NOTARZT 2001; 17(5): 159-160
DOI: 10.1055/s-2001-17618
DER TOXIKOLOGISCHE NOTFALL
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Porzellanmaler

F. Martens
  • Charité, Campus Virchow Klinikum, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 October 2001 (online)

Der Fall

Der Notarzt wird in eine Porzellanmanufaktur gerufen, wo ein etwa 40-jähriger Mann erhebliche Luftnot beklagt. Diese sei von zunehmender Intensität und habe vor etwa zwei Stunden begonnen. Medikamente nehme er keine ein, Alkohol trinke er nicht regelmäßig, Rauchen nur am Feierabend. Er leide an keinen chronischen Erkrankungen.

Der Notarzt sieht einen zyanotisch wirkenden Patienten, Atemfrequenz 32/min, RR 145/90, HF 98/min. Die Lungen sind auskultatorisch unauffällig, beidseits sonorer Klopfschall. Die Herztöne sind rein ohne Geräuschbefund. Die während der Untersuchung angelegte Monitorüberwachung zeigt einen regelmäßigen Sinusrhythmus, das Pulsoxymeter eine Sättigung von 85 %, die sich auch nach Gabe von 15 l O2 über eine Gesichtsmaske nicht ändert.

Da die Ursache der Ateminsuffizienz zunächst nicht erklärlich erscheint, wird eine periphere Verweilkanüle gelegt und der Patient sitzend in eine nahe gelegene Klinik transportiert. Während des Transports erfährt der Notarzt, dass der Patient seit Jahren Porzellangeschirr mit farbigen Motiven bemale. Seit vor einigen Wochen seine Mutter gestorben sei, wäre ihm die Arbeit jedoch schwerer von der Hand gegangen.

In der Klinik fällt in Blutuntersuchungen eine mäßige Anämie um 11 g/dl auf. Die unter Sauerstoffatmung entnommene Blutgasanalyse zeigt ein pO2 von 140 mm Hg, ein pCO2 von 34 mm Hg sowie ein pH von 7,32. Außerdem wird ein Methämoglobin von 5,5 g/dl nachgewiesen. Mit dem Verdacht einer erworbenen Methämoglobinämie wird der Patient erneut befragt. Schließlich erinnert er sich an die versehentliche Einnahme eines Schluckes des Lösemittels, das er zum Reinigen und Anspitzen seiner Pinsel benutzt. Nach Gabe von Aktivkohle, der Injektion eines Antidotes sowie mehrtägiger Gabe von Askorbinsäure erholt sich der Patient in den nächsten Tagen folgenlos von seiner Vergiftung.

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Campus Virchow Klinikum
Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: frank.martens@charite.de

    >