1922 wurde der Grundstein zur Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten der damaligen
Thüringer Landesuniversität in der Erfurter Straße gelegt. 1924 nahm die Klinik ihre
Arbeit auf. Dieses Gebäude beherbergt nunmehr 75 Jahre die Universitäts-Hautklinik
Jena [4]. Seit 1999 trägt die Klinik laut Strukturplan der Fakultät die Bezeichnung „Klinik
für Dermatologie und Allergologie”. Während in vorangegangenen Publikationen ein ausführlicherer
geschichtlicher Abriss zur Entwicklung der Dermatologie, zu den Ordinarien und dem
Aufbau der Klinik gegeben wurde [12]
[13], soll in der vorliegenden Arbeit das Augenmerk auf die jüngste Geschichte gelegt
werden. Insbesondere gilt es, die wissenschaftliche Publizistik zu analysieren, die
ein wichtiges, wenn auch nicht unumstrittenes Maß der wissenschaftlichen Produktivität
verkörpert [2]
[5]
[6]. Wissenschaftliche Publizistik macht Forschung öffentlich. Moderne Datenbanken ermöglichen
Vergleiche und Analysen.
Methodik
Als bibliografische Grundlage dienten die internationale Datenbank MEDLINE sowie die
jährlichen Forschungsberichte der Klinik 1970 - 99. Bücher und Monografien, Habilitations-
und Dissertationsschriften fanden keine Berücksichtigung. Die Qualitätsbeurteilung
erfolgt mit dem Impact-Faktor (ISI Philadelphia). Der Einfachheit halber wird für
die Berechnungen der Impact-Faktor von 1997 zugrunde gelegt. Für die Vergleiche unterschiedlicher
Kliniken werden ausschließlich die in MEDLINE aufgeführten Arbeiten verwendet, obwohl
sich daraus eine Unterbewertung ergeben kann. So findet sich beispielsweise die Zeitschrift
„Allergologie” nicht in MEDLINE, obwohl sie einen Impact-Faktor besitzt und von den
allergologischen Arbeitsgruppen Deutschlands häufig für Publikationen genutzt wird.
Statistische Auswertungen erfolgen mittels zweiseitigem t-Test. Ein p < 0,05 wird
als signifikant angesehen. Korrelationen wurden mit der Methode nach Pearson errechnet.
Ergebnisse
Publikationszahl
In den Jahren 1970 - 1990 lag die durchschnittliche jährliche Publikationszahl bei
13 in MEDLINE erfassten Arbeiten ( Maximum 29 Arbeiten 1990). 1992 bis 1996 wurden
insgesamt 25 Arbeiten in MEDLINE erfasst (Durchschnitt 5). Dieser Abfall ist vor allem
durch das Auslaufen der regelmäßigen Publikation der Dermatologischen Monatsschrift
als eigenständiger Zeitschrift zu erklären. Einen deutlichen Zuwachs gab es in den
Jahren 1997 - 1999 mit insgesamt 119 Arbeiten (1997 - 1999 i. Vgl. zum Zeitraum 1970
- 1996; p < 0,001).
Das Verhältnis von MEDLINE-referierten Artikeln zur Gesamtzahl wissenschaftlicher
Publikationen lag 1999 bei 1:2, 1989 bei 1:10. Der Anteil der Beiträge in Journalen
mit einem Impact-Faktor > 1 stieg rascher an als die Zahl aller MEDLINE-referierten
Artikel.
Wissenschaftliche Schwerpunkte
In den Jahren 1970 bis 1990 wurden drei Viertel aller Arbeiten auf klinischem Gebiet
verfasst, ein Viertel widmete sich eher experimentellen Themen. Die Forschung auf
dem Gebiet der Kollagenosen und der Psoriasis hatte in den frühen 70er Jahren die
tragende Rolle gespielt. Mit dem Weggang der Arbeitsgruppe von N. Sönnichsen nach
Berlin brach die Entwicklung ab. Erst Mitte der 80er Jahre waren diese Arbeitsgebiete
wieder zu den wichtigsten Forschungsschwerpunkten der Klinik geworden (Knopf). Weiterhin
bestand in den späten 70er und frühen 80er Jahren eine kleine onkologische Arbeitsgruppe
(Wätzig, Knopf).
Den deutlichsten Zuwachs an Publikationszahlen zeigte die Andrologie/Sexualmedizin
(1970 - 1975 - < 1 %; 1976 - 1980 - 8 %) unter E. Günther. Auch in den letzten Jahren
hatte die Arbeitsgruppe trotz personeller Verkleinerung einen stabilen Anteil an der
wissenschaftlichen Aktivität der Klinik (Schreiber).
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands setzte eine komplette Veränderung der Rahmenbedingungen
wissenschaftlichen Arbeitens ein. Geht man lediglich nach der Anzahl der erfassten
Publikationen, so zeigten die Gebiete Allergologie/Berufsdermatologie (Elsner) und
Onkologie/operative Dermatologie (Wollina) den deutlichsten Zuwachs. Im Zeitraum von
1997 - 1999 wird die allergologisch/berufsdermatologisch ausgerichtete Forschung zur
tragenden Säule der Klinik. Allein im letzten Jahr finden sich zu diesen Themen 20
Publikationen, größtenteils in MEDLINE referiert (Onkologie/Wundheilung - 15; Andrologie/Endokrinologie
- 4).
Es haben sich die folgenden Felder als Kernkompetenzen erwiesen: Allergologie/Berufsdermatologie/Hautphysiologie,
Dermatologische Onkologie/Wundbehandlung und Andrologie/Endokrinologie. Ausgehend
von den Kernkompetenzen sind neue Arbeitsgebiete etabliert worden, die teils eine
erhebliche Dynamik kennzeichnet: Telemedizin, Vulva- und Haarerkrankungen, Dermatopharmakologie
und Dermatokosmetik. Dem Gebiet Haare/Nägel waren 1997-1999 allein 8 Arbeiten gewidmet.
Qualität der Publikationen
Ein direkter Vergleich ist über den Zeitraum von 1970-99 schwierig. Zum einen waren
die Publikationsmöglichkeiten in der ehemaligen DDR durch Restriktionen erheblich
eingeschränkt und die Auswahl des Publikationsorgans nach Wichtung des Impact-Faktors
spielte seinerzeit keine Rolle. Zum anderen hatten sich die materiellen Grundlagen
der Forschung an den Kliniken besonders in den 80er Jahren zunehmend verschlechtert.
Von 1970 - 1990 erschien die ganz überwiegende Zahl der Arbeiten in der Dermatologischen
Monatsschrift und in deutschsprachigen Zeitschriften. In den letzten drei Jahren wurden
bereits über 50 % aller Arbeiten in internationalen Journalen publiziert. Die Liste
der am häufigsten genutzten Journale zeigt Tab. [1].
Tab. 1Die Journale, in denen die Mitarbeiter der Universitäts-Hautklinik Jena 1997-1999
am häufigsten publizierten. Bei gleicher Publikationszahl erhält die Zeitschrift mit
dem höheren Impact-Faktor den höheren Rang. Impact-Faktor 1997
| Rang |
Journal |
Impact-Faktor |
Zahl der Publikationen |
| 4 |
Acta Dermato-Venereologica |
1,091 |
7 |
| 7 |
Allergy |
2,015 |
5 |
| 9 |
British Journal of Dermatology |
1,838 |
5 |
| 2 |
Contact Dermatitis |
1,130 |
12 |
| 1 |
Dermatology |
0,719 |
16 |
| 3 |
Der Hautarzt |
0,487 |
9 |
| 5 |
Deutsche Medizinische Wochenschrift |
0,756 |
7 |
| 10 |
Journal of Investigative Dermatology |
4,584 |
4 |
| 6 |
Pediatric Dermatology |
0,381 |
6 |
| 8 |
Journal of the American Academy of Dermatology |
1,891 |
5 |
Für den Impact-Faktor ergibt sich folgendes Bild: In den Jahren von 1970 bis 1975
lag der durchschnittliche jährliche kumulative Impact-Faktor (JKIF) unter 5, er fiel
in der zweiten Hälfte der 70er Jahre auf nahe Null (JKIF < 1). Erst Mitte der 80er
Jahre erschienen wieder einzelne Beiträge in internationalen Journalen (JKIF 1983
- 1991 < 5).
1991 - 1994 hatte sich ein nahezu kompletter Personalwechsel vollzogen, der zunächst
das Interesse auf den Erhalt der klinischen Leistungsfähigkeit lenkte und das Interesse
an wissenschaftlicher Arbeit minderte. Dennoch kam es 1992 zu einem gewissen Aufschwung
und der kumulative JKIF stieg über 8. In der zweiten Hälfte der 90er ergibt sich ein
deutlich positiveres Bild mit einem durchschnittlichen JKIF (1997 - 1999) von 49 (Differenz
zu 1970 - 1991 hochsignifikant; zweiseitiger t-Test; p < 0,001).
Wo wird publiziert?
Dermatologische Arbeiten wurden ganz überwiegend in dermatologischen Zeitschriften
publiziert. Vor 1991 sind etwa 80 % der MEDLINE-referierten Arbeiten in der Dermatologischen
Monatsschrift erschienen. Auch in den 90ern dominieren dermatologische Zeitschriften
(Tab. [1]), was die Anzahl der Publikationen betrifft. Die Vielfalt hat allerdings zugenommen.
Ein deutlicher Anteil von 38 % des JKIF rekrutiert sich jedoch aus Publikationen in
nicht-dermatologischen Journalen. Die drei am häufigsten genutzten Zeitschriften der
Jahre 1970 - 1999 sind Tab. [2] zu entnehmen.
Tab. 2Die am häufigsten genutzten MEDLINE-referierten Publikationsorgane für die Universitäts-Hautklinik
Jena in den Jahren 1970 - 1999
| Jahrgänge |
Zeitschriften |
| 1 970 - 1 975 |
Dermatologische Monatsschrift, Das Deutsche Gesundheitswesen, Acta Biologica Medica |
| 1 976 - 1 980 |
Dermatologische Monatsschrift, Das Deutsche Gesundheitswesen, Zentralblatt Gynäkologie |
| 1 980 - 1 985 |
Dermatologische Monatsschrift, Hautarzt, Allergie und Immunologie (Leipzig) |
| 1 986 - 1 990 |
Dermatologische Monatsschrift, Zeitschrift für Hautkrankheiten, Archives of Dermatological
Research |
| 1 991 - 1 995 |
Hautarzt, Archives of Dermatological Research, Histology and Histopathology |
| 1 996 - 1 999 |
Dermatologica, Contact Dermatitis, Hautarzt |
Die folgenden Zeitschriften trugen mehr als 9 Punkte zum kumulativen Impact-Faktor
der Jahre 1997 - 1999 bei: Journal of Investigative Dermatology (18,336), Acta Dermato-Venereologica
(7,637), Journal of Clinical Investigation (9,667), Journal of the American Academy
of Dermatology (9,455).
Diskussion
Das wissenschaftliche Renommee dermatologischer Kliniken ist für das Selbstverständnis
des Fachgebietes von ebenso großer Bedeutung wie für die Position innerhalb der medizinischen
Disziplinen [1]
[2]
[4]
[5]
[6]
[10].
Die Nutzung internationaler Datenbasen erlaubt es, die Dynamik der Veränderungen des
Publikationsverhaltens und der Qualität der Veröffentlichungen zu analysieren [1]
[2]
[3]
[4]. Dabei ist weniger die Zahl der Publikationen ausschlaggebend als vielmehr bibliometrische
Werkzeuge wie der Impact-Faktor, der Science Impact Index und der Zitations-Index
[2]
[4]
[8]. Eine fachspezifische Normung ist sinnvoll. So lag der mittlere Science Impact Index
für westdeutsche Dermatologen 1990 bei 2,5 [8].
Über Sinn und Unsinn dieser Werte ist an anderer Stelle ausführlich diskutiert worden
[2]
[3]
[7]
[8]. Die Verwendung des Impact-Faktors zum Vergleich von Wissenschaftlern und Institutionen
ist nicht ohne Probleme und Widersprüche. „Impact factor is not a perfect tool to
measure the quality of articles but there is nothing better and it has the advantage
of already being in existence and is, therefore, a good technique for scientific evaluation”
[4].
Von speziellem Interesse ist eine Publikationsanalyse, wenn sich innerhalb kurzer
Zeiträume die Bedingungen, unter denen Wissenschaft ausgeübt wird, ändern. Dies war
für das Gebiet der ehemaligen DDR durch den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung
Deutschlands der Fall. Exemplarisch sollte an der jüngeren Wissenschaftsgeschichte
der Universitäts-Hautklinik Jena dieser Wandel dargestellt werden. Hinsichtlich ihrer
Größe, des Personalbestandes und der technischen Ausstattung war sie mit anderen Universitäts-
und Akademie-Kliniken der ehemaligen DDR vergleichbar. Sie zählte allerdings zu den
kleineren Häusern bezüglich ihrer Bettenzahl.
Bei guter Ausgangsposition Anfang der 70er Jahre hatte die wissenschaftliche Publizistik
in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts einen Tiefpunkt erreicht. In den 80er Jahren
erhöhte sich zwar die Zahl der Publikationen [11], zu einer signifikanten Steigerung der wissenschaftlichen Qualität gemessen am kumulativen
Impact-Faktor kam es jedoch erst in den 90ern. Mit der Konzentration auf Kernkompetenzen
der Klinik, materielle Verbesserungen in der Grundausstattung und internationale Kooperationen
gelang es, die Leistungsfähigkeit erheblich zu verbessern. So konnte auch in Journalen
mit hohem Impact-Faktor publiziert werden. Allerdings bedarf eine solche Entwicklung
der Schaffung einer guten Basis-Ausstattung an Personal und Forschungslaboratorien.
Ist der Qualitätssprung von allen ostdeutschen Universitäts-Hautkliniken gleichermaßen
vollzogen worden? Von den sieben ostdeutschen Universitäts-Hautkliniken (außer Berlin)
wurden 1997 - 1999 im Durchschnitt 36 Publikationen (MEDLINE-referiert) mit einem
mittleren kumulativen Impact-Faktor von 39 veröffentlicht (Quotient 0,92). Überdurchschnittliche
Publikationszahlen erreichten Leipzig, Magdeburg und Jena. Kumulative Impact-Faktoren
von über 39 haben Magdeburg und Jena. Die höchsten Werte für den durchschnittlich
erzielten Impact-Faktor pro Publikation weisen Greifswald, Magdeburg und Jena auf.
Dieses Ranking bleibt erhalten, wenn nur das Jahr 1999 betrachtet wird.
Vor einer Simplifizierung in der Auslegung der Daten sei ausdrücklich gewarnt. Es
gibt engagierte Wissenschaftler an allen Kliniken. Von Bedeutung für deren Entwicklung
ist aber gewiss die Wissenschaftslandschaft, in der sich die einzelne Klinik findet.
Offensichtlich zeichnet sich eine zunehmende Diversifikation der Entwicklungsbedingungen
und des daraus resultierenden Leistungsvermögens ab.
Die Region Jena ist Dank der Bemühungen von Land, Bund, Unternehmen und Stiftungen
eine besonders florierende Wissenschaftslandschaft, wovon die Dermatologie durch vielfältige
Kooperationen auch besonders profitiert.
Insgesamt zeigt sich eine positive Korrelation von Publikationszahl und kumulativem
Impact-Faktor. Höhere kumulative Impact-Faktoren werden derzeit noch stärker durch
eine erhöhte Anzahl von Publikationen und nicht durch eine Dominanz der High-Impact-Journale
erzielt. Es ist anzunehmen, dass in Zukunft die stärkste Differenzierung durch den
Zugang zu High-Impact-Journalen und nicht durch extensive Steigerung der Publikationszahlen
zu erwarten ist.