Z Gastroenterol 2002; 40(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2002-19639
Zur Person
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Prof. Dr. med. Tilman Sauerbruch

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und StoffwechselkrankheitenProf. Dr. med. Tilman SauerbruchPresident of the German Society of ­Gastroenterology and Metabolic Diseases 2002G. Strohmeyer
  • 1Krankenhaus Mörsenbroich-Rath GmbH
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Publication Date:
21 January 2002 (online)

Der nächste Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten kommt erneut aus Nordrhein-Westfalen. Das war nicht immer so, spricht aber dafür, dass die Gastroenterologie auch in diesem Bundesland zu einem klinisch-wissenschaftlichen Schwerpunkt geworden ist. Prof. Sauerbruch ist seit 1992 Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn.

Er wurde am 9. Juli 1946 in Lauingen an der Donau geboren und entstammt einer Offiziers- und Ärztefamilie. Als Enkel des großen Chirurgen Ferdinand Sauerbruch trägt er einen klangvollen Namen in der deutschen Medizin, was er aber niemals hervorkehrt. Er besuchte Schulen in Hamburg und Düsseldorf und legte 1966 das Abitur in Hamburg-Reinbek ab. Im gleichen Jahr beginnt er das Medizinstudium in Würzburg, das er 1971 in Heidelberg abschließt. Welch ein Glücksfall, an der Donau geboren zu sein und in den schönsten deutschen Städten aufzuwachsen und studieren zu können! Und das bleibt dann auch so: Seine medizinische Weiterbildung beginnt er in der Inneren Medizin bei Schettler in Heidelberg und beendet die Medizinalassistentenzeit in der Chirurgie in Wolfratshausen in der Nähe von München.

Ab 1973 wird er Assistent in angesehenen Kliniken: zunächst in Pforzheim bei Sanwald und anschließend bei Kaess und Mehnert in München. Dort erlernt er die Innere Medizin von der Pike auf und erhält 1975 die Anerkennung als Internist und kurz darauf die Teilgebietsbezeichnung als Gastroenterologe durch die Bayerische Ärztekammer.

Er verwirft nach 7-jähriger Weiterbildung zum Internisten und nach reiflicher Überlegung die nahe liegende Option der Niederlassung in einer Praxis. Stattdessen bewirbt er sich mit 33 Jahren an die Medizinische Universitätsklinik in München-Großhadern bei Gustav Paumgartner. Der gibt ihm mit gutem Blick für Qualität, aber nicht ohne Skepsis in Anbetracht des vorgeschrittenen Alters von Sauerbruch einen auf 2 Jahre („höchstens 4!”) befristeten Vertrag. Dies ist für beide eine Entscheidung, die keiner von beiden je bereut hat!

In diese mit hohem wissenschaftlichem Anspruch geführte Klinik tritt er 1979 ein und stellt sich der Herausforderung mit ungewöhnlichem Einsatz und klarem Blick für das für ihn Machbare. Ausgehend von der damals besonders drängenden Frage nach der besten und wirksamsten Kontrolle von Blutungen aus Ösophagusvarizen, beginnt er mit umfangreichen kontrollierten Therapiestudien. Dabei ist ihm seine große, offenbar chirurgisch vererbte manuelle Geschicklichkeit bei der Endoskopie von großem Vorteil. Seine publizierten Ergebnisse stoßen national und international auf großes Interesse: Er vergleicht die Sklerosierungstherapie mit den Ergebnissen der medikamentösen Therapie mit Betablockern und anderen Verfahren zur Senkung der portalen Hypertension, z. B. Gummibandlegierung und TIPS (Transjugulärer intrahepatischer portovenöser Shunt) und beantwortet die Frage nach dem Wert der prophylaktischen Sklerotherapie negativ. Von da ab sitzt er auf jedem Panel zu diesen Fragen bei den Kongressen der GASL, EASL und IASL (Deutsche, Europäische und Internationale Gesellschaft zum Studium der Leber). Das macht ihn schnell international bekannt. In München ist er nach 4 Jahren klinischer Oberarzt und wird nach 5 Jahren von der Medizinischen Fakultät habilitiert.

Noch größere Resonanz erfahren die Studien aus seiner Arbeitsgruppe zur Lithotripsie von Gallensteinen. Anfang der 80er-Jahre hatte sich in München eine Arbeitsgruppe aus Urologen, Internisten, Chirurgen und aus der Industrie (Dornier) zusammengetan, die die Zertrümmerung von Nieren- und Gallensteinen zur Klinikreife entwickelt hatte. Sauerbruch, Paumgartner, Brendel u. a. greifen diese Entwicklung auf und liefern zusammen mit anderen deutschen Zentren überzeugende klinische Ergebnisse. Dabei werden die Limitationen und Komplikationen dieser Methode klar herausgearbeitet und nicht verschwiegen. Diese wissenschaftliche Redlichkeit zeichnet alle seine Publikationen aus, die in ihrer Klarheit und Zuverlässigkeit überzeugen. Dazu zählen auch weitere Veröffentlichungen mit seinen Mitarbeitern Spengler, Caselmann, Rockstroh u. a. zur Hepatitis, AIDS und gastrointestinalen Tumoren. Bei Sauerbruch stehen in der Forschung die klinisch orientierten Probleme im Vordergrund, die er theoretisch durchdringt und dann wichtige Antworten für die praktische Medizin eröffnet. Es ist nicht überraschend, dass er für seinen Chef Paumgartner zu einem seiner wichtigsten Mitarbeiter wird. 1983 wird er Oberarzt und übt - ganz im Sinne seines Chefs - großen Einfluss auf die Aus- und Weiterbildung der Klinikassistenten aus. Durch seine Fähigkeit zur Kooperation mit anderen klinischen Disziplinen, insbesondere mit Chirurgen, ist er ein gesuchter Konsiliarius. Dazu trägt bei, dass er bei allen unterschiedlichen Meinungen und Kontroversen verbindlich und unprätentiös seine Auffassung vertritt und das ohne akademischen Dünkel und Arroganz. Er liebt intellektuellen Widerspruch und führt ihn selbst überzeugend vor.

In der Bonner Klinik vertritt er die Gastro-Hepatologie in ganzer Breite. Gleichzeitig sind aber auch die Hämatologie, Onkologie, Infektionskrankheiten einschließlich AIDS und Nephrologie Schwerpunkte der Klinik. In allen diesen Subdisziplinen hat er mit seinen Mitarbeitern klinische und wissenschaftliche Akzente gesetzt. Es verwundert nicht, dass sich bei ihm ständig viele junge Ärzte um einen Ausbildungsplatz bewerben. In welcher Klinik kann man gründlicher und breiter in der Inneren Medizin ausgebildet werden? Es wird dort Evidence-based Medicine schon zu einer Zeit praktiziert, als sie noch nicht in aller Munde war. Dabei ist Prof. Sauerbruch ein offener und freundlicher Klinikchef mit allerdings hohem Anspruch an seine Mitarbeiter. Er gibt Rat und väterliche Fürsorge denen, die sie brauchen. Trotz aller Liberalität hat er alle Fäden in der Hand und lässt die Assistenten mit Vorbild, Strenge und Genauigkeit heranreifen. Dabei sind Humor und seine Fähigkeit, auch einmal über sich selbst lachen zu können, seine Stärke. Sportliche Aktivitäten absolviert er auf einem Mountainbike am Bonner Venusberg. Diese Strecke meistert er im Outfit von Jan Ullrich mühelos. Es stimmt aber nicht das Gerücht, dass junge Assistenten vor ihrer Einstellung beim Bergaufstieg gegen ihn antreten müssen.

Prof. Gustav Paumgartner ist einverstanden, dass nicht der ehemalige Klinikchef und Freund diese Darstellung verfasst, sondern ein „Auswärtiger”. Sauerbruch hält das „wegen des Abstands” für besser, obwohl es nicht leicht ist, sich seiner Ausstrahlung zu entziehen. Ich bin sicher, dass wir einen vorzüglichen und hoch geachteten neuen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten gefunden haben.

Prof. Dr. G. Strohmeyer

Ärztlicher Direktor
Krankenhaus Mörsenbroich-Rath GmbH

Amalienstraße 9

40472 Düsseldorf

Fax: 02 11/90 43 108

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