Zusammenfassung
Hintergrund: Um verschiedene Methoden zur Korrektion von Refraktionsfehlern des Auges miteinander
vergleichen zu können, sind Verfahren zur genauen und reproduzierbaren Sehschärfeprüfung
erforderlich. Methoden: Der binokulare Visus von 130 Versuchspersonen ohne pathologische Augenveränderungen
wurde mit dem Freiburger Visustest (FVT), einer Landoltring-Tafel (vier Orientierungen)
und der Bailey-Lovie-Tafel unter Laborbedingungen gemessen. Die Reproduzierbarkeit
des FVT wurde durch Wiederholungsmessungen überprüft. Ergebnisse: Im Mittel über alle Personen ergab sich eine Sehschärfe von 1,93 ± 0,03 (FVT), 1,82
± 0,03 (Landoltring-Tafel) sowie 1,48 ± 0,02 (Bailey-Lovie-Tafel). Bei Wiederholungsmessungen
lagen 50 % aller Einzelwerte des FVT innerhalb von ± 0,35 Visusstufen vom Visusmittelwert.
95 % lagen innerhalb von ± 1,0 Visusstufen. Ergebnisse früherer Studien werden diskutiert.
Schlussfolgerungen: Der Freiburger Visustest liefert im Mittel um 0,25 Visusstufen höhere, die Bailey-Lovie-Tafel
um 0,9 Visusstufen niedrigere Visuswerte als die Landotring-Tafel. Berücksichtigt
man die von der DIN EN ISO 8597 [8] zugelassene Toleranz von 0,5 Visusstufen, so sind der FVT und die Landoltring-Tafel
äquivalent. Da die Reproduzierbarkeit des FVT sehr hoch ist und die Messung im Gegensatz
zu den anderen Verfahren auch Visuszwischenwerte erfasst, kann der FVT als Referenzmethode
für vergleichende Untersuchungen empfohlen werden.
Abstract
Introduction: If different ways for correcting refractive errors of the human eye have to be compared,
accurate and reproducible measurement procedures are necessary. Methods: Binocular visual acuity of 130 students without pathologies was measured with the
Freiburg Visual Acuity Test, the Bailey-Lovie chart and a Landolt ring chart (4 orientations).
The reproducibility of the FVT was determined by repeated measurements. Results: The average visual acuity was 1.93 ± 0.03 (= 20/10.4) with the FVT, 1.82 ± 0.03 (=
20/11) with the Landolt ring chart, and 1.48 ± 0.02 (= 20/13.5) with the Bailey-Lovie
chart. 50 % of all repeated measurements with the FVT were within an interval of ±
0.035 logMAR from the mean value. 95 % were within ± 0.1 logMAR. Results of earlier
studies are discussed. Conclusion: On average, visual acuity values found with the Freiburg Visual Acuity Test were
slightly larger as compared to the Landolt ring chart (difference = 0.025 logMAR).
Taking the maximal difference of 0.05 logMAR tolerated by the international standard
DIN EN ISO 8597 [8] into account, both tests are equivalent. The results found with the Bailey-Lovie
chart were substantially lower as compared to the Landolt ring chart (difference =
0.09 logMAR). The Freiburg Visual Acuity Test has a high reproducibility and measures
visual acuity on a continuous scale that is not limited to the traditional visual
acuity steps. Thus, it can be recommended as a reference procedure for comparative
visual acuity studies.
Schlüsselwörter
Sehschärfe - Visus - Freiburger Visustest - Bailey-Lovie-Tafel - Landoltring - Hartmann-Nase
Key words
Visual acuity - Freiburg visual acuity test - Bailey-Lovie chart - Landolt ring
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1 Mit dem Wort „Crowding-Effekt” (von engl.: crowd = eine große Anzahl von Personen
oder Objekten, die dicht zusammen stehen) wird in der physiologischen Optik die Tatsache
bezeichnet, dass - besonders bei amblyopen Augen - die gemessene Sehschärfe bei sehr
nahe beieinander stehenden Optotypen um mehrere Visusstufen niedriger sein kann als
bei frei stehenden Einzelzeichen [11]. Im deutschen Sprachraum bezeichnet man die Auswirkungen des „Crowding-Effekts”
oft auch als „Trennschwierigkeiten”. Die Stärke der Trennschwierigkeiten hängt vom
Abstand der Optotypen ab. Den maximalen Crowding-Effekt findet man bei einem Optotypenabstand
von etwa 2,6 Winkelminuten.
2 Vor der Mittelwertbildung wurden alle Visusergebnisse logarithmiert, da nur so das
physiologisch richtige Ergebnis herauskommt.
PD Dr. rer. nat. Wolfgang Wesemann
Höhere Fachschule für Augenoptik Köln (HFAK)
Bayenthalgürtel 6 - 8
50968 Köln
Email: wesemann@hfak.de