Der Klinikarzt 2003; 32(5): 168-173
DOI: 10.1055/s-2003-39452
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Evidenzbasierte und konsentierte Leitlinie Diagnostik, Prävention und Therapie der glukokortikoidinduzierten Osteoporose

Evidence-based Guideline - Diagnostic, Prevention and Therapy of Glucocorticoid-induced OsteoporosisV. Mittermayer1 , V. Müller1 , H. Raspe1
  • 1Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, für die DVO-Arbeitsgruppe „Leitlinie glukokortikoidinduzierte Osteoporose”(Direktor: Prof. Dr. H. Raspe)
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Anschrift für die Verfasser

Viola Mittermayer

Institut für Sozialmedizin

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck

Beckergrube 43-47

23552 Lübeck

Publication History

Publication Date:
26 May 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Für Patienten mit einer glukokortikoidinduzierten Osteoporose (GIO) kann für Deutschland eine erhebliche Fehl-, Unter- bzw. Überversorgung angenommen werden. Ziel des Dachverbandes Osteologie (DVO) war es, eine evidenzbasierte und konsentierte Leitlinie der dritten Entwicklungsstufe nach den Vorgaben der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und des Ärztlichen Zentrums für Qualität (ÄZQ) zu erstellen, um die bestehenden Versorgungsdefizite abzubauen und zukünftig eine standardisierte, auf wissenschaftliche Evidenz begründete Diagnostik, Prävention und Therapie der glukokortikoidinduzierten Osteoporose zu unterstützen. Da eine Vielzahl von Erkrankungen eine Steroidbehandlung notwendig macht und die Bedeutung der einzelnen Grunderkrankungen am Entstehen einer Osteoporose bisher unzureichend untersucht sind, wurde die Leitlinie exemplarisch für Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis, einer entzündlichen Darmerkrankung oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung entwickelt.

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Summary

In Germany the management of glucocorticoid-induced osteoporosis (GIO) is characterized by a substantial over-, under- or misuse of care. By developing a set of evidence-based consensus guidelines the Federation of German, Austrian and Swiss Societies of Osteology (DVO) intends to implement standardized diagnostic, preventive and therapeutic procedures for the care of GIO patients. For many diseases requiring systemic glucocorticoids it is not clear whether osteoporosis is caused by the steroid medication, the underlying condition or their combination. Therefore the guideline focuses only on three paradigmatic conditions: rheumatoid arthritis, inflammatory bowel disease and chronic obstructive pulmonary disease.

Klinische Mitteilungen weisen auf eine erhebliche Variation in der Risikobeurteilung, Diagnostik, Prävention und Therapie der steroidinduzierten Osteoporose und ihrer Frakturen hin. Bisher existierte in Deutschland zu diesem Problemkreis keine evidenzbasierte und konsentierte Leitlinie der dritten Entwicklungsstufe nach den Vorgaben der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften” (AWMF) und des „Ärztlichen Zentrums für Qualität” (ÄZQ). Ziel der Leitlinie ist ein systematisches und effizientes Vorgehen bei der Diagnostik, Prophylaxe und Therapie der glukokortikoidinduzierten Osteoporose bei Patienten (18 Jahre und älter), die an einer rheumatoiden Arthritis (RA), einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung[*] (COPD) oder einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) erkrankt sind und die im Rahmen dieser Grunderkrankung systemisch mit Steroiden behandelt wurden, werden oder werden sollen.

Auch wenn sich die hier empfohlenen Interventionen hauptsächlich an der Dauer und Menge der eingenommenen Steroide orientieren, sind diese Empfehlungen nicht ohne weiteres auf Patienten mit anderen Grunderkrankungen übertragbar. Die Daten auf die wir uns beziehen, wurden im Wesentlichen in Untersuchungen der oben genannten Krankheitsgruppen gewonnen, von einer unkritischen Übertragung dieser Ergebnisse auf andere Erkrankungen raten wir ab.

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Epidemiologie

Der Begriff Osteoporose bezeichnet eine systemische Skeletterkrankung mit Verminderung der Knochenmasse und Verschlechterung der Mikroarchitektur mit entsprechend reduzierter Festigkeit und erhöhter Frakturneigung des Knochengewebes. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert die Osteoporose allerdings allein über den Verlust von Knochenmasse im Licht der „dual X-ray absorptiometry” (DXA). Als Grenzwert für eine Osteoporose gilt eine Standardabweichung von 2,5 und mehr unter dem Mittelwert einer Referenzpopulation junger geschlechtsgleicher Frauen (so genannter T-Wert).

Eine manifeste Osteoporose ist durch das zusätzliche Vorliegen einer Fraktur nach einem nur geringen Trauma gekennzeichnet. Eine Osteopenie liegt bei Messwerten unterhalb -1 und oberhalb von -2,5 Standardabweichungen vor. Unter den sekundären Osteoporosen ist die glukokortikoidinduzierte Osteoporose die Häufigste. Glukokortikoide werden bei einer Vielzahl von entzündlichen Systemerkrankungen eingesetzt. Diese Leitlinie konzentriert sich exemplarisch auf die drei oben genannten Grunderkrankungen. [Tabelle 1] zeigt die wichtigsten epidemiologischen Daten zu diesen Erkrankungen, den auftretenden Osteoporose-Häufigkeiten und zur Steroidbehandlung.

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Klinischer Algorithmus

Die Ergebnisse der systematischen Literaturrecherche, der Evidenzbewertungen und des sich anschließenden Konsensprozesses finden sich im klinischen Algorithmus (Abb. 1), der als schematisierte und systematisierte Handlungsanweisung die Vorgehensweise bei der glukokortikoidinduzierten Osteoporose beschreibt.

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Empfehlungen zur Vorgehensweise

Ob bei rheumatoider Arthritis, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder chronisch entzündlicher Darmerkrankung - im Verlauf der ersten sechs Monate der Therapie ist der steroidinduzierte Knochendichteverlust am höchsten. Darüber hinaus gilt: Je höher die Glukokortikoiddosen und je länger die Therapiedauer gewählt wurden, desto größer ist das Frakturrisiko. Allerdings lassen sowohl die klinische Erfahrung als auch in jüngster Zeit einige Studien vermuten, dass die Steroidsensibilität des Knochens bei den behandelten Patienten sehr großen Variationen unterliegt. So zeigen sich bei Patienten, die sehr hohe tägliche und kumulative Steroiddosen einnehmen, häufig keine messbaren Effekte am Knochen und nur eine geringe Frakturhäufigkeit. Andere Patienten dagegen erleiden bereits sehr früh in der Initialphase einer niedrig dosierten Steroidtherapie Frakturen.

Klinisch und gestützt auf klinische Studien liegt es daher nahe, zwei Patientengruppen zu unterscheiden:

  • Zu den so genannten „inzidenten Patienten” zählen solche mit rheumatoider Arthritis, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder chronisch entzündlicher Darmerkrankung, die erstmals oder nach wenigstens einjähriger Pause erneut eine Steroidtherapie mit wenigstens 7,5 mg/d Prednisolonäquivalent für voraussichtlich wenigstens sechs Monate erhalten und solche mit neu aufgetretenen klinisch apparenten osteoporotischen Frakturen (unabhängig von Höhe und Dauer einer Steroidtherapie).

  • Erhalten die Patienten seit mindestens sechs Monaten Steroide in einer Mindestdosierung von 7,5 mg/d gehören sie in die Gruppe der so genannten „prävalenten Patienten”. Dazu zählen auch die Patienten, die eine wenigstens sechsmonatige Steroidtherapie der oben genannten Dosierung vor weniger als zwölf Monaten abgeschlossen hatten und vor oder am Anfang einer erneuten Therapie stehen.

Um zu zeigen, ob in Zukunft auch Patienten mit niedrigeren Steroiddosen bzw. unter oder vor inhalativen Steroiden in die Zielgruppe dieser Leitlinie aufgenommen werden müssen, sind weitere prospektive Studien nötig. Auch für den Nutzen einer Therapie mit Bisphosphonaten fehlt bei Patienten unter niedrig dosierten Steroiden ausreichende Evidenz.

Zur Abschätzung des individuellen Frakturrisikos sollten neben der Grunderkrankung (Krankheitsdauer, -aktivität bzw. -schweregrad und Steroidanamnese) weitere Risikofaktoren im Rahmen der Anamnese und körperlichen Untersuchung erfasst und bewertet werden [Tab. 2]. Bisher konnte aus der Anzahl und der Gewichtung von Risikofaktoren allerdings kein Risikoscore entwickelt werden, mit dem nachweislich ein Risikoassessment zur Osteoporose mit relevantem prognostischen Wert möglich würde. Zusätzlich zu Anamnese und körperlicher Untersuchung sollte ein Basislabor bestimmt werden [Tab. 3].

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Biomarker

Derzeit sind eine Reihe von biochemischen Markern des Knochenstoffwechsels untersucht worden. Doch sowohl ihre pathophysiologische Interpretation als auch ihre Testcharakteristika lassen es derzeit nicht zu, sie routinemäßig bei der Diagnostik der Osteoporose einzusetzen. Sie sollten nur zur Differenzialdiagnose in besonderen Situationen von Spezialisten verwendet werden.

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Allgemeine Prophylaxe

Bei allen Patienten ist eine allgemeine medikamentöse Prophylaxe mit Kalzium (1000-1500 mg täglich) und Vitamin D (400-8000 IU täglich) zu empfehlen. Zusätzlich sollten sie eine Beratung zu den modifizierbaren Risikofaktoren erhalten:

  • die Vermeidung eines alimentären Kalzium- und Vitamin-D-Mangels

  • die Risiken von Untergewicht (BMI < 20) und drastischen Gewichtsabnahmen

  • Maßnahmen zur Sturzprophylaxe

  • Hinweis auf den Nutzen von physischer Aktivität insbesondere zur Senkung des Sturzrisikos

  • Nikotinkarenz

  • Vermeidung schädlichen Alkoholkonsums.

Glukokortikoide sollten - wo irgend möglich - durch eine suffiziente, eventuell intensivierte Behandlung der Grunderkrankung eingespart werden.

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Knochendichtemessung

Für alle Patienten ergibt sich aufgrund der Steroideinnahme unmittelbar die Indikation zur Knochendichtemessung. Dazu empfiehlt sich - angesichts der WHO-Definition der Osteoporose und der in den meisten Diagnostik- und Therapiestudien benutzten Methode - die Messung der Knochendichte mittels DXA. Die DXA ist damit die Methode der Wahl. Die quantitative Computertomografie und die Osteosonometrie können aufgrund der derzeitigen Datenlage weder zur Primärdiagnostik noch zur Therapiekontrolle empfohlen werden.

Personen unter 75 Jahren sollten an der Lendenwirbelsäule und am Gesamtfemur (total hip), Personen im Alter von 75 und mehr Jahren zunächst nur am Gesamtfemur gemessen werden. Ergibt diese Messung einen T-Wert von maximal -2,5, kann eine Messung an der Wirbelsäule entfallen. Bei T-Werten zwischen -1 und oberhalb von -2,5 für prävalente Patienten und zwischen -1 und über -1,5 für inzidente Patienten sollte jedoch auch an der Lendenwirbelsäule eine Knochendichtemessung durchgeführt werden, um Frakturen an dieser Stelle nicht zu übersehen. Bei erniedrigter Knochendichte müssen weitere Erkrankungen, die mit einer Osteopenie bzw. einer Osteoporose und/oder einer Steroidtherapie einhergehen - wie zum Beispiel eine Osteomalazie, ein Myelom oder eine renale Osteopathie - ausgeschlossen werden.

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Röntgen

Zum Auffinden osteoporosetypischer Wirbelkörperverformungen bei inzidenten Patienten mit T-Werten zwischen -1 und über -1,5 und bei prävalenten Patienten mit T-Werten zwischen -1 und über -2,5 ist eine Röntgenaufnahme der Brust- und der Lendenwirbelsäule indiziert. Liegen die Knochendichtewerte im behandlungsbedürftigen Bereich (≤ -1,5 bei inzidenten und ≤ -2,5 bei prävalenten Patienten), sollte beim Auftreten von akuten schweren Rückenschmerzen, im Falle einer Größenabnahme von mehr als 4 cm oder beim Vorliegen typischer auf Frakturen hinweisender Skelettdeformitäten eine Röntgenaufnahme der Brust- und Lendenwirbelsäule durchgeführt werden.

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Medikamentöse Prävention und Therapie

Ergibt die DXA-Messung bei inzidenten Patientinnen einen T-Wert ≤ -1,5, empfiehlt die Leitlinie die Einleitung einer präventiv intendierten medikamentösen Behandlung mit Bisphosphonaten zur Frakturreduzierung. Bei den inzidenten Patienten ist die Interventionsschwelle niedriger, da diese in den ersten Monaten nach einer Steroidtherapie sehr viel höhere Knochendichteverluste als die prävalenten Patienten aufweisen. Doch auch bei prävalenten Patienten, bei denen bereits eine osteoporotische Fraktur vorliegt, gilt diese Interventionsschwelle (≤ -1,5), da aufgrund der Fraktur ein deutlich erhöhtes Risiko für weitere Frakturen besteht.

Bei allen anderen prävalenten Fällen empfiehlt die Leitlinie als Interventionsschwelle einen T-Wert von ≤ -2,5. Auch hier sind Bisphosphonate das Therapeutikum der ersten Wahl. Bei günstigeren Messergebnissen ist neben der allgemeinen Prophylaxe ein Abwarten angezeigt.

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Therapieempfehlungen

Als Therapeutika der ersten Wahl für postmenopausale Frauen gelten die Bisphosphonate. Eine Zulassung zur Behandlung der glukokortikoidinduzierten Osteoporose liegt in Deutschland für Risedronat und Etidronat nur für postmenopausale Frauen vor. Für die Wirksamkeit von Alendronat bei steroidinduzierter Osteoporose existieren zwar Untersuchungen, die Zulassung ist jedoch auf die Behandlung der postmenopausalen Osteoporose und der Osteoporose des Mannes beschränkt. Die Zulassungssitution ist widersprüchlich. Während bei den postmenopausalen Frauen für die Behandlung der glukokortikoidinduzierten Osteoporose eine gesonderte Zulassung vorliegt, fehlt diese bei Männern. Unklar ist, ob diese Zulassung auch für männliche Patienten angenommen werden darf.

Für Bisphosphonate dagegen liegen für Männer und prämenopausale Frauen mit glukokortikoidinduzierter Osteoporose bisher keine Zulassungen vor. Für diese Personengruppen kann daher lediglich auf die Studienlage verwiesen werden. Bei der Verschreibung von Bisphosphonaten für die oben genannten Personengruppen sind die Modalitäten eines so genannten „Off-Label-Gebrauchs zu berücksichtigen.

Besteht eine Indikation zur medikamentösen Therapie, eignet sich Risedronat (5 mg/d) in Kombination mit einer allgemeinen Prophylaxe mit Kalzium und Vitamin D3. Alternativ kann auch Etidronat (zyklisch 400 mg/d für 14 Tage) appliziert und anschließend für 76 Tage Kalzium (mindestens 500 mg) gegeben werden. Als Verordnungszeitraum sind zwei bis drei Jahre vorzusehen. Für längere bzw. kürzere Therapien liegen zurzeit keine ausreichenden Daten vor. Bislang sind die Langzeitwirkungen der Bisphosphonate nicht ausreichend untersucht. Frauen im gebärfähigen Alter sollten nur bei gesicherter Kontrazeption mit Bisphosphonaten behandelt werden.

Zu Bewegungstherapie, Physiotherapie und physikalischer Therapie existieren bisher nur Daten auf Expertenebene. Diese bestätigen den klinischen Nutzen dieser Maßnahmen.

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Therapiealternativen

Bei Unverträglichkeit der täglichen oralen Bisphosphonatgabe wird häufig zunächst auf die wöchentliche orale oder auf die i.v.-Gabe ausgewichen. Auch hier sind die Modalitäten des „off-label-use” zu beachten.

Weitere medikamentöse Therapiealternativen sind Calcitonin, Alphacalcidol/Calcitriol und Fluoride. Von einer postmenopausalen Hormontherapie zur Prophylaxe der Osteoporose, vor allen Dingen mit Kombinationspräparaten, muss aufgrund der in der WHI[1]-Studie beobachten Nebenwirkungen abgeraten werden. Näheres zu diesem und anderen Alternativtherapeutika findet sich in der Dokumentation dieser Leitlinie und in der Leitlinie für die postmenopausale Osteoporose. Die zu erwartenden raschen Fortschritte in der Prävention und Therapie der steroidinduzierten Osteoporose sind zu berücksichtigen. Grundsätzlich sind die Kontraindikationen und Einnahmevorschriften (hier insbesondere bei den Bisphosphonaten) der empfohlenen Präparate einzuhalten.

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Therapiekontrolle

Bei inzidenten Patienten sollte das Ergebnis der Therapie nach 12-24 Monaten mittels DXA überprüft werden. Schreitet der Knochendichteverlust fort, ist die Therapie an die aktuelle Situation anzupassen (alle Zeiträume zur Wiederholungsmessung hängen zum einen vom individuellen Krankheitsverlauf und zum anderen von der individuellen Steroidtherapie der Patienten ab). Bei Messergebnissen oberhalb der genannten Interventionsschwellen sind aufmerksames Abwarten und eine Wiederholungsmessung bereits nach sechs bis zwölf Monaten zu empfehlen. Liegt deren Ergebnis bei einer Standardabweichung von -2 oder darunter, dann stellt sich grundsätzlich die Indikation zur oben beschriebenen medikamentösen Prävention.

Bei Ergebnissen oberhalb der Interventionsschwelle und fortgesetzter Steroidtherapie ist nach den Empfehlungen zum Management prävalenter Patienten vorzugehen: In diesen Fällen sollte eine Wiederholungsmessung nicht vor 12-24 Monaten nach der ersten Messung der Knochendichte durchgeführt werden. Zeigen sich individuelle Verläufe ohne einen messbaren Einfluss der Steroide auf die Knochendichte des Patienten („steroidresistent”), so sind nach einer individuellen Risikoabschätzung noch größere Untersuchungsintervalle möglich.

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Kontrolluntersuchungen

Eine Behandlung mit Bisphosphonaten über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren bedarf einer besonderen Indikationsstellung. Denn noch sind Effektivität und Risiken einer langfristigen Therapie ungenügend untersucht. Die Indikation zu erneuter Therapie ergibt sich aus den Ergebnissen der Nachbeobachtung der Patienten. Wird die Steroidtherapie beendet, entfällt grundsätzlich ein starker Risikofaktor.

Abhängig von den Ergebnissen der Kontroll- und der Ausgangsknochendichte sowie dem Vorliegen weiterer starker Risikofaktoren ist über die Fortführung der Bisphosphonattherapie zu entscheiden. Wird die Steroidtherapie innerhalb von zwölf Monaten wieder aufgenommen, gilt der Patient als prävalenter Fall. Dauert die Behandlungspause länger an, wird der Patient erneut als inzidenter Fall eingestuft.

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Offene Fragen

Die Datenlage zur Fraktursenkung durch Bisphosphonate reicht noch nicht aus, um abschließend beurteilt werden zu können. Alendronat zeigte bei der Wirksamkeit auf die Knochendichte vergleichbare Ergebnisse wie Etidronat und Risedronat, besitzt jedoch in Deutschland keine Zulassung für die Behandlungsindikation „glukokortikoidinduzierte Osteoporose”. Auf die Unsicherheiten hinsichtlich einer längerfristigen Behandlung mit Bisphosphonaten wurde hingewiesen.

Unzureichend zur Beurteilung der Wirksamkeit bei der Behandlung der glukokortikoidinduzierten Osteoporose ist auch die Datenlage für weitere Substanzen wie Calcitonin, Alfacalcidol, Fluoridpräparate, Hormonersatztherapie und Parathormon. Dieses gilt im gleichen Maße für Kombinationen der genannten Substanzen miteinander und insbesondere mit Bisphosphonaten. Für selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERM), Anabolika und Statine fanden sich keine Daten zur Bedeutung dieser Substanzen bei der Behandlung von RA-, CED- und COPD-Patienten mit steroidinduzierter Osteoporose.

Ganz unbefriedigend ist die Datenlage zur Inzidenz von Frakturen (und Stürzen) bei Patienten mit einer der drei Grunderkrankungen unter Berücksichtigung früherer oder prävalenter Frakturen, verschiedener Ausgangswerte der Knochendichte und unterschiedlicher Steroiddosen (täglich, kumulativ). Studien zur Häufigkeit der Steroidsensibilität und zur Identifikation steroidsensibler Patienten könnten helfen, die individuell erheblich unterschiedlichen Osteoporoserisiken der Glukokortikoidpatienten zu bestimmen und verlässliche Therapieinterventionsschwellen zu benennen. Es fehlen bisher Studien, die eine eindeutige Bestimmung der T-Werte als Präventions- und Therapieschwellen ermöglichen.

Offen ist auch die Frage, wie bei Patienten mit osteoporosetypischen Frakturen bei normaler oder wenig erniedrigter Knochendichte vorgegangen werden sollte. Ist bei ihnen eine Behandlung mit Bisphosphonaten indiziert? In Anbetracht der großen Anzahl Betroffener sind weitere Studien zum oben postulierten Forschungsbedarf durchzuführen.

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Ausblick

Eine Patientenleitlinie steht kurz vor der Fertigstellung. Die Dynamik im Forschungsbereich der glukokortikoidinduzierten Osteoporose ist so groß, dass eine erste Aktualisierung dieser Leitlinie innerhalb der nächsten 18 Monate nach Veröffentlichung geplant ist. Dabei sollen auch die Praxistauglichkeit und der Effekt der Leitlinie im Hinblick auf Leitlinien-Compliance (Prozessqualität) und klinische Ergebnisse (Ergebnisqualität) - nach Möglichkeit auch die ökonomischen Effekte der Leitlinie - evaluiert werden. Darüber hinaus sollen strukturelle Barrieren (z.B. fehlende oder unzureichende Schnittstellen der Versorgung) und andere Einflussfaktoren auf die Umsetzung der Leitlinie in der Praxis identifiziert werden.

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Abb. 1

Tab. 1 Epidemiologische Daten

Grunderrel. krankung

Inzidenz in Deutschland

Prävalenz in Deutschland

Anteil Frauen

Erkrankungs-gipfel (Faktor)

Häufigkeit Osteoporose

Häufigkeit Osteopenie

rel. Fraktur risiko ohne Steroide

Steroid-behand lung

rel. Fraktur risiko unter Steroiden

RA

14-70 pro

0,5 %

1,5

> 50 Jahre

Frauen: 20 %

Frauen: 40 %

Frauen: 1,2 Männer (mit schweren Bewegungseinschränkungen): 1,3

15-20 % aller Patienten (mehr als 7,5 mg/d)

studien-abhängig:1,5-5,2

100000 (Nord-europa)

(0,3-1,0 %)

CED (Ergebnisse aus Studien, in denen CU und MC nicht getrennt ausgewertet wurden)

 

 

 

 

 

 

1,3-1,7

bis zu 75 % ein oder mehrmals

 

CU

4-6 pro

40-60 pro

0,6-0,99

25.-54.

18 %

67 %

 

 

keine sicheren Daten

100000

100000

Lebensjahr

MC

5 pro

30-145 pro

1,5-2,0

15.-29.

37 %

55 %

2,5

 

keine sicheren Daten

100000

100000 (Nord-europa)

Lebensjahr

COPD

keine sicheren Daten

ca. 5 %

ca. 0,5

> 50 Jahre

Männer unter Steroiden: 72 %

Männer unter Steroiden:36 %

morph. mind. eine Wirbelkörperfraktur: 49 %

keine sicheren Daten

(morph. mind. eine Wirbelkör- perfraktur: inhalativ: 57 % systemisch: 63 %)

RA = rheumatoide Arthritis, CED = chronisch entzündliche Darmerkrankung, CU = Colitis ulcerosa, MC = Morbus Crohn, COPD = chronisch obstruktive Lungenerkrankung

Tab. 2 Risikofaktoren
  • vorbestehende Frakturen nach Niedrigenergie-Trauma, Abnahme der Körpergröße von > 4 cm seit dem jungen Erwachsenenalter oder > 2 cm seit der letzten Messung

  • sehr niedriges Körpergewicht (BMI < 20) oder Gewichtsabnahme von > 10 % seit dem jungen Erwachsenenalter oder seit der letzten Messung

  • hohes Sturzrisiko

  • Alter > 70 Jahre

  • stark eingeschränkte Mobilität

  • weibliches Geschlecht

  • verkürzte reproduktive Phase der Frau,unabhängig von der Ursache

Tab. 3 Basislabor
  • Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein, Blutbild

  • im Serum: Kalzium, Phosphat, Kreatinin, alkalische Phosphatase (AP), γGT,

  • basales thyreoidstimulierendes Hormon (= TSH); Cave: der TSH-Wert kann unter Glukokortikoideinnahme erniedrigt sein

  • Eiweißelektrophorese

0 Der Begriff COPD umfasst die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem und deren Kombinationen, schließt dagegen das Asthma bronchiale aus

1 women's health initiative

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Anschrift für die Verfasser

Viola Mittermayer

Institut für Sozialmedizin

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck

Beckergrube 43-47

23552 Lübeck

0 Der Begriff COPD umfasst die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem und deren Kombinationen, schließt dagegen das Asthma bronchiale aus

1 women's health initiative

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Anschrift für die Verfasser

Viola Mittermayer

Institut für Sozialmedizin

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck

Beckergrube 43-47

23552 Lübeck

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Abb. 1