Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37: 17-19
DOI: 10.1055/s-2002-25157
Originalie
Sonderheft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Fallbeispiele zur Therapie der HIT II
aus gutachterlicher Sicht

Case Report on Therapy for HIT II from an Assessor's Point of ViewS.  Haas
  • 1Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung der Technischen Universität München,
    Klinikum rechts der Isar
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Publication Date:
17 April 2002 (online)

Einführung

Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie vom immunallergischen Typ (HIT II) ist eine wegen der möglichen schwerwiegenden Folgekomplikationen gefürchtete Nebenwirkung bei subkutaner oder intravenöser Heparin-Gabe. In früheren Jahren, als diese unerwünschte Arzneimittelwirkung noch relativ wenig bekannt war, war die Mortalitätsrate wegen des oft zu späten Eingreifens mit 20 - 40 Prozent erschreckend hoch. Mittlerweile hat sich nicht nur unser wissenschaftlicher Kenntnisstand zur Pathophysiologie der HIT II ganz wesentlich erweitert. Auch in den Kliniken hat das HIT-II-„Bewusstsein” deutlich zugenommen, so dass gravierende oder sogar tödliche thromboembolische Komplikationen in den letzten Jahren sehr viel seltener registriert wurden [1]. Da die Thrombozytenzahl heute routinemäßig überwacht wird und ein Abfall dieses Wertes mittlerweile sehr sensibel registriert wird, spielt inzwischen die differenzialdiagnostische Abgrenzung anderer, ebenfalls mit einem Thrombozytenabfall einhergehender Krankheitsbilder eine größere Rolle als noch vor wenigen Jahren.

Grundlegende Voraussetzung zur Vermeidung von Thrombosen, Embolien, Schlaganfällen und den früher oft unvermeidbaren Amputationen ist die frühzeitige Diagnosestellung der HIT II. Heparin sollte bereits beim klinischen Verdacht auf eine HIT II sofort abgesetzt bzw. durch ein alternatives Antikoagulans ersetzt werden. Als alternative Antikoagulanzien bei Patienten mit akuter oder anamnestisch bekannter HIT II sind nur Danaparoid (Orgaran®) und rekombinantes Hirudin zugelassen. Eine Umstellung von unfraktioniertem Heparin (UFH) auf niedermolekulares Heparin (NMH) ist kontraindiziert. Aufgrund der derzeitigen Erfahrungen ist zwar davon auszugehen, dass das Risiko für die Entwicklung einer HIT II unter der Gabe von NMH geringer ist als bei Verabreichung von UFH. Ist jedoch unter UFH-Prophylaxe oder Therapie bereits eine Immunisierung eingetreten, so wird sich der pathologische Prozess, der durch Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten, Aktivierung der systemischen Gerinnung und Gefäßendothelschäden charakterisiert ist, bei der Umstellung auf NMH in den meisten Fällen ebenso amplifizieren, wie es bei Weiterführung der UFH-Gabe der Fall wäre.

Im Zusammenhang mit dem therapeutischen Vorgehen soll außerdem kritisch angemerkt werden, dass zwar die Verdachtsdiagnose einer HIT II auf der durch Heparin ausgelösten Thrombozytopenie beruht. Die im Rahmen der Akutmaßnahmen durchgeführte alternative Antikoagulation sollte jedoch nicht als „Behandlung der HIT” bezeichnet werden. Es handelt sich vielmehr um die Bekämpfung der durch Heparin induzierten Hyperkoagulabilität, deren Ausmaß in der Vergangenheit häufig unterschätzt wurde.

Die Vielfalt der klinischen Erscheinungsbilder einer HIT II kann selbst heute noch im Einzelfall das Erkennen dieser schweren unerwünschten Arzneimittelwirkung komplizieren. Daher soll im folgenden anhand von zwei Fallbeispielen dargestellt werden, welche Fallstricke in der Diagnose und Therapie der HIT II zu gegenwärtigen sind, um so Anleitungen für das zukünftige Handeln zu gewinnen.

Literatur

  • 1 Budde U, Bergmann F. Pathophysiologie und labortechnische Diagnostik der HIT II.  TraumaLinc. 1999;  2 4-12
  • 2 Empfehlung der Arzneimittelkommission. Deutsches Ärzteblatt 1994
  • 3 Hach-Wunderle V, Kainer K, Salzmann G, Müller-Berghaus G. Heparin-related thrombosis despite normal platelet counts in vascular surgery.  Am J Surgery. 1997;  173 117-119

Prof. Dr. Sylvia Haas

Klinikum rechts der Isar, Institut für Experimentelle Onkologie und
Therapieforschung der Technischen Universität München

Ismaninger Straße 22

81675 München

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