung einer schwerwiegenden Erkrankung
Der Patient wird von seinem Hausarzt zur weiteren Diagnostik überwiesen, wobei mit
der Feststellung einer lebensverändernden Erkrankung zu rechnen ist
Zufallsbefunde bei Routineuntersuchungen, z.B. beim Check-up, Sonographie
Der Patient wird aus dem Krankenhaus entlassen und ist unzureichend aufgeklärt.
Eine rechtzeitige Diagnoseeröffnung ist unterlassen worden, z.B. auf Drängen der Familienangehörigen,
der terminale Zustand des Patienten zwingt den Arzt jetzt zum Handeln
Die Familienangehörigen müssen aufgeklärt werden.
Herausgestellt sei insbesondere die Tatsache, dass die Eröffnung und Erörterung einer
lebensverändernden Diagnose - wie in der Abrechnungslegende des EBM 1996 unter GOP
17 vorgesehen - keinesfalls die gesamte Bandbreite des „breaking bad news”-Problems
widergibt. Schwierige Beratungssituationen bestehen insbesondere bereits bei der Befundmitteilung,
wenn die definitive Diagnose noch gar nicht feststeht. Der Hausarzt muss einerseits
eine somatische Fixierung vermeiden, anderseits wahrhaftig sein.
Anamnese
Ziel ist eine auf das Notwendige und Wesentliche konzentrierte Sammlung von Informationen
vor Einleitung einer Diagnoseaufklärung. Hier wurde betont, dass die Sicherstellung
einer definitiven Diagnose (z.B. bei bösartiger Erkrankung die histologische Verifizierung)
notwendig ist. Obsolet nach der übereinstimmenden Meinung der Ärzte ist die Diagnoseaufklärung
in einer Sitzung, ohne vorher die Belastbarkeit, die Ängste und die Hoffnungen eruiert
zu haben und den möglichen Einbezug der Familie und anderer sozialer Ressourcen geklärt
zu haben. Zusammenfassend ist eine bio-psycho-soziale Gesamtdiagnose Voraussetzung
für die Durchführung der Diagnoseaufklärung.
Die Beratung und Behandlung des Patienten und seiner Familie
Hier werden Orientierungshilfen für die Gesprächsführung gegeben. Grundsätzlich soll
dem Patienten und seinen Angehörigen die Wahrheit gesagt werden. Bei jeder schwerwiegenden
Erkrankung besteht ein Basisinformationsbedürfnis zum Umgang mit der Krankheit und
die Auswirkungen auf die weitere Lebensplanung und die Familie. Kriterien für eine
bewusste Unterlassung der Diagnoseaufklärung zum Schutze und Wohle des Patienten und
das Vorgehen in problematischen Situationen (Krankheitsverleugnung) werden beschrieben.
Koordination
Ausgehend von der hausärztlichen Versorgungsebene, für die Handlungsstrategien definiert
wurden, folgt in diesem Abschnitt die Empfehlung für Kooperation mit anderen Versorgungsebenen
(„Schnittstellenproblematik”). Da der Hausarzt Diagnostik mehr koordiniert als selbst
durchführt, ist die Einheit der definitiven Diagnosestellung und Diagnoseaufklärung
im ambulanten Bereich häufig nicht gegeben. Der Hausarzt als Koordinator sollte bei
Überweisungen zur Abklärung einer bedrohlichen Verdachtsdiagnose auch die Aufklärung
des Patienten mit einbeziehen. Bei einem Zielauftrag sollte dem Patienten die Diagnose
von seinem Hausarzt mitge-teilt oder weiter erläutert werden. Bei einer Konsiliaruntersuchung
oder einem Rahmenauftrag steht der untersuchende Konsiliararzt mit in der Pflicht,
den Patienten auf die Erkrankung vorzubereiten. Hausarzt und Spezialist sollten die
Möglichkeit des kollegialen Austauschs nicht nur dazu allein nutzen, das Krankheitsbild
zu erörtern, sondern sich immer über die Patientenaufklärung informieren. Nach Entlassung
aus einem Krankenhaus ist die Frage der Diagnosemitteilung häufig offen, da Arztbriefe
oft noch nicht vorliegen bzw. diesbezüglich lückenhaft sind. Der Hausarzt muss dann
vorsichtig durch offene Fragen den Kenntnisstand sondieren. Ein (telefonisches) Konsil
zwischen Krankenhausarzt/anderem Facharzt/Vertreter und dem Hausarzt wird zur Abstimmung
der Beratungsstrategie empfohlen. Der Hausarzt sollte Angehörige anderer Berufsgruppen,
z. B. Pflegekräften, die in die Behandlung des Patienten einbezogen sind, über die
Aufklärung des Patienten informieren. Der Patient sollte auf eine Selbsthilfegruppe
hingewiesen und zu der Inanspruchnahme dieser Unterstützung ermuntert werden. Der
Vorteil eines Qualitätszirkels liegt unter anderem darin, dass regionale Besonderheiten
berücksichtigt und eine direkte Absprache mit Fachkollegen rasch umgesetzt werden
kann.
Sonstiges
Als weitere Abschnitte wurden später (nach der Evaluation auf Anregung der Ärzte)
Hinweise zur ICD-10 sowie zum EBM gewünscht.
Beispiele für schwierige Beratungssituationen
Beispiele für schwierige Beratungssituationen
Eine 44-jährige Frau berichtet in der Sprechstunde, dass sie mehrmals Blutauflagerungen
auf dem Stuhlgang beobachtet habe. Sie befürchtet nun, Darmkrebs zu haben. In ihrer
Vorgeschichte finden sich zahlreiche Überweisungen wegen funktioneller Beschwerden
ohne pathologischem Befund. Ihre Mutter starb 72-jährig an einem Kolon-Karzinom.
Ein 50-jähriger Patient, der vor kurzem von seiner Frau geschieden wurde, klagt über
atypischen Brustschmerz. Obwohl die psychosoziale Belastung offensichtlich ist, Risikofaktoren
fehlen und vorhergegangene Befunde incl. des letzten Check-up ohne pathologischen
Befund sind, führt der Hausarzt ein Belastungs-EKG durch, um sich und den Patienten
zu beruhigen. Zu seiner eigenen Überraschung zeigen sich hochsignifikante ST-Senkungen
in den Brustwandableitungen. Er muss den Befund nun unvorbereitet mitteilen.
Ein 63-jähriger Patient ist für eine Bypassoperation bei KHK vorgesehen, intraoperativ
wird ein Bronchustumor festgestellt. Es wird eine Lobektomie durchgeführt, der Patient
anschließend entlassen, er kommt zum Hausarzt, und fragt, Herr Doktor, was soll aus
mir werden. Der Arztbrief mit der Histologie liegt noch nicht vor, der Arzt muss also
ehrlich sagen, ich weiß es auch (noch) nicht.
Bei einem 82-jährigen wird anlässlich einer Durchuntersuchung die Verdachtsdiagnose
Prostatakarzinom gestellt. Da aufgrund des Alters und der Begleiterkrankungen des
Patienten ohnehin eine stark reduzierte Lebenserwartung vorliegt, behält der behandelnde
Arzt vorerst die Diagnose für sich, weil keine therapeutische Konsequenz zu erwarten
sind. Der Arzt möchte jedoch die Kinder einweihen.
Ein Mann mit kolorektalem Karzinom, der bereits gepflegt wird, es bestehen blutige
Durchfälle, die Krankheit ist offensichtlich. In der Familie wird über die Erkrankung
nicht offen gesprochen. Er, der immer der Aktive und Gesunde war, traut sich nicht,
mit seiner Familie über die behindernde Erkrankung zu sprechen. Schließlich und endlich
überwindet er sich und bittet seinen Hausarzt, mit seinen Angehörigen zu reden.
Ergebnisse der Evaluation:
Ergebnisse der Evaluation:
Der Wert dieser Leitlinie lag für die Ärzte in dem Erkenntnisprozess bei ihrer Zusammenstellung.
Trotzdem interessierte angesichts der Fülle vorhandener, jedoch nicht evaluierter
Gesprächsleitfäden zumindest die Validität für den praktizierenden Arzt. Das Gesamturteil
über die Handlungsleitlinie findet sich in [Abbildung 1 ]. Der Beratungsleitfaden wurde allgemein als gut beurteilt, wobei das Urteil der
Weiterbildungsassistenten besser war als das der bereits niedergelassenen Kollegen.
Das differenzierte Urteil über die Handlungsleitlinie ist in [Abbildung 2 ] dargestellt. Mehr als 80 % aller befragten Ärzte stimmten der Aussage zu, dass die
Leitlinie zu einer Verbesserung der Patientenversorgung beitragen kann und in der
Praxis auch umsetzbar ist.
Die 21 niedergelassenen Ärzte returnierten 37 Patientenvignetten, mit denen die Nützlichkeit
der Handlungsleitlinie in einer konkreten Beratungssituation überprüft werden konnte
[Tab. 1 ] Bei 34 Beratungen hat sich nach Ansicht der externen Ärzte die Handlungsleitlinie
bewährt, bei 3 nicht. Bei den durchgeführten Beratungen handelte es sich um eine breite
Spanne im Bezug auf das Alter, die Diagnosen und den Beratungskontext der Patienten.
Diskussion
Diskussion
Die Zielsetzung der Leitlinienentwicklung liegt in der Beschreibung angemessenen,
aufgabengerechten Handelns im Rahmen hausärztlicher bzw. allgemeinmedizinischer Grundversorgung.
Sie dienen damit dem Wohle und Schutz des Patienten und fordern, das Notwendige und
Angemessene zu tun.
Leitlinien sind systematisch entwickelte Empfehlungen, die Grundlagen für die gemeinsame
Entscheidungsfindung von Ärzten und deren Patienten zu einer im Einzelfall sinnvollen
gesundheitlichen Versorgung darstellen. Je nach dem Grad ihrer wissenschaftlichen
Begründbarkeit haben sie unterschiedliche Verbindlichkeitsstufen. Im Rahmen des Demonstrationsprojekts
war die Entwicklung von Handlungsleitlinien für die hausärztliche Versorgung psychisch
und psychosomatisch kranker Patienten geplant. Hierbei wurde darauf Wert gelegt, dass
Leitlinien von praktizierenden Ärzten selbst entworfen und beurteilt wurden. Dies
begründete sich in dem damaligen wissenschaftlichen Sachstand, demnach die Leitlinienentwicklung
in Qualitätszirkeln die beste Strategie zur dauerhaften Erzielung von Qualitätsverbesserungen
darstellt. Ferner erbrachte eine Literatursuche in Pubmed zu wenig Studien zum Thema.
Die vorhandene Evidenz ist zwar gewachsen auf 167 Studien in nunmehr 24 Jahren (Pubmed-Recherche,
Januar 2003) und hat einige Statements der Leitlinie wie auch den qualitativen methodischen
Ansatz bestätigt [7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[13 ]. Trotzdem wird die Tatsache und Art der Diagnosevermittlung immer noch kontrovers
beurteilt und die vorhandene Evidenz ist lückenhaft. Beispielweise ist eine Diagnoseeröffnung
keine Garantie für eine bessere Krankheitsbewältigung [2 ]. Die systematische Übersicht über Wahrhaftigkeit mit der Diagnose Demenz konnte
keine randomisierte kontrollierte Studien finden [8 ]. Ferner sind keineswegs alle klassischen Konstellationen erforscht, die Mehrheit
der Studien konzentriert sich zum Thema „Krebs”, obwohl die häufigsten Diagnoseeröffnungen
bei Hypertonie und Diabetes in der Allgemeinpraxis anfallen. Zudem bestehen sowohl
auf Seiten des Gesundheitssystems als auch auf Seiten der Patienten kulturell und
krankheitsbedingt unterschiedliche Einstellungen zum Thema [4 ]
[7 ]
[21 ]
[22 ]. Überraschend ist auch die Tatsache, dass trotz aller Bemühungen die konsequente
Anwendung einer evidenz-basierten Leitlinie durch Hausärzte keine Verbesserung der
Patientenversorgung von Depressiven brachte [20 ]. Gerade bei komplexen Problemen mit Forschungslücken, wie sie in der Allgemeinpraxis
häufig sind, kann daher ein qualitatives, familienmedizinisches Verfahren bei der
Leitlinienentwicklung Vorteile bringen und für eine bessere Implementierung sorgen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Entwicklung von Leitlinien im Qualitätszirkel
möglich und eine Evaluation über Panel- und Praxistests sinnvoll ist. Die Struktur
der entwickelten Leitlinie zeigt, dass Hinweise für die Gesprächsführung in der Psychosomatischen
Grundversorgung wesentlicher sind als die stringente Beschreibung notwendiger, überflüssiger
oder obsoleter Vorgehensweisen. Die Validität des Leitfadens konnte nur aus der Sicht
der Ärzte beurteilt werden, da die Beratungssituation bei der Diagnoseaufklärung komplex
und schwierig ist und eine Evaluation mit Patientenfragebögen oder Videodokumentationen
in dieser Situation nicht zumutbar war. Es hat sich gezeigt, dass ein Bedarf nach
solchen Leitfäden besteht, die sowohl von Ärzten in der Weiterbildung als von bereits
niedergelassenen Ärzten für die Verbesserung der Patientenversorgung geeignet erscheinen
und in der Praxis umsetzbar sind. Zahlreiche telefonisch oder schriftlich eingegangene
Kommentare deuten an, dass gerade die Beschreibung von Kriterien für eine bewusste
Abweichung eines ansonsten für richtig gehaltenen Vorgehens, nämlich dem Patienten
gegenüber wahrhaftig zu sein, für die Ärzte hilfreich waren. Änderungen in der Gesetzgebung
(Einführung der Disease-Management-Programme) und medizinischer Fortschritt (Gen-Tests)
werden die Notwendigkeit, sich hierzulande mit der Befund- und Diagnosemitteilung
zu beschäftigen und zu optimieren, eher verstärken.
Abb. 1
Abb. 2
Tab. 1 Praxistest[1 ] Handlungsleitlinie Diagnoseeröffnung
Soziodemographie:
n=37
Männer
21 (53,8 %)
Altersspanne
1 Monat - 82 Jahre
Beratungssituation:
Zufallsbefund
9 (23,1 %)
laufende Abklärung
7 (17,9 %)
Gesicherte Diagnose
21 (53,8 %)
Diagnosen:
Präkanzerose, Krebs
16 (41,0 %)
körperliche Krankheit[2 ]
14 (35,9 %)
psychische Krankheit
2 ( 5,1 %)
Schwangerschaft, Infertilität
5 (12,8 %)
Praxistauglichkeit:
Handlungsleitlinie hat sich bewährt
34 (87,2 %)
1 Überprüfung nach Lesen der Leitlinie anhand der nächsten Diagnoseeröffnung in der
Praxis, Case series von 39 Patienten
2 z.B. Diabetes, koronare Herzkrankheit, Apoplex, Missbildungen