Z Gastroenterol 2003; 41: 23-28
DOI: 10.1055/s-2003-37430
Supplement
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Komplizierte Colitis ulcerosa

H. C. Rath1 , C. Folwaczny2
  • 1Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Klinikum der Universität Regensburg
  • 2Medizinische Klinik und Poliklinik, Klinikum Innenstadt, Ludwig-Maximilians Universität, München
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Publication Date:
11 March 2003 (online)

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Fallvorstellung

Ein 30-jähriger Patient wurde im Dezember 2001 mit dem klinischen Bild einer therapierefraktären Colitis ulcerosa aus einem auswärtigen Krankenhaus der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des Klinikums der Universität Regensburg zuverlegt.

Vorgeschichte

Zur Vorgeschichte ist bekannt, dass es 2/2000 im Rahmen einer selbstlimitierenden Episode mit bis zu fünf, teils blutigen Stühlen/die zur Erstsymptomatik kam. Hiervon erholte der Patient sich wieder rasch.

5/2000 kam es zu einem Rezidiv mit täglich bis zu 15 wässrigen, blutigen Stühlen. Bei einem niedergelassenen Internisten wurde im Rahmen einer Koloskopie die Diagnose Pancolitis ulcerosa mit Back-wash Ileitis gestellt und der Patient mit einer Steroid-Stoßtherapie (initial 90 mg/die und ausschleichende Reduktion über 2 Wochen) in Remission gebracht. Bei subjektiver „Mesalazinunverträglichkeit” wurde auf die Einleitung einer Remissionserhaltungstherapie verzichtet.

Erst 12/2001 kam es im Rahmen einer infektiösen Gastroenteritis zu einem massiven Rezidiv mit 25 blutigen Durchfällen, Arthralgien und Erbrechen. Dies führte zur stationären Aufnahme in das auswärtige Krankenhaus, wo eine Therapie mit i. v. Steroiden (50 mg Prednisolonäquivalent), Metronidazol und E. coli Nissle (Mutaflor®) eingeleitet wurde. Leider gelang es nicht, den Patienten in Remission zu bringen, so dass die Verlegung nach Regensburg erfolgte.

Befunde bei Aufnahme

30-jähriger, männlicher Patient (Intensivpfleger, verheiratet, 2 Söhne; Ex-Raucher seit 10 Jahren) in red AZ bei adipösem EZ (187 cm, 108 kg). Druckschmerz im gesamten Abdomen. Bei der rektalen Austastung Blut am Fingerling. Der übrige internistisch klinische Untersuchungsbefund war regelrecht.

Im Labor zeigte sich eine Entzündungskonstellation (Leukozyten 11,3/nl, Thrombozyten 415/nl, CRP 93,3 mg/l, Fibrinogen 777 mg/dl) sowie Anämie (Hb12,4 g/dl). Stuhlkulturen, ASCA und p-ANCA negativ.

In der Sonographie zeigte sich eine verdickte Darmwand im Bereich des Colon transversum, Colon descendens und Colon sigmoidum.

Da bereits auswärts durchgeführt, wurde bei bekannter Pancolitis (Histologie: Floriditätsgrad 3, keine Dysplasie) auf eine erneute Koloskopie verzichtet.

Die MR-Darstellung (Abb. [1]) zeigte entzündliche Veränderungen im terminalen Ileum, Colon ascendens und Colon descendens. Kein Abszess, keine Fisteln.

Abb. 1 MR bei Colitis ulcerosa mit entzündlicher Verdickung der Darmwand im Bereich des terminalen Ileums, Colon ascendens und Colon descendens.

Verlauf

Angesichts der Schwere des klinischen Bildes wurde die Steroiddosis zunächst deutlich erhöht auf 4 × 100 mg Hydrokortison. Des Weiteren wurde eine antibiotische Begleittherapie mit Metronidazol 3 × 400 mg und Ciprofloxacin 3 × 250 mg eingeleitet. Hierunter konnte die Klinik zwar etwas verbessert werden (3-5 blutige Stühle), der Patient kam jedoch nicht in Remission und klagte weiterhin über starke Bauchschmerzen.

Da nun von einer steroidrefraktären Colitis ulcerosa auszugehen war, wurde eine immunsuppressive Therapie mit Cyclosporin - zunächst i. v. 400 mg/24 h, dann oral 800 mg/d (Spiegel 250-300 mg/nl), dann Reduktion auf 400 mg/d - eingeleitet und durch Azathioprin 150 mg/d, dann 250 mg/d (2,5 mg/kg/d) ergänzt. Mutaflor® wurde in einer Dosierung von 2 × 100 mg beibehalten, die Steroide wurden reduziert. Hierunter kam der Patient rasch in Remission und konnte bald aus der stationären Behandlung entlassen werden.

Als er sich 3/2002 ambulant vorstellte, war er weiterhin in Remission, so dass Cyclosporin auf 200 mg/d reduziert werden konnte, mit dem Ziel des baldigen Absetzens. Azathioprin war vom Patienten eigenmächtig auf 200 mg/d reduziert worden. Mutaflor nahm er weiter unverändert ein.

Mitte 4/2002 kam es erneut zum akuten Schub mit 10 blutigen Durchfällen/d. Im Labor zeigte sich ein nur gering erhöhtes CRP mit 16,5 mg/dl. Der 6-TGN-Spiegel lag im therapeutischen Bereich, MCV war gering erhöht. Eine zunächst ambulante Intensivierung der Therapie mit Cyclosporin 400 mg/d, Azathioprin 250 mg/d, Mesalazin Granulat 3 × 1 g/d und Hydrokortison und Mesalazin rektal führte zu keinem Ansprechen.

Daraufhin kam es Ende 5/2002 zum erneuten stationären Aufenthalt bei 12 blutigen flüssigen Stühlen/d, einem CRP von 60,8 mg/l sowie einer jetzt ausgeprägten Anämie (Hb 10,0 g/dl). Der Cyclosporinspiegel lag mit 327 ng/ml im therapeutischen Bereich. Zum Ausschluss einer Superinfektion unter beträchtlicher Immunsuppression mit pathogenen Darmbakterien oder CMV wurde eine Sigmoidoskopie (Abb. [2]) durchgeführt, die in den einsehbaren Bereichen eine ausgeprägte Entzündung aufzeigte, kontinuierlich nach distal zunehmend.

Abb. 2 Sigmoidoskopiebefund mit hochgradig hämorrhagisch entzündlicher Schleimhaut.

An diesem Punkt wurde erstmals mit dem Patienten vor dem Hintergrund einer medikamentös therapierefraktären Pancolitis ulcerosa die subtotale Colektomie mit Anlage eines ileoanalen Pouches diskutiert, was von ihm aber strikt abgelehnt wurde.

Daraufhin wurde nochmals eine Intensivierung der Therapie mit Cyclosporin i. v. 400 mg/d, Prednisolon 60 mg/d, Mesalazin und Hydrokortison rektal sowie Metronidazol 3 × 400 mg eingeleitet, was ohne Erfolg blieb. Der Patient entwickelte nun aufgrund der Cyclosporintherapie einen therapiebedürftigen Hypertonus.

Zu diesem Zeitpunkt war die etablierte medikamentöse Therapie ausgereizt und der Patient weigerte sich, die nun notwendige operative Sanierung anzustreben. In dieser Situation entschlossen wir uns, eine experimentelle immunsuppressive Stoßtherapie mit Cyclophosphamid 750 mg i. v. einzuleiten. Parallel wurden bei Unwirksamkeit die Steroide ausgeschlichen und Cyclosporin abgesetzt.

Nach 2 Wochen kam der Patient klinisch weitgehend in Remission mit vier geformten Stühlen/d ohne Blut und keinen Schmerzen mehr. 4 Wochen später jedoch nahm die Stuhlfrequenz wieder leicht zu mit diskreten Blutauflagerungen und beginnenden Schmerzen. Die Cyclophosphamid-Stoßtherapie wurde noch zweimal wiederholt, allerdings ohne wesentlichen Erfolg. Trotz mehrfacher dringender Anmahnung der notwendigen operativen Sanierung lehnt der Patient dies nach wie vor ab. Mittlerweile befindet er sich bei reaktiv depressiver Stimmungslage in psychosomatischer Behandlung.

Literatur

Priv.-Doz. Dr. med. Christian Folwaczny

Medizinische Klinik und Poliklinik, Klinikum Innenstadt, Ludwig-Maximilians Universität

Nußbaumstr. 20

80336 München

Email: Christian.Folwaczny@medinn.med.uni-muenchen.de