Pneumologie 2002; 56(7): 443-447
DOI: 10.1055/s-2002-32868
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Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen - Indikationen für die O2-Langzeittherapie

Chronic Obstructive Lung Diseases - Indications for O2-Longterm TherapyH.  Matthys1
  • 1Abteilung Pneumologie, Universitätsklinikum, Freiburg
zum 60. Geburtstag von Professor Dr. med. Karl-Heinz Rühle
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Publication Date:
19 July 2002 (online)

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Unter den chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen subsumiert man im Wesentlichen das Asthma bronchiale sowie die chronisch obstruktive Bronchitis und die verschiedenen Emphysemformen [1].

Andere Krankheitsbilder, die mit einer pulmonalen Obstruktion einhergehen, sind das dyskinetische Ziliensyndrom, die Mukoviszidose, die Bronchiolitis obliterans etc., welche im Allgemeinen nicht unter dem Begriff „Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen” subsumiert werden.

Die Diagnose „Asthma” wird meist lungenfunktionell objektiviert. Sie ist funktionell charakterisiert als eine intermittierende, wechselnd persistierende Atemwegsobstruktion, ausgelöst als Folge einer allergogenen oder nicht allergogenen Provokation mit variabler bronchialer Hyperreagibilität. Vorwiegend Mastzellen und T-Helfer2-Lymphozyten, neutrophile und eosinophile Granulozyten kennzeichnen die zugrunde liegende, genetisch determinierte Entzündung der Atemwege (Tab. [1]).

Tab. 1 Auslöser von Asthma bronchiale exogene (IgE-vermittelt)Allergene: inhalativ, oral, parenteral endogene (nicht-IgE-vermittelt)Medikamente: ASA, Indometacin etc. unspezifische Auslöser:- Medikamente: β-Blocker- Atemwegsinfektionen (Viren)- physikalische und chemische- Inhalationsreize (Rauch etc.)- körperliche Anstrengung- Psyche (konditionierte Reflexe)

Für die chronische Bronchitis gilt immer noch die anamnestische WHO-Definition: Husten mit Auswurf an den meisten Tagen während mindestens je 3 Monaten in 2 aufeinander folgenden Jahren. Die Ursachen sind vielfältig, wobei die neutrophilen Granulozyten und in der akuten Exazerbation (Steroidindikation) auch die Eosinophilen dominieren (Tab. [2]). Elastasenfreisetzung und Antiproteinasenmangel sind nebst genetischen Faktoren für das Fortschreiten der Erkrankung, insbesondere der dadurch bedingten Emphysemgenese, maßgebend.

Tab. 2 Chronische Bronchitis exogene Ursachen: „private air pollution” (Rauchen)„community air pollution” (SO2, O3, NOx)rezidivierende Infekte (Bakterien, Viren) endogene Ursachen: „dyskinetic cilia syndrome” (Kartagener)Hypogammaglobulinämie, IgA-MangelPI-deficiency, Mukoviszidose, Atopie?

Das Emphysem ist nach morphologisch-anatomischen Gesichtspunkten als „irreversibler Lungenparenchymverlust, einhergehend mit einem alveolaren Oberflächen- und elastischen Retraktionskraftverlust des Lungengewebes, definiert.

Diese drei Krankheitsbilder werden in der klinischen Routineuntersuchung mittels Ganzkörperplethysmograhie, CO-Diffusionskapazitäts- und arterieller Blutgasmessung schweregradmäßig eingeteilt.

Gelingt es, die ganzkörperplethysmographisch objektivierte pulmonale Obstruktion (Abb. [1]) durch eine akute (β2-Reversibilitätstest) oder länger dauernde pharmakotherapeutische Maßnahme (Kortikoid, β2- und/oder Anticholinergika-Reversibiltätstest) teilweise oder ganz reversibel zu gestalten, so liegt eine asthmatische oder bronchitische Atemwegsobstruktion vor. Bei pharmakotherapeutisch irreversibler Atemwegsobstruktion mit Lungenüberblähung und erniedrigtem Einatemzug-CO-Transfer (TLCO) handelt es sich um ein Lungenemphysem, wobei das Helium-single-breath-Volumen in maximaler Inspirationslage stets kleiner als die ganzkörperplethysmographisch gemessene Totalkapazität ausfällt.

Abb. 1 Die Differenzialdiagnose „Asthma”, „chronische Bronchitis” und „Lungenemphysem” geschieht in erster Linie mittels Lungenfunktionstests

Die Differenzialdiagnose zwischen Asthma und Chronischer Bronchitis lässt sich im Carbachol-Provokationstest realisieren, indem bei Asthma die dosisabhängige Bronchokonstriktion im Verlauf der Zeit variabel ausfällt, währenddessen sie bei der chronischen Bronchitis weitgehend negativ oder konstant positiv gemessen wird. Das Letztere gilt auch für das Lungenemphysem, dessen Diagnose sich aber meist schon aus der Kurz- und Langzeit-Irreversibilität der Atemwegsobstruktion unter Pharmakotherapie ergibt. Ein normaler CO-Transferfaktor schließt ein wesentliches Lungenemphysem aus.

Unter COPD (Chronic obstructive pulmonary disease) versteht man die Kombination von den anamnestisch zu erhebenden Symptomen der chronischen Bronchitis mit den funktionellen und evtl. auch radiologischen (CT) Zeichen des Lungenemphysems. Die COPD wird nach den WHO-Prognosen weltweit von der 5. auf die 3. Stelle nach Herzversagen und Schlaganfällen in der Statistik der Todesursachen vorrücken. Hauptursache für das Zunehmen der COPD ist nicht die größer werdende Umweltverschmutzung oder die Staubexpositionszunahme am Arbeitsplatz, sondern die wachsende Zahl nikotinsüchtiger Raucher. Es erstaunt daher nicht, dass die COPD eine Präkanzerose und die chronische Raucher-Bronchitis Hauptursache für den häufigsten, zum Tode führenden Krebs, das Bronchialkarzinom, ist.

Wir können in diesem Zusammenhang festhalten: Die Raucherpathologie ist im Wesentlichen irreversibel. Chirurgische und pharmakotherapeutische Ansätze sind im Vergleich zur Nikotinabstinenz bedeutungslos. Das Inhalationsrauchen ist und bleibt der größte vermeidbare gesundheitliche Risikofaktor, den wir kennen. Die O2-Langzeittherapie ist die einzige lebensverlängernde therapeutische Maßnahme bei fortgeschrittener COPD mit O2-bedürftiger respiratorischer Insuffizienz [2].

Literatur

Prof. Dr. H. Matthys

Abt. Pneumologie, Universitätsklinikum

Hugstetter Str. 55

79106 Freiburg