Rehabilitation (Stuttg) 2002; 41(2/3): 192-200
DOI: 10.1055/s-2002-28451
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ambulante Rehabilitation alkoholabhängiger Patienten in einer Tagesklinik: Erste Ergebnisse einer vergleichenden katamnestischen Untersuchung von tagesklinischer und stationärer Behandlung

Outpatient Rehabilitation of Alcohol Dependent Patients in a Day Clinic: Initial
Results of a Comparative Follow-up Study of Day Clinic and Inpatient Treatment
W.  Lotz-Rambaldi1 , H.  Buhk1 , W.  Busche1 , J.  Fischer2 , U.  Bloemeke2 , U.  Koch1
  • 1Abteilung für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • 2Tagesklinik und Fachklinik im Sozialtherapeutischen Zentrum für Suchtkranke (STZ), Hamburg
    (Träger: Martha-Stiftung, Hamburg)
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Publication History

Publication Date:
08 May 2002 (online)

Zusammenfassung

Der Beitrag beschreibt die Entwicklung eines ambulanten Konzepts tagesklinischer Entwöhnungsbehandlung Alkoholabhängiger in einer Hamburger Suchthilfeeinrichtung und berichtet erste ausgewählte Ergebnisse einer vergleichenden Katamneseuntersuchung an Patienten der Entlassjahrgänge 1998 - 2000, die entweder ambulant in der Tagesklinik (n = 270) oder stationär in der Fachklinik der Einrichtung (n = 462) behandelt wurden. Auswertbare Fragebogen liegen von 131 Patienten der tagesklinischen und 173 Patienten der stationären Versorgungsform vor. Die Rücklaufquote beträgt - bezogen auf die Gruppe Erreichbarer - 57,2 % für die Tagesklinik- und 53,2 % für die Fachklinikpatienten. Die Ergebnisse der Studie lassen den Schluss zu, dass beide Versorgungsformen hinsichtlich wesentlicher Outcome-Maße (z. B. Reduktion psychischer Belastung, Abstinenzquoten, Wiedereingliederung ins Erwerbsleben) als durchaus vergleichbar angesehen werden können. Stationär behandelte Rehabilitanden geben häufiger an, bereits während der Rehabilitation Kontakt mit weiterbehandelnden Stellen und mit Selbsthilfegruppen aufgenommen zu haben, was jedoch nicht zu einem unterschiedlichen Inanspruchnahmeverhalten nach der Rehabilitation führt. Damit bestätigt sich die Annahme, dass mit einem zusätzlichen tagesklinischen Angebot im Bereich der Rehabilitation Abhängigkeitskranker ein weiteres wirksames Behandlungskonzept existiert, das die stationär geprägte Versorgungslandschaft sinnvoll ergänzt. Die Ergebnisse sprechen für die Qualität der Arbeit in der untersuchten tagesklinischen (wie auch in der stationären) Einrichtung und sollten als Ermutigung für Kostenträger und Mitarbeiter anderer tagesklinischer Einrichtungen in der Suchtrehabilitation dienen, sich an Evaluation und Qualitätssicherung zu beteiligen und so die Lücke zwischen dem (theoretischen) Erkenntnisstand über ambulante Rehabilitation und dem Grad der erfolgreichen Umsetzung weiter zu schließen.

Abstract

This article describes the development of an outpatient concept for the day-clinic withdrawal treatment of alcohol dependent persons in a Hamburg institution for addiction aid. It reports the initial, selected results of a comparative follow-up study of patients discharged during the years 1998-2000, who either receive ambulatory treatment in the day clinic (n = 270) or inpatient treatment in the institution's special clinic (n = 462). Assessable questionnaires are available from 131 outpatients of the day-clinic treatment and 173 patients of the inpatient treatment form. The response rate - with reference to the group of those who were reachable - was 57.2 % for patients of the day clinic and 53.2 % for patients of the special clinic. The results of the study arrive at the conclusion that both treatment forms can be seen as thoroughly comparable with regard to primary outcome measurements (for example reduction of psychological stress, abstinence rates, reintegration into occupational life). Rehabilitants treated in the inpatient setting more frequently report that they had already contacted centres for further treatment and self-help groups during the rehabilitation phase, which however doesn't lead to a change of participation behaviour following the rehabilitation phase. This serves to confirm the assumption that an additional offer of a day-clinic service in the area of addiction rehabilitation provides a further, effective treatment concept that sensibly supplements the otherwise inpatient-oriented treatment landscape. The results indicate the quality of the work performed in the day clinic studied (as well as in the inpatient clinic) and should encourage the funding agencies and employees of other day clinic institutions in the field of addiction rehabilitation to participate in evaluation and quality assurance measures, thus continuing to bridge the gap between the (theoretical) state of knowledge concerning outpatient rehabilitation and the degree to which it can be successfully realized.

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Dipl.-Psych. Winfried Lotz-Rambaldi

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Medizinische Klinik,
Abteilung für Medizinische Psychologie

Martinistraße 52

Haus S 30

20246 Hamburg

Email: lotz@uke.uni-hamburg.de

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