Zusammenfassung
Ziele der Studie: Erwachsene Zuwanderer haben
relativ zur Bevölkerung des Ziellandes oft eine niedrigere Sterblichkeit,
als aufgrund ihres sozioökonomischen Status zu erwarten ist (Healthy-migrant-Effekt). Dies wird mit einer
(Selbst-)Auswahl bei der Migration erklärt. Träfe das zu, so
müsste das Sterberisiko mit zunehmender Beobachtungsdauer deutlich
ansteigen, da der Auswahleffekt abklingt (Hypothese H1). Bleibt die beobachtete
Sterblichkeit anhaltend niedrig, so könnte ein Late-entry-Bias zugrunde liegen: Wenn Migranten erst Jahre
nach Einreise in Studien aufgenommen werden, so sind kranke oder
sozioökonomisch erfolglose Personen evtl. bereits remigriert. Dann
müsste das Sterberisiko invers mit der Aufenthaltsdauer im Zielland vor
Studieneintritt assoziiert sein (H2).
Methodik: Wir untersuchten im Deutschen
Sozioökonomischen Panel das Sterberisiko von zugewanderten Personen aus
ehemaligen „Gastarbeiter”-Anwerbeländern 1984-98 in
Abhängigkeit von Beobachtungsdauer im Panel (1-15 Jahre) und
Aufenthaltsdauer in Deutschland vor Studieneintritt (0-34 Jahre) in einem
Cox-Regressionsmodell.
Ergebnisse: Unter 2624 Migranten (Alter
16-83 Jahre) mit 21 858 Personenjahren im Panel ereigneten sich 59
Todesfälle. Nach Adjustierung für Alter, Geschlecht und Familienstand
betrug die Hazard ratio pro zusätzlichem
Beobachtungsjahr 0,93 (95 %-KI: 0,87-0,99); für je 10
zusätzliche Jahre Aufenthaltsdauer in Deutschland vor Studieneintritt
betrug sie in der Altersgruppe ≥ 50 Jahre 0,49 (95 %-KI:
0,27-0,89).
Schlussfolgerung: Wir fanden keinen Anstieg
der Mortalität mit der Beobachtungsdauer (H1) und damit keinen Beleg, dass
dem Healthy-migrant-Effekt primär eine
(Selbst-)Auswahl bei der Migration zugrunde liegt. Der beobachtete initiale
Mortalitätsvorteil ergibt sich eher aus internationalen Unterschieden im
Todesursachenprofil. Zum anhaltenden Mortalitätsvorteil von älteren
Zuwanderern aus ehemaligen Anwerbeländern trägt eine Verzerrung durch
Late-entry-Bias bei (H2).
Abstract
Background: First-generation immigrants
frequently have a lower mortality than the host population, in spite of a low
socio-economic status. This is usually explained by (self-) selection into
migration. If this were the case, the immigrants’ mortality risk would
increase with time under observation. A persistently low mortality could be due
to a late entry bias: if migrants are enrolled in a study years after
immigration, sick or socio-economically unsuccessful individuals may already
have returned to their countries of origin. Mortality risk would then be
inversely associated with length of stay in the host country before
enrolment.
Methods: We assessed the mortality risk of
immigrants from Mediterranean countries to Germany in the German Socio-economic
Panel, in relation to time under observation (1-15 years) and length of
stay in Germany before enrolment (0-34 years), using the Cox
regression.
Results: In 1984-98, 2624 immigrants
aged 16-83 years accrued 21,858 person years; 59 died. The hazard ratio,
adjusted for age, sex and marital status, for each additional year under
observation was 0.93 (95 % CI: 0.87-0.99); and for each
additional 10 years in Germany before enrolment 0.49 (95 % CI:
0.27-0.89) in the age group ≥ 50 years.
Conclusions: We found no evidence for a
mortality increase with time under observation, suggesting that the healthy
migrant effect is not primarily due to (self-)selection. The initial mortality
advantage could be due to international differences in mortality patterns. A
late entry bias does contribute to the persisting mortality advantage of older
immigrants.
Schlüsselwörter
Öffentliche
Gesundheitspflege - Migranten - Mortalität - Bias - SOEP
Key words:
Transients and
Migrants - Mortality - Effect Modifiers
(Epidemiology) - Selection Bias - Germany