Psychotraumatologie 2002; 3(4): 43
DOI: 10.1055/s-2002-35049
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Traumatisierung von Frauen im Lebenszyklus

Traumatisation of Women in the Course of Life: Konsequenzen für eine frauengerechte VersorgungLuise Reddemann1
  • 1Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin, Ev. Johannes-Krankenhaus, Bielefeld
Weitere Informationen
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Anschrift:

Dr. med. Luise Reddemann

Klinik für psychotherapeutische und psychosomatische Medizin

Graf von Galen Str. 58

33619 Bielefeld

Telefon: Tel.: ++49-521-801-1531

Fax: Fax.:++49-521-801-1530

eMail: L.Reddemann@t-online.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. November 2002 (online)

 
Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Der Artikel macht aufmerksam auf verschiedene Formen von Traumatisierung und struktureller Gewalt, denen insbesondere Frauen im Verlauf ihres Lebens ausgesetzt sind. Die für einzelne Lebensabschnitte - frühe Kindheit, spätere Kindheit, Adoleszenz, Erwachsenenalter und Alter - charakteristischen Traumatisierungen werden einzeln beschrieben und diskutiert. Fallbeispiele von Patientinnen werden geschildert, deren Lebensgeschichte typische Traumata einschließlich ihrer Folgen illustriert. Daran anknüpfend werden Schlussfolgerungen gezogen für eine frauengerechte medizinische Behandlung und Psychotherapie. Möglichkeiten zur Prävention von Gewalt werden angesprochen und die Notwendigkeit von Forschung wird betont.

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Consequences for Medical Care Meeting the Needs of Women

The article calls attention to diverse types of traumatisation and structural violence to which women are particularly exposed in the course of their lives. Characteristic forms of traumatisation are described and discussed for different periods of life: early childhood, later childhood, adolescence, adulthood, and old age. Case studies depict patients whose life stories illustrates typical forms of traumatisation, including the consequences. Finally, conclusions are drawn with regard to the demands on psychotherapy and medical treatment which taking the specific needs of women into account. Possibilities preventing violence are addressed, and the necessity of research is emphasised.

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Einleitung

Der Artikel ist angelehnt an den Vortrag, den ich im April 2002 beim Kongress der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie in Köln gehalten habe. Das Thema Traumatisierung im Lebenszyklus von Frauen hielt ich für ein passendes Thema für mich, da ich mich seit über 20 Jahren damit beschäftige. Womit ich nicht gerechnet habe, war, dass die intensive Beschäftigung damit mir mehr unter die Haut gehen würde, als ich erwartet hatte. Was mir vor allem erneut weh tat, war die Wahrnehmung, wie sehr Frauen wegen ihres Geschlechts traumatisiert werden. So könnte die konzentrierte Beschäftigung mit dem Thema auch einiges bei der Leserin/beim Leser auslösen. Vielleicht Trauer, vielleicht Wut, vielleicht auch Abwehr. Wenn wir als TraumaforscherInnen und -TherapeutInnen dazu beitragen wollen, dass sich etwas ändert, müssen wir die Tatsachen zur Kenntnis nehmen. So möchte ich betonen, dass ich nur Tatbestände ausführe, die bereits 1979 von den Vereinten Nationen in ihrem „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau” [1] genannt wurden. Ich werde einige Zahlen präsentieren. Die wenigsten stammen aus Deutschland. Meine Hauptinformationsquelle waren insbesondere verschiedene Veröffentlichungen der WHO [2] [3]. Daneben waren der Frauengesundheitsbericht, der im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde [4], und der 6. Familienbericht der Bundesregierung [5] in einigen Punkten hilfreich.

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Frauenspezifische Traumata in einzelnen Lebensabschnitten

Das Thema Traumatisierung im Lebenszyklus von Frauen hat fast durchgängig mit Gewalt zu tun. „In fast alle Gesellschaften ist das Thema Gewalt gegen Frauen präsent. Dennoch wird es oft nicht zur Kenntnis genommen oder nicht benannt und wird akzeptiert als zur Natur der Dinge gehörig. Das führt dazu, dass auch viele Professionelle im Bereich der Gesundheitssysteme einschließlich Gynäkologen und Gynäkologinnen es schwierig finden, häusliche Gewalt als ein wichtiges Problem der öffentlichen Gesundheitsvorsorge anzusehen. Viele von ihnen finden es sogar noch schwieriger sich vorzustellen, dass dieses Problem bei ihren Patientinnen auftaucht und, vermutlich, auch innerhalb ihres eigenen Freundes- und Bekanntenkreises”, so die WHO 1997 [2].

„Violence against women is first and foremost a question of inequality and, by extension, a denial of human rights” [2] .

Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass Gewalt gegen Frauen zuerst und vor allem eine Frage der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen darstellt, und, wenn man das ausdehnt, eine Verleugnung der Menschenrechte. Wobei Menschenrechte eben seit ihrer Deklaration 1789 oft genug als Männerrechte verstanden wurden und werden. Olymp de Gouges, die damals forderte, Menschenrechte seien auch Frauenrechte, wurde guillotiniert. Immerhin ist das erwähnte Übereinkommen der UNO, dessen Einhaltung überwacht und angemahnt wird, ein zu rühmender Fortschritt in unserer Zeit [1].

Hier kann nicht detailliert auf alle Formen der Gewalt gegen und Traumatisierungen von Frauen eingegangen werden, jedoch sollen die wichtigsten Formen vorgestellt werden. Das, was ich darstelle, ist natürlich durch meine persönliche und subjektive Sicht der Problematik geprägt.

Ich will nun kurz einige Formen der Gewalt gegen Frauen im Lebenslauf nennen, um später auf einige Punkte detaillierter einzugehen. Nicht alles gilt für Deutschland und westliche Kulturen in krasser Form, wir sollten uns aber auch nicht all zu sehr in Sicherheit wiegen. Sehr, sehr viele der hier genannten Formen von Gewalt gibt es auch bei uns.

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Vorgeburtlich

  • Selektive Abtreibung von Mädchen

  • Auswirkungen von Gewalt und sexueller Gewalt auf Schwangerschaft und Geburtsergebnisse

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Säuglingszeit

  • Tötung wegen des Geschlechts

  • Körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt

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Gewalt in der Kindheit

In den meisten Gesellschaften wird den Söhnen der Vorzug gegeben. Dies hat zur Folge:

  • Vernachlässigung von Mädchen, mehr als bei Jungen, wenn sie krank sind

  • unterschiedliche Ernährung für Jungen und Mädchen

  • ein Ungleichgewicht in der Verteilung der Hausarbeit an Mädchen von frühester Kindheit an

  • weniger Zugang zu Schulbildung für Mädchen wie für Jungen

  • Kinderheirat

  • Beschneidung

  • Körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt

Zumindest bei älteren Patientinnen hören wir sehr häufig davon, dass sie gegenüber ihren Brüdern massiv benachteiligt wurden. „Nur ein Mädchen” gewesen zu sein, mag nur für unsere jüngsten Patientinnen kein Problem mehr sein. Frauen, die etwa vor Mitte der 60 er Jahre zur Welt kamen, beklagen häufig, dass ihnen eine angemessene berufliche Ausbildung verweigert wurde. Selbstverständlich ist kein Zugang zu einer entsprechenden Schulbildung noch nicht unbedingt als Trauma anzusehen, jedoch spiegelt es das eingangs erwähnte Problem der Ungleichheit und gehört zum Themenkomplex der strukturellen Gewalt.

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Gewalt gegen Frauen im weiteren Lebenslauf:

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Adoleszenz und Erwachsenenalter

  • „Dating”- und „courtship violence”

  • Sex, der aus ökonomischen Gründen erzwungen wird - Inzest

  • sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz

  • Vergewaltigung

  • Belästigung

  • erzwungene Prostitution und Pornographie

  • Handel mit Frauen zum Zweck der Prostitution

  • Gewalt in der Partnerschaft

  • eheliche Vergewaltigung

  • Mitgiftmissbrauch und Mord

  • Ermordung durch den Partner

  • psychologischer Missbrauch

  • Missbrauch von behinderten Frauen

  • erzwungene Schwangerschaft

Einige der hier genannten Punkte werde ich später noch einmal beleuchten.

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Weitere Traumatisierungen im Lebenslauf, die nicht direkt mit Gewalt zusammenhängen:

(aber indirekt durchaus)

Adoleszenz und Erwachsenenalter:

  • Traumatisierung durch reproduktives Verhalten (z. B. künstliche Befruchtung)

  • Traumatisierung durch Gebären

  • Traumatisierung durch Erkrankungen der Brust und der Genitalien (insbesondere Krebserkrankungen)

Diese Traumata im Lebenslauf von Frauen lassen nicht direkt einen Zusammenhang mit Gewalt erkennen. Es ist zu diskutieren, ob dies in allen Facetten zutrifft. Es dürfte kein Zweifel bestehen, dass insbesondere die künstliche Befruchtung ein Gewaltpotential birgt. Jüngste Veröffentlichungen dazu im Deutschen Ärzteblatt 2002 unter der Überschrift „Zwischen Trauma und Tabu” haben dies aktuell verdeutlicht [6 12]. Besonders erschütternd empfand ich, dass eine der wichtigsten Vertreterinnen der künstlichen Befruchtung, Frau Prof. Mettler aus Kiel, es als persönliche Beleidigung empfand, wie sich eine betroffene Frau zu Wort meldete und sich zur Wehr setzte. Man habe stets nur das Wohl der Patienten (!) im Sinn. Mit diesem Argument sind leider schon viele Untaten gerechtfertigt worden. Sei es in der schwarzen Pädagogik. Sei es auf anderen Gebieten.

Traumatisierungen geschehen häufig durch die dem Medizinsystem innewohnende Gewalt und Gleichgültigkeit gegenüber den Leiden der Patientinnen, sowie Missachtung von deren Schamgefühlen.

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Weitere Formen von Gewalt gegen Frauen im Lebenslauf im Alter:

  • erzwungener Suizid oder Ermordung von Witwen

  • sexualisierte, körperliche und psychische Gewalt

Gewalt gegen alte Menschen nimmt weltweit zu. Zur strukturellen Gewalt gehört auch, dass Frauen erheblich mehr Psychopharmaka erhalten als Männer und alte Menschen insgesamt mehr Psychopharmaka bekommen. Leider ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass Alte möglicherweise heimgezahlt bekommen, was sie früher ihren Kindern antaten.

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Häusliche Gewalt

Auch das Thema häusliche Gewalt ist ein riesiges Feld: Nach einer anonymen Studie der Münchner Universitäts-Frauenklinik im Jahr 2000 [13] berichtet ein Fünftel der Frauen, zu sexuellen Aktivitäten gezwungen worden zu sein; die Hälfte von ihnen im Jugendalter, meistens durch Verwandte und Freunde. Eine fast identische Zahl wird aus USA berichtet, nämlich dass 21 % der Frauen angeben, dass sie in ihrem Leben mindestens einmal vergewaltigt und /oder Opfer sexualisierter Gewalt waren [14]. Nach Angaben des Statistischen Bundesamt sind jährlich 4 Millionen Frauen in Deutschland mit häuslicher Gewalt konfrontiert [15].

Zu betonen ist bereits an dieser Stelle, dass Übergriffe von Verwandten und Freunden häufiger zu psychologischen Erkrankungen führen als Übergriffe von Fremden.

Gewalt zwischen Intimpartnern ist zu einem erschreckend hohen Prozentsatz ein Verbrechen gegen Frauen. 85 % der Opfer in USA waren 1999 Frauen [16]. Schätzungen reichen von 960 000 [17] Fällen von Gewalt gegen eine derzeitige oder frühere Ehefrau oder Freundin pro Jahr bis zu 3 Millionen Frauen [14], die jährlich in den USA von ihren Partnern misshandelt werden. „In 1999, 1.642 murders were attributed to intimates. 74 % of the murder victims were women. Intimate partner homicide accounted for 32 % of the murders of women and 4 % of the murders of men”[16]. Was Tötung und Mord angeht, sind die Zahlen aus Amerika und die, die mir die Kripo Bielefeld freundlicherweise überließ [18], sich erstaunlich ähnlich. Allerdings werden in Bielefeld die Tötungsversuche mit berücksichtigt, was das Bild etwas relativiert. In den USA waren 74 % der Mordopfer im häuslichen Umfeld Frauen [16], in Bielefeld 73 %. Mord zwischen Intimpartner in USA 32 %, in Bielefeld 45 %. In Bielefeld waren 7,5 % der Opfer Männer, in USA 4 % [16]. Im Durchschnitt werden in USA täglich mindestens 3 Frauen von ihren Männern oder Freunden ermordet [16]. 1 642 Morde durch Intimpartner wurden 1999 in USA registriert [16]. 7,5 % der Frauen töten oder ermorden ihren Partner. Laut Auskunft der Kripo Bielefeld sind alle dort erfassten Frauen vorher von ihren Partnern misshandelt oder missbraucht worden. Dies ist selbstverständlich keine Rechtfertigung für Tötungsdelikte. Es ist aber wichtig, dies im Hinblick auf präventive Maßnahmen zu bedenken.

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Abb.1

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Vergewaltigung

Und nicht genug, 1998 berichteten 76 % der vergewaltigten Frauen, dass dies durch einen jetzigen oder früheren Ehemann, einen Intimpartner oder ein „date” geschah. [19]. „21 % of women reported that they had been raped or physically and/or sexually assaulted in their lifetime”[14].

„Stalking” ist in Deutschland bis jetzt kaum ein Thema. Aus meiner klinischen Erfahrung kann ich die Zahlen, dass 80 % der Frauen, die stalking-Opfer ihres Ehemanns sind, vorher von ihren Ehemännern misshandelt wurden und 30 % sexualisierte Gewalt erlitten bestätigen.

Stalking (USA)

„In 1997 78 % of stalking victims were women.

Women were significantly more likely than men (60 % and 30 %, respectively) to be stalked by intimate partners [20] .

80 % of women who were stalked by former husbands were physically assaulted by that partner and 30 % were sexually assaulted by that partner” [20] .

Nicht unerwähnt bleiben soll die Traumatisierung durch Beschneidung: weltweit sind über 130 Millionen Frauen und Mädchen beschnitten. Jedes Jahr kommen ca. 2 Millionen Frauen dazu. Im allgemeinen werden die Mädchen zwischen dem 4.und 12. Lebensjahr beschnitten. Es kommt aber auch vor, dass Säuglinge beschnitten werden, Kleinkinder sowie erwachsene Frauen. Erst in den letzten Jahren ist eine breitere Öffentlichkeit auf dieses Thema aufmerksam geworden, wobei die Bücher von Alice Walker [21] und Waris Dirie [22] dazu sicher wesentlich beigetragen haben. Auch hier kann einem die horrende Zahl den Atem nehmen.

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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (Deutschland)

Das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ neu. Nach einer Befragung von über 4 000 Frauen [23] wird angegeben:

  • 70 % der Frauen gaben an, schon mal mit anzüglichen Witzen, Anstarren, Hinterherpfeifen, taxierenden Blicken oder „zufälligen” Körperberührungen konfrontiert worden zu sein.

  • 56 % kennen anzügliche Bemerkungen über Figur und sexuelles Verhalten im Privatleben.

  • 33 % sind pornographischen Bildern am Arbeitsplatz ausgesetzt.

  • 15 % geben an, Küsse aufgedrängt bekommen zu haben.

Nicht jedes dieser Erlebnisse wird traumatisch verarbeitet, aber man mache sich einmal klar, dass fast 2 Drittel aller Frauen angeben, dass sie schon einmal belästigt wurden. Was für ein Klima schafft das zwischen Männern und Frauen im Arbeitsleben? Und: Die UNO rechnet sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zur Gewalt gegen Frauen.

Nicht unbedingt traumatisch, aber doch belastend ist für Frauen die Tatsache der geschlechtsspezifischen Segregation auf vielen, wenn nicht allen Gebieten des Arbeitslebens. Das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen wird genannt. Davon sind wir weit entfernt. Hier einige Beispiele - die Reihe könnte beliebig fortgesetzt werden,- aus dem Bericht des Bundesfrauenministeriums.

Wie es an den Hochschulen und in Kliniken aussieht, ist bekannt. Diskriminierung von Frauen sei immer noch an der Tagesordnung, lese ich im doch eher konservativen Ärzteblatt [6 12].

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Beispiele für geschlechtsspezifische Segregation der Arbeit als Ausdruck struktureller Gewalt

  • 69 % der in der Sozialarbeit auf der unteren Hierarchieebene Tätigen sind Frauen.

  • Auf der mittleren Leitungsebene ist das Verhältnis von Männern und Frauen ausgeglichen.

  • Auf der höheren Leitungsebene stehen 2 Drittel Männer einem Drittel Frauen gegenüber.

  • 84 % Frauen im Verkauf in der ersten Ausbildungsstufe.

  • 46,8 % Frauen in der zweiten Ausbildungsstufe [15].

  • 5 % Frauen schaffen den Aufstieg zur Abteilungs- oder Filialleiterin [24].

  • Die durch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gekennzeichnete Gebäudereinigung ist überwiegend Frauenarbeit

  • Die Denkmal- und Industriereinigung, in der die Entlohnung höher ist und in der Regel auch Ganztagsbeschäftigungsverhältnisse angeboten werden, ist männlich dominiert.

Dinge, die nicht direkt traumatisch sind, summieren sich möglicherweise i. S. kumulativer Traumatisierung, insbesondere wenn sie zu den Traumata im engeren Sinn dazu kommen. Die vielen Demütigungen und kleinen und großen Ungerechtigkeiten können sich so verstärkend auswirken. Eine übergreifende Forschung dazu steht aus und stünde an.

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Fallbeispiele

Nun möchte ich die Geschichte einer Frau berichten, die zur Generation der Mütter meiner Generation gehörte. Diese Frau ist vor kurzem gestorben. Das Leben dieser Frauen hat meine Generation dazu gebracht, dass wir aufbegehrten, dass wir die Rolle, die unsere Mütter mehr oder weniger klaglos akzeptiert hatten, ablehnten. Leider haben wir auch lange unsere Mütter abgelehnt und wenig Mitgefühl für ihr Leiden entwickelt.

Ich nenne sie Eva: Eva wurde 1910 geboren. Zum Glück gab es bereits einen 6 Jahre älteren Bruder, so dass sie als Mädchen willkommen war. Sie war begabt und klug. Sie träumte davon, Ärztin zu werden. Dennoch war es selbstverständlich, dass nur ihr Bruder studierte. Sie heiratete, so erschien es natürlich. Sie war bis zur Menopause fast dauernd schwanger, hatte zahlreiche Fehlgeburten und gebar 8 Kinder. Als die Pille in Deutschland auf den Markt kam, war dies für sie zu spät. Während fast jeder Schwangerschaft wurde sie misshandelt. Alle Geburten bis auf die des jüngsten Kindes waren qualvoll und lebensbedrohlich. Die meisten Kinder entstanden aufgrund ehelicher Vergewaltigung, jedoch wurde dies damals so nicht genannt. Es galt, als Frau ihre Pflicht zu erfüllen. Eva hatte zahlreiche körperliche Krankheiten. Sie verbitterte mehr und mehr. Es war offensichtlich, dass sie ihren Mann ablehnte, ja vielleicht sogar hasste, aber als Frau ihrer Zeit und als Katholikin kam es für sie nicht in Frage, sich vom Mann zu trennen. Als er starb, war sie 76. Sie blühte auf. Aber die Geister der Vergangenheit ließen sie nicht los. Sie hatte Alpträume, war unruhig und getrieben, klagsam, gereizt, kurzum, aus heutiger Betrachtung hätte man sicher einige Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung erkennen können, ja sogar einer komplexen Belastungsstörung, aber davon redete niemand. Die Ärzte, die sie behandelten, verstanden davon nichts, wie die meisten Ärzte in diesem Land. Evas Lebenseinstellung und der deutlich spürbare Hass auf den Ehemann wirkte sich belastend auf fast alle ihre Kinder aus. Wie sollten sie ertragen, dass ihr Vater nach Schilderung der Mutter ein Monster war? Und doch geschah auch in dieser Familie, was allzu oft geschieht, der Mann misshandelte nicht nur seine Frau, sondern ebenso seine Kinder. Und dennoch beschuldigten die erwachsenen Kinder ihre Mutter stärker als den Vater, auch dies ein häufig zu beobachtendes Phänomen. So blieb Eva doppelt einsam.

Als ich, damals junge Studentin, Eva kennenlernte, konnte ich ihre Vitalität spüren. Aber sie war mit 52 Jahren eine gebrochene Frau. Sie litt und doch hielt sie alles, was ihr widerfuhr, für „in der Natur der Dinge liegend”.

Heute begegnen wir manchmal, oder vielleicht gar nicht so selten, alten Frauen, die verwirrt erscheinen, die ähnliche Geschichten erzählen können, wenn wir ihnen zuhören.

Solcherart Traumatisierungen, das wissen wir, werden in der Regel nicht spontan berichtet, schon gar nicht beim Arzt. Man müsste danach fragen. Wir müssten dazu unsere Scheu überwinden und unsere Angst, diese Dinge zu erfahren. Wir müssten bereit sein zuzuhören und auf Warnzeichen achten: auf chronische, vage Klagen, die keine physische Ursache haben. Auf Verletzungen, die nicht zu den Erklärungen passen, die dafür gegeben werden. Wir müssten diese Dinge für möglich halten.

Kürzlich suchte einer unserer Patienten aus der Klinik dringend um ein Krisengespräch nach, sein Einzeltherapeut war an dem Tag nicht anwesend. Es habe eine Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner Frau gegeben. Er habe nicht mit ihr sprechen können, da sie hysterisch reagiert habe, da habe er sie geschlagen, er habe sich nicht anders zu helfen gewusst. Er fühlte sich dafür nicht im Unrecht, das, was ihn aufregte war, dass er seine Interessen bei seiner Frau nicht durchsetzen konnte. Meine therapeutischen Bemühungen gingen in die Richtung, ihn dafür zu gewinnen, zum einen Mitgefühl für seine eigenen Hilflosigkeit zu entwickeln, zum andern zu akzeptieren, dass er sich in einer Weise verhalten hatte, für die er nun die Verantwortung zu übernehmen hatte. Seine Frau hatte nämlich die Polizei verständigt. Er musste damit rechnen, aus der Wohnung gewiesen zu werden. Ich war froh, dass der Patient einen verständnisvollen Einzeltherapeuten hatte, der als Mann mit ihm diese schwierige Situation weiter klären konnte. Aus therapeutischer Sicht wäre nichts gewonnen, wenn wir verurteilen. Und doch braucht es eine klare Haltung in unserer Klinik i. S. von „Männer gegen Männergewalt.”

Eva machte eine Reihe von Suizidversuchen. Auch ihr wurde gerne Hysterie vorgeworfen. Hysterisches Verhalten schien die Rechtfertigung für jede Art von Verachtung und Gewalt zu sein. Frauen, die mit einem misshandelnden Mann zusammenleben, haben ein 5-mal höheres Suizidrisiko als Frauen, deren Partner nicht gewalttätig ist. Ich habe bereits erwähnt, dass Eva Gewalt während ihrer Schwangerschaften erlitt. Gewalt in der Schwangerschaft stellt ein häufigeres Problem und Risiko dar für Präeklampsie, Schwangerschaftsdiabetes und Placenta prävia. Diese 3 zuletzt genannten Schwangerschaftsrisiken werden routinemäßig untersucht und ausgewertet, Gewaltfolgen überhaupt nicht [2].

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Abb. 2

Missbrauch während der Schwangerschaft gilt als signifikanter Faktor für niedriges Geburtsgewicht, niedrige Gewichtszunahme der Mutter, sowie Infektionen und Anämie. Es gibt auch heutzutage nicht wenig unerwünschte Geburten, beinahe 15 % aller Geburten sind unerwünscht. Und beinahe ein Viertel aller Geburten werden als stark und sehr stark belastend erlebt. Für unerwünschte Geburten mag es vielerlei Gründe geben, ich bin sicher, dass Vergewaltigung - in der Partnerschaft - ebenso wie Druck ,die Schwangerschaft auszutragen, auch heute keine geringe Rolle spielt.

Eine jetzt 52-jährige Patientin berichtet, dass ihr jetzt Mitte 20-jähriger behinderter Sohn ihr bis heute Schuldgefühle mache. Als sie gegen ihren Willen schwanger wurde - damals gab es bereits die Pille, die sie aber nicht vertrug - hatte sie panische Angst, ein behindertes Kind zu bekommen. Die vorausgegangene Schwangerschaft war zwar gut verlaufen, jedoch hatte sie eine sehr schwere Geburt gehabt. Sie wollte dies nicht noch einmal erleben. Ihr Mann hat sie nicht vergewaltigt, aber psychisch unter Druck gesetzt, er wollte mehr als ein Kind haben. Es gelang ihr nicht, sich ihm zu widersetzen. Auch sie stammt aus einem stark religiös geprägten Milieu, in dem Sätze wie „die Frau sei dem Mann untertan” durchaus ernst genommen wurden. Insgesamt - aus meiner Sicht - hatte sie bessere Chancen als Eva. Denn sie hat einen sie erfüllenden Beruf. Die Sorge für das Kind nahm ihr dann später der Ehemann ab, etwas, was eine Generation zuvor beinahe undenkbar gewesen wäre. Damals drängte sie auf eine Amniozentese, da sie befürchtete oder ahnte, dass ihr Kind behindert sein würde. Die Ärzte zögerten diese hinaus, bis sie nicht mehr möglich war. Ich sei der erste Mensch, der ihr gesagt habe, dass ich verstehe, wenn eine Frau die Schwangerschaft mit einem behinderten Kind ablehne und beenden wolle. Aber auf meine Frage, ob sie sicher sei, dass sie dies damals hätte hören können, räumt sie ein, dass sie hin- und hergerissen gewesen sei. Nach der Geburt erlitt sie, wie sie es nennt, einen Schock, als ihr klar wurde, dass das Kind tatsächlich behindert sei. Sie entwickelte eine Reihe von Symptomen: Unruhe, Schlaflosigkeit, Misstrauen, depressive Verstimmungen, Suizidgedanken, Hoffnungslosigkeit, zahlreiche psychosomatische Beschwerdebilder und war seither fast dauernd in Psychotherapie. Sie berichtete, dass sie ein unerwünschtes Kind gewesen sei, insbesondere, da sie ein Mädchen war. Sie sei willensstark und vital gewesen, dies sei ihr systematisch, insbesondere von ihrer Mutter abgewöhnt worden. Eva hatte das mit ihren Töchtern auch so gemacht. Ihre Identifikation mit patriarchalen Strukturen war so vollständig, dass sie ihren Töchtern stets den Rat gab, klein beizugeben, schön brav und still zu sein. Jeglichen Eigenwillen ihrer Töchter beobachtete sie mit Argwohn. Ähnlich ging es meiner Patientin. Wenn überhaupt, dann fühlte sie sich vom Vater anerkannt und unterstützt. In ihren bisherigen Therapien ging es um vieles, nur nicht um die Traumatisierung durch die Geburtserfahrung.

Nun komme ich zu einigen Folgen der Traumatisierungen:

In einer Studie in den USA wurde folgendes gefunden: Die Wahrscheinlichkeit an ernsthaften Menstruationsbeschwerden, an einer Geschlechtskrankheit oder einer Infektion der Harnwege zu erkranken, ist bei den Opfern sexualisierter Gewalt oder anderer Gewalt in der Kindheit doppelt so groß. Häusliche Gewalt verdreifacht die Wahrscheinlichkeit zu erkranken.

Eine andere Untersuchung aus USA zeigt, dass Patientinnen mit Harnwegsinfekten im Vergleich mit solchen, die weniger ernsthafte Blaseninfekte hatten, eher schwere sexuelle Traumata, schwere sexualisierte Gewalt in der Kindheit oder andere Formen der Viktimisierung in der Kindheit erlitten hatten [2].

Es wurde geschätzt, dass Gewalt gegen Frauen ein ebenso wichtiger Grund für Tod oder Behinderung von Frauen im gebärfähigen Alter ist wie Krebs und ein stärkerer Grund für Krankheit als Verkehrsunfälle und Malaria zusammen [2]. Hier einige Thesen:

Frauen machen häufig die Erfahrung, dass insbesondere ihr Körper von anderen benutzt wird. Darüber hinaus wird ihr Körper stets am Männlichen gemessen. (So z. B. in der Forschung)

Der daraus resultierende Prozess der Entfremdung vom eigenen Körper führt zu einer schwer auflösbaren Entfremdung zwischen dem Selbst, dem Körper und der Umwelt.

So kann schließlich die Entfremdung der misshandelten Frau von ihrem Körper als ein wichtiger Grund für Störungen angesehen werden. Und damit als Ursache für viele somatische, psychosomatische und psychische Störungen.

Daraus folgen sodann auch Krankheitsbilder und komorbide Störungen.

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Komorbidität

„Comorbidity (USA): Complex PTSD was the disorder most associated with psychiatric illness, substance abuse severity, and healthcare utilization [25] [26] . 27 patients with complex PTSD have been found to have an average of 4 or more DSM-IV comorbid conditions and a high likelihood of meeting criteria for 1 or more personality disorders [27] [28] .”

Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung wurde am meisten mit psychiatrischen Erkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen und der Inanspruchnahme von Institutionen des Gesundheitswesen in Zusammenhang gebracht [29]. Dieser Befund gilt für Männer wie für Frauen. PatientInnen mit komplexer posttraumatischer Belastungsstörung hatten im Durchschnitt im DSM-IV 4 oder mehr weitere komorbide Störungen und eine hohe Wahrscheinlichkeit, den Kriterien für eine oder mehrere Persönlichkeitsstörungen zu entsprechen.

Dies entspricht genau unserer klinischen Erfahrung: Ein Großteil unserer Patientinnen im stationären Bereich, bei denen wir eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung diagnostizieren würden - wenn die Diagnose denn vorgesehen wäre - erfüllt auch Diagnosekriterien für Persönlichkeitsstörungen und zahlreiche andere Achse I Erkrankungen.

Aus klinischer Erfahrung haben wir den Eindruck, dass viele unserer traumatisierten Patientinnen alleine leben, weil Angst und Misstrauen gegenüber einer Partnerschaft, insbesondere mit Männern, zu groß sind.

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Gesundheitszustand allein erziehender Frauen

Was wissen wir über den Gesundheitszustand von allein erziehenden Frauen?

  • 54,5 % fühlen sich matt und abgeschlagen.

  • Ca. 55 % sind oft gereizt.

  • Mehr als 52 % grübeln viel über ihre Probleme.

  • 48,1 % leiden unter innerer Unruhe.

  • 30,4 % schlafen schlecht.

  • 18,5 % standen im Befragungszeitraum wegen Depressionen in Behandlung [30].

Die Zahlen machen deutlich, dass zumindest die Punkte 2 - 5 auch in Richtung einer posttraumatischen Belastungsstörung gedeutet werden könnten. Voreilige Schlüsse kann man aus diesen Befunden nicht ziehen. Aber immerhin, sie stimmen mich nachdenklich, zumal bekannt ist, dass bei depressiven Störungen ebenfalls in 50 % der Fälle Traumata mit verursachend sein können.

Dies sind einige, keinesfalls alle, Überlegungen zu den Folgen von Traumatisierungen von Frauen durch man-made Traumata. Wie steht es nun um Evas Enkelinnen und Urenkelinnen? Haben sie es leichter? Sind sie weniger bedroht? Die Antwort ist ja und nein. Allerdings ist unser Wissen bruchstückhaft. Im Grunde wissen wir wenig über die Kindheit der jetzt alten und älteren Frauen. Jüngere Frauen berichten inzwischen bereitwilliger und spontaner über Gewalt und sexualisierte Gewalt. Jedenfalls in unserer Klinik. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass gesunde oder einigermaßen gesunde jüngere Frauen ein erheblich besseres Selbstbewusstsein mitbringen.

In der Biographie von Carola Stern [31] las ich, dass noch Anfang 1970 die Beschäftigung einer Frau als Nachrichtensprecherin abgelehnt wurde mit der Begründung, diese Tätigkeit sei für Frauen nicht geeignet. Da ist in 30 Jahren viel geschehen, wie Sie alle wissen. Leider sieht es nicht danach aus, dass Gewalt und sexualisierte Gewalt weniger geworden wären. Und es gibt neue Formen von Gewalt, eine davon ist die künstliche Befruchtung. Wir sollten und müssen uns daher damit beschäftigen, was eine frauengerechte Versorgung sein sollte.

Ich plädiere seit Jahren dafür, dass alle Patientinnen und Patienten das Recht haben sollten, das Geschlecht ihrer BehandlerInnen bestimmen zu können, d. h. eine Wahl. Zum Glück hat sich auch hier in den letzten Jahren einiges verändert. Leider allerdings noch nicht genug. Daher sind die folgenden Forderungen immer noch aktuell.

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Grundprinzipien für die Behandlung traumatisierter Frauen nach Enders-Dragässer und Sellach [32]

  1. Die Patientinnen haben ein Recht auf umfassenden Schutz, insbesondere vor Gewalt, die von Männern ausgeht (...) Zur Gewährleistung dieses Schutzes sind Frauen in einer Frauenumgebung aufzunehmen und frauenorientiert zu behandeln.

Ich erinnere mich noch gut an meinen Stolz, als es mir Anfang der 70-er Jahre als junge Assistenzärztin in der Psychiatrie gelang, eine gemischtgeschlechtliche Station einzurichten. Heute müssen wir erkennen, dass der damalige Fortschritt sich bei traumatisierten Patientinnen zu deren Schaden auswirkt.

  1. Die Patientinnen haben ein Recht, sich umfassend mitteilen zu können… Frauen teilen sich eher Frauen gegenüber mit (...)

Frauen sprechen untereinander offener über die sie betreffenden Angelegenheiten. Die Scham ist geringer. Da Traumatisierungen immer auch den Körper betreffen und kein Mann letztendlich nachvollziehen kann, was es bedeutet, in einem weiblichen Körper zu leben - und jede Frau das weiß - teilt sie sich Frauen gegenüber, was den Körper angeht in ganz anderer Weise mit.

  1. Die Patientinnen haben ein Recht, von professionellen Frauen in Krankheit und Behandlung begleitet zu werden.

Von vielen Kollegen in leitenden Funktionen wird dies inzwischen berücksichtigt, insbesondere von solchen, die sich mit Trauma intensiv beschäftigen. So dass auf den Ebenen der Stationen genügend weibliches Personal anzutreffen ist. Und doch sind wir weit davon entfernt, dass dies eine Selbstverständlichkeit wäre.

  1. Ein Behandlungsangebot für traumatisierte Frauen sollte darüber hinaus die neueren Erkenntnisse der Traumaforschung zu traumatischem Stress [33] berücksichtigen. Dieser kann durch einen Mangel an Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Anliegen und Probleme weiter verstärkt werden.

Ich hoffe, die Kollegen stimmen mir zu, wenn ich Ihnen nahelege, kümmern Sie sich bitte verstärkt um Männer. In der Forensik z. B. befinden sich zahlreiche traumatisierte Männer. Männer, die ebenfalls Opfer von Gewalt und /oder sexualisierter Gewalt waren oder die sich durch ihre Taten traumatisierten. Viel zu wenige kümmern sich um diese Patienten mit ihnen angemessenen Konzepten.

Daraus folgend bitte ich Sie auch, helfen Sie mit, dass die Patientinnen, die von Frauen behandelt werden wollen, von Frauen behandelt werden. Wenn eine Frau darauf keinen Wert legt oder sogar die Behandlung durch einen Mann vorzieht, ist dies ihr Recht. Aber gefragt werden sollten die Frauen und ihr Wille respektiert werden.

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Forschung

Wegen der hohen Komorbidität wurde die komplexe PTSD aus der Forschung bis jetzt fast ganz ausgeschlossen. In Zukunft sollten PatientInnen mit komplexer PTSD verstärkt in die Forschung mit einbezogen werden. Schließlich wäre es wichtig, dass diese Forschung unterstützt und gefördert würde. Da wir in Bielefeld in einem Gemeinschaftsprojekt der Krankenanstalten Gilead in Bethel, unserer Klinik und der Universität ein solches Projekt durchführen, wissen wir, wie herausfordernd und komplex dies ist. Notwendig ist solche Forschung allemal.

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Prävention von Gewalt

Es dürfte allen klar sein, dass die Folgekosten für Traumatisierungen sehr hoch sind. Daher möchte ich schließen mit einer Aussage der WHO zu diesem Punkt. Ich war beeindruckt über die Einfachheit und Klarheit dieses Satzes.

„Violence, however, is preventable - it is not an intractable social problem or an inevitable part of the human condition. The wide variation in violence among and within nations over time suggests that violence is the product of complex, yet modifiable social and environmental factors” [3] .

Gewalt ist eine Wahl, aber wir können auch anders wählen. Aggression kann sich auf verschiedene Weise äußern. Lassen Sie uns als TraumaforscherInnen und TraumatherapeutInnen nicht nur das Elend kurieren, sondern lassen Sie uns auch Wege finden, präventiv tätig zu werden. Ein erster Schritt ist mit der Tagung und dem Tagungsthema gemacht. Lassen Sie uns an das Thema auch unter Resilienz- und Salutogenesegesichtpunkten herangehen. Lösungen gibt es bereits. Wir sollten z. B. fragen und erforschen - so weit nicht schon geschehen und daher bekannt - wieso 3 von 4 Frauen keine Opfer sexualisierter Gewalt werden. Hier gilt es zu verstärken. Auch die bereits mehrfach zitierte UNO-Resolution ist eine wichtige Ressource, selbst wenn dauernd dagegen verstoßen wird.

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Literaturverzeichnis

  • 1 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau. UNO 1979
  • 2 Violence against women. WHO 1997
  • 3 World report on violence and health. WHO in press 2002
  • 4 BMFSFJ. Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland. Kohlhammer Stuttgart; 2001
  • 5 BMFSFJ. 6. Familienbericht. Kohlhammer Stuttgart; 2001
  • 6 Klimm R. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Ernüchternde Bilanz. Ärzteblatt 2002 99: A 621
  • 7 Kuhn C. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Täter-Opfer-Szenario.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 620
  • 8 Mettler L. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Wohlergehen der Paare im Vordergrund.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 619
  • 9 Suttor-Bräutigam Y. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Kritische Distanz wahren.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 620
  • 10 Telus M. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Schlusswort.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 621
  • 11 Würfel W. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Keine differenzierte Darstellung.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 620
  • 12 Zuber-Jerger I. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Zu hohe Risikobereitschaft.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 617
  • 13 Anonyme Studie über häusliche Gewalt gegen Frauen. 2000. Zitiert nach Bilden,H (2001):Gender and Trauma-Social Psychological Aspects. Vortrag 1st Women’s Mental Health Congress Berlin. Universitäts-Frauenklinik München 2001
  • 14 Health concerns across a woman’s lifespan. 1998 survey of women’s health. The Commonwealth Fund 1999
  • 15 Statistisches Bundesamt. Datenreport 1999. Bundeszentrale für Politische Bildung Bonn; 2000
  • 16 Bureau of Justice statistics special report. Intimate partner violence and age of victim, 1993 - 1999. Bureau of Justice 2001: 7, 14, 15
  • 17 Violence by intimates: Analysis of data on crimes by current or former spouses, boyfriends, and girlfriends. U.S. Department of Justice 1998 1
  • 18 Statistik 2001. Persönlich überlassenes Marterial. Polizeipräsidium Bielefeld
  • 19 Prevalence, Incidence, and Consequences of violence against women: Findings from the national violence against women survey. U.S. Department of Justice 1998
  • 20 Stalking in America. Center for Policy Research 1997
  • 21 Walker A. Possessing the Secret of Joy. Harcourt Brace Jovanovich New York; 1992
  • 22 Dirie W. Wüstenblume. Schneekluth München; 1998
  • 23 BMFSFJ. Belästigung am Arbeitsplatz. Schriftenreihe Bd. 141. Kohlhammer Stuttgart; 1997
  • 24 Lemmermöhle-Thüsing D, Otto K A. Arbeit und Arbeitsverhältnisse im Beschäftigungsbereich „Einzelhandel” - Ein Beitrag zur Berufsorientierung unter den Bedingungen von Rationalisierung und Humanisierung der Arbeit. In: Zukunft der Arbeit. Forschungsschwerpunkt für Industrie- und Organisationssoziologie. Arbeitsberichte und Forschungsmaterialien. Universität Bielefeld 1989
  • 25 Hidalgo R B, Davidson J R. Posttraumatic stress disorder: epidemiology and health related considerations.  J Clin Psychiatry. 2000;  61, Suppl. 7 5-13
  • 26 Rosenberg H J, Rosenberg S D, Wolford G L, Manganiello P D, Brunette M F, Boynton R A. The relationship between trauma, PTSD, and medical utilization in three high risk medical populations.  Int J Psychiatry Med. 2000;  30 247-259
  • 27 Brom D, Kleber R J, Witzum E. The prevalence of posttraumatic psychopathology in the general and clinical population.  Isr J Psychiatry Relat Sci. 1992;  28 53-63
  • 28 Roth S, Newman E, Pelcovitz D, van der Kolk B, Mandel F S. Complex PTSD in victims to sexual and physical abuse: results from the DSM-IV field trial for posttraumatic stress disorder.  J Trauma Stress. 1997;  10 539-555
  • 29 Silverman J G, Raj A, Mucci L A, Hathaway J E. Dating violence against adolescent girls and associated substance abuse, unhealthy weight control, sexual risk behavior, pregnancy, and suicidality.  JAMA. 2001;  286 572-579
  • 30 Kordt M. Repräsentative DAK-Studie: optimale Rahmenbedingungen für berufstätige Frauen?. Praxis und Recht 2002 44: 11
  • 31 Stern C. Doppelleben. Eine Autobiographie. Kiepenheuer u.W Köln; 2001
  • 32 Frauen in der stationären Psychiatrie. Ein interdisziplinärer Bericht. Enders-Dragässer U, Sellach B Verlag Hans Jacobs Lage; 1998
  • 33 Van der Kolk B A. The psychobiology of posttraumatic stress disorder.  J Clin Psychiatry. 1997;  58; suppl. 9 16-24
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Anschrift:

Dr. med. Luise Reddemann

Klinik für psychotherapeutische und psychosomatische Medizin

Graf von Galen Str. 58

33619 Bielefeld

Telefon: Tel.: ++49-521-801-1531

Fax: Fax.:++49-521-801-1530

eMail: L.Reddemann@t-online.de

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Literaturverzeichnis

  • 1 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau. UNO 1979
  • 2 Violence against women. WHO 1997
  • 3 World report on violence and health. WHO in press 2002
  • 4 BMFSFJ. Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland. Kohlhammer Stuttgart; 2001
  • 5 BMFSFJ. 6. Familienbericht. Kohlhammer Stuttgart; 2001
  • 6 Klimm R. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Ernüchternde Bilanz. Ärzteblatt 2002 99: A 621
  • 7 Kuhn C. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Täter-Opfer-Szenario.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 620
  • 8 Mettler L. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Wohlergehen der Paare im Vordergrund.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 619
  • 9 Suttor-Bräutigam Y. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Kritische Distanz wahren.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 620
  • 10 Telus M. Reproduktionsmedizin - Zwischen Trauma und Tabu: Schlusswort.  Ärzteblatt. 2002;  99 A 621
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  • 13 Anonyme Studie über häusliche Gewalt gegen Frauen. 2000. Zitiert nach Bilden,H (2001):Gender and Trauma-Social Psychological Aspects. Vortrag 1st Women’s Mental Health Congress Berlin. Universitäts-Frauenklinik München 2001
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  • 15 Statistisches Bundesamt. Datenreport 1999. Bundeszentrale für Politische Bildung Bonn; 2000
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  • 17 Violence by intimates: Analysis of data on crimes by current or former spouses, boyfriends, and girlfriends. U.S. Department of Justice 1998 1
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  • 26 Rosenberg H J, Rosenberg S D, Wolford G L, Manganiello P D, Brunette M F, Boynton R A. The relationship between trauma, PTSD, and medical utilization in three high risk medical populations.  Int J Psychiatry Med. 2000;  30 247-259
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  • 29 Silverman J G, Raj A, Mucci L A, Hathaway J E. Dating violence against adolescent girls and associated substance abuse, unhealthy weight control, sexual risk behavior, pregnancy, and suicidality.  JAMA. 2001;  286 572-579
  • 30 Kordt M. Repräsentative DAK-Studie: optimale Rahmenbedingungen für berufstätige Frauen?. Praxis und Recht 2002 44: 11
  • 31 Stern C. Doppelleben. Eine Autobiographie. Kiepenheuer u.W Köln; 2001
  • 32 Frauen in der stationären Psychiatrie. Ein interdisziplinärer Bericht. Enders-Dragässer U, Sellach B Verlag Hans Jacobs Lage; 1998
  • 33 Van der Kolk B A. The psychobiology of posttraumatic stress disorder.  J Clin Psychiatry. 1997;  58; suppl. 9 16-24
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Anschrift:

Dr. med. Luise Reddemann

Klinik für psychotherapeutische und psychosomatische Medizin

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