Methodische Grundlagen [1]
In mittlerweile 37 ambulanten Hamburger Suchthilfeeinrichtungen
werden die im Rahmen des Beratungs- und Betreuungsgeschehens erhobenen
klientenbezogenen Angaben in ein standardisiertes Erhebungsmanual
übernommen und einer zentralen Auswertungsstelle, dem Institut für
Sozialpädagogik und Sozialarbeit (ISS.V.) in Frankfurt am Main, zur
Verfügung gestellt [1-4]. Das Spektrum der Angebotsprofile
reicht von niedrigschwelligen Kontakt- und herkömmlichen
Drogenberatungsstellen (24 %), Alkoholberatungsstellen und
ambulanten Alkohol-Therapieeinrichtungen (16 %),
suchtmittelübergreifenden Einrichtungen (16 %),
Substitutionseinrichtungen (Methadonambulanzen) sowie Einrichtungen der
psychosozialen Betreuung Substituierter (30 %) bis hin zur
aufsuchenden Beratung im Strafvollzug (11 %).
Durch die in den Betreuungsprozess integrierte und daher weitgehend
akzeptierte Form der „begleitenden Erhebung” bedarf es keines
gesonderten Fragebogens und auch keiner obligatorisch zu erhebenden
Mindestmenge im Sinne eines Kerndatensatzes. An dessen Stelle tritt ein Manual,
in dem nur erhoben wird, was im individuellen Beratungs- oder
Betreuungszusammenhang ohnehin thematisiert worden ist. Die erhobenen Befunde
weisen damit eine unmittelbare funktionale Zuordnung zum jeweiligen
Betreuungsgeschehen auf. Im Jahr 2000 flossen auf diese Weise 10 777
Datensätze von 8960 individualisierbaren Personen (Steigerung
gegenüber dem Vorjahr: 29 %, Personen mit mehreren
Datensätzen: 13 %) in die Erhebung ein. Anhand der Angaben
zum Konsum psychoaktiver Substanzen konnten 8 451 Klientinnen und
Klienten (94,3 %) den beiden Hauptsubstanzgruppen
„Alkohol” und „illegale Drogen” zugeordnet
werden.
Tab.1
|
n = |
Prozent |
Gültige
Prozente |
Alkohol |
3 193 |
35,6 % |
37,8 % |
illegale Drogen |
5 258 |
58,7 % |
62,2 % |
gültig |
8 451 |
94,3 % |
100,0 % |
keine substanzbezogene
Differenzierung |
207 |
2,3 % |
________ |
fehlende Angaben |
302 |
3,4 % |
|
gesamt |
8 960 |
100,0 % |
|
Die Individualisierbarkeit der Daten wird durch ein zweistufiges
Datenschutzkonzept gewahrt: unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben
werden von drei Elementen (Personalcode, Items, Registriernummer) nach der
Erhebung in der für die Auswertung anonym bleibenden Einrichtung nur noch
jeweils zwei zusammengeführt, nämlich Personalcode und
Registriernummer in einer externen Datenbank sowie Registriernummer und
inhaltliche Angaben zu den Items beim Auswertungsinstitut. Hierdurch werden
sowohl die Erkennung von Mehrfachaufnahmen innerhalb eines Jahres als auch von
Weiterbetreuungen oder Wiederaufnahmen im Verlauf der Folgejahre auf
einrichtungsübergreifender Ebene möglich. So liegen von 1389
Klientinnen und Klienten des Jahres 2000 korrespondierende Datensätze aus
zwei Jahren, von 887 Personen Daten aus drei Jahren und von 562 Personen sogar
aus vier Jahren vor. Der infolge des prozessbegleitenden Charakters der BADO
systemimmanente Anteil von Missing Data erfordert permanente Bemühungen
zur weiteren Optimierung der Datenqualität. Ebenso wie die differenzierte
Datenauswertung erfolgen auch Missing-Analysen substanz- und
geschlechtsbezogen. So hat sich die Datenqualität in den Bereichen
Beziehung, Ausbildung, Einkommen/Schulden und bei den Behandlungsdaten
erheblich verbessert. Durch gezielte Analysen unter Berücksichtigung der
datenerhebenden Einrichtungsart und der Betreuungsdauer wird in den Folgejahren
das Vollständigkeitsniveau nochmals deutlich angehoben werden
können.
Im Jahr 2000 verdoppelte sich die Anzahl der datenerhebenden
Einrichtungen mit alkoholabhängigen Klienten von sechs auf zwölf,
wenngleich die Erreichungsquote bei geschätzten bis zu 65 000
Alkoholabhängigen in Hamburg immer noch bei unter 10 %
liegt. Die BADO vermag damit operativ lediglich die von öffentlich
finanzierten Einrichtungen erreichte Teilpopulation abzubilden, nicht jedoch
den beträchtlichen Teil der Alkoholselbsthilfe. Gleichwohl haben die
intensiven Bemühungen um eine stärkere strukturelle Integration des
Alkoholsektors in die Gesamtdokumentation inzwischen Früchte getragen, da
hier immer stärker auch Vergleiche auf Systemebene möglich werden.
Hingegen bildet die BADO bereits heute den ganz überwiegenden
Klientenanteil der ambulanten Drogenhilfeeinrichtungen Hamburgs ab:
mittlerweile 31 an BADO beteiligte ambulante Einrichtungen für Konsumenten
illegaler Drogen stellen bei insgesamt 35 derartigen Einrichtungen in Hamburg
einen Anteil von 86 % dar. Unter Berücksichtigung
divergierender Schätzungen zur Gesamtprävalenz der intravenösen
Drogenabhängigkeit in Hamburg, die von 7000 bis 12 000 reichen,
weist BADO eine Erreichungsquote zwischen 43,8 und 79,4 % auf.
Retrospektiv lassen sich auf der Basis des Ausgangsjahres 1997 unter Addition
der in den Jahresverläufen der BADO neu hinzugekommenen, aber bereits
langjährig abhängigen Klienten statistische Annäherungen zur
Schätzung der Gesamtprävalenz durchführen. Auf der Datenbasis
der Jahre 1997 bis 2000 ergibt sich für das Jahr 1997 mit diesem
methodischen Ansatz eine retrospektive Schätzzahl von rund 11 200
Drogenabhängigen.
Aktuelle Befunde
Von den im Jahr 2000 dokumentierten 3193 Personen mit
Alkoholproblemen sind 65 % Männer und 35 %
Frauen, davon insgesamt 5 % ausländischer Nationalität.
Im Durchschnitt sind die Männer und Frauen mit Alkoholproblemen ca. 44
Jahre alt und bereits seit 13 Jahren (Frauen) bzw. 14 Jahren (Männer)
abhängig (Tab. [1]).
5234 Personen im Bereich illegaler Drogen sind in der
Basisdokumentation erfasst, davon 72 % Männer und
28 % Frauen. Der Anteil deutscher Drogenabhängiger liegt bei
85 % (Männer) bzw. 92 % (Frauen). Das
Durchschnittsalter beträgt bei drogenabhängigen Männern 34 Jahre
und bei Frauen 31 Jahre. Hierbei ist seit Beginn der BADO im Jahr 1997
[4] ein ständiger und langsamer Anstieg des Durchschnittsalters
zu verzeichnen, obgleich dies keine Abnahme des relativen Anteils junger
Männer und Frauen bewirkt. Das Alter zu Beginn des Alkoholkonsums liegt
sowohl bei Männern als auch bei Frauen zwischen 14 und 15 Jahren, bei
Cannabiskonsum liegt dieses Alter bei 16 Jahren. Der Konsumbeginn bei Heroin
und Kokain liegt hingegen im Alter zwischen 20 und 23 Jahren. Das
Durchschnittsalter beim subjektiv erlebten Beginn der Abhängigkeit liegt
bei den Männern zwischen 20 und 21 Jahren und bei den Frauen zwischen 19
und 20 Jahren.
Wie im Jahr 1999 [2] weisen Frauen ein deutlich
niedrigeres Einstiegsalter beim Konsum von Heroin, Kokain und psychotropen
Medikamenten auf als Männer. Gleiches gilt für den Beginn der
Substitutionsbehandlung.
Die durchschnittliche Beratungs- oder Betreuungsdauer differiert
mit der Art der Einrichtung. Hierbei fällt auf, dass drogenabhängige
Frauen länger als drogenabhängige Männer die
einrichtungsspezifischen Angebote wahrnehmen. Hinsichtlich der Verweildauern in
den Einrichtungen weisen die in BADO dokumentierten klientenbezogenen
Verläufe einen deutlichen Schwerpunkt in einem aktuellen Zeitraum von
weniger als zwei Jahren auf (siehe Tab. [2])
Tab. 2
Verweildauern
Betreuungsbeginn ... |
Frauen
Alkohol [n = 1 077] |
Männer Alkohol
[n = 1 958] |
Frauen illegaleDrogen
[n = 1 419] |
Männer illegale Drogen
[n = 3 702] |
...im laufenden Jahr |
57.9 % |
59,2 % |
61,0 % |
66,0 % |
...im Vorjahr |
26,6 % |
27,7 % |
21,4 % |
19,4 % |
...vor zwei Jahren |
7,6 % |
8,9 % |
6,9 % |
5,9 % |
...vor drei Jahren |
5,4 % |
2,5 % |
3,6 % |
3,1 % |
...vor mehr als drei Jahren durchschnittl.
Dauer |
2,5 % 11
Monate |
1,7 % 10
Monate |
7,1 % 14
Monate |
5,6 % 12
Monate |
Die Mehrheit der Personen mit Alkoholproblemen konsumierte
ausschließlich Alkohol, 15 % konsumierten neben Alkohol
noch weitere psychotrope Substanzen, vorwiegend Sedativa und Schmerzmittel
(Frauen) sowie Cannabis (Männer). Unter den Personen in der Substanzgruppe
illegaler Drogen dominiert bei 85 % der Gebrauch von Opioiden.
74 % der Männer und 70 % der Frauen, die in
den letzten 30 Tagen Heroin konsumierten, applizierten Heroin
intravenös.
48 % der Männer und 46 % der
Frauen konsumieren Kokain und/oder Crack. Auch Kokain wird von der Mehrheit der
Konsumentinnen (59 %) und Konsumenten (65 %)
intravenös konsumiert. Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich ein Anstieg des
Crack-Konsums von 1,6 % auf 4,4 % bei den
männlichen und von 2,4 % auf 6,4 % bei den
weiblichen Drogenabhängigen. Der Anteil derjenigen, die angeben, schon
einmal Crack konsumiert zu haben, ist damit auf weiterhin niedrigem Niveau,
jedoch seit dem Jahr 1999 deutlich angestiegen von insgesamt 99 auf 392
(71 % Männer und 29 % Frauen). Eine
differenzierte Auswertung der Daten dieser Gruppe zeigt, dass vor allem
Männer und Frauen der Altersklassen 22 bis 29 Jahre und 30 bis 39 Jahre
Erfahrungen mit Crack haben. Cannabiskonsum (36 % Männer,
31 % Frauen), Alkoholkonsum (32 % Männer,
29 % Frauen) und Sedativa, Benzodiazepine, Barbiturate
(14 % Männer, 16 % Frauen) werden bei
Drogenabhängigen im Beratungs- und Betreuungsprozess ebenfalls
thematisiert und fließen damit in die BADO ein. Die Gesamtheit von 8451
substanzspezifisch differenzierten Fällen aus Alkohol- und
Drogenhilfeeinrichtungen weist folgende Verteilung zum Merkmal
„Hauptdroge” auf (siehe Tab. [3])
Tab. 3
|
Männer |
Frauen |
gesamt |
Alkohol |
51,8 % |
49,9 % |
51,1 % |
Opioide |
53,8 % |
47,0 % |
50,8 % |
Kokain und Crack |
31,1 % |
27,8 % |
29,0 % |
Cannabis |
23,9 % |
17,9 % |
21,7 % |
Sedativa/Hypnotika |
9,3 % |
10,3 % |
9,5 % |
sonstige psychotrope Substanzen |
3,6 % |
4,4 % |
3,8 % |
Stimulanzien |
0,9 % |
1,0 % |
0,9 % |
Schnüffelstoffe |
0,3 % |
0,2 % |
0,3 % |
n |
5.750 |
2.525 |
8.451* |
* einschließlich Fälle ohne Angabe
zum Geschlecht
|
Insgesamt ist bei 80 % der Personen mit
Alkoholproblemen eine entsprechende Behandlungserfahrung (mindestens eine
stationäre oder ambulante Entgiftung oder Entwöhnung) dokumentiert.
Dabei weist die Teilpopulation aus den Alkoholberatungs- und Behandlungsstellen
durchweg eine höhere Behandlungserfahrung als die in anderen Einrichtungen
auf.
Bemerkenswert ist, dass fast die Hälfte der KlientInnen, die
über zwei Jahre in den Alkoholberatungsstellen dokumentiert sind, in
diesem Zeitraum abstinent wird oder bleibt.
Wegen einer körperlichen Erkrankung war in den letzten
zwölf Monaten lediglich ein Fünftel (23 % Männer
und 20 % Frauen) in stationärer klinischer Behandlung.
Immerhin bei 36 % der Männer und 34 % der
Frauen mit Alkoholproblemen sind akute gesundheitliche Beeinträchtigungen
dokumentiert, wobei Männer ab 44 Jahren häufiger gesundheitliche
Probleme aufweisen, die sie akut beeinträchtigen. Jüngere Frauen bis
43 Jahre waren hingegen häufiger in ambulanter und/oder stationärer
psychotherapeutischer Behandlung.
69 % der opiatabhängigen Männer
und 71 % der Frauen befinden sich in einer
Substitutionsbehandlung. 78 % der Drogenkonsumenten und
81 % der -konsumentinnen verfügen über
Behandlungserfahrungen in ambulanter oder stationärer Entgiftung und
Entwöhnung, in den letzten zwölf Monaten wurden 24 %
der Frauen und 19 % der Männer im Krankenhaus wegen
körperlicher Probleme behandelt. Unter den Erkrankungen dominiert
Hepatitis C mit 41 % (ca. 50 % der Substituierten)
Die HIV-Prävalenz bei den Klientinnen und Klienten insgesamt beträgt
rund 5 %, bei den Substituierten ist sie mit 6 %
nur leicht erhöht. 17 % der drogenkonsumierenden Männer
und 24,3 % der Frauen wurden zusätzlich psychotherapeutisch
oder psychiatrisch ambulant oder stationär behandelt, hierunter mehr
Substituierte als andere Personen.
Von den Alkoholpatienten haben lediglich 3 % keinen
Schulabschluss und 20 % keine abgeschlossene Berufsausbildung,
etwa ein Drittel ist erwerbslos. 13 % der Drogenabhängigen
haben keinen Schulabschluss, 2 % haben einen
Sonderschulabschluss. Das Qualifikationsniveau der Schulabschlüsse ist
insgesamt niedrig. 50 % der Männer und 40 %
der Frauen haben eine abgeschlossene Berufsausbildung, ein Ergebnis, das seit
1997 fast konstant ist [4]. 92 % der
alkoholabhängigen Männer und 97 % der Frauen
verfügen über eigenen Wohnraum, wobei jedoch der Anteil
alkoholabhängiger Männer ohne eigenen Wohnraum faktisch höher
liegen dürfte, da BADO keine Daten aus speziellen Einrichtungen zur
Betreuung von Obdachlosen aufweist. 40 % der
alkoholabhängigen Männer und 28 % der Frauen leben
allein. 46 % der Männer haben Kinder, mit denen
34 % (allein oder mit Partnerin) zusammenleben. Demgegenüber
haben 59 % der alkoholabhängigen Frauen Kinder, mit denen
46 % zusammenleben. Die in den Einrichtungen betreuten Frauen und
Männer haben insgesamt ca. 1700 Kinder. 71 %
drogenabhängiger Männer und 79 % der Frauen haben einen
eigenen Wohnraum; über den Erhebungszeitraum von 4 Jahren sind die Angaben
über akute Wohnungslosigkeit leicht rückläufig. Insbesondere der
Anteil derjenigen, bei denen dokumentiert wird, dass sie „auf der
Straße” leben, ist kontinuierlich gesunken.
43 % der drogenabhängigen Väter und
22 % der Mütter leben allein. Die in den
Drogenhilfeeinrichtungen betreuten Männer und Frauen haben insgesamt ca.
2.500 Kinder (33 % Männer, von denen 32 % mit
den Kindern zusammenleben, 44 % Frauen, von denen
53 % mit den Kindern zusammenleben). Von den Frauen ohne Kinder
leben 51 % allein, 30 % mit Partnern und alle
übrigen in anderen Kontexten. Männer und Frauen mit Kindern sind
erheblich häufiger als diejenigen ohne Kinder an Einrichtungen der
psychosozialen Betreuung für Substituierte angebunden.
Wegen der insgesamt verbesserten Datenqualität konnte die
Variable „Soziale Desintegration” erstmals auch für die
Substanzgruppe Alkohol berechnet werden. Hierbei werden von den Variablen zur
sozialen Situation drei für diese Dimension relevante Items
ausgewählt, für die ausreichend Daten vorlagen: Partnerbeziehungen,
Wohnsituation und Erwerbsstatus. Diese Variablen wurden mit dem Ziel
dichotomisiert, die Vielzahl der jeweiligen Kategorien auf zwei zu reduzieren,
von denen dann eine als Indikator für soziale Desintegrationserscheinungen
gewertet werden kann. Hierbei werden nur diejenigen Fälle ausgewählt,
bei denen für diese drei Variablen gültige Angaben vorlagen. Nach
Bildung von vier Clustern, die eine soziale Desintegration andeutende
Merkmalsausprägung gestuft abbilden, lässt sich bei
28 % der Alkoholabhängigen eine starke und bei
72 % eine geringe soziale Desintegration nachweisen. Inwieweit
sich diese Verteilung als „angebotsinduziert” darstellt, da die
betreffende Klientengruppe eher von höherschwelligen Einrichtungen beraten
und behandelt wird, kann erst dann abschließend beurteilt werden, wenn
sich noch stärker als bisher niedrigschwellige Einrichtungen an BADO
beteiligen und sich dann ein veränderter Anteil bei stark sozial
Desintegrierten entwickelt. Alkoholabhängige Männer
(31 %) sind häufiger als Frauen (23 %) stark
sozial desintegriert. Wie auch bei den Drogenkonsumenten besteht ein enger
Zusammenhang zwischen Hafterfahrung und dem Ausmaß der sozialen
Desintegration (54 %) bei den Männern mit Alkoholproblemen.
Insgesamt sind 56 % der Drogenabhängigen (Männer
60 %, Frauen 47 %) als stark sozial desintegriert
und 44 % als gering sozial desintegriert zu klassifizieren. Die
höchsten Anteile stark sozial desintegrierter Männer finden sich in
den Einrichtungen der psychosozialen Betreuung für Substituierte. Stark
sozial desintegrierte Frauen dagegen sind am häufigsten in Kontakt- und
Drogenberatungsstellen dokumentiert.
Diskussion der Ergebnisse
An die Etablierung von Dokumentationssystemen in der ambulanten
Suchthilfepraxis ist die grundlegende Erwartung zu stellen, jenseits
unterschiedlichster suchtwissenschaftlicher Interessenlagen für die
sozialarbeiterische und therapeutische Praxis ein Reflektions- und
Steuerungsinstrument zu erlangen und zugleich für die staatliche
Versorgungsplanung wesentliche Entwicklungsparameter aufzuzeigen. Die Hamburger
BADO ist in der Lage, für eine Population von knapp 9000 Personen
Lebensumstände, suchtspezifische Parameter und Inanspruchnahmeverhalten in
einer Weise abzubilden, die es - bei ständig weiter steigender
Datenqualität und Datenquantität - erlaubt, neue
Maßstäbe im Sinne einer evidenzbasierten Suchtkrankenhilfe zu
setzen.
Hierbei wird es in der Weiterentwicklung dieses Instruments auf
der Auswertungsebene darum gehen, die zunehmende Datenfülle methodisch
stärker zu kanalisieren, Aussagen und Verknüpfungen noch stärker
zu validieren und Plausibilitäten durch noch gezieltere Hinzuziehung von
Missing-Analysen zu erhöhen. Die Beteiligten sind sich darin einig, die
Basisdatendokumentation durchaus im Gesamtverständnis einer
zeitgemäßen und an den Anforderungen einer Metropolregion wie
Hamburg ausgerichteten Gesundheitsberichterstattung zu begreifen, hierbei aber
jederzeit der Suchthilfepraxis eine umfassende Möglichkeit zu
gewähren, auf die Basisdatendokumentation als empirisch gesicherte
Grundlage der eigenen Positionierungen zurückgreifen zu können.
Das aktuelle Berichtsjahr 2000 weist hierzu in zahlreichen Punkten
Prozess- und Ergebnisqualitäten nach, etwa bei der Erreichung von
Abstinenz bei den Alkoholpatienten. Latent vernachlässigte
Handlungsbedarfe (beispielhaft hier: die hohe Kinderzahl sowohl im Alkohol- als
auch im Drogenbereich oder die abermals bestätigte relativ höhere
Attraktivität von Heroin für die Gruppe junger Frauen) werden ebenso
in Erinnerung gerufen wie umgekehrt auch aktuell aufkommende politische
Diskussionen [5] durch entsprechende Befunde empirisch unterlegt oder
relativiert (hier: die Steigerung des Crack-Konsums bewegt sich weiterhin auf
eher niedrigem Gesamtniveau) werden können. Somit eröffnet BADO
weitergehende Perspektiven für die Projektsteuerung, für die bundes-
und EU-weite Vernetzung regionaler Hilfesysteme und nicht zuletzt auch für
hierauf bezogene staatliche Planungsentscheidungen.