Unter den chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen subsumiert man im Wesentlichen
das Asthma bronchiale sowie die chronisch obstruktive Bronchitis und die verschiedenen
Emphysemformen [1].
Andere Krankheitsbilder, die mit einer pulmonalen Obstruktion einhergehen, sind das
dyskinetische Ziliensyndrom, die Mukoviszidose, die Bronchiolitis obliterans etc.,
welche im Allgemeinen nicht unter dem Begriff „Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen”
subsumiert werden.
Die Diagnose „Asthma” wird meist lungenfunktionell objektiviert. Sie ist funktionell
charakterisiert als eine intermittierende, wechselnd persistierende Atemwegsobstruktion,
ausgelöst als Folge einer allergogenen oder nicht allergogenen Provokation mit variabler
bronchialer Hyperreagibilität. Vorwiegend Mastzellen und T-Helfer2-Lymphozyten, neutrophile und eosinophile Granulozyten kennzeichnen die zugrunde liegende,
genetisch determinierte Entzündung der Atemwege (Tab. [1]).
Tab. 1 Auslöser von Asthma bronchiale
exogene (IgE-vermittelt) Allergene: inhalativ, oral, parenteral
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endogene (nicht-IgE-vermittelt) Medikamente: ASA, Indometacin etc.
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unspezifische Auslöser: - Medikamente: β-Blocker - Atemwegsinfektionen (Viren) - physikalische und chemische - Inhalationsreize (Rauch etc.) - körperliche Anstrengung - Psyche (konditionierte Reflexe)
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Für die chronische Bronchitis gilt immer noch die anamnestische WHO-Definition: Husten
mit Auswurf an den meisten Tagen während mindestens je 3 Monaten in 2 aufeinander
folgenden Jahren. Die Ursachen sind vielfältig, wobei die neutrophilen Granulozyten
und in der akuten Exazerbation (Steroidindikation) auch die Eosinophilen dominieren
(Tab. [2]). Elastasenfreisetzung und Antiproteinasenmangel sind nebst genetischen Faktoren
für das Fortschreiten der Erkrankung, insbesondere der dadurch bedingten Emphysemgenese,
maßgebend.
Tab. 2 Chronische Bronchitis
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exogene Ursachen:
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„private air pollution” (Rauchen) „community air pollution” (SO2, O3, NOx) rezidivierende Infekte (Bakterien, Viren)
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endogene Ursachen:
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„dyskinetic cilia syndrome” (Kartagener) Hypogammaglobulinämie, IgA-Mangel PI-deficiency, Mukoviszidose, Atopie?
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Das Emphysem ist nach morphologisch-anatomischen Gesichtspunkten als „irreversibler
Lungenparenchymverlust, einhergehend mit einem alveolaren Oberflächen- und elastischen
Retraktionskraftverlust des Lungengewebes, definiert.
Diese drei Krankheitsbilder werden in der klinischen Routineuntersuchung mittels Ganzkörperplethysmograhie,
CO-Diffusionskapazitäts- und arterieller Blutgasmessung schweregradmäßig eingeteilt.
Gelingt es, die ganzkörperplethysmographisch objektivierte pulmonale Obstruktion (Abb.
[1]) durch eine akute (β2-Reversibilitätstest) oder länger dauernde pharmakotherapeutische Maßnahme (Kortikoid,
β2- und/oder Anticholinergika-Reversibiltätstest) teilweise oder ganz reversibel zu
gestalten, so liegt eine asthmatische oder bronchitische Atemwegsobstruktion vor.
Bei pharmakotherapeutisch irreversibler Atemwegsobstruktion mit Lungenüberblähung
und erniedrigtem Einatemzug-CO-Transfer (TLCO) handelt es sich um ein Lungenemphysem, wobei das Helium-single-breath-Volumen in
maximaler Inspirationslage stets kleiner als die ganzkörperplethysmographisch gemessene
Totalkapazität ausfällt.
Abb. 1 Die Differenzialdiagnose „Asthma”, „chronische Bronchitis” und „Lungenemphysem” geschieht
in erster Linie mittels Lungenfunktionstests
Die Differenzialdiagnose zwischen Asthma und Chronischer Bronchitis lässt sich im
Carbachol-Provokationstest realisieren, indem bei Asthma die dosisabhängige Bronchokonstriktion
im Verlauf der Zeit variabel ausfällt, währenddessen sie bei der chronischen Bronchitis
weitgehend negativ oder konstant positiv gemessen wird. Das Letztere gilt auch für
das Lungenemphysem, dessen Diagnose sich aber meist schon aus der Kurz- und Langzeit-Irreversibilität
der Atemwegsobstruktion unter Pharmakotherapie ergibt. Ein normaler CO-Transferfaktor
schließt ein wesentliches Lungenemphysem aus.
Unter COPD (Chronic obstructive pulmonary disease) versteht man die Kombination von
den anamnestisch zu erhebenden Symptomen der chronischen Bronchitis mit den funktionellen
und evtl. auch radiologischen (CT) Zeichen des Lungenemphysems. Die COPD wird nach
den WHO-Prognosen weltweit von der 5. auf die 3. Stelle nach Herzversagen und Schlaganfällen
in der Statistik der Todesursachen vorrücken. Hauptursache für das Zunehmen der COPD
ist nicht die größer werdende Umweltverschmutzung oder die Staubexpositionszunahme
am Arbeitsplatz, sondern die wachsende Zahl nikotinsüchtiger Raucher. Es erstaunt
daher nicht, dass die COPD eine Präkanzerose und die chronische Raucher-Bronchitis
Hauptursache für den häufigsten, zum Tode führenden Krebs, das Bronchialkarzinom,
ist.
Wir können in diesem Zusammenhang festhalten: Die Raucherpathologie ist im Wesentlichen
irreversibel. Chirurgische und pharmakotherapeutische Ansätze sind im Vergleich zur
Nikotinabstinenz bedeutungslos. Das Inhalationsrauchen ist und bleibt der größte vermeidbare
gesundheitliche Risikofaktor, den wir kennen. Die O2-Langzeittherapie ist die einzige lebensverlängernde therapeutische Maßnahme bei fortgeschrittener
COPD mit O2-bedürftiger respiratorischer Insuffizienz [2].
Indikationen zur O2-Langzeittherapie (LZT)
Die O2-LZT wird heute als rein symptomatische Therapie bei allen Formen von Herz-, Lungen
und/oder Atempumpversagen induzierter respiratorischer Insuffizienz angewendet, wobei
man sich aufgrund der Studien der 80er Jahre, welche nach Evidence-based-medicine-Kriterien
bei Patienten mit COPD eine Lebensverlängerung und Lebensqualitätverbesserung nachgewiesen
haben, richtet [3]
[4]
[5].
Wirkungen der O2-Atmung
Es gilt, sauber zwischen der Indikation für eine akute O2-Gabe und der O2-LZT zu unterscheiden. Eine O2-LZT ist stets indiziert, wenn der O2-Partialdruck drei Monate lang unter 55 - 60 mm Hg liegt. Dabei sollte berücksichtigt
werden, dass der CO2-Partialdruck auf 40 mm Hg standardisiert wird. PaO2 standardisiert = PaO2 gemessen - 1,66 × (40 - PaCO2 gemessen). Dieses Vorgehen ist sinnvoll, um Patienten, welche durch Hyperventilation
und daher erhöhte Atemarbeit versuchen, ihren O2-Partialdruck über die Grenze der O2-Bedürftigkeit anzuheben. Sie sind meistens dyspnoeischer als Patienten, welche durch
relative Hypoventilation, d. h. erhöhten arteriellen CO2-Parialdruck, ihren O2-Partialdruck überproportional senken, um Atemleistung zu sparen. Die O2-Gabe erlaubt den meisten Patienten, ihre Atemarbeit zu reduzieren. Hierbei gilt es
abzuklären, ob die O2-Gabe allein nicht zu Somnolenz oder sogar zu einem Narkose verursachenden PaCO2-Anstieg führt. Resultiert die O2-Gabe in einer ungenügenden Ventilation mit kritischem CO2-Anstieg, so darf die O2-Gabe auf keinen Fall entzogen werden, da dadurch der Patient der Gefahr ausgesetzt
wird, an O2-Mangel zu versterben oder mindestens einen hypoxischen Hirnschaden zu erleiden. In
allen Fällen mit unter O2-Gabe ungenügender Ventilation muss daher sofort eine nicht invasive oder invasive
Beatmung unter fortgesetzter O2-Gabe eingeleitet werden (Abb. [2]). Bei Patienten mit so genannter stabiler respiratorischer Globalinsuffizienz, d.
h. mit nicht kritisch erhöhtem CO2-Partialdruck, unter kontinuierlicher O2-Gabe konnte in den einschlägigen prospektiv randomisierten Studien gezeigt werden,
dass die so genannten „Blue bloater” gegenüber den normo- und hypokapnischen „Pink-puffer”-Patienten
einen Überlebensvorteil genießen, da die O2-Gabe bei relativer Hypoventilation die Atempumpe entlastet und damit der Atemmuskulatur
erlaubt, sich zu erholen, ebenso wie die intermittierende Selbstbeatmung (Abb. [3]).
Abb. 2 Die Atempumpe umfasst alle Strukturen, welche an der Ventilation beteiligt sind außerhalb
der Atemwege und der Lunge. Herzfehler und Herzmuskelversagen („Herzpumpenversagen”)
können ebenfalls zu einer respiratorischen Partialinsuffizienz führen. Jedes Versagen
der Atempumpe, das anfallende CO2 adäquat abzuatmen, führt zur respiratorischen Globalinsuffizienz.
Abb. 3 Patient mit individuell angefertigter Nasenmaske zur intermittierenden Selbstbeatmung
in Kombination mit O2-LZT bei chronisch respiratorischer Globalinsuffizienz als Folge von COPD mit Atempumpversagen
mit besonderer Dekompensationsgefahr (CO2-Narkose) nachts respektive im Schlaf.
Die O2-LZT hat viele positive Wirkungen auf die O2-Transportkette [6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11] durch Verminderung von:
-
Atemantrieb (PaO2-Anstieg)
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Atemleistung (Totraumreduktion, Atempumpleistungsreduktion)
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Herzleistungsreduktion (O2-Gehaltserhöhung → HZV-Erniedrigung)
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Blutviskositätserniedrigung durch Hämoglobingehaltsnormalisierung
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Lungenstrombahneinengung durch Beseitigung der alveolären Hypoxie mit Rechtsherzentlastung
über v. Euler-Liljestrand-Reflex als Akut- und Gefäßremodelling als Langzeiteffekt
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Herzrhythmusstörungen durch Verminderung supra- und ventrikulärer Extrasystolen (Abb.
[4])
Abb. 4 Abnahme der supraventrikulären und ventrikulären Extrasystolen unter nächtlicher O2-Gabe von 2 l O2/min im Gegensatz zur Luftatmung über Nasenbrille.
Folgen der optimierten Gewebsoxigenation durch Anhebung des O2-Partialdruckes in der Einatmungsluft und des O2-Transportvermögens des Blutes (O2-Gehalt) sind auch die Verbesserung der Schlafqualität (Dauer - s. Abb. [5] -, REM-Stadium, Stadium II, III und IV) und der körperlichen Leistungsfähigkeit
(Gehstrecke) sowie, last but not least, der intellektuellen Fähigkeiten (Vigilanz).
Abb. 5 Schlafstadienverteilung ohne (links) und mit (rechts) 2 l O2/min. Unter O2 kommt es zu einer Zunahme der Schlafstadien REM, III und IV (Tiefschlaf) und zu einer
Abnahme des Wachanteils.
O2-Atmungsdauer
Sie sollte möglichst über 24 Stunden ununterbrochen erfolgen, da der O2 nur so lange wirkt, als er geatmet wird. O2-Gaben von weniger als 12 Stunden/Tag wirken nicht mehr lebensverlängernd. Die O2-Partialdrücke oder besser: der O2-Gehalt des Blutes sollte nach Möglichkeit bis in den Normbereich angehoben werden.
O2-Dosierung
Sie wird nach 20-minütiger treppenförmiger Anhebung der inspiratorischen O2-Zufuhr von 1 auf 2 und 3 l pro min (so genannte Sauerstofftreppe) blutgasanalytisch
aus dem hyperämisierten Ohrläppchen vorgenommen. Pulsoximetrische Messungen können
bei wiederholten Kontrollen genügen, sie erlauben aber keine Erfassung des CO2-Partialdruckes. Kontrolluntersuchungen im Schlaflabor oder mittels transkutanen Screening-Geräten
können zur Klärung einer nächtlichen Hypoventilation mit oder ohne Apnoephasen und
begleitendem Schlafapnoe-Syndrom notwendig werden.
O2-Applikation
Die O2-Behandlung erfolgt meist über Nasenbrillen mit oder ohne inspirationsgesteuerte O2-Sparsysteme. Letztere sind vor allem bei Flüssig-O2-Gabe indiziert, um O2 zu sparen.
Am wirksamsten ist das Legen eines Minitrachealkatheters oder die Gabe von O2 über eine bereits bestehende Trachealkanüle. Letztere Maßnahmen sind vor allem bei
den Patienten in Erwägung zu ziehen, welche über Nasensonden nicht ausreichend oxigeniert
werden können. Gesichtsmasken sind im Allgemeinen für die O2-LZT ungeeignet.
O2-Quellen, stationäre und tragbare Geräte
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O2-Konzentratoren sind die ökonomischste Art, O2 zu verschreiben. Allerdings kommen sie nur infrage für Patienten, die nicht mehr
als 3 l O2/min benötigen und nicht mehr mobil sind, d. h. die sich stets zu Hause aufhalten.
Neue Systeme, welche aus Konzentratoren O2 in Flaschen abfüllen lassen für die mobile O2-Heimtherapie haben sich bis jetzt noch nicht durchgesetzt.
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O2-Flüssigsysteme sind heute bei allen Patienten, die mobil sind sowie tagsüber und
nachts und bei körperlicher Belastung O2 benötigen, bevorzugte O2-Quelle. Sie erlauben einen maximalen Aktionsradius und bei entsprechender Beachtung
der Logistik in verschiedenen Ländern auch größere Reisen.
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O2-Gasdruckflaschen werden bei Patienten mit O2-Sparsystemen mit Ein- bis Zweiliterflaschen sowie bei Patienten für kurze Aufenthalte
außer Haus eingesetzt. Als stationäre O2-Quelle sind Gasdruckflaschen zu teuer und logistisch zu aufwändig, da sie schneller
leer sind als Flüssigkeitstanks. Wie bereits erwähnt, wird sich zeigen, ob sich die
neuen leichten O2-Flaschen aus Kunststoff oder aus Aluminium, welche über O2-Konzentratoren zu Hause nachgefüllt werden können, zu einer zukunftsträchtigen Alternative
zu den etwas schwereren tragbaren Flüssig-O2-Tanks entwickeln.
O2-Befeuchtung
Sie sollte nur verordnet werden, wenn von Seiten des Patienten, vor allem bei höheren
O2-Flüssen, wegen Austrocknung der Schleimhäute über entsprechende Beschwerden geklagt
wird. 0,9 %ige sterile Kochsalzlösung ist hierfür geeignet, destilliertes Wasser für
Autobatterien ist nicht zu empfehlen, hingegen genügt auch abgekochtes Leitungswasser
in den meisten Fällen, um den zu trockenen inspiratorischen O2 ohne Infektionsgefahr zusätzlich anzufeuchten.
Technische Kontrollen
Sie sollten am besten alle sechs Monate durch die Lieferanten bzw. bei den O2-Füllungsterminen vorgenommen werden. Dabei sollte auch überprüft werden, ob sich
der O2-Konsum mit der therapeutischen Empfehlung des Arztes deckt. Nichts ist sinnloser
als eine wirksame Therapieverschreibung, welche vom Patienten nicht eingehalten, aber
vom Kostenträger bezahlt wird (Non compliance ist die teuerste Krankheit unseres Gesundheitswesens).
Ärztliche Kontrollen
Wir empfehlen, am Anfang in Abständen von drei Monaten in einem entsprechend ausgewiesenen
Zentrum Verlaufskontrollen durchzuführen. Dabei sollten nicht nur die Blutgase und
der Hb-Gehalt, sondern auch der HbCO-Gehalt überprüft werden, um festzustellen, ob
die empfohlene Raucherabstinenz eingehalten wird. Spirometrische oder ganzkörperplethysmographische
Kontrollen sind ebenfalls indiziert, vor allem bei Symptomexazerbationen, wo es gilt,
auch die Pharmakotherapie entsprechend anzupassen.
Ob Patienten, welche nach längerer O2-LZT aufgrund der Verbesserung des Krankheitsbildes durch Nikotinabstinenz, konsequente
Pharmakotherapie und O2-LZT die eingangs erwähnten Kriterien für die Fortführung der Therapie nicht mehr
erfüllen, weiter O2 zuführen sollen, ist nach Evidence-based-medicine-Kriterien noch nicht untersucht.
Hier können auch ergometrische Belastungstests helfen, die O2-LZT-Gabe sinnvoll zu adaptieren [12]. Wir diskutieren mit den Patienten jeweils einen Auslassversuch, wobei aufgrund
der Pathophysiologie der Lungenkrankheit bei Exazerbationen die O2-LZT doch meistens wieder indiziert ist. Der Übergang von der alleinigen O2-LZT zur Kombination mit der nicht invasiven Langzeit-Selbstbeatmung ist bei uns leider
die häufigere Alternative [2]
[13].
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie
kürzlich Leitlinien zur O2-LZT publiziert wurden [14]. Es handelt sich um die erste S3-Leitlinie (u. a. evidenzbasierte formale Konsensusfinding)
nach AWMF-Konzept in der Pneumologie [15].