Einleitung
Einleitung
Granularzelltumoren sind Tumoren, die selten präoperativ diagnostiziert werden. Erst
die relativ eindeutige Histomorphologie und neuere immunhistochemische Untersuchungsmethoden
sichern die Diagnose. Die Stammzellen dieser ganz überwiegend benignen Tumoren sind
bisher noch nicht eindeutig identifiziert, allerdings deutet die Mehrzahl insbesondere
der immunhistochemischen Befunde auf einen Ursprung bei perineuralen Fibroblasten
bzw. Epithelzellen hin. Wegen der Rezidivneigung und der seltenen malignen Verläufe
sollte eine Exzision in jedem Fall in toto angestrebt werden.
Anamnese
Anamnese
Ein 23-jähriger männlicher Patient wurde vom Truppenarzt mit dem Verdacht eines metastasierenden
malignen Melanoms (Primärtumor am rechten Unterschenkel, Metastase an der linken Schulter)
in die Abteilung für Dermatologie des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg eingewiesen.
Nach Angaben des Patienten bestand die Hautveränderung an der linken Schulter seit
einem Jahr, wurde durch das Tragen des Rucksacks gereizt und habe oft geblutet, manchmal
auch geeitert. Die Hautveränderung am rechten Unterschenkel sei ihm zuerst vor 2 Jahren
aufgefallen. Seitdem stetiges Wachstum, keine Blutung, kein Juckreiz. Keine Allgemeinsymptome.
Hautbefund sowie Primärstaging und Therapie
Hautbefund sowie Primärstaging und Therapie
An der linken Schulter findet sich ein 3 x 3 cm großer, kreisrunder, scharf-begrenzter,
erhabener, mit Schorf belegter Tumor von derber Konsistenz (Abb. [1 ]). Am rechten Unterschenkel zeigt sich ein 1 × 1 cm großer, ovaler, erhabener, schwarz
pigmentierter Tumor (Abb. [2 ]). Der Lymphknotenstatus ist unauffällig, der Patient befindet sich in gutem Allgemein-
und Ernährungszustand, die körperliche Untersuchung ist unauffällig. Beide Tumoren
wurden in Lokalanästhesie operativ entfernt. Weitgehend komplikationsloser Heilungsverlauf.
Zum Ausschluss einer möglichen, wenn auch sehr unwahrscheinlichen Metastasenbildung
wurden eine Computertomographie des Schädels sowie der Halsregion, eine Sonographie
des gesamten Abdomens sowie eine umfangreiche Labordiagnostik einschließlich der häufigsten
Tumormarker durchgeführt. Bis auf leicht vergrößerte, am ehesten reaktive zervikale
Lymphknoten sowie eine diskrete Splenomegalie fanden sich keine pathologischen Befunde.
Labordiagnostik sämtlich unauffällig. Trotz intensiver Aufklärung lehnte der Patient
weitere Nachsorgeuntersuchungen ab.
Abb. 1 Granularzelltumor an der rechten Schulter.
Abb. 2 Thrombosiertes Angiom am linken Unterschenkel.
Histologischer/histochemischer Befund
Histologischer/histochemischer Befund
1. Tumor am Unterschenkel
Das Präparat zeigt im oberen und mittleren Drittel eine Vielzahl von Gefäßschlingen,
die z. T. thrombosiert sind. Keinerlei atypische Zellen, kein Nachweis für ein malignes
Melanom. Die Läsion ist in toto erfasst.
2. Tumor an der Schulter
Der Tumor zeigt einen zentralen Verlust der Epidermis. Im seitlichen Bereich findet
sich eine lippenartige Überkragung der dermalen Tumorzellen durch einen epithelialen
Rand, der hier eine mäßige Akanthose aufweist. In dieser angrenzenden Epidermis keine
atypischen Zellen. Der insgesamt symmetrisch aufgebaute Tumor dehnt sich bis ins tiefe
Fettgewebe aus. Es finden sich großvolumige, gut abgegrenzte Zellkomplexe mit auffallend
stark granuliertem hellen Zytoplasma (Abb. [3 ]). Die Zellkerne sind eher klein, zentral gelagert. Mitosen lassen sich nicht nachweisen.
Zwischen diesen Tumorzellkonvoluten finden sich gewundene Bindegewebszüge, die den
Anschein von Nervenscheiden wiedergeben. Immunhistochemisch zeigt sich eine mäßig
positive Reaktion auf S 100 Protein, negative Reaktion auf HMB 45, positive Reaktion
auf Neurofilamente.
Abb. 3 Granulierte Zellen mit eosinophilem Zytoplasma (siehe Pfeil).
Diagnose
Diagnose
Granularzellmyoblastom. Der Tumor ist in toto exzidiert. Kein Nachweis eines malignen
Melanoms oder einer Malignommetastase.
Kommentar
Kommentar
Granularzelltumoren (GZT) wurden erstmals von dem russischen Pathologen Abrikossoff
1926 beschrieben [1 ]. Bis heute lässt sich die Histogenese dieser seltenen Tumoren trotz moderner immunhistochemischer
Verfahren letztlich nicht eindeutig erklären. Beleg hierfür ist auch die Vielzahl
von über 20 Synonymen für diesen Tumor in der Literatur (u. a. „Granularzellmyoblastom”,
„Granularzellschwannom”, „Abrikossoff-Tumor”) [2 ]
[3 ]
[4 ].
GZT sind zu über 97 % gutartig [3 ] und wachsen meist solitär. Multiple GZT wurden selten beschrieben [5 ]. Am häufigsten betroffen ist die Haut, gefolgt von den Schleimhäuten der Mundhöhle,
besonders an der Zunge. Bei den inneren Organen überwiegt der Befall des Ösophagus
[6 ]
[7 ]. Die Größe der Tumoren variiert in der Literatur von 0,5 bis 6 cm Durchmesser [2 ]. Die Tumoren an der Haut wachsen langsam und sind mit Ausnahme der Lokalisation
an den Fingern [8 ] für die Patienten asymptomatisch.
Übereinstimmend in der Literatur lassen sich folgende histologische Merkmale feststellen:
Eosinophiles Zytoplasma mit PAS-positiven Granula, ovale bis spindelige Zellen mit
zentral gelegenen Kernen, Orientierung der Tumorzellen an myelinisierten Nervenbündeln,
wobei auch eine Infiltration in Nervenscheiden beschrieben wurde, Abgrenzung des Tumors
mit einer Membran [3 ]
[4 ]
[9 ].
Immunhistochemische Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass GZT ihren Ursprung
am ehesten aus neuronalen Zellen nehmen: Besonders die neural-assoziierten Antigene
S-100-Protein sowie Vimentin zeigen in fast allen Fällen einen positiven Befund [10 ]
[11 ]. Allerdings gibt es gerade in der jüngsten Zeit auch Einzelfallberichte über S-100-negative
GZT bzw. abweichende immunhistochemische Befundkonstellationen [12 ]
[13 ].
Wegen der - wenn auch seltenen - Möglichkeit von malignen Verläufen [14 ] sollten GZT möglichst in toto exzidiert werden. Ist dies ausnahmsweise nicht möglich,
ist eine klinische Verlaufskontrolle erforderlich. Intraläsionale Glukokortikoidinjektionen
sollen in Einzelfällen zur Tumorregression führen können [15 ].
Die Seltenheit des Granularzelltumors kann, wie in diesem Fall, zu erheblichen differenzialdiagnostischen
Schwierigkeiten Anlass geben, da das klinische Bild nicht diagnostisch ist und bei
anderen gleichzeitig bestehenden Tumoren sogar der Verdacht auf eine amelanotische
Metastase eines malignen Melanoms entstehen kann, auch wenn bekannt ist, dass ein
malignes Melanom zum Zeitpunkt der Erstdiagnose selten bereits fernmetastasiert ist
[16 ].