Deutsche Zeitschrift für Akupunktur 2001; 44(2): 96-101
DOI: 10.1055/s-2001-14480
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Karl F. Haug Verlag in MVH Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co. KG

Die Erweiterung der Nachkommenschaft - ein Thema der chinesischen Medizin im Wandel der Zeit

The Procreation of Descendants - a Theme of Chinese Medicine through the AgesAndrea Mercedes Riegel
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Zusammenfassung

In der konfuzianisch geprägten chinesischen Gesellschaft spielte die Zeugung von Nachkommen, und vor allem die männlichen Geschlechts, eine herausragende Rolle. Dementsprechend groß war das Interesse der Medizingelehrten aller Epochen, zum Thema der Zeugung von Nachkommenschaft Stellung zu beziehen. Eine wesentliche theoretische Basis bildeten für sie das Yijing (Buch der Wandlungen) sowie die in jeder Epoche vorherrschenden philosophischen Strömungen. In der Frühzeit und im chinesischen Mittelalter betrachteten die Medizingelehrten ausnahmslos den weiblichen Organismus als die einzig verantwortliche Größe für die Nachkommenschaft. Erst in der Mingzeit (14.-17. Jh.) unter dem Einfluss der neokonfuzianischen Strömungen jener Zeit machten es sich eine Reihe von Medizinern zur Aufgabe, Monographien zum Thema der Erweiterung der Nachkommenschaft zu verfassen. Die Autoren dieser Fachwerke zur Erweiterung der Nachkommenschaft (guangsi) beschrieben die Zeugung von Nachkommen im wesentlichen als physisches und vor allem moralisches Problem des männlichen Ehepartners.

Die Entwicklung der medizinischen Theorien zum Thema Fruchtbarkeit und Empfängnis in der chinesischen Medizingeschichte ist von daher ein treffliches Beispiel für die Interdependenz zwischen Philosophie und Empirie in der traditionellen chinesischen Medizin.

Abstract

In traditional chinese society the procreation of descendants and before all of male descendants played an important role. So the physicians of all times were interested in researches related to this subject. They based their theories mostly on the book of changes and the philosophical main streams of their times. In early times and during the chinese Middle Age the physicians considered the female organism exclusively responsible for procreation. It was not before the Ming dynasty that a number of physicians influenced by the neoconfucian thought of their time began to write monographies about the proliferation of descendancy. The authors of these monographies thought the procreation of descendants a physical and moral problem of the part of the husband.

The development of medical theories about fertility and conception in chinese medical history is in this respect an excellent example for the interdependance of philoosphy and medical experience in chinese medicine.

Literatur

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1 Li Dongyuan oder Li Gao (1110-1200) war einer der vier großen Ärzte der Mongolenzeit. Er war der Gründer der “Schule des Stützens der Erde” (butu pai). Das hier aufgeführte Zitat ist verloren.

2 Yijing (jici shangchuan). Wilhelm 1976: 264.

3 Yijing (tiangua). Wilhelm 1976: 342.

4 Yijing (kungua). Wilhelm 1976: 356.

5 Dies sind die Leitbahnen Taiyang, Yangming und Shaoyang der Hand und des Fußes, d.h. von Dünndarm, Blase, Dickdarm, Magen, Sanjiao und Gallenblase. Alle diese Leitbahnen durchziehen Kopf und Gesicht.

Dr. phil. Andrea Mercedes Riegel

Mannheimer Str. 40, D-68723 Oftersheim