Wie viele andere Organe ist der Herzmuskel nicht oder nur in begrenztem Maße zur Regeneration
fähig [5]. Daher führt auch eine Schädigung des Herzmuskels, zum Beispiel durch einen Herzinfarkt,
zu einer nahezu irreversiblen Schädigung des Gewebes und seiner Funktion. Die Folgen
sind Vernarbung und kardiale Dysfunktion. Zwar können Herzmuskelzellen zu einem gewissen
Anteil möglicherweise aus dem Knochenmark regeneriert werden, wie neuere Studien zeigen
[3]
[4]. Die klinische Erfahrung belegt allerdings eindeutig, dass dieses Regenerationspotenzial
nicht ausreicht, um eine dauerhafte Schädigung des Herzmuskels nach einem Infarkt
zu verhindern.
Neben anderen Ansätzen ist die Zelltransplantation ein innovatives Verfahren, durch
das die Regeneration des Herzmuskels verbessert werden soll. Ziel ist es letztendlich,
geschädigte Herzmuskelzellen strukturell und funktionell durch neu eingebrachte Zellen
zu ersetzen. Am besten und ausführlichsten wurde diese Methode bei der Therapie des
Herzinfarkts untersucht.
Experimentelle Daten
Experimentelle Daten
Seit der Publikation der ersten experimentellen Studien zur Zellersatztherapie am
Herzen [8]
[18] wurden zahlreiche Ansätze getestet, um zerstörtes Herzmuskelgewebe zu ersetzen.
Dabei wurden unterschiedliche Zelltypen eingesetzt, die sich im Wesentlichen unterteilen
lassen in eine Gruppe unreifer Muskelzellen - wie fetale oder neonatale Kardiomyozyten
bzw. Myoblasten des Skelettmuskels - und in Stammzellen, welche die Fähigkeit besitzen,
einen muskulären Phänotyp zu entwickeln.
Unreife Muskelzellen haben den nahe liegenden Vorteil, dass sie keiner kompletten
Differenzierung oder Transdifferenzierung bedürfen, um die kardiale Funktion zu unterstützen.
Sie müssen 'lediglich' ausreifen. Diese Zellen scheinen daher auch außerordentlich
geeignet, um das Gesamtkonzept der Zelltransplantation und insbesondere ihren Einfluss
auf die Funktion des Herzens zu untersuchen. Tatsächlich zeigte sich bei der Transplantation
von Skelettmyoblasten von fetalen und neonatalen Kardiomyozyten nach Myokardinfarkt
ein günstiger Effekt auf die myokardiale Funktion, im Sinne einer verbesserten Herzauswurfleistung
[Abb. 1], einer verminderten Dyskinesie im Infarktareal [10] und einer gesteigerten Kontraktilität (dP/dt) [7].
Dabei ist aber bisher noch nicht eindeutig geklärt, ob für diesen Effekt parakrine
Mechanismen, eine mechanische Stabilisierung der Narbe durch die neue Zellpopulation
oder ein aktiver Beitrag der Spenderzellen zur Kontraktion verantwortlich sind [10]. In einer Studie, in der fetale Kardiomyozyten in Herzen von Mäusen nach Kryoverletzung
(dem Herzen wird eine Narbe durch ein in flüssigem Stickstoff gekühltes Metallstück
zugefügt) injiziert wurden, zeigte sich sogar eine verbesserte Überlebenswahrscheinlichkeit
der behandelten Tiere im Vergleich zur Kontrollgruppe [14].
Zur Vorsicht vor übergroßem Optimismus mahnen Studien, in denen echokardiografisch
eine verbesserte Kontraktilität gefunden wurde, obwohl zum Zeitpunkt der Messung keine
Spenderzellen mehr nachweisbar waren [16]. Dennoch gibt es zahlreiche viel versprechende Befunde, die einen Erfolg der kardialen
Zellersatztherapie möglich erscheinen lassen. So können Spenderzellen nach der Injektion
in infarzierte Myokardareale nachgewiesenermaßen langfristig überleben und zu einer
Verdickung der Narbe beitragen [Abb. 2] [10]
[11].
Zu der Gruppe der unreifen Herzmuskelzellen, gehören auch solche, die aus embryonalen
Stammzellen gewonnen wurden. Auch diese Zellen konnten bei Ratten nach Myokardinfarkt
die linksventrikuläre Funktion verbessern [2]. Beim Menschen können Herzmuskelzellen ebenfalls aus embryonalen Stammzellen gewonnen
werden [6]. Diese wurden aber noch nicht für einen Zellersatz am Herzen eingesetzt. Allen unreifen
Herzmuskelzellen ist gemein, dass sie allogen transplantiert werden müssen, wenn man
die Möglichkeit des therapeutischen Klonens unberücksichtigt lässt. Daher - und aufgrund
ihrer begrenzten Verfügbarkeit (außer Zellen aus embryonalen Stammzellen) und wegen
der ethischen Bedenklichkeit ihrer Gewinnung (nach Schwangerschaftsabbruch?) - werden
unreife Herzmuskelzellen in absehbarer Zeit für den klinischen Einsatz bedeutungslos
bleiben. Andererseits sind sie aber unverzichtbare Werkzeuge für die experimentelle
Untersuchung grundsätzlicher Fragen der kardialen Zellersatztherapie.
Im Gegensatz zu den unreifen Herzmuskelzellen können unreife Skelettmuskelzellen aus
Muskelbiopsien der betroffenen Patienten selbst gewonnen werden und nach Heranzüchtung
in der Petrischale als autologe Transplantate in das Herz injiziert werden [9]. Dieses Vorgehen wurde sowohl bei Kaninchen mit Kryoverletzung des Herzens [21] als auch bei Ratten nach Myokardinfarkt durch Ligatur der linken Koronararterie
erfolgreich durchgeführt [15]. Aufgrund dieser frühen Erfolge und der Möglichkeit zur autologen Zelltransplantation
wurden Skelettmuskelzellen als erster Zelltyp überhaupt zur Zellersatztherapie bei
einem Patienten nach Herzhinterwandinfarkt eingesetzt [9]. Legt man alle bisher vorliegenden Daten zugrunde, die mit unreifen (Herz- oder
Skelett-)Muskelzellen gewonnen wurden, scheint es gerechtfertigt, der Möglichkeit
einer kardialen Zellersatztherapie zur Behandlung des Herzinfarkts mit Optimismus
entgegenzublicken.
Für den klinischen Einsatz einer solchen Therapieform hätten adulte Stammzellen, die
nach der Transplantation zu Herzzellen differenzieren, einige große Vorteile gegenüber
unreifen Herzmuskelzellen: Sie können proliferieren, in verschiedene Zelltypen differenzieren
(schließlich sind 80 % der Zellen des Herzens keine Herzmuskelzellen!), und sie können
autolog gewonnen und appliziert werden, sodass keine Abstoßungsreaktionen zu erwarten
sind. Allerdings ist es wohl nicht trivial, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass
die eingesetzten Stammzellen den richtigen Phänotyp entwickeln. Zudem gibt es keinen
einzelnen fest definierten Stammzelltyp, sodass die richtigen Stammzellen für einen
Zellersatz am Herzen erst gefunden werden müssen.
Trotz dieser und vieler anderer ungeklärter Fragen, waren bereits die ersten experimentellen
Untersuchungen, die mit Knochenmarkstammzellen durchgeführt wurden, überaus erfolgreich.
So zeigten Mäuse, die wenige Stunden nach Ligatur der linken Koronararterie mit solchen
Zellen behandelt wurden, ein regeneriertes Myokard in der Immunfluoreszenz und eine
verbesserte linksventrikuläre Hämodynamik [12]. In einer anderen Studie reichte sogar die Mobilisierung von Knochenmarkstammzellen
durch die subkutane Gabe von Wachstumsfaktoren aus, um die Herzfunktion und sogar
das Überleben von Mäusen nach Myokardinfarkt zu verbessern [13]. Bei Schweinen nach akutem Myokardinfarkt wiesen mesenchymale Knochenmarkstammzellen
zwei Wochen nach der Injektion Charakteristika von Myozyten auf und verbesserten die
linksventrikuläre Funktion [17]. Diese beeindruckenden Ergebnisse haben weltweites Aufsehen erregt. Obwohl der Sprung
vom Tierexperiment zur klinischen Anwendung gewaltig ist, haben sie dazu geführt,
dass inzwischen zahlreiche klinische Studien zu diesem Thema begonnen wurden.
Klinische Studien
Klinische Studien
Philippe Menasche war der erste, der einen Patienten nach Hinterwandinfarkt mit einer
Zellersatztherapie behandelte. Im Rahmen einer Bypass-Operation wurden Skelettmuskelzellen,
die zuvor aus einer Muskelbiopsie desselben Patienten gezüchtet wurden, in das Infarktareal
injiziert. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Zum einen traten keinerlei Komplikationen
auf, und darüber hinaus waren die Vitalität und die Kontraktilität der Hinterwand
postoperativ deutlich besser als präoperativ [Abb. 3] [9]. Da gleichzeitig zur Zelltransplantation aber auch Bypass-Gefäße angelegt wurden
(wenn auch nicht auf die rechte Herzkranzarterie), könnte der beobachtete Nutzen aber
auch durch eine verbesserte Perfusion bedingt sein (Stichwort: Myokard im Winterschlaf
- „hybernating myocardium”).
Inzwischen wurden mehr als zehn Patienten auf diese Weise behandelt. Dabei zeigte
sich als einzige - aber nicht zu unterschätzende - Komplikation, dass mehrere Patienten
postoperativ ventrikuläre Tachykardien hatten, was möglicherweise oder sogar wahrscheinlich
auf die implantierten Skelettmuskelzellen zurückzuführen ist.
In Anlehnung an die hervorragenden Ergebnisse mit Knochenmarkstammzellen an Mäusen
haben Steinhoff und Mitarbeiter in Rostock erstmals solche Zellen für die klinische
Therapie des Herzinfarktes genutzt. Sie haben ähnlich wie Menasche die Zellen im Rahmen
einer Bypass-Operation injiziert. Die Ergebnisse der Rostocker Herzchirurgen waren
ähnlich gut wie die der Pariser Arbeitsgruppe, denn sie fanden bei vier Patienten
drei bis neun Monate nach dem Eingriff eine verbesserte linksventrikuläre Funktion
und eine Verbesserung der Perfusion im Infarktareal bei fünf von sechs Patienten [19].
Mittlerweile gibt es auch Studien, in denen die Knochenmarkstammzellen nach akutem
Herzinfarkt und perkutaner transluminaler Koronarangiografie (PTCA) des Infarktgefäßes
einige Tage nach dem Ereignis intrakoronar und nicht chirurgisch appliziert wurden.
Obwohl bisher nicht klar ist, ob und in welchem Umfang transkoronar applizierte Zellen
in das Parenchym gelangen, war bei zehn Patienten nach der Zelltherapie eine Verbesserung
der linksventrikulären Funktion zu beobachten - und dies sowohl im Vergleich zur Situation
prä-PTCA als auch im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit zehn Patienten ohne Zelltherapie
[20]. Allerdings war diese Studie ebenso wie die vorigen nicht randomisiert.
Die wesentlichen signifikanten Unterschiede waren innerhalb der Zelltransplantationsgruppe
nach drei Monaten im Vergleich zum Zeitpunkt vor der PTCA zu sehen, während im Vergleich
zur Kontrollgruppe nur einer der echokardiografischen Parameter signifikant besser
war. Damit ist auch in dieser Studie die Rekanalisation des Infarktgefäßes als mögliche
Ursache für die Verbesserung der Vitalität und der Kontraktilität nicht auszuschließen
[20].
Die TOPCARE-AMI1-Studie versuchte zu differenzieren, ob eine selektierte Population
von Knochenmarkstammzellen (und zwar die endothelialen Progenitorzellen) ebenso wirksam
ist wie eine im wesentlichen unselektierte Population, wie sie Steinhoff und Strauer
verwendeten. Dazu wurden bei Patienten nach Myokardinfarkt entwe- der unselektierte
mononukleäre Knochenmarkzellen oder endotheliale Progenitorzellen intrakoronar appliziert.
Der Vergleich ergab, dass beide Zellpopulationen ähnlich (gut) wirksam waren: Sie
verbesserten die linksventrikuläre Auswurffraktion und die Vitalität im Vergleich
zu einer historischen Kontrollgruppe [1].
Durch eine Injektion von Stammzellen des Knochenmarks oder von Skelettmuskelzellen
wird also - so die Daten aus den vorliegenden Studien - zumindest keine weitere Schädigung
der Herzmuskelfunktion hervorgerufen. Bei der Transplantation von Knochenmarkstammzellen
wurde im Gegensatz zur Transplantation von Skelettmuskelzellen in keinem Fall von
einer erhöhten Arrhythmieneigung der Patienten berichtet, was diesen Zelltyp als vorteilhaft
erscheinen lässt. Andererseits steht der Beweis noch aus, dass die injizierten Knochenmarkzellen
bei Patienten mit Myokardinfarkt tatsächlich zu Herzmuskelzellen oder anderen Herzzellen
differenzieren, die eine echte Myokardregeneration ermöglichen. Wichtigster Punkt
bei der Interpretation der durchgeführten klinischen Studien ist, dass bisher alle
Untersuchungen noch den Nachweis schuldig bleiben, dass durch eine Zellersatztherapie
am Herzen ein positiver Einfluss auf die Herzfunktion im Vergleich zu einer randomisierten
Kontrollgruppe hervorgerufen werden kann.
Ausblick
Ausblick
Auch die neuesten Untersuchungen und Erkenntnisse unterstützen die Ansicht, dass der
kardiale Zellersatz ein äußerst viel versprechender innovativer Therapieansatz ist,
der eine echte Regeneration eines geschädigten Herzens ermöglichen könnte. Allerdings
sind noch lange nicht alle Fragen beantwortet, und einige wichtige Studien stehen
noch aus, bevor die berechtigte Hoffnung auf einen baldigen klinischen Einsatz besteht.
So muss tierexperimentell die Effektivität verschiedener Applikationsformen untersucht
werden: Ist eine transkoronare Applikation tatsächlich sinnvoll oder ist sie möglicherweise
- wegen der diffusen Verteilung der Zellen - sogar ideal? Zudem sind weitere Studien
an größeren Tieren erforderlich, in denen die Frage nach der Arrhythmogenität transplantierter
Zellen untersucht werden kann (an kleinen Tieren ist dies wegen ihrer hohen Herzfrequenz
und Arrhythmieresistenz nicht möglich). Vergleichende Untersuchungen müssen zeigen,
welcher Zelltyp sich für einen solchen Einsatz denn nun tatsächlich am besten eignet,
und mit welcher Zellzahl die besten Ergebnisse erzielt werden können. Schließlich
und vor allem müssen große klinische Studien belegen, dass eine kardiale Zellersatztherapie
bei Herzinfarkt und Herzinsuffizienz zu einer Verbesserung der Lebensqualität und
möglichst auch des Überlebens der Patienten führt. Nur dann wäre ein routinemäßiger
klinischer Einsatz möglich und sinnvoll.
Abb 1. Angiographie des linken Ventrikels von Ratten, die nach Myokardinfarkt mit neonatalen
Herzmuskelzellen behandelt wurden (a), im Vergleich zu Kontrolltieren (laterale Ansicht)
(b). Die rote Linie markiert den diastolischen, die schwarze den systolischen Umfang
des linken Ventrikels. Die Angiographie wurde sechs Monate nach der Therapie durchgeführt
und zeigt beim behandelten Tier (a) eine Infarktnarbe im Bereich der Vorderwand (Pfeil),
aber in allen Bereichen der linksventrikulären Wand sind lumenwärts gerichtete Kontraktionen
nachweisbar. Demgegenüber ist die Vorderwandnarbe beim Kontrolltier (b) aneurysmatisch
verändert und zeigt in der Systole (schwarz) eine auswärts gerichtete Bewegung (Dyskinesie,
Doppelpfeil). Die linksventrikuläre Auswurffraktion betrug bei neun behandelten Tieren
35 ± 3 % gegenüber 25 ± 2 % bei neun Kontrolltieren [10]
Abb 2. Mikroskopische Ansicht (Vergrößerung x10) eines Rattenherzens nach Myokardinfarkt
und Transplantation neonataler Rattenkardiomyozyten (a) gegenüber einem Rattenherz
nach Myokardinfarkt ohne Zelltransplantation (b) (Hämatoxylin und Eosin-Färbung).
Die transplantierten Herzmuskelzellen sind in der Infarktnarbe des behandelten Tieres
deutlich zu erkennen (Pfeil). Als Folge der Zelltransplantation wurde eine signifikante
Verdickung der Infarktnarbe nachgewiesen [10]
Abb 3. 2-Fluoro-18-Deoxyglukose-Positronen-Emissions-Tomographie zum Vitalitätsnachweis
bei einem Patienten mit Hinterwandinfarkt [9]. Im Rahmen einer aortokoronaren Bypass-Operation wurden diesem Patienten autologe
Skelettmuskelmyoblasten in das Infarktareal und seine Umgebung transplantiert. Vor
der Zelltransplantation (und Bypass-Operation) zeigte sich im Bereich der Hinterwand
eine avitale Zone (einfache Pfeile, a). Im Anschluss daran war die Vitalität im Bereich
der Hinterwand gesteigert (Doppelpfeile, b)