PiD - Psychotherapie im Dialog 2003; 4(1): 78-84
DOI: 10.1055/s-2003-37606
Interview
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Was ist aus dem „guten alten” Selbstsicherheitstraining und seinen „Eltern” geworden?

Rita  de Muynck , Rüdiger  Ullrich , Steffen  Fliegel
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. März 2003 (online)

Rita de Muynck und Rüdiger Ullrich haben in den 70er-Jahren das sog. Selbstsicherheitstraining (Assertive-Training-Programm - ATP, später: Soziales-Kompetenz-Training) innerhalb der Verhaltenstherapie entwickelt und eine standardisierte Gruppentherapieversion stationär und ambulant evaluiert. Alle nachfolgenden Konzepte des ATP sowie individueller Therapieangebote orientierten sich an den Gründerideen des ATP.

PiD: Frau De Muynck und Herr Ullrich, zunächst herzlichen Dank, dass Sie nach den vielen Jahren Abstand vom ,Selbstsicherheitstraining’ „mit Freude” zu diesem Interview zugesagt haben. Wer sich in Deutschland mit der Therapie sozialer Angst intensiver beschäftigt, kommt kaum an Ihnen als ,Eltern’ des klassischen Selbstsicherheitstrainings vorbei. Bevor wir aber in dieses fachliche Thema einsteigen, würde ich Sie gerne fragen, womit Sie sich zur Zeit beschäftigen?

R. de Muynck: Ich habe seit mehr als fünfzehn Jahren meine Orientierung gewechselt und bin völlig aus Psychologie und Psychotherapie ausgestiegen und bin drangegangen - um mit meinem Kunstprofessor zu sprechen - nachdem ich damals die Siebentausender bestiegen habe, mich an den Achttausender heranzumachen, als freischaffende Künstlerin in den Bereichen Malerei und Installationen. Und ich verbinde das jetzt auch mit Musik. Aber es gibt bei mir eine sehr starke Verbindung zur Psychologie. Einerseits benutze ich die Trance, ich habe damals nach der Verhaltenstherapie oder als deren Weiterentwicklung ja auch Hypnotherapie gemacht. Jetzt experimentiere ich auch mit gezielten Effekten in der künstlerischen Arbeit, sowohl lehrend als auch als Künstlerin. Und natürlich geht’s mir eigentlich immer noch darum, in der Gesellschaft etwas zu bewirken.

PiD: Haben Sie die Psychotherapie ganz an den Nagel gehängt? Die praktische Psychotherapie?

R. de Muynck: Gänzlich.

PiD: Herr Ullrich, was füllt Ihr Leben zur Zeit aus?

R. Ullrich: Ich bin erst seit zwei Jahren auf dem Weg, etwas ganz anderes zu machen. Meine Tätigkeit im Augenblick besteht vor allem im Aufarbeiten eines riesigen Fotomaterials. Jetzt bin ich an der schwierigen Aufgabe, das zu betexten. Das hat mit Psychologie nur noch sehr wenig zu tun, mehr so eine Metaposition, eine humoristische Darstellung von Entwicklungsschritten, aber es soll mehr so ein Fotoroman werden in Folgen, in dem ich dann die Bilder verwenden kann.

PiD: Haben Sie noch einen praktischen Bezug zur Psychotherapie?

R. Ullrich: Nicht mehr.

PiD: Sie haben damals ja beide psychotherapeutisch gearbeitet. Wie kam es, dass die Arbeit mit Menschen, die unter sozialen Ängsten leiden oder zu wenig soziale Kompetenz haben, zu einem Ihrer fachlichen Schwerpunkte wurde?

R. Ullrich: Ich hatte ja Psychologie und Medizin studiert, und als ich 1969 an das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München kam, bin ich auf die psychiatrische Abteilung gegangen, weil da gerade eine Stelle frei war, bei der Psychologie hätte ich zu lange warten müssen. Ich habe dann zunächst ein bisschen herumexperimentiert, vor allem so im Sinne der damaligen „Zeit der Psychiatrie und der Befreiung”, die Leute aus dem Bett gescheucht und dergleichen. Aber im Grunde war zunächst kein Handwerkszeug vorhanden. Eines Tages hatten wir ,einen Schreibkrampf’ zu behandeln, den unsere verhaltenstherapeutisch sehr offenen, aber doch superanalytisch ausgebildeten Oberen nicht so recht einordnen konnten. Zu dieser Zeit hatte in der psychologischen Abteilung Rita de Muynck bei Herrn Brengelmann bereits einen Schreibkrampf erfolgreich behandelt. Und mir wurde sehr nahe gelegt, dort unten doch ein bisschen Nachhilfeunterricht zu nehmen, was mir damals schwer fiel. Ich habe mich zwei Monate gedrückt, bevor ich dann endlich bei den Psychologen erschien, und wurde auch entsprechend auf die Schippe genommen. Ich habe bei Rita, die die Therapie dann bei uns übernahm, jeden Therapieschritt verfolgt. Abends haben wir dann in der Kneipe sehr kontrovers diskutiert. Der Patient, ein Kriegsversehrter, ein Beamter, war sehr gehemmt und hatte eben diesen Schreibkrampf, aber auch noch viele andere Störungen, wenn man genügend forschte. Und wir fanden mit der Zeit dann immer mehr Motivation zu forschen, was er denn noch hätte, was man noch therapieren könnte.

PiD: Was haben Sie getan?

R. Ullrich: An diesem einen Patienten haben wir das Konzept für das Selbstsicherheitstraining, für diese Selbstsicherheitstherapie entwickelt. Wir haben angefangen mit der Desensibilisierung, der klassischen in-sensu, in Bezug zum Schreiben, haben Biofeedback eingesetzt. Alles natürlich Rita, und zunächst mal mit meiner Opposition. Und dann mussten wir ihm noch eine Neinsagen-Hierarchie verpassen, dass er überhaupt die Aufträge, sich so ausnutzen zu lassen, ablehnen konnte. Schließlich haben wir noch verschiedene andere seiner Störungen desensibilisiert und uns dabei immer besser kennen gelernt. Es war eine der längsten Verhaltenstherapien einzeln, die wir da je gemacht haben. Uns war damals selbst noch nicht klar, welch Gewinn das für unsere Verhaltenstherapie war. Und die Frau des Patienten hatte schon vor der ersten Therapiestunde angefangen, einen Teppich zu weben, den sie uns dann geschenkt hat. Am Ende waren Rita und ich verheiratet, ich zum überzeugten Verhaltenstherapeuten konvertiert und das Selbstsicherheitstraining geboren. Jedenfalls haben wir bei diesem Patienten die wichtigsten Methoden entwickelt, die dann als Konzept in die Forschungsarbeit zur Entwicklung des ATP eingingen. Durch unsere persönliche Verbindung ist es überhaupt erst möglich geworden, damals die Psychiatrie mit dem klinischen Teil und die Psychologie mit dem theoretischen Teil zusammenzubringen. Das war nämlich trotz der Offenheit Max Plancks auch damals noch so, dass es klinische Psychologen zum Testen gab, aber sonst sehr wenig Austausch herrschte. Und ich denke, das waren die wichtigsten Voraussetzungen für unsere weitere Arbeit.

R. de Muynck: Das Witzige an dieser Geschichte war tatsächlich, dass wir uns am Anfang wirklich fachlich gestritten haben bis aufs Messer. Wir sind jeden Abend in die Kneipe gegangen, nachdem wir mit dem Patienten gearbeitet hatten. Jeden Abend, um zu streiten, um kontrovers zu diskutieren. Hundertfünfzig Stunden lang hatte inzwischen die Frau des Patienten diesen einen Teppich geknüpft, den sie uns mit den Worten zu unserer Hochzeit schenkte: „Ich wusste gleich, dass Sie heiraten werden.”

PiD: Wer waren damals Ihre Förderer?

R. Ullrich: Das war von Zerrssen in der psychiatrischen Abteilung, der als primär Psychoanalytiker doch sehr aufgeschlossen war für die Verhaltenstherapie, und Brengelmann, der die Verhaltenstherapie in Deutschland überhaupt reingebracht hat und auch durch sein Wesen sehr integrativ war und immer ausländische Gäste dort hatte, die uns dann die verschiedenen Methoden praktisch nahe brachten.

PiD: Durch Ihr gemeinsames Auftreten haben Sie schon frühzeitig, praktisch zu den Gründerjahren der Verhaltenstherapie in Deutschland, dazu beigetragen, dass die beiden Disziplinen Psychologie und Medizin in einen Konsens kamen. Das war ja in den damaligen Feindschaften zwischen der doch dominierenden Psychoanalyse und der immer mehr Fuß fassenden Verhaltenstherapie und auch im ärztlich geprägten Gesundheitswesen von großer Bedeutung. Was glauben Sie, hat Ihre Arbeit rund um das Selbstsicherheitstraining dazu beigetragen, dass die Verhaltenstherapie an Bedeutung gewinnen konnte?

R. de Muynck: Ich denke, ein wesentlicher Punkt, den wir immer wahnsinnig wichtig gefunden haben, war, dass wir keine Schmalspur-Verhaltenstherapie gesehen haben, sondern einen multifaktoriellen Ansatz. Und Rüdiger hat gerade erklärt, wie das bei diesem Patienten war. Wir haben also nicht bloß diesen Schreibkrampf gesehen, sondern auch den Unterbau, nämlich diese sehr starke persönliche Selbstunsicherheit, in die das Symptom eingebettet war, große Defizite, an denen man auch arbeiten musste. Für uns war es immer wahnsinnig wichtig, dass wir nicht dieses reine behavioristische und Blackbox-orientierte hatten, sondern diesen breiten Ansatz.

PiD: Hat Ihnen das auch Sympathien eingebracht, zum Beispiel bei den analytischen Kolleginnen und Kollegen, eben nicht nur die reine Verhaltensebene oder das Konditionierungsmodell zu sehen?

R. de Muynck: Ich glaube schon. Ich kann mich heute sehr gut an ältere Psychoanalytiker erinnern, die damals sehr viel Sympathie dafür hatten, dass wir unsere Sachen mit viel Verve vertraten. Wir waren wirklich sehr offensiv und sehr überzeugt. Und teilweise haben Analytiker mir gesagt: „Schade, dass ich da schon so festliege, das wäre doch viel eher der Ansatz gewesen....”

R. Ullrich: Wir haben ja sehr früh von der komplexen Verhaltenstherapie gesprochen, in Abgrenzung gegen die rein symptomorientierte Wegmacherei. Wenn wir diesen Schreibkrampf nur symptomorientiert behandelt hätten, also dass er jetzt wieder hätte schreiben können, hätte das nicht gereicht. Er wäre im Leben immer wieder in Konstellationen gekommen, in denen er überfordert gewesen wäre, sich nicht hätte verteidigen können und dergleichen. Und das ATP, dieses Selbstsicherheitstraining, ging eben von vornherein davon aus: Wenn man jemandem etwas wegnimmt, und auch wenn es nur ein Symptom ist, dann muss man ihm einen besseren Ersatz geben. Und ein besserer Ersatz ging eben über die sozial bessere Integration oder über bessere Kommunikation, über besseres Echo von sozialen Verhaltensweisen, also bessere positive Verstärkung für ein neues Verhalten.

PiD: Hat sich diese Meinung bei Ihnen durchgehalten?

R. Ullrich: Also, jemandem etwas nehmen, und sei es ein Symptom, ohne ihm etwas Besseres zu geben, erschien uns damals schon irgendwie als ein recht unfaires Vorgehen. Heute sehe ich es sogar als absolut unrichtiges therapeutisches Design. Und zu Analytikern wollte ich noch etwas sagen: Das ist richtig, was die Rita sagte. Es war damals eine viel größere Toleranz und Offenheit, nicht so wie heute, als Klaus Grawe seine Ergebnisse hier in München vorgestellt hat und er fast gevierteilt worden wäre.

PiD: Das hört sich sehr einseitig an. Kann die Erfahrungserweiterung nicht auch andersherum erfolgen?

R. Ullrich: Mir hat immer geholfen, dass ich wusste, wie die Grenzen der Psychoanalyse im klinischen Bereich sind, nämlich sehr eng. Aber in der weiteren Entwicklung der Verhaltenstherapie habe ich auch immer wieder erlebt, dass VT-Kollegen, wenn sie irgendwo nicht weiterkamen, geliebäugelt haben, ob man nicht bei dieser alten Methode Anleihen machen könnte. Und das war ganz wichtig für mich beim Aufbruch in diese Richtung, ich fühlte mich geschützt.

PiD: Sie haben damals begonnen mit dem Begriff ,Selbstsicherheit’ und daraus ist das ,Selbstsicherheitstraining’ erwachsen. Dann war immer der Begriff ,soziale Angst’ im Gespräch und schließlich wurde von ,sozialer Kompetenz’ gesprochen. Würden Sie aus Ihrer heutigen Sicht einen Unterschied zwischen Ihrer damaligen Definition von ,Selbstsicherheit’ machen und dem, was heute allgemein unter ,sozialer Kompetenz’ verstanden wird?

R. de Muynck: Es fing sogar noch enger gefasst an als ,Selbstsicherheit’, wir begannen mit dem Wort ,Selbstbehauptung’. Und dann haben wir am Max-Planck-Institut den Unsicherheits-Fragebogen (U-Fragebogen) entwickelt, konnten ziemlich viel Leute damit testen, diesen Fragebogen praktisch validieren und testtheoretisch fundiert ausarbeiten. Und dort haben wir mehrere Faktoren gefunden. Und das war genau der Punkt, weshalb die Definition dann so viel breiter wurde. Wir ermittelten faktoriell vier Hauptfaktoren, die positiv ausgedrückt ,soziale Kompetenz’ ausmachten: Nein sagen können, Kontakte knüpfen können, Forderungen stellen können usw., oder anders ausgedrückt: die Fehlschlagangst, die Kontaktangst, die Angst vor Ablehnung beim Nein-Sagen und beim Äußern von Bedürfnissen, was wir positiv als „Fordern können” definierten. Zwei andere gefundene Faktoren nannten wir ,Schuldgefühle’ und ,Anständigkeit’, also zu große Rücksichtnahme und zu große Anpassung an gesellschaftliche Normen.

R. Ullrich: Diese Namen ,Selbstsicherheitstraining’, Assertivenesstraining’ und ,soziales Kompetenztraining’ usw., die haben uns eigentlich nie sehr berührt. Wir haben uns immer um operationale Definitionen bemüht. Deswegen hatten wir ja auch den englischen Namen als Markennamen, also Assertiveness-Training, beibehalten und das dann mit Operationalisierungen, also mit dem, was wir gemacht haben, ausgefüllt. Der Fragebogen wurde parallel zur Therapie entwickelt. Er enthielt und enthält immer noch zum Teil Items, also Fragen, Formulierungen, die auch Übungsinhalt sind. Und insofern ist er natürlich für diese Therapie hochspezifisch und hochsensibel. Er enthält gleichzeitig viele Feststellungen gleich auf der Verhaltensebene, das ist auch wichtig. Und so hat uns die Forschung mit dem U-Fragebogen geholfen, den Aspekt der sozialen Angst besser zu verstehen.

PiD: Am Begriff und der Konzeption von Selbstsicherheit gab es ja Kritik, weil dadurch eigentlich nur die eine Richtung gelernt wurde: Ich setze mich durch. Und es entstand ein Horrorszenario bei der Vorstellung, alle Menschen machen ein Selbstsicherheitstraining und prallen dann, selbstsicher wie sie geworden sind, aufeinander.

R. Ullrich: Es ist sicher richtig, dass es mal eine Zeit gab, in der man angefeindet wurde, dass es vielleicht zu sehr in Richtung Selbstbehauptung gehen könnte. Ganz am Anfang hatte unser Chef zumindest den Eindruck, dass wir ihm gegenüber zu sehr aufmüpfig geworden waren und hat uns auch damals die Projektmittel gestrichen. Aber im Grunde haben wir immer doch bereits bei dem Einzelpatienten und später auch mit unseren vier Hierarchien den Ansatz an der sozialen Angst gehabt. Es ist mir bis heute völlig unerklärlich, wie man das anders machen könnte. Wenn die Barriere darin besteht, dass sich jemand nicht traut, etwas zu tun, dann muss man bereits die Angst abbauen, man kann ihm nicht irgendwo einen Panzer zur Verfügung stellen, dass er da nun sinnlos in eine Menschenmenge reinfährt. Also, ich habe diese ganze Diskussion immer für überspitzt gehalten oder für eine neue Form von Profilierung.

PiD: Ihre große Stärke lag darin, die therapeutische Praxis zu evaluieren, das heißt im ambulanten und stationären Setting die Therapie, Forschung und Praxis zu verzahnen. Nun haben wir bei der Sozialen-Kompetenz-Therapie gesprochen über den Abbau sozialer Ängste und über die Stärkung von Verhalten in sozialen Situationen, also die Verringerung von Defiziten. Bereits früh hatten Sie ja ein dreidimensionales Modell vorgeschlagen, was auch die ,Veränderung der Einstellung zu sich selbst’ beinhaltete.

R. de Muynck: Ich denke, dass genau der Bereich des Fordern-Könnens die Haltung zu sich selber sehr stark darstellt. Dass man sich selber wertschätzt. Und das ist das, was natürlich auch mit sozialer Attraktivität einhergeht, was das Gegenüber auch spürt. Und dafür muss man nicht auf den Tisch klopfen dann oder nicht ein aufgesetztes Forderverhalten darstellen.

R. Ullrich: Empirisch hatte dieser Faktor keinerlei Zusammenhang mit Maßen der Aggressivität, Null.

PiD: Sie haben sich in Ihren frühen Arbeiten sehr stark bezogen auf Salter, dann schließlich auf Wolpe und am Schluss auf Eysenck. Warum sind Sie nicht bei den von Salter aufgestellten Verhaltensregeln geblieben, zum Beispiel ,emotionales Sprechen’, ,expressives (non-verbales) Sprechen’, ,Widerspruch und Angriff’, ,absichtlicher Gebrauch des Wortes Ich’, ,Zustimmung bei Lob durch andere’?

R. Ullrich: Um der Wahrheit die Ehre zu geben, haben wir all diese Autoren im Selbstsicherheitstraining zwar zitiert, aber sie waren nicht wirkliche Paten in der Entstehung dieser Prozedur. Das ist, glaube ich, in der Forschung sehr oft so, dass man irgendwie, angeregt durch die gegenwärtige Situation und durch das in der Luft schwängernde Wissen, irgendwas macht. Also, das war nur Garnierung. Von Wolpe haben wir wirklich übernommen die Desensibilisierung, aber seine Selbstsicherheitstherapie haben wir erst viel später kennen gelernt und wenig davon übernehmen wollen. Salter haben wir einfach als erste Literaturangabe 1949 mit lerntheoretischer Begründung immer wieder zitiert und auch diese Schritte, die da zitiert wurden, sehr geschätzt. Aber es war uns zu wenig Systematik drin. All diese Einzelschritte sind natürlich x-fach in der Therapie verzahnt. Für ,Ich-Gebrauch’ wird es natürlich positive Beachtung geben. Und in den Übungstexten ist der Ich-Gebrauch vorgegeben und das Modell gibt den Ich-Gebrauch vor. Also die Schwerpunkte sind schon ähnlich, aber in der Zielsetzung sind sie mehr oder weniger den strategischen, den auf bedingungsanalytisch abgeleiteten Zielen untergeordnet. Und ich sehe bis heute die große Gefahr im Selbstsicherheitstraining: Wenn man zu viele Strategien aus den verschiedensten Küchen wahllos einsetzt, verliert man sehr schnell den roten Faden und damit die geplante strategische Therapierichtung und auch die Krisenintervention, die sich alles nur vom bedingungsanalytischen Kontext ableitet.

R. de Muynck: Wir hatten übrigens irgendwann keine Lust mehr, immer als Modell für die Rollenspiele zu dienen und haben dann Videomodelle aufgezeichnet, die wir in den Gruppen eingesetzt haben[1].

PiD: Die Systematisierung und schließlich die Standardisierung waren ja eine große Stärke ihrer sozialen Kompetenztherapie. Bei ihrem standardisierten Assertiveness-Training wurde in der Gruppentherapie ein Programm mit zunächst 110, später 127 sozialen Situationen entwickelt, die nach unterschiedlichen Kriterien hierarchisiert werden konnten. Wenn ich mich richtig erinnere, haben sie damals auch Wert darauf gelegt, dass in diesen Gruppen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer alle Übungen durchführen, denn Sie konnten in Ihren Studien ja einen hohen Generalisierungsfaktor feststellen. Und sie haben sehr deutlich machen können: Wer in den verschiedenen sozialen Situationen sicher ist, kann das, was er an Sicherheit und Kompetenz erlangt hat, auch auf andere Situationen übertragen, die nicht speziell geübt wurden. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Standardisierung versus einer Teilstandardisierung, also dem Einbezug individueller Problemsituationen, gemacht?

R. de Muynck: Die Standardisierung war insofern damals für uns wichtig, weil damit dem Therapeuten ein Werkzeug an die Hand gegeben wurde, womit sich sehr leicht Unterhierarchien bauen ließen. Also wenn man davon ausgeht, dass zum Beispiel eine allgemeine systematische Desensibilisierung schrittweise vorangeht, dann reagieren natürlich Leute unterschiedlich. So kann eine gewisse Situation bei einer Person achtzig Prozent Angst hervorrufen, bei einer anderen zwanzig. In dem Moment, in dem ich diese vier Kriterien habe, die unterschiedlich eingeschätzt werden, so kann ich ein Kriterium sofort runtersetzen in angstauslösende Qualität. Und deshalb erlaubte die Standardisierung den Therapeutinnen und Therapeuten, einen Fahrplan zu erstellen, der dann auch individuell angepasst war an jede Patientin und jeden Patienten in der Gruppe. Aber man ging natürlich immer gewisse Stufen durch. Das war dann schon ein Lernprogramm, aber keinesfalls für offene Gruppen.

PiD: Wie sind Sie mit Gruppenteilnehmern umgegangen, die sich weigerten, einzelne Situationen durchzuführen, vielleicht mit der Begründung, in so eine Situation werde ich nie kommen, oder so werde ich das nie tun?

R. de Muynck: Da gibt es sicherlich sehr viele Methoden, die in der Therapeutenausbildung Platz haben sollten. Man hat immer wieder Verweigerungen, nicht nur im ATP, sondern in verschiedenen Situationen. Eine ganz wichtige Erfahrung ist es natürlich zu sehen, diese Person hat einfach zu viel Angst und vermeidet damit die Situation. Und wie kann ich das Vermeidungsverhalten verringern? Indem ich natürlich eines von den vier variablen Kriterien - Verhalten, auslösende Bedingung, Ort, Reaktion der Kontaktperson - heruntersetze. Und durch dieses Entgegenkommen war hundert Prozent Compliance gewährleistet.

PiD: Wie viele Gruppen haben Sie durchgeführt?

R. de Muynck: Also ich habe mit Sicherheit über tausend Patienten behandelt.

PiD: In Ihren damaligen Veröffentlichungen beschreiben Sie die therapeutischen Komponenten und auch die Wirkfaktoren des Selbstsicherheitstrainings, zum Beispiel die Verhaltensübung, das Modelllernen, das Operante Konditionieren, was ja vor allem in der Fremd- und Selbstverstärkung besteht, später kommen die kognitive Umstrukturierung, das heißt die inneren Prozesse, hinzu, wo Sie sich auch auf Albert Ellis beziehen, und natürlich die Konfrontation. In den Jahren danach hat sich ja eigentlich in der Verhaltenstherapie ein zweidimensionales Denken ergeben, das Handwerkszeug auf der einen Seite und der Therapeut mit seiner Fähigkeit, Beziehungen zu gestalten, auf der anderen Seite. Beides sind mittlerweile unabdingbare Faktoren in der Verhaltenstherapie. Sie haben damals zur therapeutischen Beziehungsgestaltung wenig geschrieben. Gehörte es zum damaligen Zeitgeist, die therapeutische Beziehung nicht in den Vordergrund zu stellen? Wie würden Sie im Rückblick die therapeutische Beziehung oder die Notwendigkeit, eine therapeutische Beziehung zu gestalten, für die soziale Kompetenztherapie bewerten?

R. de Muynck: Es war damals in der Verhaltenstherapie noch nicht üblich, sich selbst zu erfahren. Wir haben auch sehr viel Ausbildung gemacht und in der Ausbildung immer von den Therapeuten gefordert, dass sie eine komplette Gruppe vorher selbst als Patient mitmachen. Sie sollten einfach wissen, was sie den Leuten zumuten. Und die angehenden Therapeutinnen und Therapeuten wurden von uns dann weiter sehr stark begleitet, als sie als Co-Therapeuten mitarbeiteten. Dann nach und nach konnten sie selber Gruppen leiten. Auch dabei wurden sie dann von mir sehr oft durch eine Einwegscheibe beobachtet, und ich ging dann mit ihnen nachher noch die ganze Gruppe durch. Dabei kam es oft auch zu Selbsterfahrungsmomenten, zum Beispiel kamen sehr oft eigene Prozesse zur Sprache.

PiD: Das heißt die therapeutischen Fähigkeiten, auf Menschen einzugehen, auf sie zuzugehen, sie zu motivieren, waren damals selbstverständlich schon vorhanden, nur es gehörte nicht in diese Zeit, sie so besonders in den Vordergrund zu stellen, sie liefen einfach mit?

R. Ullrich: Für mich ist die Frage der Beziehungsgestaltung immer untergeordnet gewesen der therapeutischen Zielsetzung, die allerdings schon im gemeinsamen Vertrag nach zwei, drei Gesprächen oder so ausgehandelt wurde. Natürlich muss eine Akzeptanz da sein, okay, aber die Nähe, die ich schaffe.... beim ersten Klagesatz muss ich mir klar werden, was und wohin ich letztlich mit dieser Therapie will und deswegen gibt es für mich im Konkreten keine bedingungslose Akzeptanz. Im Hintergrund ja, sonst wäre ich kein Therapeut. Also, wenn jemand einfach nur Nähe schafft, ohne zu wissen, was er damit anrichtet, zum Beispiel am Anfang einer Therapie Abhängigkeit zu fördern, dann halte ich das nach wie vor für einen ganz schlimmen Fehler. Die Beziehungsgestaltung ist untergeordnet, sie ist ein ganz wichtiger, aber ein untergeordneter Aspekt der gemeinsam vereinbarten bedingungsverändernden Therapie. Und ich kann bis heute nicht die Zweiteilung akzeptieren zu sagen, der ist ein Mensch mit seinen Techniken, und ich muss nur in der Lage sein, die richtige Beziehung zu finden, das ist mir zu undifferenziert. Beziehungen kann man herstellen ganz leicht eben durch die komplementäre Eingehensweise auf die Pläne des Patienten, das ist allerdings ein Konzept, was uns nicht von Anfang an zur Verfügung stand. Als dann die vertikale Verhaltensanalyse kam...

PiD: Caspar und Grawe...

R. Ullrich: ja ... hat dies uns auch erst nichts gesagt. Aber als wir es dann eingedeutscht haben, was nützt es dir, wovor schützt es dich, also motivationale Prozesse verbalisationsfähig gemacht haben, dann wurde es die ganz große Behandlung von Beziehungen, indem man einfach auch, da gab es keinen Widerstand mehr, einfach gesehen hat, warum machst du das jetzt, also wozu ist das für dich wichtig, der Patient fühlt sich akzeptiert und dann kann eine Beziehung ansprechen auf Beziehungskrisen, auf dieser Basis Plananalyse den Plan bedienen, absättigen und dann Forderungen stellen. Das ließ sich wunderbar mit dem bedingungsanalytischen Konzept vereinbaren, wann mache ich zu welchem Zeitpunkt welchen Schritt im Plan an Beziehungsarbeit.

PiD: Es war ja damals sehr schwer, festzulegen, wann so eine soziale Kompetenztherapie erfolgreich war: Wenn sozial kompetente Verhaltensweisen häufiger gezeigt wurden? Wenn sozial ängstliche Verhaltensweisen weniger gezeigt wurden? Wenn geänderte externe Bedingungen geschaffen wurden, zum Beispiel durch Veränderung des Partnerverhaltens? Wenn sich die Gesundheit insgesamt im positiven Sinne veränderte? Oder vielleicht sogar, wenn verminderte Folgekosten in weiteren Behandlungen zu verzeichnen waren? Was war aus Ihrer Sicht ein wichtiges Erfolgskriterium?

R. de Muynck: Ich denke immer noch der Verhaltenstest. Wir hatten ja Verhaltenstests. In unserem Forschungsdesign saßen hinter einer Einwegscheibe sieben Beobachter. Diese hatten ganz standardisierte und ganz klare Kriterien, wie sie das Verhalten einschätzen. Außerdem wurde die Person gefilmt und auch da wurde dann das Verhalten noch ausgezählt. Wir haben natürlich sehr viele äußere Kriterien auch immer wieder untersucht, teilweise Jahre später noch, eben zum Beispiel Partnerreaktionen oder auch Arbeitssituationen, Anzahl Tage der Krankschreibungen usw. Aber für mich war eigentlich immer noch der Verhaltenstest das Klarste.

PiD: Heißt das, dass Sie für Kolleginnen und Kollegen, die in der psychotherapeutischen Praxis tätig sind, empfehlen würden, eine bestimmte Situation auszuwählen, eine Verhaltensprobe vorher und nachher zu nehmen und die beobachteten Unterschiede als Kriterium für Veränderungen zu nehmen?

R. Ullrich: Ein Rollenspiel unter einigermaßen standardisierten Bedingungen als Verhaltenstest, als Therapieindikationsmessung und als Evaluation herzunehmen, das ist sehr aufwändig, aber es hätte einen Vorteil: Jeder Therapeut weiß, dass sich Selbstsicherheit definieren lässt über das verbale Verhalten, über den Blick, mit der Distanz, die ich nehme, über die Körperhaltung usw. Sobald eine Situation zu schwierig wird und nicht mehr vom Klienten innerlich getragen wird, reduziert er die Schwierigkeit, auch wenn er verbal vielleicht lauter wird, wenn er fordert, indem er einen Schritt zurück geht, ein bisschen einfällt oder den Blick kurz wegnimmt. Das geht nur Bruchteile von Sekunden. Aber wenn das auftritt, dann ist die Situation für ihn zu schwierig, und er kann noch so viel mit Worten herumtönen. Und das gibt es sehr oft, eben auch mit Vorwärtsvermeidung, im Sinne von aufgesetzter Selbstsicherheit. Das wird bei einem solchen Verhaltenstest natürlich ein guter, geschulter Therapeut über die Möglichkeit standardisierter Maße hinaus erkennen können.

R. de Muynck: Es gibt ja sehr viele Therapeutinnen und Therapeuten, die jetzt auch Video haben, und das wäre natürlich eine ganz leichte Geschichte, fünf oder sieben Minuten Videoaufnahme zu machen und daran Veränderungen zu messen.

PiD: Die soziale Kompetenztherapie hat ja nach den Studien von Grawe hohe Generalisierungseffekte. Menschen, die sozial sicherer werden, sich sozial wohler fühlen, sind in der Lage, mit viel Energie und freigesetzten Selbstheilungskräften andere Probleme anzupacken. Welche Erfahrungen haben Sie damals bezüglich Generalisierung der Therapieeffekte gemacht?

R. Ullrich: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt ja Statistiken darüber. Nehmen wir zum Beispiel mal die Frage der Auswirkung auf Partnerschaften nach solch einer Therapie. Es kann ein Akt der Befreiung sein, wenn eine Trennung vollzogen wird. Es kann aber auch gerade das Gegenteil der Fall sein, dass Beziehungen enger werden. Also das Ereignis selbst ist schwer einzuschätzen, wenn man nicht den Hintergrund kennt. Ich war am meisten beeindruckt von den sozialen Veränderungen in der Arbeit, wenn die Leute Übungen gemacht haben. Auch in dem letzten Jahrzehnt, in dem der Freiheitsspielraum doch sehr deutlich eingeschränkt ist. Dann hat mich immer beeindruckt, dass die Zahl der Kontakte und positiven Aktivitäten fast immer zugenommen hat. Aber, da komme ich vom Sozialen etwas weg, was mich am meisten bewegt hat an Veränderungen, das war immer die Veränderung des äußeren Eindrucks. Die Leute haben sich äußerlich verändert, sie wurden auch schöner. Und dieses Erlebnis, aus der Gestalttherapie als Bodyshift bekannt, passiert in der Therapie zu einem bestimmten Zeitpunkt und dann weiß man als Therapeut, die Sache ist gelaufen. Es ist irgend so was Offeneres und Eindeutigeres. Und das geht dann an einem bestimmten Moment ganz plötzlich. Und wenn das passiert ist, das ist auch eine bleibende Veränderung, die die Leute ausstrahlen. Also sie sind einfach belohnender und sympathischer.

PiD: Die soziale Kompetenztherapie ist weiterentwickelt worden, aber hat ihre Ursprünge in Ihren damaligen Ansätzen bewahrt. Sehr häufig sind die Methoden Ihres damaligen Selbstsicherheitstrainings in Ratgebern wieder zu finden. Wie sehen Sie die Entwicklung der sozialen Kompetenztherapie oder auch der sozialen Kompetenztrainings, man muss ja nicht immer von Therapie sprechen, seit der damaligen Zeit bis heute? Gibt es Aspekte, die sie sehr befürworten, gibt es etwas zu kritisieren?

R. Ullrich: Ich habe nichts gegen die Verbreitung in Zeitschriften usw., soweit es dazu dient, das Bewusstsein für eine Therapie zu wecken. Reines Üben, ob nun im Rahmen einer Therapie oder irgendeiner Zeitschrift, ist aus meiner Sicht ein bisschen albern und führt sehr oft zum Gegenteil von den Effekten, die neues Verhalten stabilisieren könnten. Was ich mir wünsche ist, dass in diesen Zeitschriften und in der Therapie das bedingungsanalytische Modell, das ja die alten Lerntheorien zum Paten hat, nicht ganz über Bord geworfen wird. Ich habe noch nie ein so offenes und integrationsfähiges Denkmodell erlebt, und ich weiß, wie vorher rumgestochert wurde mit den ganzen eigenen Techniken und Methoden, die man nicht integrieren konnte. Und dass das freiwillig aufgegeben wird, jetzt zum Teil auch in den Therapieschulen, ist sehr schade.

PiD: Das heißt, nicht soziale Kompetenztherapie immer und auf jeden Fall, sondern für Sie verbunden mit der Frage, ist es für diesen Patienten zu diesem Zeitpunkt mit seiner Problematik auch indiziert.

R. Ullrich: Die soziale Kompetenztherapie ist so komplex, dass sie für jeden etwas bringt: diese veränderte Selbstbewertung, die Kenntnis bestimmte Strategien zu fördern durch gezielte Beachtung und Abschwächung des Nicht-Beachtens. All diese primitiven, hilfreichen, aber sehr mächtigen Regeln, auch die Möglichkeit, sich eindeutig auszudrücken in der Kommunikation, all das sind fantastische Möglichkeiten. Aber das Verschreiben einer dieser Strategien oder auch nur etwa ein Kommunikationskurs, in dem die Leute lernen, Ich-Gebrauch, Gefühle, konkrete Situation und Rückfragen des Gegenüber rückzuspiegeln, das können sehr hilfreiche Sachen sein, aber das können auch teuflische Auslieferungsstrategien sein für jemand, der nicht damit umgehen kann, der noch nicht sich abgrenzen kann. Der wird da schlecht bedient.

R. de Muynck: Einerseits ist das ATP so komplex, dass es für eine Fülle therapeutischer Veränderungen erst die Basis schafft und den Erfolg der Einzeltherapie vertieft und absichert, andererseits ist in kaum einer Einzeltherapie die punktuell indizierte Anwendung von Bausteinen und Strategien aus diesem Gebiet wegzudenken. Wir haben ja auch immer die Gruppen- mit Einzeltherapie kombiniert. Es gibt zur Häufigkeit und Indikation auch eine interessante Erhebung von Michael Linden aus Therapieanträgen, wonach das ATP nach Entspannungs- und kognitiven Verfahren als dritthäufigste Methode beantragt wird.

PiD: Können Sie noch einmal zusammenfassen, was für Sie zum Komplex der sozialen Kompetenztherapie gehört?

R. Ullrich: In erster Linie die Abschwächung der negativen Erwartungen. Also Kritik- und Fehlschlagangst, Ablehnungsängste beim Abgrenzen und Nein-Sagen und im Kontakt. Ablehnungsängste soweit beseitigen, dass man seine Wünsche äußern kann und dass man beim Bedürfnisse-Äußern zumindest eindeutig sagen kann: Ich sehe das anders, ich möchte das so... Also primär Entängstigung. Dann dieses Verstärken von alternativem Verhalten, zuerst Fremdverstärkung und dann Selbstverstärkung. Und natürlich die bedingungsanalytisch richtige Anwendung von Strategien. Dann gehört dazu die Plananalyse, für die Selbsterfahrung, aber auch für Patienten. So eine einzelne Plananalyse, die dann in der Gruppe besprochen wird, wenn Schwierigkeiten auftreten: Wozu dient das jetzt, dass du jetzt vermeiden möchtest, was hast du davon, was hast du kurzfristig davon, was hast du langfristig davon und was kann dir helfen, das jetzt anders zu probieren?

PiD: Ist die soziale Kompetenztherapie für Sie eine rein verhaltenstherapeutische Angelegenheit oder spiegeln sich in ihr verschiedene Therapieschulen wider?

R. de Muynck: Die Verhaltentherapie ist für mich ein Meta-Modell, was die Integration anderer wirksamer Strategien, zum Beispiel der Hypnose oder erlebnisnaher Methoden der Gestalttherapie, mühelos gestattet. In unserer Arbeit haben wir die Vielzahl der integrierten Bausteine aktuell mit der letzten überarbeiteten Auflage beschrieben[2].

PiD: Sind Sie nicht durch das viele soziale Kompetenztraining, das sie gemacht haben, selbst unglaublich sicher geworden im sozialen Umgang?

R. de Muynck: Natürlich gibt es Fragestellungen, die einem immer wieder neu vorgelegt werden. Selbstverständlich weiß ich, wie man Dinge angeht. Und dennoch bin ich oft, nicht jeden Tag, aber oft, auch noch dabei, Fragestellungen für mich selber neu zu formulieren und neu zu erarbeiten und neu zu entwickeln. Gerade in der Kunst wird man gnadenlos mit sich selbst konfrontiert. Da wird nichts ausgelassen. Die 127 Situationen unseres ATP kann ich wohl sicher bewältigen.

R. Ullrich: Darum geht es ja: es zu können, aber nicht es dauernd tun zu müssen. Etwa im Sinne einer „blendenden” Selbstsicherheit mit Aktionismus und Größenwahn.

PiD: Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

R. de Muynck: Ich wünsche mir für meine Zukunft, dass ich vielleicht in der Kunst einen ähnlichen Weg gehen kann wie in der Psychologie und vielleicht auch, weil ich mich damals auch als jemand erfahren habe, die einfach zufällig im richtigen Moment am richtigen Ort war. Ich wünsche mir, etwas zu tun, und das möchte ich eigentlich für die Kunst auch, dass ich ein Kanal wäre, wo Menschen sehr viel Wichtiges für sich erfahren können, und zwar aufgrund meiner künstlerischen Tätigkeit. Also das wäre mir das, was ich mir am meisten wünschen würde.

R. Ullrich: Ich wünsche mir, dass ich bei diesem Werk, das ich jetzt vorhabe, mit dem Betexten dieser Bildhefte, beleuchtet werde, den richtigen Stil zu finden, um das herüber zu bringen, was ich möchte.

PiD: Frau de Muynck, Herr Ullrich. Vielen Dank, dass Sie sich für PiD noch einmal mit Ihrer beruflichen Vergangenheit befasst haben. Wir wünschen Ihnen für Ihre Projekte alles Gute.

1 (Anmerkung von PiD) Diese Videomodell-Bänder sind zum Teil neu bearbeitet bzw. neu und in Farbe aufgenommen worden. Auskunft und Bezug über: Dr. Dieter Hellauer, Morenastr. 17, 81243 München, Tel:089/82020557, Email: d.hell@t-online.de.

2 Ullrich, Rüdiger/De Muynck, Rita (1998): ATP 1: Einübung von Selbstvertrauen - Bedingungen und Formen  sozialer Schwierigkeiten. / ATP 2: Einübung von Selbstvertrauen - Grundkurs. / ATP 3: Einübung von Selbstvertrauen und kommunikativer Problemlösung - Anwendung im Freundeskreis, Arbeit und Familie. / ATP: Anleitung für Therapeuten. / ATP: Testmappe. Alle: München: Pfeiffer Verlag.

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