Einleitung
Die Menschen werden immer älter, aber alle wollen jünger bleiben. Die Haut ist das Organ, das dem Altern am sichtbarsten unterworfen ist, wobei zahlreiche endogene und exogene Faktoren die natürlichen Alterungsvorgänge beschleunigen können. Umgangssprachlich sagt man, die Haut sei ein Spiegel der Gesundheit. Während in der Renaissance die Maler Schönheit als Korpulenz und blasse Haut als schön ansahen (Abb. [1 ]), diktiert die heutige Mode dünne, fast anorektische Figuren und braungebrannte Haut. Der zunehmende Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung stellt die Medizin vor neue wichtige Aufgaben. Die zunehmende Lebenserwartung - insbesondere der Frau - verleiht dieser Situation eine besondere Dynamik. In den nächsten 50 Jahren wird die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen auf 81 Jahre geschätzt. Mit einem durchschnittlichen Alter der Menopause mit 50 Jahren könnte dann die postmenopausale Zeit ungefähr 25 Jahre einer Frau dauern [31 ]. Während der Menopause stellt sich der Hormonhaushalt der Frau komplett um. In der Postmenopause kommt es zu tief greifenden Organveränderungen bedingt durch die Alteration des Stoffwechsels und die Ausprägung einer katabolen Stoffwechsellage [29 ]. Während der Menopause kommt es zum intrinsischen hormonellen Aging, das durch einen rapiden Östrogenabfall verursacht wird. Antiaging boomt - mit Lasern, Peelings, Spritzen und seit neuestem mit Hormonen. In den USA zählen Östrogene mittlerweile zu den meistverkauften Medikamenten - immer öfter auch in Form von Cremes. Seit neuestem werden Phytoöstrogene, und hier insbesondere die Klasse der Isoflavone (mit Genistein und Daidzein) in Cremes gegen Falten eingesetzt. Aber Hormone sind nach wie vor umstritten, stehen sie doch im Verdacht, Krebs und Thrombosen auszulösen. In der vorliegenden Übersicht wird der aktuelle Stand der Phytoöstrogene mit besonderem Hinblick auf die Isoflavone beim Antiaging dargestellt.
Abb. 1 Drei Grazien von Rubens (1636 - 1638, Collectiones de Pintura, El Prado, Madrid). Die Schönheitsideale ändern sich: mittlerweile ein Fall für die ästhetisch-rekonstruktive Medizin?
Geschichte
Phytoöstrogene sind Pflanzenbestandteile mit östrogenähnlicher biologischer Aktivität. Der Gebrauch von bestimmten Pflanzen in der traditionellen Medizin und „Volksmedizin” kann deren östrogenen Eigenschaften zugeschrieben werden. Beispielsweise wird dem Granatapfel die Steigerung der Fertilität zugeschrieben [37 ]. Der thailändische Wein Pueraria Mirifica wird zur Verjüngung und als Aphrodisiakum benutzt [8 ]. Dem Hopfen wurde im Mittelalter eine Minderung der Libido zugesagt und daher hauptsächlich vom Klerus konsumiert [24 ]. 1926 wurde erstmals beschrieben, dass Pflanzen östrogenähnliche Aktivität ausüben können [33 ]. 1975 wurden mehrere hundert Pflanzen mit östrogenähnlicher Aktivität identifiziert [22 ]. Epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass der Konsum einer phytoöstrogen-reichen Diät, wie sie in traditionellen asiatischen Kulturen praktiziert wird, mit einem niedrigeren Risiko für sog. „westliche” oder Zivilisationskrankheiten wie Brust-, Prostata-, Kolonkarzinom sowie kardiovaskulären Erkrankungen, assoziiert ist [1 ]
[2 ]
[3 ]
[18 ].
Klassifikation und Metabolismus der Phytoöstrogene
Die Phytoöstrogene werden in 3 Hauptgruppen unterteilt: die Isoflavone, Koumestane und Lignane, die entweder in Pflanzen oder deren Samen vorkommen. Eine Pflanze enthält oft mehr als eine Klasse der Phytoöstrogene. Zum Beispiel ist die Sojabohne reich an Isoflavonen, während die Sojakeimlinge reich an Koumestrolen sind (von Koumestanen abstammend) (Abb. [2 ]). Die hauptsächlichen Bestandteile der Isoflavone sind Genistein und Daidzein (Abb. [3 ]) [5 ]. Nach Verzehr von Isoflavonen und Lignanen werden durch komplexe enzymatische metabolische Vorgänge im Gastrointestinaltrakt heterozyklische Phenole konvertiert, die große Ähnlichkeit mit Östrogenen haben (Abb. [4 ]) [42 ]. Absorbierte Phytoöstrogen-Metabolite unterliegen dem enterohepatischen Kreislauf und werden über die Leber und die Niere ausgeschieden [1 ]. Isoflavone kommen fast ausschließlich in Hülsenfrüchten wie Sojabohnen, Linsen und Bohnen vor [19 ].
Abb. 2 Sojabohnen sind reich an Isoflavonen.
Abb. 3 Strukturformeln der Isoflavone Genistein und Daidzein.
Abb. 4 Strukturformel des Östradiols: OH-Gruppe an C3 und C17, fehlende Methylgruppe an C10, drei Doppelbindungen im Ring A.
Östrogene Effekte der Phytoöstrogene
Die biologische Potenz der Phytoöstrogene wird in der Literatur variierend dargestellt. Die Mehrzahl dieser Komponenten ist in der Struktur nichtsteroidal und deutlich weniger potent als synthetische Östrogene (10 - 3 bis 10 - 5 ) [37 ]. Die relativen Potenzen, bestimmt durch Bioassays humaner Zellkulturen verglichen mit Östrogen, dem man willkürlich einen Wert von 100 gegeben hat, sind für Genistein 0,084 und Daidzein 0,013 [3 ]
[34 ].
Biologische Effekte der Phytoöstrogene
Isoflavone stimulieren bei Labortieren eine uterine Hypertrophie und zeigen somit östrogene Aktivität [20 ]. Wenn Phytoöstrogene mit Östradiol zusammen verabreicht wurden, wirkte Genistein als Antiöstrogen und verminderte die uterine Östradiol-Aufnahme im Tiermodell [35 ]. Isoflavone weisen antikarzinogene Aktivität in vivo vor. Labortiere, die sojaangereicherte Diät erhielten, hatten geringere Proliferationsraten für Brusttumoren nach Tumorinduktion durch direkt wirkende (N-methyl-N-nitrosourea, NMU) und indirekt wirkende (dimethylbenzanthracene, DMBA) tumorinduzierenden Substanzen [35 ]. Es konnte gezeigt werden, dass Genistein in vitro sowohl proliferative (östrogene) als auch antiproliferative (antiöstrogene) Effekte auf humane Zelllinien aufwies [40 ]
[48 ]. In humanen Östrogen-Rezeptor-positiven MCF7-Brustkrebs-Zelllinien sind diese Effekte biphasisch und konzentrationsabhängig. Eine Stimulation des Zellwachstums findet bei niedrigen Konzentrationen von Genistein (10 - 5 bis 10 - 8 ) statt, während eine Inhibition bei höheren Konzentrationen (10 - 4 bis 10 - 5 ) auftritt [48 ]. Vermutet wird, dass Genistein und möglicherweise auch andere Phytoöstrogene das Tumorwachstum durch Interaktion mit der Tyrosinkinase-Aktivität von aktivierten Wachstumsfaktoren-Rezeptoren und zytoplasmatischer Tyrosinase hemmen, die essenziell für die Transduktion der mitogenen Signale sind.
Einfluss der Phytoöstrogene auf prä- und postmenopausale Frauen
Der Einflus einer sojaproteinangereicherten Diät (60 g Soja/Tag) bei prämenopausalen Frauen mit normalem Zyklus wurde untersucht. Dabei konnte eine verlängerte follikuläre Phase und/oder „nach hinten” verschobene Menstruation festgestellt werden. Die Plasma-Östradiol-Konzentrationen stiegen in der follikulären Phase und Cholesterin wurde gesenkt. Ähnliche Effekte wurden mit dem Antiöstrogen Tamoxifen erzielt [16 ]. Tamoxifen dagegen ist sehr umstritten, steht diese Substanz doch im Verdacht, kanzerogen zu sein. Bei transgenen Ratten konnten eindeutig die Mutagenese und Karzinogenese von Leberzellkarzinomen nachgewiesen werden [15 ]
[30 ]
[44 ].
Es wird berichtet, dass japanische Frauen im Vergleich mit postmenopausalen westlichen Frauen eine niedrigere Frequenz von Hitzewallungen haben, die teilweise dem hohen Konsum von Phytoöstrogenen zugeschrieben wird [32 ]. Die Literaturangaben sind jedoch bezüglich der nachgewiesenen Wirkungen unterschiedlich. Eine Phytoöstrogen-Supplementation könnte menopausale Symptome lindern, jedoch fehlen noch zusätzliche Studien, um konkrete Empfehlungen geben zu können.
Einfluss der Phytoöstrogene auf Erkrankungen
Der Konsum von Phytoöstrogenen scheint in asiatischen Ländern zu einer niedrigeren Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen beizutragen, ebenso scheinen Phytoöstrogene kardioprotektiv zu sein [2 ]. Mehrere Studien konnten eine Senkung von HDL und Cholesterin nachweisen. Weiterhin scheinen Phytoöstrogene einer Osteoporose vorzubeugen. Bei ovarektomierten Ratten verhinderte sojabohnenangereichertes Futter signifikant den Knochenverlust (p < 0,001) [4 ]. Die Inzidenz von hormonabhängigen Tumoren ist in Asien geringer. Brustkrebs, Ovarialkarzinome, Prostata- und Kolonkarzinome zeigen eine negative Korrelation mit Getreide- und Phytoöstrogen-Verzehr [39 ]. Hirayama berichtete über eine signifikant inverse Assoziation bei japanischen Frauen zwischen dem Brustkrebsrisiko und dem Konsum von Miso (Sojabohnen-Pastasuppe) [27 ].
Einfluss der Phytoöstrogene auf die Haut
In-vitro-Studien mit Phytoöstrogenen auf postmenopausaler Haut haben eine Epidermisproliferation, Kollagensynthese und Protektion des Kollagens gegen enzymatische Degradation ergeben (noch nicht veröffentlichte Studien von Vichy). Aus vielen Studien ist bekannt, dass Östrogene positiv auf die Haut und gegen die Hautalterung wirken. Punnonen et al. untersuchten den Einfluss einer östrogenhaltigen Creme bei 14 postmenopausalen Frauen gegen Plazebo bei 6 Kontrollpersonen. Nach 3 Wochen nahm bereits die Anzahl der elastischen Fasern in der papillären Dermis und die epidermale Dicke zu, während keine Änderungen bei den Personen eintraten, die das Plazebo aufgetragen hatten [38 ]. Schmidt et al. führte eine Studie mit einer 0,01 % Östradiol-Creme und 0,3 % Östriol-Creme über 6 Monate bei 28 peri- oder postmenopausalen Frauen durch. Nach 6 Monaten nahm die Elastizität und Festigkeit der Haut zu, die Faltentiefe verringerte sich zwischen 61-100 % in beiden Gruppen. Die Hautfeuchtigkeit nahm zu und die Faltentiefe signifikant ab. In den Hautbiopsien konnte eine Zunahme von Kollagen Typ III und der elastischen Fasern festgestellt werden. Bei der Untersuchung der Hormonspiegel war eine signifikante Zunahme nur für den Prolaktin-Spiegel zu erkennen, systemische hormonelle Nebenwirkungen traten jedoch nicht auf [41 ]. Eine orale Substitutionsbehandlung mit Östrogenen hatte einen Anstieg des Kollagengehalts in der Haut zur Folge [10 ]
[11 ]
[13 ]
[14 ].
Diskussion
In der Postmenopause kommt es durch Abfall der Östrogenbildung zum intrinsischen Aging mit tief greifenden Organveränderungen bedingt durch die Alteration des Stoffwechsels, insbesondere durch die Ausprägung einer katabolen Stoffwechsellage. Die hormonelle Deprivation von Sexualsteroiden erhöht verschiedene kutane Aging-Parameter wie die Hautatrophie, Atonie, Trockenheit, und Blässe. Ebenso können Zeichen von Hyperandrogenismus bei genetisch prädisponierten Individuen auftreten wie Haarwachstum im Gesichtsbereich, Akne und Haarausfall. Bei der extrinsischen Hautalterung dagegen spielt die UV-Exposition eine herausragende Rolle. Man kann davon ausgehen, dass mindestens 90 % des Umweltalterns durch Licht verursacht wird (sog. Photoaging) [36 ]. Histologisch kann zwischen intrinsischem und extrinsischem Altern exakt unterschieden werden: Während intrinsisch gealterte Haut einen Verlust der Elastizität und eine geringe Änderung der Hautoberflächenstruktur aufweist, zeigt durch Photoaging gezeichnete Haut tiefe Falten und eine trockene, rauhe Oberfläche, die oft gelblich und fleckig imponiert. Beim intrinsischen Aging ist die Epidermis dünn mit einer dünnen dermalen Interface-Schicht. Die basalen Keratinozyten erscheinen relativ uniform, der Keratinisierungsprozess scheint nicht verändert zu sein und das Stratum corneum ist normal. Dagegen ist bei lichtgeschädigter Haut die Epidermis dicker mit einer auffälligen Basalzell-Heterogenität. Die suprabasalen Zellen und die Granularzellschicht erscheinen normal, während das Stratum corneum dicker ist und so zum rauen schuppigen Aussehen der lichtgeschädigten Haut beiträgt [31 ].
Das Bindegewebe der Haut besteht hauptsächlich aus kollagenen Fasern, die ca. 70 % des Trockengewichts der Haut ausmachen [6 ]
[45 ]. Den hauptsächlichen Anteil an Kollagen in der Dermis macht Kollagen Typ I aus (etwa 50 % des Trockengewichts), jeweils weitere 10 % die Typen III und IV [23 ]. Das Kollagenmolekül ist ein unlösliches, stabartiges, aus drei im Sinne einer Tripelhelix ineinander gewundenen α-Ketten aufgebautes Gebilde. Sie bestehen zu einem Drittel aus Glycin, die restlichen Aminosäuren sind vorwiegend Prolin und Hydroxyprolin, Lysin und Hydroxylysin [23 ]. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass Östrogene die Polymerisierung der löslichen niedermolekularen Form zur unlöslichen höhermolekularen stimulieren. Darüber hinaus hemmen Östrogene den Kollagenabbau, so dass die Halbwertszeit um mehr als 100 % verlängert wird [43 ]. Brincat et al. konnten zeigen, dass der Kollagengehalt nach der Menopause signifikant abnimmt [9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]. Die Haut verliert in den ersten 5 Jahren nach der Menopause ca. 30 % des Kollagenanteils [9 ] mit einem durchschnittlichen Verlust von 2,1 % pro postmenopausalem Jahr über eine Zeitspanne von 20 Jahren. Nach diesen Befunden bleibt der Kollagengehalt in den ersten 3 Jahren nach der Menopause noch weitgehend konstant bei ca. 190 µg/mm2 Hautoberfläche. 4 bis 5 Jahre nach der Menopause sinken die Werte des Kollagengehalts auf weniger als 150 µg/mm2 Hautoberfläche ab und erreichen nach 10 Jahren Werte um 130 µg/mm2 Hautoberfläche. Nach 16 und mehr Jahren finden sich nur noch 108 µg Kollagengehalt/mm2 Hautoberfläche. Es konnte gezeigt werden, dass eine Substitutionsbehandlung mit Östrogenen den Kollagengehalt der Haut steigert. Die Zunahme des Kollagengehalts der Haut nach 6 Monaten hängt jedoch vom Kollagengehalt zu Beginn der Therapie ab [9 ]. Bei Frauen mit niedrigem Kollagengehalt der Haut sind die Östrogene initial therapeutisch und später prophylaktisch wirksam. Brincat [9 ] und Castelo-Branco [17 ] konnten nachweisen, dass der Kollagengehalt der postmenopausalen Haut und die Hautdicke bei Frauen mit Östrogen-Substitutionsbehandlung deutlich höher ist als bei Frauen ohne Hormontherapie. In prospektiven Studien waren die Hautdicke, der Kollagengehalt der Haut und die Knochenmasse bei Frauen erhöht, die eine Östrogen-Substitutionsbehandlung durchführten. Zudem reduziert Östrogen den Kollagenabbau und verbessert die Kollagenqualität [25 ]
[28 ].
Der Hautturgor wird großteils durch Mukopolysaccharide bestimmt. Ca. 25 % der Gewebeflüssigkeit ist an Hyaluronsäure gebunden [26 ]. Im Tierversuch nahm unter Östrogenbehandlung der Hyaluronsäure- und Wassergehalt der Haut zu [7 ]
[26 ]
[46 ]
[47 ]. Im Rahmen einer großangelegten nationalen Studie in den USA wurden 3875 postmenopausale Frauen auf ihre Hautbeschaffenheit unter Berücksichtigung, ob eine hormonelle Substitutionstherapie mit Östrogenen durchgeführt wurde oder nicht, untersucht. Dabei war bei den Frauen unter Östrogensubstitution eine signifikant geringere Faltentiefe feststellbar [21 ]. Aufgrund dieser Ergebnisse ist eine positive Wirkung der Östrogene gegen die Hautalterung und Faltenbildung unbestritten. Phytoöstrogene werden in Form von Cremes nur lokal appliziert und können direkt an der Haut die schwach östrogene Wirkung entfalten. Die Menge der systemischen Resorption von Phytoöstrogenen bei lokaler Applikation in Cremeform ist noch nicht untersucht, jedoch zeigen multiple Studien, dass auch bei oraler Aufnahme großer Mengen von Phytoöstrogenen, z. B. Sojabohnen, positive Effekte auf den Körper entstehen. Phytoöstrogene scheinen daher ein sanftes und risikoarmes Antiaging-Mittel zu sein.