Rehabilitation (Stuttg) 2002; 41(2/3): 167-174
DOI: 10.1055/s-2002-28441
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Teilstationäre kardiologische Rehabilitation - Akzeptanz und Bedingungskonfigurationen
für die Settingentscheidung[*]

Outpatient Cardiological Rehabilitation - Acceptance and Conditions Related to Choice of SettingM.  Karoff1 , W.  Müller-Fahrnow2 , J.  Kittel1 , H.  O.  Vetter3 , H.  Gülker3 , C.  Spyra2
  • 1Klinik Königsfeld der LVA Westfalen, Institut für Rehabilitationsforschung Norderney e.V. -
    Abt. Königsfeld, Klinik an der Universität Witten-Herdecke, Ennepetal
  • 2Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung, Phil. Fakultät IV - Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Charité, Humboldt Universität zu Berlin
  • 3Herzzentrum Wuppertal, Universität Witten-Herdecke
Dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und dem Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung Norderney e.V. sei für die finanzielle Unterstützung dieses Forschungsprojekts gedankt.
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Publication Date:
08 May 2002 (online)

Zusammenfassung

Angesichts der wachsenden Forderung nach vermehrter Vernetzung und Integration sowie „durchgängigen” Versorgungsabläufen rücken zunehmend Fragen nach den Determinanten einer flexibilisierten Form des Rehabilitationssettings ins Blickfeld. Es gilt insbesondere zu klären, in welchen zeitlichen Zusammenhängen und unter welchen Voraussetzungen die entscheidende Wahl für ein bestimmtes Rehabilitationssetting getroffen wird. Bei 1838 konsekutiv aufgenommenen kardiologischen Patienten einer Rehabilitationsklinik wurde überprüft, wie viele Patienten sich für eine teilstationäre Rehabilitation entscheiden und welche Faktoren die Entscheidung des Patienten für ein bestimmtes Rehabilitationssetting mitbestimmen. Von den 1838 Patienten entschieden sich 165 (9 %) für eine teilstationäre Rehabilitation. Patienten, die eine teilstationäre Rehabilitation präferieren, sind eher männlichen Geschlechts, gehören einer höheren Sozialschicht an und sind jünger. Patienten, die sich für eine stationäre Behandlung entscheiden, fühlen sich durch die Erkrankung stärker eingeschränkt. Dies zeigt sich auch in der unterschiedlichen Krankheitsbewältigung. Die das stationäre Setting bevorzugenden Patienten neigen eher zur Rumination als teilstationäre Patienten. Es ist somit nachvollziehbar, dass diese Patienten sich von der Rehabilitation einen größeren Abstand zu ihren Alltagsproblemen erhoffen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Bereitschaft, ambulante Formen der Rehabilitation wahrzunehmen, sowohl von soziodemografischen, psychosozialen und krankheitsbezogenen Bedingungsgrößen als auch von regionalen Kontextgrößen moderiert wird. Sie ist eingebettet in das komplexe biopsychosoziale Bedingungsgefüge der Rehabilitation. Eine Konsequenz für die Flexibilisierungssteuerung könnte sein, nicht auf dirigistische und eindimensionale Steuerparameter zu setzen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine flexibilisierte Behandlungssteuerung keinen starren Regeln folgen kann, sondern individuelle Bedarfsplanungen berücksichtigt werden sollten.

Abstract

In view of the increasing demands for more co-operation and integration among health care providers and „uninterrupted” care delivery processes increasing attention is being paid to establishing the determinants of a more flexible form of rehabilitation setting. Interest is focused particularly on determining at what stages and under what conditions specific choices of rehabilitation setting are made. In 1838 patients admitted consecutively to a cardiological rehabilitation clinic, the study investigated how many patients opted for outpatient rehabilitation and what factors influenced the patients' choice of rehabilitation setting. A total of 165 (9 %) of the 1838 patients chose outpatient rehabilitation. Patients who prefer outpatient rehabilitation are mainly male, belong to a higher social class and are younger. Patients who choose inpatient treatment feel more restricted by their illness. This is also revealed in the difference in coping strategies employed. Patients who prefer the inpatient setting show a greater tendency towards rumination than outpatients. It is thus comprehensible that these patients hope to gain a greater distance from their day-to-day problems. The results indicate that patients' willingness to take advantage of outpatient forms of rehabilitation is moderated both by sociodemographic, psychosocial and disease-related variables as well as by context variables. It is embedded in the complex biopsychosocial conditions governing rehabilitation. One consequence for managing the introduction of more flexible modes of rehabilitation could be to avoid dirigistic and unidimensional control parameters. The results indicate that more flexible disease management cannot follow fixed rules, but rather that the planning of individual requirements should be taken into account.

1 Dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und dem Institut für Rehabilitationsforschung Norderney e.V. sei für die finanzielle Unterstützung dieses Forschungsprojekts gedankt.

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1 Dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und dem Institut für Rehabilitationsforschung Norderney e.V. sei für die finanzielle Unterstützung dieses Forschungsprojekts gedankt.

PD Dr. med. Marthin Karoff

Klinik Königsfeld der LVA Westfalen

Holthauser Talstraße 2

58256 Ennepetal

Email: m.karoff@uni-wh.de

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