Osteosynthese International 2001; 9(Suppl. 2): S57-S59
DOI: 10.1055/s-2001-17074
Grenzindikationen von Osteosyntheseverfahren: Schrauben - Marknagel - Platte

J.A.Barth Verlag in Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co.KG

Der Verriegelungskompressionsnagel (IC-Nagel) zur Behandlung von Pseudarthrosen und Gelenkdestruktionen der unteren Extremität

M. Bühler, B. Gilberger, M. Börner
  • BG Unfallklinik, Frankfurt/M.
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Publication Date:
12 September 2001 (online)

Am 09. 11. 1939 wurde von Gerhard Küntscher die erste intramedulläre Osteosynthese durchgeführt. Sein Grundgedanke zur Mechanik und Biologie der Frakturversorgung bestand in der Durchführung der gedeckten Reposition unter Erhalt des Frakturhämatoms mit anschließender Retention. Diese Prinzipien haben heute weiterhin Bestand. Zwei wesentliche Voraussetzungen mußten vor Durchführung der Nagelung erfüllt werden:

Herstellen eines zylindrischen intramedullären Raumes durch Aufbohrung, danach Einbringen eines Implantates, mit Verklemmung in der zuvor geschaffenen Röhre.

Die von Küntscher durchgeführte Nagelung der langen Röhrenknochen fand Anwendung bei der Behandlung von Querfrakturen und kurzen diaphysen Schrägfrakturen ohne langstreckige Trümmerzone. Im weiteren Verlauf erfuhr die Marknagelung eine Indikationserweiterung, denn Klemm und Schellmann führten die Verriegelung des Marknagels ein. Die Einsatzmöglichkeiten des Nagels konnten nun ausgeweitet werden, zum einen auf die Behandlung von Frakturen im metaphysären Bereich sowie auf Frakturbehandlung auch bei langstreckigen Mehrfragmentfrakturen. Dies konnte jetzt erfolgen ohne den Verlust von Länge bei gleichzeitiger Rotationsstabilität.

In der weiteren Entwicklung war es dann allgemein akzeptiert, daß extensive Aufbohrung bis in die Kortikalis hinein vermieden werden sollte. Es erfolgte die Entwicklung eines neuen Nagelsystemes.

Ich berichte über den sogenannten IC-Nagel. ICN steht für Interlocking Compression Nail. Dieser Nagel stellt einen Marknagel der dritten Generation dar, bei dem in der Regel proximal und distal verriegelt wird.

Er ist als hoch stabiles, ungeschlitztes Rohr ausgeführt und ermöglicht so die bewährten Techniken der Reposition und Implantation über Führungsdraht. Da die kortikale Aufbohrung nicht erforderlich ist, werden die endostalen Gefäße nicht verletzt. Der IC-Nagel bietet zusätzlich die Möglichkeit, fakultativ eine aktive kontrollierte interfragmentäre Kompression zu erzeugen. Das Implantat steht in je einer Ausführung für Femur und Tibia zur Verfügung. Für erweiterte Nagelindikationen bei weit distal gelegenen Frakturen oder auch zur Arthrodese des oberen und unteren Sprunggelenkes steht eine weitere Version des Tibianagels mit distaler Verriegelungsmöglichkeit zur Verfügung (IC-Nagel, distal fracture). Der Standard Tibia-Nagel hat einen Durchmesser von 10 mm, der Standard Femur-Nagel einen Durchmesser von 11 mm. Der IC-Nagel kann auf drei verschiedene Arten verriegelt werden:

Statische Verriegelung mit aktiver Vorkomprimierung, Dynamische Verriegelung mit aktiver Vorkomprimierung, Dynamische Verriegelung ohne aktive Vorkomprimierung.

zu 1.: Die statische Verriegelung mit aktiver Komprimierung wird für alle Frakturen ohne axiale Stabilität genutzt, also insbesondere für Mehrfragmentfrakturen und für Frakturen mit langstreckigen Defektzonen.

zu 2.: Die aktive Kompression nach dynamischer Verriegelung ist einsetzbar zur Behandlung von Korrekturosteotomien nach entsprechender Kortikotomie mit anschließender Derotation, bei der Behandlung von Pseudarthrosen oder auch zur Durchführung von Arthrodesen im Kniegelenk, im oberen und unteren Sprunggelenk.

zu 3.: Die dritte Anwendungsmöglichkeit des IC-Nagels besteht in dem Einsatz als dynamischer Verriegelungsnagel, dies ist möglich aufgrund des proximal geschlitzten Loches. Hierbei wird keine Schubschraube eingesetzt, die Belastung der Extremität und damit die postoperative Kompression wird vom Patienten selber ausgeführt.

Literatur

  • 1 Baas N, Gonschorek O, Beickert R, Bühren V. Entwicklung eines neuen Marknagels mit internem Kompressionsmechanismus zur Behandlung von Oberarmpseudarthrosen.  Hefte Unfallchir. 1999;  275 35
  • 2 Bühren V. Kompressionsmarknagelung langer Röhrenknochen.  Unfallchirurg. 2000;  103 708-720
  • 3 Gonschorek O, Hofmann G O, Kirschner M H, Bühren V. Hochstabile Versorgung von Unterschenkelfrakturen durch Kompressionsmarknagelung.  Osteosynthese Intern. 1999;  7 (Suppl 2) 92-94
  • 4 Kaessmann H J. Stabile Osteosynthese durch den Kompressionsnagel.  Chirurg. 1966;  37 272-276
  • 5 Mittelmeier W. Biomechanische Untersuchungen zur Primärstabilität der intramedullären Kompressionsosteosynthese am Femur. Habilitationsschrift. Technische Universität München, Fakultät für Medizin 1999
  • 6 Olerud S. Intramedullary nailing after reaming.  Acta Orthop Scand. 1970;  (Suppl) 134-139
  • 7 Ritter G. Kompressionsosteosynthesen mit dem neuen AO-Universalnagel. Funktionsprinzip und biomechanische Voraussetzungen.  Unfallchirurg. 1991;  94 9-12

Dr. med. Matthias Bühler

BG Unfallklinik Frankfurt am Main

Friedberger Landstraße 430

D-60389 Frankfurt am Main