Relevanz und Datenlage
Das Krankheitsgeschehen im Kindes- und Jugendalter hat in den letzten Jahrzehnten
erhebliche Veränderungen erfahren. Diese sind teilweise positiv, wie z. B. das deutliche
Absinken der Kinder- und Säuglingssterblichkeit, der Rückgang von Infektionskrankheiten
wie Tuberkulose, Pocken, Poliomyelitis, Scharlach, Diphterie, Meningitis und Wundstarrkrampf,
oder die verbesserte Therapie und dadurch erhöhte Lebenserwartung von Kindern mit
chronischen Krankheiten wie z. B. zystischer Fibrose, angeborenen Herzfehlern oder
Leukämie. Dem stehen jedoch deutliche Hinweise für eine besorgniserregende und beobachtungsbedürftige
Entwicklung gegenüber: die Zunahme von chronischen Krankheiten im Kindes- und Jugendalter.
Krankheiten kommen bei Kindern und Jugendlichen insgesamt seltener vor als im Erwachsenenalter.
Sie sind in dieser Lebensphase aber von besonderer Bedeutung, weil sie die Entwicklung
des Kindes nachhaltig beeinträchtigen können und das Auftreten chronischer Erkrankungen
im Erwachsenenalter mitbestimmen [Gillman 2002]
[Kuh, Ben-Shlomo 1997].
Repräsentative Studien zur Verbreitung akuter und chronischer Erkrankungen im Kindes-
und Jugendalter in Deutschland existieren bislang nur für einige Erkrankungen und
auch nur für ausgewählte Altersgruppen [Hoepner-Stamos 1995]
[Kolip et al. 1995]. Zusammenhänge zu Einflussfaktoren können oft nicht hergestellt werden, weil zu
diesen keine Informationen erhoben wurden. Routinedaten können helfen, einzelne Aspekte
zu beleuchten [Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 1998], viele Fragen bleiben aber offen, weil die vorhandenen Datenquellen nicht miteinander
verknüpfbar sind. Ergebnisse aus internationalen Studien können nicht ohne weiteres
auf Deutschland übertragen werden, da in den wenigen vergleichenden Arbeiten zum Teil
erhebliche Unterschiede zwischen Ländern gefunden wurden [Beasley et al. 2000]
[Silink 2002]
[Currie et al. 2000].
Wie viele Kinder in Deutschland insgesamt chronisch krank sind, lässt sich auf der
Grundlage der verfügbaren Daten bislang nicht bestimmen. Im Mikrozensus wurde 1974
bis 1982 im Rahmen der Fragen zur Gesundheit auch eine Frage zum Vorliegen von chronischen
Erkrankungen gestellt. Diese Frage wurde 1982 für 1,17% der Kinder und Jugendlichen
bis 15 Jahre bejaht [Statistisches Bundesamt 1984] - allerdings muss diese Prävalenz aufgrund methodischer Besonderheiten stark angezweifelt
werden. An den Befragungen zu chronischen Krankheiten, die in den USA durchgeführt
wurden, lässt sich zeigen, wie stark Prävalenzschätzungen von der methodischen Vorgehensweise,
vor allem der Definition des Begriffes „chronische Krankheit” abhängen. So ergab die
Befragung der Eltern von über 18000 Kindern im Rahmen des National Health Interview
Surveys 1988, dass 31% der US-amerikanischen Kinder chronisch krank sind [Newascheck, Taylor 1992]. Dieser Zahl liegt eine umfassende Liste von einzeln abgefragten Krankheiten zugrunde
sowie die Angabe jeder anderen Erkrankung, die zum Interviewzeitpunkt bereits länger
als drei Monate andauerte. Zu den häufigsten chronischen Erkrankungen zählten Asthma
mit 4,3%, andere allergische Atemwegserkrankungen mit 9,7% und wiederholte Ohrentzündungen
mit 8,4%. Unter Hinzuziehung von Fragen zu Beeinträchtigung und Aktivitätseinschränkungen
durch chronische Krankheiten konnte diese hohe Zahl von chronischen Erkrankungen jedoch
differenzierter betrachtet werden: Nur 2% aller Kinder waren durch chronische Krankheiten
schwer betroffen, 9% mäßig stark und 20% leicht. Im Zeitverlauf zeigen die Ergebnisse
des National Health Interview Surveys einen alarmierenderen Trend: 1995 war die Beeinträchtigung
durch chronische Erkrankungen bei Kindern mehr als doppelt so hoch wie 25 Jahre zuvor,
speziell durch Asthma sogar dreimal höher [Newacheck, Halfon 2000].
Neben Erkrankungen sind auch Beschwerden, Behinderungen und Entwicklungsmerkmale für
die Charakterisierung der körperlichen Gesundheit von Bedeutung. Sowohl pränatale
als auch perinatale Faktoren können die Gesundheit von Kindern beeinflussen, daher
sollten auch Merkmale der Schwangerschaft und Geburt betrachtet werden [Barker et al. 1993]
[Whitaker, Dietz 1998]
[Blake 2000]
[Dörner, Plagemann 1994]. Schmerzen sind ein erschreckend häufiges, aber noch wenig untersuchtes Problem
bei Kindern und Jugendlichen [Perquin et al. 2000a]. Sie beeinflussen die Lebensqualität und die körperliche und psychische Entwicklung
und sind ein wichtiger Faktor für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Unfälle
sind in Europa gegenwärtig die häufigste Todesursache bei 5- bis 19-Jährigen [The European Health Report 2002]. Ein besseres Verständnis ihrer bestimmenden Faktoren ist eine Voraussetzung für
die Verbesserung von Präventionsstrategien. Schließlich belegen Untersuchungen eindrucksvoll,
dass die Selbsteinschätzung der Gesundheit auch bei umfassender Datenerhebung zu Krankheiten,
Beschwerden, Risikofaktoren, demographischen und sozioökonomischen Variablen einen
unabhängigen Prädiktor für Mortalität und Morbidität [Idler, Benyamini 1997]
[Kaplan et al. 1996] darstellt.
Auswahl der Fragen und Zuordnung zu den Befragungsinstrumenten
Fragen zur körperlichen Gesundheit sind in den Eltern-Fragebogen (für die Altersstufen
0 bis 2, 3 bis 6, 7 bis 10, 11 bis 13, 14 bis 17 Jahre), den Jugendlichen-Fragebogen
(für die Altersstufen 11 bis 13 und 14 bis 17 Jahre) und in dem strukturierten computergestützten
ärztlichen Interview enthalten. Die Fragen betreffen folgende Aspekte der körperlichen
Gesundheit von Kindern und Jugendlichen:
-
akute und chronische Krankheiten, angeborene Fehlbildungen, Operationen
-
Schwangerschaft und Geburt
-
Entwicklung
-
Behinderungen
-
Beschwerden
-
körperliches Wohlbefinden
-
subjektiver Gesundheitszustand
-
Schmerzen
-
Unfälle
-
Impfungen
-
Medikamentenkonsum
Kriterien für die Auswahl von Erkrankungen, die im Survey erfragt werden, waren die
Prävalenz, Hinweise für Über-, Unter- und Fehlversorgung, die gruppenspezifische Bedeutung
(z. B. bestimmte Altersgruppen), die besondere bevölkerungsbezogene Dynamik (Veränderung
der Prävalenz, Risiken, Inanspruchnahme), die Beeinflussbarkeit, die gesetzlichen
und politischen Rahmenbedingungen sowie die bisherige Verfügbarkeit von Daten.
Die Länge der Fragebogen und des ärztlichen Interviews, die einen direkten Einfluss
auf die Mitarbeit der Befragten und damit auf die Validität der erhobenen Daten hat,
war ein wichtiger limitierender Faktor bei der Auswahl der Items.
Tab. 1 Fragebogen und ärztliches Interview: Krankheiten
akute Erkrankungen
|
|
chronische Erkrankungen
|
|
Erkältung, grippaler Infekt |
|
Heuschnupfen |
Unterfragen |
Angina |
|
Neurodermitis |
Unterfragen |
Krupp/Pseudokrupp |
|
allergisches Kontaktekzem |
Unterfragen |
Mundfäule (Stomatitis aphtosa) |
|
Asthma |
Unterfragen |
Bronchitis |
|
spastische (obstruktive) Bronchitis |
|
Durchfall, Erbrechen |
|
Herzkrankheiten |
Unterfragen |
Blasen- und Harnwegsentzündung |
|
epileptische Anfälle |
Unterfragen |
bakterielle Konjunktivitis |
|
Schilddrüsenkrankheiten |
|
Mund- und Windelsoor |
|
Diabetes |
|
Lungenentzündung |
|
Psoriasis |
|
Mittelohrentzündung |
Unterfragen |
Anämie |
Unterfragen |
ansteckende Erkrankungen
|
|
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) |
|
Keuchhusten |
|
Migräne |
|
Masern |
|
Skoliose |
|
Mumps |
|
Schwerhörigkeit |
Unterfragen |
Röteln |
|
Fehlsichtigkeit |
Unterfragen |
Windpocken |
|
|
|
Scharlach |
|
|
|
Salmonelleninfektionen |
|
|
|
Pfeiffersches Drüsenfieber |
|
|
|
Herpesinfektionen |
|
|
|
Hepatitis |
|
Fehlbildungen
|
Unterfragen |
Die Fragen wurden nach methodischen und inhaltlichen Gesichtspunkten den zwei Befragungsinstrumenten
(Fragebogen und ärztliches Interview) zugewiesen. Speziell für die Erfassung der Krankheiten
galt es dabei einige grundsätzliche Fragen zu beantworten: Wie wird das Vorliegen
einer Erkrankung operationalisiert? Im Rahmen methodischer Begleitstudien zum National
Health Interview Survey in den USA konnte gezeigt werden, dass für die gleiche Studienpopulation
verschiedene Erkrankungsprävalenzen ermittelt werden können, je nachdem ob 1. die
Betroffenen selbst (bzw. bei Kindern die Eltern) nach dem Vorliegen einer Erkrankung
gefragt werden, ob 2. die Diagnosen aus den Krankenakten oder durch Befragung der
behandelnden Ärzte erfasst werden oder ob 3. Ärzte im Rahmen eines Surveys nach definierten
Kriterien Diagnosen stellen und dafür eine gezielte Anamnese erheben, eine körperliche
Untersuchung und ggf. Labor- oder apparative Zusatzuntersuchungen durchführen [Gordon 1967]
[Miller 2001]. Diese dritte Möglichkeit der standardisierten Survey-Diagnosen verspricht einen
hohen Grad an Validität und Reliabilität, ist jedoch aufgrund des zeitlichen und infrastrukturellen
Aufwands solchen Surveys vorbehalten, die nur eine oder einige wenige Erkrankungen
untersuchen. Die Erfassung der Diagnosen aus den Krankenakten oder durch Befragung
der behandelnden Ärzte/Ärztinnen ist aufgrund des fraktionierten Versorgungsgeschehens
nicht praktikabel, wenn möglichst alle Erkrankungen, die ein Kind jemals hatte, erfasst
werden sollen. Die Befragung der Eltern bzw. Jugendlichen bietet die Möglichkeit,
auch Krankheiten zu erfassen, die ärztlich nicht oder noch nicht diagnostiziert wurden.
Allerdings haben die so erfassten Prävalenzen zwei komplexe Komponenten: ärztlich
gestellte Diagnosen, die verstanden, erinnert und wiedergegeben werden müssen, und
Eigendiagnosen, in denen sich wandelnde und individuell differierende Laienkonzepte
von Krankheiten wiederfinden.
Für ältere Kinder und Jugendliche ergibt sich schließlich auch noch die Frage: Ab
welchem Alter können oder sollen Kinder bzw. Jugendliche selbst befragt werden? Untersuchungen
zeigen, dass die Reliabilität der Antworten von Kindern und Jugendlichen zu Gesundheitsfragen
umso geringer ist, je jünger die Kinder sind [Zill 2001]. Die Beantwortung von Fragen zu Krankheiten setzt ein ausreichendes Verständnis
komplexer Krankheitskonzepte voraus. Je länger Krankheiten zurückliegen, desto jünger
waren die Kinder, als sie davon betroffen waren. Dies erhöht das Problem des Erinnerungsbias
erheblich. Insgesamt sind Fragen zu Wohlbefinden und Beschwerden zum Interviewzeitpunkt
für Kinder und Jugendliche wesentlich leichter zu beantworten als Fragen zu Krankheiten,
speziell zu vergangenen Krankheiten.
Für die Erfassung der körperlichen Gesundheit werden sich im Kinder- und Jugendsurvey
vier verschiedene Ansätze ergänzen: Selbstausfüllfragebogen für Eltern, Selbstausfüllfragebogen
für Kinder und Jugendliche ab elf Jahren, ein ärztliches Interview und ein Untersuchungsteil
(Tab. 2).
Tab. 2 Erfassung der körperlichen Gesundheit im Kinder- und Jugendsurvey
Fragebogen (Eltern) |
Fragebogen (Kinder und Jugendliche) |
ärztliches Interview |
körperliche Untersuchung, apparative Zusatzuntersuchungen und Labordiagnostik |
körperliches Wohlbefinden Beschwerden körperliche Leistungsfähigkeit Schmerzen subjektive Gesundheit akute Erkrankungen chronische Erkrankungen Schwangerschaft und Geburt körperliche Entwicklung Behinderungen Unfälle |
ab 11 Jahren:
körperliches Wohlbefinden Beschwerden körperliche Leistungsfähigkeit Schmerzen
ab 14 Jahren:
subjektive Gesundheit akute Erkrankungen (einige) chronische Erkrankungen |
ärztlich diagnostizierte Krankheiten Unterfragen zu Krankheiten Medikamentenkonsum Impfungen |
ausgewählte objektivierbare Merkmale der körperlichen Gesundheit |
Im ärztlichen Interview werden ärztliche Diagnosen (vor allem von chronischen Erkrankungen),
die bis zum Interviewzeitpunkt gestellt wurden, erfasst. Die Fragen haben das Format:
„Hat ein Arzt jemals bei Ihrem Kind die Krankheit X festgestellt?” Die interviewenden
Ärzte können durch Nachfragen die Plausibilität der Angaben prüfen und helfen, die
nosologisch richtige Bezeichnung zu finden. Zusätzlich werden das Alter bei erstmaliger
Feststellung der Erkrankung, das Auftreten in den letzten 12 Monaten und in den letzten
4 Wochen erfragt. Neben der Prävalenz werden für einige - vorwiegend chronische -
Erkrankungen durch Unterfragen Daten zu zusätzlichen Aspekten erhoben, z. B. zu speziellen
Krankheitsmerkmalen, Krankheitsfolgen, durchgeführter Diagnostik und Therapie, Versorgung
und Inanspruchnahme. Über offene Fragen und Freitextfelder werden sowohl in den Fragebogen
als auch im ärztlichen Interview zusätzliche Erkrankungen erfasst.
Die Erfassung der Medikamenteneinnahme und des Impfstatus im ärztlichen Interview
sowie der Untersuchungsteil werden an einer anderen Stelle detailliert beschrieben
[Knopf et al. 2002].
Kinder mit besonderen Bedürfnissen hinsichtlich ihrer Gesundheitsversorgung sollen
auch losgelöst von spezifischen Diagnosen identifiziert werden. Art und Umfang von
amtlich anerkannten Behinderungen werden erfragt und darüber hinaus wird ein spezielles
Screening-Instrument (Children with Special Health Care Needs oder CSHCN Screener)
[Bethell et al. 2002], bestehend aus fünf Fragen mit jeweils zwei Unterfragen, eingesetzt. Dabei wird
gefragt, ob das Kind vom Arzt verschriebene Medikamente einnimmt, ob es überdurchschnittlich
viel medizinische, psychosoziale oder pädagogische Unterstützung braucht, Einschränkungen
oder Behinderungen im Alltag hat, eine spezielle Therapie benötigt oder bekommt und
ob es emotionale, entwicklungs- oder verhaltensbezogene Probleme hat, für die es eine
Behandlung bzw. Beratung benötigt oder bekommt.
Zu dem Themenbereich Schwangerschaft, Geburt und Entwicklung werden diverse Aspekte
des Schwangerschaftsverlaufs, Geburt, perinatale Probleme, Entwicklungsmerkmale und
Entwicklungsverlauf der Kinder erfragt. Unfällen und Vergiftungen ist eine Reihe von
Fragen gewidmet. Erfragt werden nicht nur Verletzungen und deren Behandlung, sondern
auch Art, Ort, Beteiligung besonderer Umstände oder Gegenstände sowie das Präventions-
bzw. Risikoverhalten. Basierend auf einem niederländischen Instrument [Perquin et al. 2000b] wird ein Schmerzfragebogen für Kinder eingesetzt, der Fragen zur Prävalenz von Schmerzen,
zur Lokalisation, Dauer und Intensität beinhaltet. Die Erfassung von Schmerzen im
Kinder- und Jugendsurvey wird detailliert an einer anderen Stelle beschrieben [Roth-Isigkeit et al. 2002]. Aber auch andere standardisierte Instrumente, die in die Fragebogen integriert
wurden, enthalten Fragen zur körperlichen Gesundheit: Im KINDL-Fragebogen zur Erfassung
der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, den alle Eltern, aber auch Kinder und Jugendliche
ab 11 Jahren beantworten, finden sich Fragen zum körperlichen Wohlbefinden [Ravens-Sieberer, Bullinger 1998], und im Rahmen des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) [Goodman 2001], einem Instrument zur Untersuchung psychischer Auffälligkeiten im Kindesalter, der
in den Elternfragebogen enthalten ist, wird nach körperlichen Beschwerden (nämlich
nach häufigem Klagen über Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Übelkeit) gefragt.
Der allgemeine Gesundheitszustand wird auf einer Skala mit fünf Kategorien (von sehr
gut bis sehr schlecht) eingeschätzt. In Hinblick auf eine internationale Vergleichbarkeit
wurde die von der WHO empfohlene Formulierung gewählt [De Bruin et al. 1996].
Die Angaben zur körperlichen Gesundheit sollen sowohl mit soziodemographischen Faktoren
wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Sozialschicht oder Wohnort, als auch mit Indikatoren
für die psychische Gesundheit und Lebensqualität oder Belastungen in der Umwelt in
Beziehung gesetzt werden. Eine Reihe von interessanten Fragen wird durch die Zusammenführung
von Informationen aus den Befragungen und aus den anderen Teilen des Surveys (körperliche
Untersuchung, Laboruntersuchungen) beantwortet werden können. Einige Angaben aus den
Befragungen können auf diese Art und Weise ergänzt, überprüft bzw. validiert werden.
Beispiele sind die Angaben zu Infektionskrankheiten und zu Impfungen und die Antikörperwerte
im Serum; die Angaben zu Sehstörungen und die Ergebnisse des Sehtests; oder die Angaben
zu Schilddrüsenerkrankungen, die Erfassung der Schilddrüsenmedikamente, die gemessenen
Schilddrüsenhormone im Serum und die durchgeführte Schilddrüsensonographie.
Erfahrungen aus dem Pretest
Ziel des Pretests war es, die Befragungsinstrumente zu prüfen und zu verbessern. Methodisch
war vor allem von Interesse, ob Fragenformulierungen und Antwortkategorien eindeutig,
gut verständlich und im Hinblick auf die Auswertung sinnvoll sind, ob sie noch weiter
standardisiert werden können und ob die Verteilung der Fragen auf das ärztliche Interview
und die Fragebogen sinnvoll und angemessen ist. Weitere wichtige Parameter waren die
Akzeptanz durch die Probanden, die Befragungsdauer und das Zusammenspiel mit den anderen
Surveyteilen.
Im Rahmen des Pretests wurden Fragebogen für 1626 Kinder und Jugendliche ausgefüllt
und ärztliche Interviews mit den Eltern von 1571 Kindern und Jugendlichen durchgeführt.
Generell war die Akzeptanz für die Fragen zur körperlichen Gesundheit in den Fragebogen
und im ärztlichen Interview sehr gut. Die Erfahrungen des Pretests wurden dazu genutzt,
Fragenformulierungen und Antwortkategorien zu präzisieren. Die offenen Fragen mit
Freitextangaben in den Fragebogen und im ärztlichen Interview wurden ausgewertet und
dazu verwendet, die Relevanz und die Priorität jeder einzelnen Frage nochmals kritisch
zu beleuchten und das Spektrum der abgefragten Krankheiten weiter zu optimieren. Je
nach Spektrum der relevanten Erkrankungen variieren die Befragungsinstrumente in den
fünf Altersstufen leicht. Die erfassten Prävalenzen von Erkrankungen wurden - dort,
wo Vergleichswerte aus der Literatur existieren - auf ihre Plausibilität hin geprüft,
und es wurden ggf. Rückschlüsse auf die Befragungsmethodik gezogen.
Im Unterschied zur Hauptphase wurden im Pretest alle Fragen zu chronischen Krankheiten
sowohl in den Fragebogen als auch im ärztlichen Interview gestellt. Die Fragebogen
lagen der interviewenden Ärztin vor, so dass Angaben hinterfragt und Gründe für Missverständnisse
dokumentiert werden konnten. Auf der Basis dieser Erfahrung erscheint es für die meisten
chronischen Erkrankungen sinnvoller, sie im ärztlichen Interview abzufragen. Die Abfrage
von ärztlichen Diagnosen stellt - in gewissen Grenzen - eine einheitliche Definition
der Erkrankungen sicher und spiegelt zugleich das Diagnosenspektrum, das dem Versorgungsgeschehen
zugrunde liegt. Zusätzlich zeigte der Pretest, dass Plausibilitätsprüfungen und begriffliche
Klärungen durch die Studienärztin oft Missverständnisse zutage brachten und präzisere
Angaben ermöglichten. Eine Ausnahme bildet das allergische Kontaktekzem: Es würde
bei Erfassung als ärztliche Diagnose zu einer falsch niedrigen Prävalenz führen, weil
viele Kinder und Jugendliche sich damit nicht ärztlich vorstellen. Es wird aber fast
immer von Eltern oder Jugendlichen richtig erkannt und begrifflich eingeordnet, so
dass eine Fragebogenfrage valide erscheint. Eine Doppelabfrage, die auch Differenzen
zwischen ärztlichen und eigenen Diagnosen aufzeigt, muss aufgrund der Fragebogen-
und Interviewlänge auf einige wenige chronische Krankheiten wie Heuschnupfen und Neurodermitis
beschränkt werden.
Interessant - und letztlich nicht unerwartet - war, dass Eltern und Jugendliche identische
Fragen zu Krankheiten z.T. unterschiedlich beantworten. Die Gründe hierfür variieren
von Frage zu Frage. Im Pretest lagen der Ärztin die Krankheitsangaben der Jugendlichen
und der Eltern aus dem Selbstausfüllfragebogen vor. Sie konnten daher mit den Eltern
und Jugendlichen besprochen werden. Es zeigte sich, dass Erkrankungen z.T. unterschiedlich
erinnert, Arztdiagnosen verschieden wahrgenommen oder verstanden werden, Beschwerden
anders interpretiert werden. Meist ist nicht pauschal zu entscheiden, ob die Eltern
oder die Kinder und Jugendlichen validere Antworten geben. In der Hauptphase sollen
daher möglichst viele Fragen zur körperlichen Gesundheit sowohl den Eltern als auch
den Kindern und Jugendlichen gestellt werden. Unterschiede zwischen den Angaben werden
insbesondere bei den Fragen zu subjektiven Aspekten der körperlichen Gesundheit, nämlich
Beschwerden und Schmerzen, dem körperlichen Wohlbefinden und der allgemeinen Einschätzung
der Gesundheit interessant sein.