Klinische Mitteilungen weisen auf eine erhebliche Variation in der Risikobeurteilung,
Diagnostik, Prävention und Therapie der steroidinduzierten Osteoporose und ihrer Frakturen
hin. Bisher existierte in Deutschland zu diesem Problemkreis keine evidenzbasierte
und konsentierte Leitlinie der dritten Entwicklungsstufe nach den Vorgaben der „Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften” (AWMF) und des „Ärztlichen
Zentrums für Qualität” (ÄZQ). Ziel der Leitlinie ist ein systematisches und effizientes
Vorgehen bei der Diagnostik, Prophylaxe und Therapie der glukokortikoidinduzierten
Osteoporose bei Patienten (18 Jahre und älter), die an einer rheumatoiden Arthritis
(RA), einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung[* ] (COPD) oder einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) erkrankt sind und
die im Rahmen dieser Grunderkrankung systemisch mit Steroiden behandelt wurden, werden
oder werden sollen.
Auch wenn sich die hier empfohlenen Interventionen hauptsächlich an der Dauer und
Menge der eingenommenen Steroide orientieren, sind diese Empfehlungen nicht ohne weiteres
auf Patienten mit anderen Grunderkrankungen übertragbar. Die Daten auf die wir uns
beziehen, wurden im Wesentlichen in Untersuchungen der oben genannten Krankheitsgruppen
gewonnen, von einer unkritischen Übertragung dieser Ergebnisse auf andere Erkrankungen
raten wir ab.
Epidemiologie
Epidemiologie
Der Begriff Osteoporose bezeichnet eine systemische Skeletterkrankung mit Verminderung
der Knochenmasse und Verschlechterung der Mikroarchitektur mit entsprechend reduzierter
Festigkeit und erhöhter Frakturneigung des Knochengewebes. Die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) definiert die Osteoporose allerdings allein über den Verlust von Knochenmasse
im Licht der „dual X-ray absorptiometry” (DXA). Als Grenzwert für eine Osteoporose
gilt eine Standardabweichung von 2,5 und mehr unter dem Mittelwert einer Referenzpopulation
junger geschlechtsgleicher Frauen (so genannter T-Wert).
Eine manifeste Osteoporose ist durch das zusätzliche Vorliegen einer Fraktur nach
einem nur geringen Trauma gekennzeichnet. Eine Osteopenie liegt bei Messwerten unterhalb
-1 und oberhalb von -2,5 Standardabweichungen vor. Unter den sekundären Osteoporosen
ist die glukokortikoidinduzierte Osteoporose die Häufigste. Glukokortikoide werden
bei einer Vielzahl von entzündlichen Systemerkrankungen eingesetzt. Diese Leitlinie
konzentriert sich exemplarisch auf die drei oben genannten Grunderkrankungen. [Tabelle 1 ] zeigt die wichtigsten epidemiologischen Daten zu diesen Erkrankungen, den auftretenden
Osteoporose-Häufigkeiten und zur Steroidbehandlung.
Klinischer Algorithmus
Klinischer Algorithmus
Die Ergebnisse der systematischen Literaturrecherche, der Evidenzbewertungen und des
sich anschließenden Konsensprozesses finden sich im klinischen Algorithmus (Abb. 1),
der als schematisierte und systematisierte Handlungsanweisung die Vorgehensweise bei
der glukokortikoidinduzierten Osteoporose beschreibt.
Empfehlungen zur Vorgehensweise
Ob bei rheumatoider Arthritis, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder chronisch
entzündlicher Darmerkrankung - im Verlauf der ersten sechs Monate der Therapie ist
der steroidinduzierte Knochendichteverlust am höchsten. Darüber hinaus gilt: Je höher
die Glukokortikoiddosen und je länger die Therapiedauer gewählt wurden, desto größer
ist das Frakturrisiko. Allerdings lassen sowohl die klinische Erfahrung als auch in
jüngster Zeit einige Studien vermuten, dass die Steroidsensibilität des Knochens bei
den behandelten Patienten sehr großen Variationen unterliegt. So zeigen sich bei Patienten,
die sehr hohe tägliche und kumulative Steroiddosen einnehmen, häufig keine messbaren
Effekte am Knochen und nur eine geringe Frakturhäufigkeit. Andere Patienten dagegen
erleiden bereits sehr früh in der Initialphase einer niedrig dosierten Steroidtherapie
Frakturen.
Klinisch und gestützt auf klinische Studien liegt es daher nahe, zwei Patientengruppen
zu unterscheiden:
Zu den so genannten „inzidenten Patienten” zählen solche mit rheumatoider Arthritis,
chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder chronisch entzündlicher Darmerkrankung,
die erstmals oder nach wenigstens einjähriger Pause erneut eine Steroidtherapie mit
wenigstens 7,5 mg/d Prednisolonäquivalent für voraussichtlich wenigstens sechs Monate
erhalten und solche mit neu aufgetretenen klinisch apparenten osteoporotischen Frakturen
(unabhängig von Höhe und Dauer einer Steroidtherapie).
Erhalten die Patienten seit mindestens sechs Monaten Steroide in einer Mindestdosierung
von 7,5 mg/d gehören sie in die Gruppe der so genannten „prävalenten Patienten”. Dazu
zählen auch die Patienten, die eine wenigstens sechsmonatige Steroidtherapie der oben
genannten Dosierung vor weniger als zwölf Monaten abgeschlossen hatten und vor oder
am Anfang einer erneuten Therapie stehen.
Um zu zeigen, ob in Zukunft auch Patienten mit niedrigeren Steroiddosen bzw. unter
oder vor inhalativen Steroiden in die Zielgruppe dieser Leitlinie aufgenommen werden
müssen, sind weitere prospektive Studien nötig. Auch für den Nutzen einer Therapie
mit Bisphosphonaten fehlt bei Patienten unter niedrig dosierten Steroiden ausreichende
Evidenz.
Zur Abschätzung des individuellen Frakturrisikos sollten neben der Grunderkrankung
(Krankheitsdauer, -aktivität bzw. -schweregrad und Steroidanamnese) weitere Risikofaktoren
im Rahmen der Anamnese und körperlichen Untersuchung erfasst und bewertet werden [Tab. 2 ]. Bisher konnte aus der Anzahl und der Gewichtung von Risikofaktoren allerdings kein
Risikoscore entwickelt werden, mit dem nachweislich ein Risikoassessment zur Osteoporose
mit relevantem prognostischen Wert möglich würde. Zusätzlich zu Anamnese und körperlicher
Untersuchung sollte ein Basislabor bestimmt werden [Tab. 3 ].
Biomarker
Biomarker
Derzeit sind eine Reihe von biochemischen Markern des Knochenstoffwechsels untersucht
worden. Doch sowohl ihre pathophysiologische Interpretation als auch ihre Testcharakteristika
lassen es derzeit nicht zu, sie routinemäßig bei der Diagnostik der Osteoporose einzusetzen.
Sie sollten nur zur Differenzialdiagnose in besonderen Situationen von Spezialisten
verwendet werden.
Allgemeine Prophylaxe
Allgemeine Prophylaxe
Bei allen Patienten ist eine allgemeine medikamentöse Prophylaxe mit Kalzium (1000-1500
mg täglich) und Vitamin D (400-8000 IU täglich) zu empfehlen. Zusätzlich sollten sie
eine Beratung zu den modifizierbaren Risikofaktoren erhalten:
die Vermeidung eines alimentären Kalzium- und Vitamin-D-Mangels
die Risiken von Untergewicht (BMI < 20) und drastischen Gewichtsabnahmen
Maßnahmen zur Sturzprophylaxe
Hinweis auf den Nutzen von physischer Aktivität insbesondere zur Senkung des Sturzrisikos
Nikotinkarenz
Vermeidung schädlichen Alkoholkonsums.
Glukokortikoide sollten - wo irgend möglich - durch eine suffiziente, eventuell intensivierte
Behandlung der Grunderkrankung eingespart werden.
Knochendichtemessung
Knochendichtemessung
Für alle Patienten ergibt sich aufgrund der Steroideinnahme unmittelbar die Indikation
zur Knochendichtemessung. Dazu empfiehlt sich - angesichts der WHO-Definition der
Osteoporose und der in den meisten Diagnostik- und Therapiestudien benutzten Methode
- die Messung der Knochendichte mittels DXA. Die DXA ist damit die Methode der Wahl.
Die quantitative Computertomografie und die Osteosonometrie können aufgrund der derzeitigen
Datenlage weder zur Primärdiagnostik noch zur Therapiekontrolle empfohlen werden.
Personen unter 75 Jahren sollten an der Lendenwirbelsäule und am Gesamtfemur (total
hip), Personen im Alter von 75 und mehr Jahren zunächst nur am Gesamtfemur gemessen
werden. Ergibt diese Messung einen T-Wert von maximal -2,5, kann eine Messung an der
Wirbelsäule entfallen. Bei T-Werten zwischen -1 und oberhalb von -2,5 für prävalente
Patienten und zwischen -1 und über -1,5 für inzidente Patienten sollte jedoch auch
an der Lendenwirbelsäule eine Knochendichtemessung durchgeführt werden, um Frakturen
an dieser Stelle nicht zu übersehen. Bei erniedrigter Knochendichte müssen weitere
Erkrankungen, die mit einer Osteopenie bzw. einer Osteoporose und/oder einer Steroidtherapie
einhergehen - wie zum Beispiel eine Osteomalazie, ein Myelom oder eine renale Osteopathie
- ausgeschlossen werden.
Röntgen
Röntgen
Zum Auffinden osteoporosetypischer Wirbelkörperverformungen bei inzidenten Patienten
mit T-Werten zwischen -1 und über -1,5 und bei prävalenten Patienten mit T-Werten
zwischen -1 und über -2,5 ist eine Röntgenaufnahme der Brust- und der Lendenwirbelsäule
indiziert. Liegen die Knochendichtewerte im behandlungsbedürftigen Bereich (≤ -1,5
bei inzidenten und ≤ -2,5 bei prävalenten Patienten), sollte beim Auftreten von akuten
schweren Rückenschmerzen, im Falle einer Größenabnahme von mehr als 4 cm oder beim
Vorliegen typischer auf Frakturen hinweisender Skelettdeformitäten eine Röntgenaufnahme
der Brust- und Lendenwirbelsäule durchgeführt werden.
Medikamentöse Prävention und Therapie
Medikamentöse Prävention und Therapie
Ergibt die DXA-Messung bei inzidenten Patientinnen einen T-Wert ≤ -1,5, empfiehlt
die Leitlinie die Einleitung einer präventiv intendierten medikamentösen Behandlung
mit Bisphosphonaten zur Frakturreduzierung. Bei den inzidenten Patienten ist die Interventionsschwelle
niedriger, da diese in den ersten Monaten nach einer Steroidtherapie sehr viel höhere
Knochendichteverluste als die prävalenten Patienten aufweisen. Doch auch bei prävalenten
Patienten, bei denen bereits eine osteoporotische Fraktur vorliegt, gilt diese Interventionsschwelle
(≤ -1,5), da aufgrund der Fraktur ein deutlich erhöhtes Risiko für weitere Frakturen
besteht.
Bei allen anderen prävalenten Fällen empfiehlt die Leitlinie als Interventionsschwelle
einen T-Wert von ≤ -2,5. Auch hier sind Bisphosphonate das Therapeutikum der ersten
Wahl. Bei günstigeren Messergebnissen ist neben der allgemeinen Prophylaxe ein Abwarten
angezeigt.
Therapieempfehlungen
Als Therapeutika der ersten Wahl für postmenopausale Frauen gelten die Bisphosphonate.
Eine Zulassung zur Behandlung der glukokortikoidinduzierten Osteoporose liegt in Deutschland
für Risedronat und Etidronat nur für postmenopausale Frauen vor. Für die Wirksamkeit
von Alendronat bei steroidinduzierter Osteoporose existieren zwar Untersuchungen,
die Zulassung ist jedoch auf die Behandlung der postmenopausalen Osteoporose und der
Osteoporose des Mannes beschränkt. Die Zulassungssitution ist widersprüchlich. Während
bei den postmenopausalen Frauen für die Behandlung der glukokortikoidinduzierten Osteoporose
eine gesonderte Zulassung vorliegt, fehlt diese bei Männern. Unklar ist, ob diese
Zulassung auch für männliche Patienten angenommen werden darf.
Für Bisphosphonate dagegen liegen für Männer und prämenopausale Frauen mit glukokortikoidinduzierter
Osteoporose bisher keine Zulassungen vor. Für diese Personengruppen kann daher lediglich
auf die Studienlage verwiesen werden. Bei der Verschreibung von Bisphosphonaten für
die oben genannten Personengruppen sind die Modalitäten eines so genannten „Off-Label-Gebrauchs
zu berücksichtigen.
Besteht eine Indikation zur medikamentösen Therapie, eignet sich Risedronat (5 mg/d)
in Kombination mit einer allgemeinen Prophylaxe mit Kalzium und Vitamin D3 . Alternativ kann auch Etidronat (zyklisch 400 mg/d für 14 Tage) appliziert und anschließend
für 76 Tage Kalzium (mindestens 500 mg) gegeben werden. Als Verordnungszeitraum sind
zwei bis drei Jahre vorzusehen. Für längere bzw. kürzere Therapien liegen zurzeit
keine ausreichenden Daten vor. Bislang sind die Langzeitwirkungen der Bisphosphonate
nicht ausreichend untersucht. Frauen im gebärfähigen Alter sollten nur bei gesicherter
Kontrazeption mit Bisphosphonaten behandelt werden.
Zu Bewegungstherapie, Physiotherapie und physikalischer Therapie existieren bisher
nur Daten auf Expertenebene. Diese bestätigen den klinischen Nutzen dieser Maßnahmen.
Therapiealternativen
Bei Unverträglichkeit der täglichen oralen Bisphosphonatgabe wird häufig zunächst
auf die wöchentliche orale oder auf die i.v.-Gabe ausgewichen. Auch hier sind die
Modalitäten des „off-label-use” zu beachten.
Weitere medikamentöse Therapiealternativen sind Calcitonin, Alphacalcidol/Calcitriol
und Fluoride. Von einer postmenopausalen Hormontherapie zur Prophylaxe der Osteoporose,
vor allen Dingen mit Kombinationspräparaten, muss aufgrund der in der WHI[1 ]-Studie beobachten Nebenwirkungen abgeraten werden. Näheres zu diesem und anderen
Alternativtherapeutika findet sich in der Dokumentation dieser Leitlinie und in der
Leitlinie für die postmenopausale Osteoporose. Die zu erwartenden raschen Fortschritte
in der Prävention und Therapie der steroidinduzierten Osteoporose sind zu berücksichtigen.
Grundsätzlich sind die Kontraindikationen und Einnahmevorschriften (hier insbesondere
bei den Bisphosphonaten) der empfohlenen Präparate einzuhalten.
Therapiekontrolle
Bei inzidenten Patienten sollte das Ergebnis der Therapie nach 12-24 Monaten mittels
DXA überprüft werden. Schreitet der Knochendichteverlust fort, ist die Therapie an
die aktuelle Situation anzupassen (alle Zeiträume zur Wiederholungsmessung hängen
zum einen vom individuellen Krankheitsverlauf und zum anderen von der individuellen
Steroidtherapie der Patienten ab). Bei Messergebnissen oberhalb der genannten Interventionsschwellen
sind aufmerksames Abwarten und eine Wiederholungsmessung bereits nach sechs bis zwölf
Monaten zu empfehlen. Liegt deren Ergebnis bei einer Standardabweichung von -2 oder
darunter, dann stellt sich grundsätzlich die Indikation zur oben beschriebenen medikamentösen
Prävention.
Bei Ergebnissen oberhalb der Interventionsschwelle und fortgesetzter Steroidtherapie
ist nach den Empfehlungen zum Management prävalenter Patienten vorzugehen: In diesen
Fällen sollte eine Wiederholungsmessung nicht vor 12-24 Monaten nach der ersten Messung
der Knochendichte durchgeführt werden. Zeigen sich individuelle Verläufe ohne einen
messbaren Einfluss der Steroide auf die Knochendichte des Patienten („steroidresistent”),
so sind nach einer individuellen Risikoabschätzung noch größere Untersuchungsintervalle
möglich.
Kontrolluntersuchungen
Eine Behandlung mit Bisphosphonaten über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren bedarf
einer besonderen Indikationsstellung. Denn noch sind Effektivität und Risiken einer
langfristigen Therapie ungenügend untersucht. Die Indikation zu erneuter Therapie
ergibt sich aus den Ergebnissen der Nachbeobachtung der Patienten. Wird die Steroidtherapie
beendet, entfällt grundsätzlich ein starker Risikofaktor.
Abhängig von den Ergebnissen der Kontroll- und der Ausgangsknochendichte sowie dem
Vorliegen weiterer starker Risikofaktoren ist über die Fortführung der Bisphosphonattherapie
zu entscheiden. Wird die Steroidtherapie innerhalb von zwölf Monaten wieder aufgenommen,
gilt der Patient als prävalenter Fall. Dauert die Behandlungspause länger an, wird
der Patient erneut als inzidenter Fall eingestuft.
Offene Fragen
Offene Fragen
Die Datenlage zur Fraktursenkung durch Bisphosphonate reicht noch nicht aus, um abschließend
beurteilt werden zu können. Alendronat zeigte bei der Wirksamkeit auf die Knochendichte
vergleichbare Ergebnisse wie Etidronat und Risedronat, besitzt jedoch in Deutschland
keine Zulassung für die Behandlungsindikation „glukokortikoidinduzierte Osteoporose”.
Auf die Unsicherheiten hinsichtlich einer längerfristigen Behandlung mit Bisphosphonaten
wurde hingewiesen.
Unzureichend zur Beurteilung der Wirksamkeit bei der Behandlung der glukokortikoidinduzierten
Osteoporose ist auch die Datenlage für weitere Substanzen wie Calcitonin, Alfacalcidol,
Fluoridpräparate, Hormonersatztherapie und Parathormon. Dieses gilt im gleichen Maße
für Kombinationen der genannten Substanzen miteinander und insbesondere mit Bisphosphonaten.
Für selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERM), Anabolika und Statine fanden sich
keine Daten zur Bedeutung dieser Substanzen bei der Behandlung von RA-, CED- und COPD-Patienten
mit steroidinduzierter Osteoporose.
Ganz unbefriedigend ist die Datenlage zur Inzidenz von Frakturen (und Stürzen) bei
Patienten mit einer der drei Grunderkrankungen unter Berücksichtigung früherer oder
prävalenter Frakturen, verschiedener Ausgangswerte der Knochendichte und unterschiedlicher
Steroiddosen (täglich, kumulativ). Studien zur Häufigkeit der Steroidsensibilität
und zur Identifikation steroidsensibler Patienten könnten helfen, die individuell
erheblich unterschiedlichen Osteoporoserisiken der Glukokortikoidpatienten zu bestimmen
und verlässliche Therapieinterventionsschwellen zu benennen. Es fehlen bisher Studien,
die eine eindeutige Bestimmung der T-Werte als Präventions- und Therapieschwellen
ermöglichen.
Offen ist auch die Frage, wie bei Patienten mit osteoporosetypischen Frakturen bei
normaler oder wenig erniedrigter Knochendichte vorgegangen werden sollte. Ist bei
ihnen eine Behandlung mit Bisphosphonaten indiziert? In Anbetracht der großen Anzahl
Betroffener sind weitere Studien zum oben postulierten Forschungsbedarf durchzuführen.
Ausblick
Ausblick
Eine Patientenleitlinie steht kurz vor der Fertigstellung. Die Dynamik im Forschungsbereich
der glukokortikoidinduzierten Osteoporose ist so groß, dass eine erste Aktualisierung
dieser Leitlinie innerhalb der nächsten 18 Monate nach Veröffentlichung geplant ist.
Dabei sollen auch die Praxistauglichkeit und der Effekt der Leitlinie im Hinblick
auf Leitlinien-Compliance (Prozessqualität) und klinische Ergebnisse (Ergebnisqualität)
- nach Möglichkeit auch die ökonomischen Effekte der Leitlinie - evaluiert werden.
Darüber hinaus sollen strukturelle Barrieren (z.B. fehlende oder unzureichende Schnittstellen
der Versorgung) und andere Einflussfaktoren auf die Umsetzung der Leitlinie in der
Praxis identifiziert werden.
Abb. 1
Tab. 1 Epidemiologische Daten
Grunderrel. krankung
Inzidenz in Deutschland
Prävalenz in Deutschland
Anteil Frauen
Erkrankungs-gipfel (Faktor)
Häufigkeit Osteoporose
Häufigkeit Osteopenie
rel. Fraktur risiko ohne Steroide
Steroid-behand lung
rel. Fraktur risiko unter Steroiden
RA
14-70 pro
0,5 %
1,5
> 50 Jahre
Frauen: 20 %
Frauen: 40 %
Frauen: 1,2 Männer (mit schweren Bewegungseinschränkungen): 1,3
15-20 % aller Patienten (mehr als 7,5 mg/d)
studien-abhängig:1,5-5,2
100000 (Nord-europa)
(0,3-1,0 %)
CED (Ergebnisse aus Studien, in denen CU und MC nicht getrennt ausgewertet wurden)
1,3-1,7
bis zu 75 % ein oder mehrmals
CU
4-6 pro
40-60 pro
0,6-0,99
25.-54.
18 %
67 %
keine sicheren Daten
100000
100000
Lebensjahr
MC
5 pro
30-145 pro
1,5-2,0
15.-29.
37 %
55 %
2,5
keine sicheren Daten
100000
100000 (Nord-europa)
Lebensjahr
COPD
keine sicheren Daten
ca. 5 %
ca. 0,5
> 50 Jahre
Männer unter Steroiden: 72 %
Männer unter Steroiden:36 %
morph. mind. eine Wirbelkörperfraktur: 49 %
keine sicheren Daten
(morph. mind. eine Wirbelkör- perfraktur: inhalativ: 57 % systemisch: 63 %)
RA = rheumatoide Arthritis, CED = chronisch entzündliche Darmerkrankung, CU = Colitis
ulcerosa, MC = Morbus Crohn, COPD = chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Tab. 2 Risikofaktoren
vorbestehende Frakturen nach Niedrigenergie-Trauma, Abnahme der Körpergröße von >
4 cm seit dem jungen Erwachsenenalter oder > 2 cm seit der letzten Messung
sehr niedriges Körpergewicht (BMI < 20) oder Gewichtsabnahme von > 10 % seit dem jungen
Erwachsenenalter oder seit der letzten Messung
hohes Sturzrisiko
Alter > 70 Jahre
stark eingeschränkte Mobilität
Tab. 3 Basislabor
Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein, Blutbild
im Serum: Kalzium, Phosphat, Kreatinin, alkalische Phosphatase (AP), γGT,
basales thyreoidstimulierendes Hormon (= TSH); Cave: der TSH-Wert kann unter Glukokortikoideinnahme
erniedrigt sein
Eiweißelektrophorese