Der Landkreis Dachau umfasst eine Fläche von 870 qkm mit einer Bevölkerung von insgesamt
129000 Einwohnern. Der südliche Landkreis grenzt direkt an die Landeshauptstadt München
und weist eine eher großstädtische Struktur auf. Im Norden des Landkreises besteht
größtenteils eine ländliche Besiedelung mit geringer Bevölkerungsdichte.
Seit dem 1. Januar 2000 werden alle präklinischen Wiederbelebungsversuche im Rettungsdienstbereich
Dachau erfasst. Die folgenden Daten basieren auf der Auswertung der ersten zwei Jahre
dieser Reanimationsstudie, vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2001.
Rahmenbedingungen
Der Rettungsdienst wird ausschließlich durch das Bayerische Rote Kreuz betrieben.
Die mit zwei Rettungswagen (RTW) und drei Krankenwagen (KTW) besetzte Hauptrettungswache
befindet sich in der Kreisstadt Dachau. Im nördlichen und westlichen Landkreisgebiet
sind zwei RTW-besetzte Außenwachen eingerichtet.
Die notärztliche Versorgung wird durch zwei Notarzteinsatzfahrzeuge in Dachau und
an einer Außenwache sichergestellt. Diese werden im Wechsel durch Klinikärzte und
niedergelassene Ärzte besetzt. Der Landkreis liegt im Einsatzradius der Rettungshubschrauber
Christoph 1 (München) sowie Christoph 32 (Ingolstadt), die bei Nichtverfügbarkeit
der NEF (Notarzt-Einsatzfahrzeug) beziehungsweise in entlegenen Notfallorten zum Einsatz
kommen.
Seit mehreren Jahren wird mit großem Aufwand ein an die Einsatzfahrzeuge des BRK (Bayerisches
Rotes Kreuz) gebundenes Frühdefibrillationsprojekt durchgeführt. Alle Fahrzeuge sind
mit halbautomatischen externen Defibrillatoren (AED) ausgestattet; das Personal wird
seit mehreren Jahren anhand von Algorhythmen in deren Anwendung geschult und in der
Durchführung erweiterter Notkompetenzmaßnahmen geprüft. Zusätzlich wurden in verzögert
erreichbaren Gemeinden insgesamt drei First Responder Systeme eingerichtet und ebenfalls
mit AEDs ausgerüstet.
Die Notrufannahme sowie Alarmierung und Disposition der Fahrzeuge erfolgt über eine
gemeinsame Rettungsleitstelle der benachbarten Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck,
Landsberg und Starnberg. Durch diese Gegebenheiten besteht ein geschlossenes Patientengut,
das ausnahmslos erfasst und ausgewertet werden kann.
Datenerfassung
In die Erfassung eingeschlossen wurden alle Fälle, in denen ein Patient einen funktionellen
Herz-Kreislaufstillstand erlitt und mit Reanimationsmaßnahmen begonnen wurde. Es gab
keinerlei sonstige Ausschlusskriterien. Diese Fälle wurden anhand eines auf den Rettungsmitteln
vorgehaltenen Protokolls dokumentiert. Zusätzlich wurden alle von dem Rettungsdienstpersonal
durchgeführten Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz in einem weiteren Protokoll festgehalten.
Anonym erfasst wurden im Protokoll patientenbezogene Daten wie Geschlecht und Alter
sowie der Ort des Kreislaufstillstandes. An logistischen Daten wurden neben den eingesetzten
Fahrzeugen die Alarmierungsuhrzeit, die Uhrzeit des ersteintreffenden Fahrzeugs und
der Beginn der Reanimationsmaßnahmen dokumentiert. An medizinischen Daten wurde der
primäre EKG-Rhythmus, die vermutliche Reanimationsursache und natürlich der primäre
Erfolg sowie Outcome der Reanimation festgehalten. Alle primär erfolgreichen Reanimationen
wurden bis zur Klinikentlassung nachverfolgt.
Ergebnisse
Im gesamten Rettungsdienstbereich Dachau gab es in den Jahren 2000 und 2001 insgesamt
196 Reanimationen. Auffällig war eine signifikante Mehrzahl an männlichen Patienten
(118 männlich, 78 weiblich), von 60,2 %. Im zweiten Jahr war eine leichte Steigerung
von 90 auf 106 Reanimationen zu verzeichnen.
Altersverteilung
Der Altersgipfel lag zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr, im Durchschnitt bei 62,3
Jahren [Abb. 1]. Bei der Betrachtung nach Lebensjahrzehnten war eine deutliche Steigerung vom vierten
zum fünften Lebensjahrzehnt (elf im Vergleich zu 39 Fällen) zu verzeichnen. Insgesamt
wurde eine hohe Anzahl an Reanimationen im Kindes- und Jugendalter - insgesamt elf
Reanimationen unter dem 20. Lebensjahr - erfasst.
Einsatzzeiten
Bezüglich der Einsatzzeiten zeigte sich ein Schwerpunkt in den Vormittags- und Nachmittagsstunden.
In der Nacht zwischen 23 Uhr und 6 Uhr fanden insgesamt nur 13 % der Reanimationen
statt [Abb. 2].
Reanimationsmaßnahmen
Am häufigsten fand ein Herz-/Kreislaufstillstand zu Hause in der Wohnung statt [Abb. 3], [Abb. 4]. Es zeigte sich, dass in den meisten Fällen der RTW (59 %) vor dem NEF (24 %) eintraf.
In 17 % der Fälle waren beide gleichzeitig am Einsatz [Abb. 5]. Aufgrund dessen kam es in 52 Fällen zur Anwendung von AED-Geräten beziehungsweise
Durchführung von Notkompetenzmaßnahmen durch nichtärztliches Rettungsdienstpersonal
[Abb. 6]. In 27 Fällen wurde eine Frühdefibrillation bei Kammerflimmern durchgeführt, in
16 Fällen eine erfolgreiche endotracheale Intubation. In neun Fällen wurde vor Eintreffen
des Notarztes Adrenalin appliziert.
Dabei begann der Rettungsdienst in über 70 % der Fälle mit den Reanimationsmaßnahmen,
in nur 29,5 % begannen Laien mit der Wiederbelebung [Abb. 7].
Medizinische Daten
Als primär angenommene Ursache der Reanimation ergab sich in der Mehrzahl der Fälle
eine internistische Ursache (74 %). 6 % der Fälle waren chirurgische, 18 % waren unklarer
oder sonstiger Genese, dabei stellten Ertrinkungsunfälle die größte Untergruppe dar
[Abb. 8].
In der ersten registrierten EKG-Ableitung zeigte sich bei 48,5 % eine Asystolie. In
34,2 % war der primäre Rhythmus ein Kammerflimmern. In 17 % lagen andere Rhythmen
vor [Abb. 9].
Beim Outcome wurde unterschieden zwischen primär erfolgreichen Reanimationen mit Spontankreislauf
und Transport in das Krankenhaus, sowie sekundär Überlebende von mehr als 48 Stunden.
Als tertiäres Überleben galt die Entlassung aus dem Krankenhaus.
In insgesamt 80 der 196 erfolgten Reanimationen konnte eine primär erfolgreiche Reanimation
verzeichnet werden, dies entspricht 40,8 % der Fälle [Abb. 10].
In den Jahren 2000/2001 konnten von 196 Reanimationen 18 Patienten die Klinik wieder
verlassen (9 %). Zwölf davon waren ohne wesentliches neurologisches Defizit [Tab. 1].
Zusammenfassung
Mit der Erfassung der Reanimationsdaten wurde für den Landkreis Dachau erstmalig ein
Überblick über Häufigkeit und Qualität der Reanimationsbehandlung geschaffen. Diese
Basisdaten zeigen im Vergleich mit internationalen Daten ein respektables Niveau der
Behandlungsqualität. Der kontinuierliche Ausbau der Ausbildung, der Aufbau eines funktionierenden
Frühdefibrillationssystems und eine geregelte Freigabe der Notkompetenzmaßnahmen sind
sicherlich die Grundlage der Reanimationserfolge. Jede weitere Korrektur oder Veränderung
des Systems kann anhand der Veränderung der Überlebensdaten auf seine Wirksamkeit
überprüft werden. Gleichzeitig kann durch die Erfassung der Daten ein sensibler Parameter
geschaffen werden, um Fehler im System frühzeitig zu erfassen und Gegenmaßnahmen zu
ergreifen.
Damit wurde ein wichtiger Teil der Qualitätssicherung im Rettungsdienst eingeführt.
Auch hinsichtlich der in Zukunft sicher kommenden Neuerungen beziehungsweise vermeintlicher
Verbesserungen im Bereich der Reanimation - wie etwa die Anwendung von AED durch Laien
- wurde eine Ausgangsdatenlage geschaffen, an der sich diese orientieren und messen
können.
Besonderer Dank gilt dem Rettungsdienstpersonal des BRK Dachau, ohne deren Mitarbeit
die Datenerhebung nicht möglich gewesen wäre.