Es geht doch auch ohne embryonale Stammzellen! Und es geht sogar mittels Herzkatheter!
Die Düsseldorfer Arbeitsgruppe um Strauer hat eindrucksvoll demonstriert, dass am
infarktgeschädigten Herzen eine Gewebeneogenese offensichtlich unter Verwendung der
körpereigenen Stammzellen aus dem Knochenmark des betroffenen Patienten nach intrakoronarer
Applikation möglich ist.
Es geht also auch beim Menschen und nicht nur bei Mäusen, dass ein schwer geschädigter
linker Ventrikel neue Kraft entwickelt aus den eigenen pluripotenten Zellen, die zu
neuem Herzgewebe erwachsen. Ähnliche Resultate wurden für den intramyokardialen Einsatz
von gezüchteten peripheren Skelettmuskelzellen bisher am Menschen erzielt.
Die Ergebnisse der Untersuchungen von Strauer und Mitarbeitern (vgl. dieses Heft,
S. 932) zeigen erstmals, dass eine Infarkttherapie am Menschen mit der dargestellten
PTCA-Technik möglich und klinisch erfolgreich sein kann. Die autologe Stammzelltransplantation
mittels selektiver Herzkathetertechnik kann zur Regeneration der Narbe nach transmuralem
Myokardinfarkt führen. Ursächlich hierfür dürfte eine Kardiomyo- und Angiogenese sein.
Die Neo-Perfusion und Vitalitätsverbesserung in der vorher avitalen Infarktzone hat
bei dem behandelten 46-jährigen Patienten zu einer erheblichen Abnahme der Infarktgröße
und zu einer deutlichen Verbesserung der Ventrikelfunktion und der Geometrie des Herzens
in Ruhe und unter Belastung geführt.
Es funktioniert also mit körpereigenen Stammzellen, die nach entsprechender Präparation
und Anreicherung mittels eines neuen Katheterverfahrens im Infarktgebiet und seinen
Randzonen deponiert werden. Die dargestellte Niedrig-Druck-PTCA mit temporärer Okklusion
des Infarktgefäßes und fraktionierter Überdruckinjektion der Stammzellsuspension ermöglicht
die Deponierung in das betroffene Gewebe, ohne dass ein herzchirurgisches Vorgehen
mit Thorakotomie und intramyokardialer Zellinjektion oder eine transkoronare bzw.
transmyokardiale Injektionstechnik erforderlich ist.
In der kardiologischen Forschung ist nun ein weiterer sehr großer Schritt getan. Natürlich
sind noch viele Fragen offen, die beantwortet werden und klinische Studien initiieren
müssen, zum Beispiel:
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Wieviele Zellen sind zur Transplantation überhaupt nötig?
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Kann die Geweberegeneration durch Wachstumsfaktoren weiter verbessert werden?
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bildet sich aus den Stammzellen wirklich nur das Gewebe, das benötigt wird?
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Ist eine »Vorbehandlung« der autologen Stammzellen vor Transplantation sinnvoll, z.B.
mit endothelialen Wachstumsfaktoren?
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Welche Rolle spielt das Alter der Patienten?
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Ist nach Transplantation »enhanced environment« (starke körperliche oder pharmakologische
Belastung) angezeigt, oder eher Ruhigstellung?
Welch phantastische Möglichkeiten eröffnen sich für die Kardiologie, aber auch für
andere Gebiete, wenn nun besonders aufbereitete körpereigene Stammzellen mittels Katheterverfahren
zur Therapie in die betroffenen Organe appliziert werden können. Dies dürfte erst
der Auftakt einer grundlegend neuen Therapieentwicklung sein. Eine vor wenigen Jahren
noch als utopisch betrachtete Behandlung eines defekten Organs ist durch einen intelligenten
Ansatz mit einer klar konzipierten Vorgehensweise, hier der intrakoronaren autologen
Stammzelltransplantation erstmalig erfolgreich durchgeführt worden.
Realisiert wurde das durch eine vorbildliche interdisziplinäre Zusammenarbeit. Es
geht also auch bei uns mit der klinischen Forschung auf höchstem Niveau! Es ist uns
allen zu wünschen, dass die konsequente Fortentwicklung dieser Technik nicht nur in
der Kardiologie die Diskussion um die embryonale Stammzellforschung in einem weiten
Bereich erübrigt. So werden erfolgreiche Alternativen aufgezeigt. Die Versprechungen
von skrupellosen Embryonenforschern, die ohne klares klinisches Ziel klonen und experimentieren
sind inzwischen unerträglich. Bemerkenswerterweise haben gerade die Amerikaner mit
ihrem Verbot nun ein klares Zeichen gegeben. Die biotechnologische Revolution kann
auch ohne embryonale Stammzellen stattfinden, wenn die Alternativen entwickelt werden.
Da diese Daten klinisch äußerst relevant, hochinnovativ und aktuell sind, war natürlich
auch eine rasche Publikation angezeigt. Die DMW freut sich, diese Arbeit innerhalb
von 28 Tagen nach Eingang einschließlich »peer review« und Revision veröffentlichen
zu können. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass dank der konsequenten qualitativen
Fortentwicklung unserer Zeitschrift in den letzten Jahren, die DMW an »alte« Zeiten
anknüpfen kann und Pionierarbeiten der klinischen Forschung aus dem deutschsprachigen
Raum wieder hier veröffentlicht werden. Entgegen dem allgemeinen Trend deutschsprachiger
Medizinzeitschriften ist übrigens auch der Impact factor der DMW in den letzten Jahren
wieder kontinuierlich angestiegen. Es geht doch auch noch auf Deutsch! Der volle Text
der Arbeit ist natürlich auch in englischer Sprache im Internet (http://www.thieme-connect.de)
nachzulesen. Ein weiterer Zugang führt über http://www.thieme.de/dmw. Dort haben wir
eine Direktverbindung von der Startseite auf den Beitrag eingerichtet.