Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2002; 12(5): 257-259
DOI: 10.1055/s-2002-35155
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zeitschrift, Impact-Faktor und Chancen des Fachgebiets

Journal, Impact Factor and Chances of a Specialist AreaT.  U.  Schreiber1
  • 1Rehaklinik Rheinfelden, Rehabilitationszentrum, Rheinfelden, Schweiz
Frau Stephanie Steil, Thieme Verlag Stuttgart, sei an dieser Stelle für die Aufbereitung der JCR-Daten gedankt
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Publication History

Eingegangen: 23. August 2002

Angenommen: 12. September 2002

Publication Date:
30 October 2002 (online)

Vor zwei Jahren wurde an gleicher Stelle vom Verlag „in eigener Sache” über die Aufnahme der Zeitschrift „Physikalische Medizin Rehabilitationsmedizin Kurortmedizin” in den Kreis der wissenschaftlichen Journale berichtet, die über einen Journal Impact Factor (JIF, kurz: Impact-Faktor - IF) verfügen [1]. Die zeitliche Verzögerung zwischen dem ersten Jahr der Aufnahme in den Science Citation Index ab 1998 und der Mitteilung des Impact-Faktors 1999 resultiert aus der Berechnungsgrundlage des Faktors. Inzwischen sind die Auswertungen für das Jahr 2001 eingegangen, die für Zeitschrift, Verlag und Herausgeber, aber auch insbesondere das Fachgebiet eine erfreuliche Entwicklung aufzeigen: Der Impact-Faktor beträgt nunmehr 0,493. Die Zeitschrift gehört damit weltweit zu den wichtigsten fünf Fachzeitschriften, die sich mit dem Journaltitel inhaltlich zur Physikalischen Medizin und Rehabilitation bekennen (Abb. [1]).

Abb. 1 Verlauf des Impact-Faktors 1997 bis 2001 für fünf Zeitschriften auf dem Gebiet Physikalische Medizin und Rehabilitation.

Bedeutsam ist dies nicht nur, weil der Impact-Faktor für die Autorität und Konjunktur einer Zeitschrift gewertet wird, sondern auch, weil er für die Beurteilung der Publikationstätigkeit einzelner Wissenschaftler und der Relevanz ihrer Arbeiten genutzt wird. Sowohl Zulassung von Wissenschaftlern zur Habilitation als auch Bewertung von Leistungs- und Jahresberichten werden am JIF gemessen. Dass der JIF und damit die wissenschaftliche Position des facheigenen Periodikums aber auch auf Gestaltung und Entwicklung des Fachgebietes zurückwirken können, soll im Folgenden kurz angeregt werden.

Zunächst muss nochmals auf das Zustandekommen und die Ermittlung des Journal Impact Factor (JIF = Impact-Faktor) eingegangen werden. Die Berechnung des JIF erfolgt jährlich durch das Institute for Scientific Information (ISI) in Philadelphia. Im vom ISI herausgegebenen Journal Citation Report (JCR) wird der immense Kerndatensatz von ca. 5300 wissenschaftlichen Zeitschriften aus 80 Ursprungsländern berücksichtigt, ca. 4600 aus dem Bereich „Science” und ca. 1700 aus dem Bereich „Social Sciences”. Eingeschlossen sind insgesamt mehr als 18 Millionen Zitierungen pro Jahr, die ausgesprochen zeitnah ausgewertet werden. Der JCR zeigt, wie oft, wie schnell und wie lange nach Erscheinen eines Artikels und von welchen Zeitschriften im eigenen oder fremden Fachgebiet eine bestimmte Zeitschrift zitiert wurde. Darüber hinaus gibt er Auskunft, welche anderen Zeitschriften von einer bestimmten Zeitschrift als Referenz herangezogen werden.

Wichtig ist, dass in der vom ISI geführten Datenbank ausschließlich so genannte Peer-Review-Zeitschriften erfasst werden. Dies sind Journale, die Veröffentlichungen nur nach einer Bewertung durch ausgewiesene Fachgutachter akzeptieren. Für die Zeitschrift „Phys Med Rehab Kuror” ist die Begutachtung eingereichter Arbeiten seit langem konsequent praktiziert worden, seit 2000 wird dies auch durch die Mitteilung des Eingangs- und Annahmedatums auf der Titelseite der Arbeiten dokumentiert. Die Ablehnungsquote eingereichter Arbeiten schwankt naturgemäß bei den einzelnen Journalen stark, ohne dass hierzu offizielle Daten existieren. Besonders hochrangige Publikationsorgane geben hohe zeitschrifteninterne Qualitätsanforderungen vor, womit eine starke Selektion zwischen eingereichten und schließlich veröffentlichten Beiträgen verbunden ist. Bekannte Zeitschriften erhalten ihre wissenschaftliche Reputation, indem nur erstklassige Arbeiten zur Publikation gelangen. Damit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese als wesentliche Literaturquellen in Arbeiten anderer Zeitschriften einfließen.

Die Zitierhäufigkeit wissenschaftlicher Arbeiten wurde vom Begründer des ISI, Eugene Garfield, als Berechnungsgrundlage des JIF genutzt [2]. Seit Einführung des JCR 1976 und Herausgabe der jährlichen Zeitschriftenlisten hat sich der JIF zum weltweit wichtigsten Parameter für die Bewertung akademischer Arbeit und Akzeptanz der Wissenschaftsjournale entwickelt. Von der Fachwelt wurde der JIF nach Möglichkeiten und Interessenlage mehr und weniger angenommen. Inwieweit der JIF tatsächlich Forschungsqualität abbildet und sich zur Bewertung individueller wissenschaftlicher Leistungen eignet, ist daher Gegenstand zahlreicher Kontroversen. So wird seitens der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie beispielsweise gefordert, dass „die Medizinischen Fakultäten den Impact-Faktor nicht mehr als Maßstab für die Bewertung wissenschaftlicher Leistungen verwendeten” [3]. Hintergrund dieser Skepsis gegenüber dem JIF ist die Tatsache, dass der JIF für jene Zeitschriften überproportional hoch ausfällt, die aus breiten Gebieten der Grundlagenforschung mit rasch expandierenden, aber kurzlebigen Publikationen bedient werden [4].

Der JIF wird aus einem Zahlenverhältnis gebildet. In den Quotienten gehen die Gesamtzahl der aus einer Zeitschrift zitierten Artikel und die Anzahl der insgesamt in der Zeitschrift in einem Zeitraum von zwei Jahren veröffentlichten Arbeiten ein. Wurden beispielsweise im Jahr 2000 und 2001 in allen registrierten Journalen 50 Zitate aus einer Zeitschrift ermittelt und die Anzahl der erschienenen Arbeiten betrug im gleichen Zeitraum 50, so ergibt sich ein JIF für 2002 mit 50/50 gleich 1 (entsprechend 0,1 bei 5 Zitaten und 50 Artikeln; 10 bei 500 Zitaten und 50 Artikeln). Der JIF bezieht sich damit auf die Zitation der gesamten Zeitschrift, für einzelne Artikel und deren Autoren ist er prinzipiell nicht repräsentativ [5].

Bedeutsam ist, dass der JIF von verschiedenen Faktoren bestimmt wird. Entscheidend sind die Fachdisziplin, der Anteil an Methoden, der Anteil an Reviewartikeln und die Verwendung der englischen Sprache [4] [5] [6]. In die Ermittlung der Zitierhäufigkeit fließen selbstverständlich auch alle die Literaturquellen ein, die innerhalb der eigenen Zeitschrift erfolgen (angeblich etwa ein Fünftel aller Zitationen sind „Selbstzitierungen”). Auf diese Art und Weise wird der JIF nicht unwesentlich erhöht, weswegen das Prinzip, Arbeiten der eigenen Zeitschrift in Literaturlisten eigener Veröffentlichungen aufzunehmen, in zahlreichen Journalen sowohl von Autoren als auch Gutachtern berücksichtigt wird.

Auf eine ausführliche Kritik des JIF soll bewusst verzichtet werden. Vielmehr erscheint es wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine Zeitschrift und die dahinter stehenden wissenschaftlichen Gesellschaften, Verbände und deren Mitglieder vom mittlerweile etablierten System der Zeitschriftenlistung durchaus profitieren und dies wissenschafts- und berufspolitisch nutzen sollten.

Nach außen ist die Aufnahme in die Zeitschriftenlisten mit der fachlichen Wahrnehmung der Inhalte der Zeitschrift und damit mit einer gewissen Akzeptanz des Fachgebietes verbunden. Die Chance, mit relevanten und methodisch guten Beiträgen in anderen Journalen und damit bei anderen Fachgebieten als Referenz zu erscheinen, steigt mit dem Vorliegen eines Impact-Faktors. Gleichzeitig bietet sich auch die Möglichkeit, wichtige Inhalte und Positionen gezielt einem größeren Publikum zur Kenntnis zu geben; etwa vergleichbar mit der Erreichbarkeit von Lesern durch überregionale Zeitungen. Über das „Web of science” werden alle vom ISI geführten Journale mit Summaries und Referenzen im Internet verbreitet.

Da Zitierfähigkeit und -häufigkeit auch wesentlich von der Qualität der veröffentlichten Arbeiten abhängen, erhöhen sich die Anforderungen an Beiträge und potenzielle Autoren. Hieran zu arbeiten ist vor allem Aufgabe der Herausgeber, der Redaktion, des wissenschaftlichen Beirates und der hinzugezogenen Gutachter. Die Qualität der Arbeiten definiert sich an überschaubaren Kriterien wie Methodik, Originalität, Neuigkeit und Klarheit der Darstellung bis hin zum aussagekräftigen Titel, einer strukturierten Zusammenfassung, seiner einwandfreien Translation ins Englische und geeigneten Schlüsselwörtern. Prinzipien und Grundsätze der Effektivität publizistischen Arbeitens, wie sie in so genannten „szientometrischen Grundgesetzen” formuliert sind, sollten beachtet werden [4] (Tab. [1]).

Tab. 1 Szientometrische Grundgesetze (nach Golder 4) Streuung der wissenschaftlichen Literatur um Innovationen und die wichtigsten Themen in einem Fachgebiet kennen zu lernen, werden nur wenige Zeitschriften benötigt Verteilung der Häufigkeit wissenschaftlicher Produktivität die Zahl der Personen, die n Aufsätze schreiben, ist proportional zu 1/n2 (von 100 Autoren schreibt nur einer mehr als 10 Artikel) Multiplikatoreffekt von Zitierraten produktiven Autoren glaubt man mehr als weniger produktiven Wachstum wissenschaftlicher Literatur von 100 Wissenschaftlern produzieren die Produktivsten 10-mal soviel wie die übrigen 90

Die Anregung zur Abfassung und Einreichung geeigneter Beiträge sollte sich nicht allein auf um wissenschaftliches Ansehen bemühte Autoren nach dem Prinzip „publish or perish” beschränken, also vorwiegend akademisch arbeitende Kollegen, die Punkte für persönliche Publikationslisten zusammentragen (müssen). Der Datensammlung des jüngst veröffentlichten Weißbuches „Physikalische Medizin und Rehabilitation” [6] ist zu entnehmen, dass etwa 2300 Ärzte in Deutschland die Facharztbezeichnung führen. Es sollte auch Anliegen aller klinisch tätigen Kollegen sein, die sich im Fachgebiet Physikalische Medizin und Rehabilitation engagieren, regelmäßig in der Zeitschrift zu publizieren. Dies würde den Austausch von Klinik und Forschung ebenso wie die gegenseitige Reflexion der jeweiligen Arbeitsergebnisse stimulieren.

Offensichtlich trägt die permanente öffentliche und veröffentlichte Auseinandersetzung mit Inhalten, Neuorientierungen, Definitionen, Methoden und Ergebnissen des Fachgebietes insbesondere vor dem Hintergrund der multidisziplinären Orientierung und der multiprofessionellen Arbeitsweise der Physikalischen Medizin und Rehabilitation zur Akzeptanz als eigenständiges ärztliches Fachgebiet bei. Die Entwicklung der PMR in den USA zeigte in den letzten Jahren beispielhaft, dass eine prosperierende Facharztentwicklung mit einer lebendigen und vielseitigen Diskussions- und Publikationskultur in eigenen Fachzeitschriften einhergeht.

Literatur

  • 1 Staehr C. Reifeprüfung nach sieben Jahren bestanden.  Phys Med Rehab Kuror. 2000;  10 107
  • 2 Garfield E. Citation analysis as a tool in Journal Evaluation.  Science. 1972;  178 471-479
  • 3 Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie . Beschluss.  Unfallchirurg. 1997;  100 838
  • 4 Golder W. Der Impact-Faktor: eine kritische Analyse.  Fortschr Röntgenstr. 1998;  169 220-226
  • 5 Hecht F, Hecht B, Sandberg A A. The journal „impact factor”: a misnamed, misleading, misused measure.  Cancer Genet Cytogenet. 1998;  104 77-81
  • 6 Nachemson A, Jonsson E. Back Pain - A scientific enigma in the new millennium.  Phys Med Rehab Kuror. 2001;  11 2-8
  • 7 Weißbuch „Physikalische Medizin und Rehabilitation”. Phys Med Rehab Kuror 2002 12 (Suppl 1): 1-30

Dr. med. Thomas Uwe Schreiber

Rehaklinik Rheinfelden Rehabilitationszentrum

Salinenstraße 98

4310 Rheinfelden · Schweiz

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